Wunder vom Standpunkt wissenschaftlicher und christlicher Weltanschauung
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Wunder vom Standpunkt wissenschaftlicher und christlicher Weltanschauung
Dieser Artikel beschreibt die Unlogik der atheistischen Definition des Begriffs „Wunder" und stellt die verschiedenen Bemühungen dar, die Philosophen unternommen haben, um die Möglichkeit bzw. Unmöglichkeit von Wundern zu erklären. Der Autor beweist überzeugend, dass nur die Religionsphilosophie die richtige Antwort auf die Frage nach der Möglichkeit und dem Sinn von Wundern geben kann.
Keine Religion kann ohne den Glauben an Wunder existieren. Das Christentum bildet hier sicherlich keine Ausnahme. Und mehr noch - es kann gesagt werden, dass das Christentum auf dem Glauben an Wunder begründet ist, und zwar an das Wunder daran, dass Gott Fleisch angenommen hat, am Kreuz gestorben und auferstanden ist. Sowohl die Evangelien als auch die Apostelgeschichte sind voller Wunder. Auch die Heiligen Väter und Kirchenlehrer, Märtyrer und Asketen wurden mit der Gabe beschert, Wunder zu vollbringen. Also ist ein Wunder für einen Christen nicht nur eine entfernte Geschichte, sondern sein ganzes Leben. Denn was ist, zum Beispiel, ein Gebet anderes, als der Glaube daran, dass Gott für den Betenden ein Wunder tun kann? Daher ist es offensichtlich, dass es unmöglich ist, ohne den Glauben an Wunder ein wirklicher Christ zu sein.
Aber dieser einfache und verständliche Gedanke gebiert eine Menge an Zweifeln und Paradoxien. Wenn der Heiland selbst die Wunder getan hat, durch die ER den Glauben der Menschen daran, dass ER der Sohn Gottes ist, verstärkt und bestätigt hat, warum hat ER sich dann häufig auch geweigert, ein Wunder zu tun, und sogar die Menschen verurteilt, die immer nur nach Wundern verlangt haben? Und wofür tut Gott Wunder auf dieser Welt? Ist die von IHM geschaffene Welt wirklich so unvollkommen, dass Gott gezwungen wäre, sich immer wieder in die von IHM selbst eingesetzte Ordnung einzumischen und sie durch diese seine Interventionen zu korrigieren? In den letzten Jahrhunderten hat sich diese Auffassung der scheinbaren Anti-Rationalität von Wundern so verbreitet, dass fast allgemein die Überzeugung herrscht, dass es „keine Wunder gäbe", dass der Glaube an Wunder eine Folge entweder von Ignoranz oder eines bewussten Irrtums sei, und dass das Wachstum wissenschaftlichen Wissens schließlich dazu führen werde, dass es der Menschheit „wie Schuppen von den Augen falle" und sie auf religiöse Vorurteile verzichte. Davon, wie widersprüchlich diese Meinung ist (nicht paradox, aber eben widersprüchlich), soll im Weiteren gesprochen werden.
Um sich in all diesen Paradoxien und Widersprüchen zurechtzufinden, ist es erstens notwendig, exakt zu definieren, was ein Wunder ist, und, zweitens, zu schauen, wie der Glaube an Wunder in den generellen Weltanschauungskontext einer jeweiligen Epoche hinpasst, da es offenkundig ist, dass selbst dieser Glaube bzw. Nicht-Glaube durch viele Weltanschauungspostulate geprägt ist, die viel allgemeiner sind.
Definition des Wunders
Der Begriff des Wunders kommt einem so offensichtlich vor, dass er scheinbar gar keiner Definition bedarf. Daher ist es erstaunlich, wie sich die verschiedenen Definitionen widersprechen. Teilweise ist dies damit zu erklären, dass in einer solchen Definition auch Sätze enthalten sind, die über den Rahmen einer Definition als solche hinausgehen und eher theoretische Postulate sind - also etwas, das noch bewiesen werden muss.
Da das Wunder ein Phänomen des religiösen Lebens ist, kann der Begriff des Wunders entweder aus atheistischer oder aus religiöser Perspektive betrachtet werden. Die christliche Theologie behauptet, dass „Wunder auffallende Taten oder Ereignisse sind, die ihre wahre Ursache nicht innerhalb der natürlichen Kräfte und Gesetze der Natur, sondern in einer übernatürlichen Tat Gottes haben, die zur Erreichung dieser oder jener Ziele bewirkt wird"[1]. Der Nachteil dieser Definition besteht eben in der Tatsache, dass sie für einen Atheisten nicht annehmbar ist: es ist offensichtlich, dass wenn er die Existenz Gottes verneint, er auch die Existenz von Wundern verneinen wird. Also müsste die wahre Definition des Wunders jedem Menschen verständlich sein, auch einem, der sowohl die Existenz von Wundern als auch die Existenz Gottes verneint.
Laut der atheistischen Sichtweise nennt man ein „Wunder" nur das, was (noch) nicht wissenschaftlich erklärbar ist. Offensichtlich ist dies eigentlich auch keine Definition, denn in Wirklichkeit besagt sie nur, dass es keine Wunder gäbe, und dass im Prinzip jedes Wunder erklärt werden könne, zumindest in der Zukunft. Diese Definition setzt ein Vorwissen darüber voraus, was ein Wunder ist; dieses Vorwissen bedürfte dann aber selber einer Definition.
Ist es möglich, die Mängel dieser Definitionen zu überwinden und zu versuchen, herauszufinden, auf was sich sowohl diejenigen, die annehmen, dass Wunder realistisch sind, als auch diejenigen, die sie verneinen, im Verständnis dessen, was ein Wunder ist, einigen könnten? Versuchen wir, zu diesem Zweck Eigenschaften der als „wundersam" bezeichneten Ereignisse zu ermitteln, die beide Seiten akzeptieren würden.
1) Vor allem ist anzumerken, dass Wunder äußerst selten sind, und manche davon (z.B. die in den Evangelien erwähnten) sogar einzigartig sind. Diese Tatsache betonte beispielsweise der Newton-Anhänger Clarke[2], der diese Eigenschaft für die wichtigste beim Verständnis des Wunders ansah und an Leibniz schrieb, dass ein Wunder einfach ein selten beobachtbares Ereignis sei[3]. Leibniz entgegnete Clarke mit dem Hinweis, dass in diesen Fällen der Unterschied zwischen dem Wundersamen und dem Natürlichen verschwinde, da es auch unter den natürlichen Ereignissen einige gebe, die selten zu beobachten seien. „Letztendlich wird dann alles gleich natürlich oder eben gleich wundersam sein"[4], schrieb Leibniz.
Etwas früher, im 16. Jahrhundert, nannte auch P. Pomponazzi[5] die Seltenheit als die wesentliche Eigenschaft des Wunders: „Was Wunder betrifft, sind sie nicht daher Wunder, weil sie ganz gegen die Natur geschehen bzw. aus dem Rahmen der Ordnung der Himmelskörper herausfallen, sondern sie heißen deswegen Wunder, weil sie ungewöhnlich sind und durchaus selten stattfinden, nicht dem gewöhnlichen Gang der Natur folgen, sondern erst im Laufe langer Zeiträume singulär begegnen"[6]. Wird allerdings das, was selten geschieht, als Wunder angesehen - wie Cicero ironisch geschrieben hatte - wird damit auch ein weiser Mann zum Wunder[7]. Folglich ist die Seltenheit nicht die einzige Eigenschaft eines wundersamen Ereignisses. Sie ist nur die äußerliche Seite eines wundersamen Ereignisses. Daher bezeichnen wir sie als die phänomenologische Eigenschaft des Wunders.
2) Eine notwendige Eigenschaft eines Wunders ist seine Ungewöhnlichkeit. Ein Wunder zieht die Aufmerksamkeit der Menschen auf sich, es erstaunt, überrascht und macht verlegen. Ein Beispiel für eine solche Verwendung des Wortes ist beispielsweise der Ausdruck „die Sieben Weltwunder". Sicherlich sind die ägyptischen Pyramiden bzw. der Koloss von Rhodos eigentlich keine Wunder, aber kraft ihrer Auffälligkeit wurden sie zu Recht mit diesem Titel ausgezeichnet. Diese Eigenschaft des Wunders kann psychologisch genannt werden.
3) Ein Wunder überrascht den Menschen dadurch, dass es den gewöhnlichen Gang der Ereignisse unterbricht. Sehr häufig widerspricht es sogar scheinbar unerschütterlichen Naturgesetzen. Daher wird ein Wunder relativ oft definiert als „ein Ereignis, das den Naturgesetzen widerspricht"[8]. Deutlich zeigt diese Definition die Bestrebung, das Wesen des Wundersamen zu durchschauen. Deswegen möge dies als wesenhafte Eigenschaft des Wunders bezeichnet werden. Ein wundersames Ereignis widerspricht den Gesetzen (oder einem Gesetz) der Natur, und das genau ist es, womit es den Menschen überrascht. Das Wunder des Gehens auf dem Wasser und das Wunder der Himmelfahrt widersprechen deutlich dem Gravitationsgesetz, die Wunder der Heilung den Gesetzen der Medizin, das Wunder der Vermehrung der Brote dem Gesetz der Aufrechterhaltung der Materie, und das Wunder der Verklärung des Herrn allen denkbaren Gesetzen überhaupt. Gewiss wurden diese Erscheinungen von den anderen Erscheinungen begleitet, die entsprechend den Naturgesetzen geschahen. So flogen Brot und Fisch nicht in der Luft herum, sondern lagen in Körben; während der Himmelfahrt konnte Christus durch die Wolke nicht gesehen werden, und der auf dem Wasser gehende Heiland ging auf wallendem Meer.
Der rationale menschliche Verstand ist nicht fähig, diesen Widerspruch zu fassen und zu verstehen. Vom Standpunkt der Formallogik ist die von ihm gezogene „Entweder-oder"-Schlussfolgerung logisch. Entweder entspricht die ganze Welt den Gesetzen und es gibt keine Wunder, oder die ganze Welt ist wundersam, dann ist die Wissenschaft falsch und kann für das Heil der Seele nicht angewendet werden. Einerseits ist die wissenschaftlich-materialistische Weltanschauung, die Wunder verneint, ganz logisch, aber sie steht mit den zahlreichen Fakten der Wunder (sowohl der evangelischen als auch der modernen) nicht im Einklang. Also widerspricht ein Materialist, der Empfindungen für die primären und einzigen Quellen der Erkenntnis hält, sich selbst, indem er aufgrund rationaler Argumente die Glaubwürdigkeit einiger Erscheinungen verneint. Dabei ähnelt er dem von Tschechows beschriebenen Autor, der seinem Nachbarn, von Beruf Astronom, einen Brief über [die Unglaubwürdigkeit] der Sonnenflecken schickte. Andererseits können die Verneinung der Wissenschaft und der Glaube daran, dass Wunder realistisch sind, ebenfalls nicht der Kritik standhalten, denn die Errungenschaften von Wissenschaft und Technik sind allgemein bekannt und werden von allen benutzt - auch von denen, die ihre Nützlichkeit verneinen.
Diese Gegenüberstellung breitet sich nicht nur auf die materielle Welt aus. Viele Menschen, die zwar anerkennen, dass neben der sinnlichen Welt auch eine geistliche Welt existiert, aber nicht geübt sind, den anderen Realien konform zu denken, übertragen die Schlussfolgerungsmethoden der materiellen auf die gesamte Welt - sowohl die materielle als auch die geistliche. Was dabei herauskommt, ist durchaus bekannt: der Glaube an die allgemeine Gesetzmäßigkeit gebiert verschiedenartige astrologische Lehren, die den allgemeinen und vollkommenen Determinismus behaupten. Das Gegenteil ist auch möglich, wenn die Methode, die der geistlichen Welt eigen ist, auf die materielle Welt angewendet wird - so sind mit dem Glauben an die allgemeine Wundersamkeit sowohl Okkultismus als auch Dämonismus und Magie u.ä. verbunden.
Das heißt, dass von den drei Merkmalen des Wunders sein Widerspruch zu den Naturgesetzen sicherlich das stärkste ist. Daher ist es klar, dass es unmöglich ist, den Begriff des Wunders zu verstehen, ohne sich vor allem klar zu machen, was ein Naturgesetz ist.
Wunder und Entstehung der Wissenschaft der Neuzeit
Die Existenz von Naturgesetzen, die erkennbar und in mathematischen Formeln beschreibbar sind, ist eins der Hauptpostulate der modernen Wissenschaft. Es muss aber angemerkt werden, dass dieses naturwissenschaftliche Weltbild noch nicht besonders lange existiert und auch keineswegs von der gesamten Erdbevölkerung geteilt wird. Diese Weltanschauung entsprang in der Zeit, als die Wissenschaft in ihrer modernen Form entstand, also im christlichen Europa des 16. und 17. Jahrhunderts. Im buddhistischen Asien dagegen und in den moslemischen Ländern entstand keine derartige wissenschaftliche Weltanschauung. Dafür gibt es viele Gründe. Der Hauptgrund besteht darin, dass die Wissenschaft im Kampf mit der Aristotelischen Physik als Folge der Anwendung einiger Sätze des Christentums zum Verständnis der Natur entstand. Das Christentum verkündete den Menschen zum ersten Mal, dass unsere Welt einen Schöpfer, Fürsorger und Bewahrer hat und alles in der Welt nicht zufällig, nicht spontan und nicht chaotisch geschieht, sondern nach seinem Urwort, das als Naturgesetz verstanden wird. Die Aristotelische Physik hatte volles Vertrauen in die sinnliche Erfahrung gehabt, die uns nur über einzelne Erscheinungen Wissen übermittelt. Sie hatte die Anwendung der Mathematik in der Erkenntnis der Natur absolut ausgeschlossen, denn der Gegenstand der Mathematik (Etwas, was unselbstständig existiert und unbeweglich ist) unterscheidet sich komplett vom Gegenstand der Physik (Etwas, was selbstständig existiert und beweglich ist). Daher hatte es in der Aristotelischen Physik keinen Begriff eines mathematisch ausdrückbaren Naturgesetzes gegeben, denn erstens sei ein Gesetz als eine auf die ganze Welt anwendbare allgemeine Regel mit den Sinnen nicht erkennbar, und zweitens habe die Mathematik mit der Naturerkenntnis nichts zu tun. Es ist bezeichnend, dass kein altgriechischer Philosoph über Wunder als über ein Problem reflektiert hatte. Cicero, zum Bespiel, hatte die Existenz von Wundern generell abgestritten, indem er den Glauben daran durch seltene Zufälle und Unwissen über deren wahre Ursachen erklärt hatte. „Das, was nicht geschehen kann, geschieht nie, und was geschehen kann, ist kein Wunder"[9]. Sextus Empiricus[10], der im 2. Jahrhundert n. Chr. lebte und praktisch alle existierenden Beweise des Seins Gottes und ihre Widerlegungen analysierte, hatte ja nicht einmal erwähnt, dass ein Wunder auch ein solcher Beweis sein kann.
Dagegen war der Begriff des Naturgesetzes in der christlichen Theologie (die auf natürliche Weise auch die Lehre über Wunder mit eingeschlossen hatte) weit verbreitet. Der Heilige Hierarch Basilius der Große schrieb beispielsweise in der Hexaemeron[11]- Auslegung: „... in diesen Geschöpfen dient das Gesetz, das vom Verstand habenden Menschen kontemplativ erfasst ist, als eine Ergänzung zum Lobpreis des Schöpfers... und sie (die erschaffene Natur. - W.L.) bringt gemäß den in sie eingelegten Gesetzen einen harmonischen Lobgesang an den Schöpfer empor"[12]. Der Heilige Hierarch Gregor von Nazianz sagte, es existiere „das Gesetz Gottes, das für die ganze Schöpfung - sowohl die Sichtbare als auch die Übersinnliche - schön eingerichtet ist", und dass dieses „Gesetz... einst gegeben worden ist, aber nach wie vor wirkt"[13].
Zudem bleibt für die Menschen der Plan Gottes für die Welt kein absolutes Geheimnis. Erstens wissen wir darüber aus den Büchern der Heiligen Schrift und aus der Lehre der Kirche, wo Gott selbst uns in seine Pläne über die Welt einweiht. Zweitens kann der Mensch, als Ebenbild Gottes, einige seiner Gesetze erkennen, die er unserem Verstand öffnet. In der Neuzeit in Westeuropa wandelten sich diese Grundsätze in die Behauptung, dass Gott die Welt mittels seiner Gesetze regierte und der Mensch diese Gesetze erkennen könnte. Diese Behauptung wurde durch Denker und Begründer der modernen wissenschaftlichen Weltanschauung wie Galileo, Newton, Kepler, Descartes und andere entwickelt. So schrieb Descartes: „Daraus, dass Gott für keine Änderungen anfällig ist und stetig auf die gleiche Weise agiert, können wir auch einige Regeln herleiten, die ich die Naturgesetze nenne"[14]. Einen ähnlichen Gedanken gibt es bei Leibniz: „Wie ein Architekt, regiert Gott, zu seiner Ehre, über die Körper wie über Maschinen - gemäß den Gesetzen der Quantität oder der Mathematik"[15].
In den Zeiten ihrer Entstehung stand die wissenschaftliche Weltanschauung also nicht den religiösen Ansichten über die Welt gegenüber, sondern den Vorstellungen darüber, dass die Welt ein Chaos bzw. eine Reihe von zufälligen Ereignissen sei, die für den Menschen völlig unbegreiflich seien. Die wissenschaftliche Sicht auf die Welt verneinte keineswegs die religiöse Sichtweise. Ganz im Gegenteil, sie stützte sich auf den Grundsatz, dass die Welt nur dank der Göttlichen Führung existiere und sich entwickele. Diese Ansicht hilft zu verstehen, warum die Welt gesetzmäßig ist, warum die Gesetze im ganzen Universum gleich sind, warum sie sich in der Sprache der Mathematik ausdrücken lassen und warum sie erkennbar sind.
Die modernen Wissenschaftler, die auf die Idee der göttlichen Ursache der Gesetze verzichten, geraten in eine seltsame Lage: sie sind sich selbst unsicher, inwiefern ihre Überzeugung in der Existenz der Naturgesetze begründet ist. So schrieb Richard Feynman, der berühmte Physiker des 20. Jahrhunderts: „Warum ermöglicht uns die Natur, anhand der Beobachtungen eines ihrer Teile darüber Rückschlüsse zu ziehen, was im Ganzen geschieht? Das ist sicherlich keine wissenschaftliche Frage; und ich weiß nicht, wie sie richtig zu beantworten wäre"[16]. Das ist nämlich der Grund, warum Einstein behauptete, dass die Religion notwendig ist, um der Wissenschaft eine feste Grundlage zu ermöglichen: „Da, wo es dieses Gefühl (das religiöse Gefühl, den Glauben an die rationale Natur der Realität. - W.L.) nicht gibt, degeneriert die Wissenschaft zur fruchtlosen Empirie"[17], und daher „können in unserer materialistischen Zeit nur zutiefst religiöse Menschen zu profunden Wissenschaftlern werden"[18].
Die göttliche Verwaltung der Welt kann auf verschiedene Weisen realisiert werden. Ein Weg wäre es, ihr gewisse wissenschaftlich begreifbare Gesetze zu geben und sie dadurch ständig zu beeinflussen. Ein anderer Weg wäre die einmalige Einmischung in den Gang der Ereignisse, was den Menschen wie ein Wunder vorkommen würde. Im allgemeinen Bilde der Interaktion zwischen Gott und der Welt sind Wunder und Gesetz keine Gegenteile, sondern zwei unterschiedliche Wege der Beeinflussung der Welt durch Gott. Sicherlich setzt dies voraus, sich Gott als ein persönliches Wesen und nicht als unpersönliches Weltbewusstsein vorzustellen, denn die Vollbringung einer einmaligen Tat - was eben ein Wunder ist - bedarf des Willens, über den nur eine Person verfügt.
Allerdings war der Übergang vom patristischen Verständnis, dass Gott mittels seiner Gesetze über die Welt regiere, zur wissenschaftlichen Behauptung einer Existenz und Erkennbarkeit von Naturgesetzen, nicht so einfach. Im Mittelalter gab es praktisch kein Interesse für die Erkenntnis der Natur. Dieses Interesse tauchte erst in der Renaissance-Epoche auf, und zwar in sehr origineller Form. Die Natur, für die sich solche Denker des 16. Jahrhunderts wie Paracelsus, Campanella, Fludd und Bruno interessierten, wurde pantheistisch und organistisch[19] gedacht, als Analogie zu einem lebendigen Organismus, in dem es keine Bestimmtheit gäbe. Die Natur sei die Sphäre der Tätigkeit von Lebensgeistern. Diese Ansicht half den Naturphilosophen, verschiedene ungewöhnliche Ereignisse, deren Existenz sie völlig anerkannten, nicht mithilfe von Göttern und Dämonen, sondern aus der Natur selbst zu erklären. Die Magie naturalisierte sich, und in der Natur wurde alles für möglich gehalten, sogar die Wiederbelebung der Toten.
In solch einer Welt ist die Existenz von Naturgesetzen unmöglich. Daher kann gesagt werden, dass die Renaissance-Naturphilosophie für die neue Wissenschaft ein „epistemologisches Hindernis" war. Aber in solch einer Welt ist die Existenz von Wundern ebenfalls unmöglich, daher war die Naturphilosophie auch mit der christlichen Lehre unkompatibel. Wie W.P. Wisgin[20] schreibt: „in der Fragestellung über das Wunder, gehen die Wissenschaft und die Religion miteinander Hand in Hand: für die christliche Orthodoxie war es notwendig, die Idee des Wunders zu schützen, und die Wissenschaft musste mit Magie und Animismus Schluss machen. Die Interessen einer neuen, mechanistischen Wissenschaft und der christlichen Religion fielen hier zusammen... der Schutz des Wunders, auch wenn es einigen paradoxal vorkommen mag, erwies sich auch als Schutz der Wissenschaft vor dem Renaissance-Pannaturalismus mit seiner natürlichen Magie. Sowohl die Religion als auch die Wissenschaft hatten zu dieser Zeit einen starken Gegner, der für beide eine Bedrohung darstellte"[21].
Die Entwicklung der Wissenschaft, die ihre positiven Früchte trug, führte allerdings weniger zum Verständnis der erstaunlichen Weisheit Gottes bzw. zu dessen Lobpreisung und Verherrlichung, als vielmehr zu anderen Ergebnissen. Der Säkularismus und der so genannte Freisinn gebaren solche häretischen pseudochristlichen Konstrukte wie die deistischen und pantheistischen Konzepte, in denen entweder Gottes Vorsehung für die Welt (wie im Deismus) oder sein persönlicher Einfluss auf die Welt (wie im Pantheismus) verneint wurden. Aber in beiden Fällen ist das Ergebnis dasselbe: die Vorstellung über das die Welt verwaltende Gesetz wurde immer materialistischer und wurde vom Wissen über Gott abgetrennt. Es entstand die Meinung, dass die natürlichen Gesetze nur eine Eigenschaft, ein Attribut der Materie seien. Natürlich konnte dieses Konzept die Vorstellung über die allgemeine Determiniertheit der Erscheinungen mit dem Prinzip der wundersamen Verletzung dieser Regeln nicht vereinen. Als eine Wahl getroffen werden musste, wurde dies leider nicht zugunsten des Christentums getan.
Die Ideale der wissenschaftlichen Erkenntnis der Welt beginnen auch die Gedanken der Philosophen zu beherrschen. In der wissenschaftlichen (hauptsächlich der naturwissenschaftlichen und vor allem der physikalischen und mathematischen) Methode sehen sie eine Sicherung und Gewähr zur Erreichung der Wahrheit. Die Anwendung dieser Methode in der Philosophie für die Erkenntnis des Wesens der Welt, seiner Erkennbarkeit und, letztendlich, für die Erkenntnis des Ziels des menschlichen Lebens sollte, laut Meinung dieser Philosophen, die gestellte Aufgabe wissenschaftlich, also eindeutig lösen. In der Philosophie wurde diese Methode ziemlich konsequent von Spinoza angewandt, der in der „Ethik" das Prinzip des Determinismus auf alle Erscheinungen ausgeweitet hat, einschließlich des menschlichen Lebens. Nicht zufällig war Spinoza einer der konsequentesten und profundesten Kritiker der Realität der biblischen Wunder. Indem er Gott und Natur, die Weisheit Gottes und die physischen Gesetze gleichsetzte, behauptete Spinoza: „würden die Menschen die ganze Ordnung der Natur klar erkennen, würden sie alles genau so notwendig finden wie alles, was die Mathematik lehrt". Die Auffassung Spinozas, dass die Naturgesetze die Entscheidungen Gottes seien, war im Prinzip richtig; jedoch führte er alle Entscheidungen und Willensäußerungen Gottes - und folglich auch die Vorsehung - auf die Ordnung der Natur zurück und entzog damit Gott die Persönlichkeit und, folglich, seine anderen Taten. Dies bedingt das Fazit, das Spinoza im „Theologisch-politischen Traktat" zieht: „Ein Wunder, sei es anti- oder übernatürlich, ist völlig absurd"[22].
Heutzutage breitet sich das atheistische Verständnis des Wunders als etwas, was vom Standpunkt der Wissenschaft nicht existieren könne, immer mehr aus. Es herrscht die Meinung, dass auch Erscheinungen, die im Widerspruch zu den bereits entdeckten Gesetzen zu stehen scheinen, dennoch mithilfe von noch nicht entdeckten Gesetzen erklärt werden können. Als Beispiel wird das Verhältnis zwischen der relativistischen und der nicht-relativistischen Physik aufgeführt, wobei auf ihren angeblichen Widerspruch hingewiesen wird. In derartigen Fragestellungen wird das Wichtigste nicht erkannt, und zwar dass die Wissenschaft ein ganzheitliches System ist, und keiner ihrer Sätze einem anderen widersprechen darf. Die Mechanik von Newton widerspricht nicht der Mechanik von Einstein, sondern sie ist ihr Spezialfall. Deswegen kann gesagt werden: wenn es ein Ereignis gibt, das wenigstens einem Naturgesetz widerspricht, widerspricht es der ganzen Struktur der Physikkenntnisse.
Die Angriffe Spinozas auf das Christentum erwuchsen aus der Position seines Pantheismus. Der nächste Schlag wurde dem christlichen Konzept des Wunders durch den schottischen Philosophen David Hume versetzt - allerdings vom Standpunkt des Skeptizismus und Sensualismus. Seiner Meinung nach ist die Erkenntnis der Kausalzusammenhänge in der Welt unmöglich, denn die Erfahrung registriert nur die Ereignisse selbst, aber nicht ihren Zusammenhang miteinander. Alle Menschen, so Hume, verfallen in den Fehler des „post hoc ergo propter hoc" („danach, also deswegen"), und die Überzeugung von der Existenz der Kausalzusammenhänge (und, folglich, der Naturgesetze) sei eine Folge der menschlichen Phantasie - also dessen, was Hume als „Glaube" bezeichnete. Eine Folge der menschlichen Phantasie sei auch der Glaube an Wunder. Aber wenn der Glaube an die Gesetzmäßigkeit der Natur auf objektiven Daten unseres Verstandes beruhen sollte (dieser Gedanke wurde später durch Kant entwickelt), wäre der Glaube an Wunder lediglich auf menschlichen Schwächen begründet, als da wären: die Neigung zum Ungewöhnlichen sowie die Fähigkeit zu lügen. Und weil die eigentliche Verbindung zwischen Ursache und Wirkung sinnlich nicht erkannt wird, und weil es kaum möglich ist, in diesem Punkt Hume nicht zuzustimmen, ist es ebenfalls unmöglich, auch die Verbindung zwischen einem wundersamen Ereignis und seiner URSACHE, also Gott, ebenso sinnlich sicherzustellen.
In der weiteren Philosophie, die sich auf die Wissenschaft bezog, insbesondere im Positivismus, wurde der Begriff des Wunders gar nicht mehr beachtet.
Die christliche Lehre über Wunder
Aus den sensualistischen[23] Reflexionen resultiert eine durchaus wichtige Schlussfolgerung: dass nämlich ein Wunder, wie ungewöhnlich es auch immer sein mag, weder ein Zeugnis Gottes noch ein unmittelbarer Beweis seiner Existenz und Wirkung in der Welt sein kann. Daher sei „eine Vergewisserung mithilfe der Wunder" - nach einem Ausdruck Hegels" - „nur das erste, zufällige Bild des Glaubens. Der wahre Glaube ruht im Geiste der Wahrheit"[24].[25] Das ist, sozusagen, die philosophische Erklärung der Tatsache, warum der Herr dort keine Wunder getan hat, wo er keinen Glauben an sich vorfand. Christus heilte die Blinden tatsächlich erst, nachdem er von ihnen gehört hatte, dass sie glaubten, er sei fähig, Wunder zu tun (Mt. 9, 28-30[26]). Er ist aber nicht vom Kreuz herabgestiegen, obwohl die Hohepriester mit den Schriftgelehrten, Ältesten und Pharisäern ihn lästerten und sagten: „Andere hat er gerettet, sich selbst kann er nicht retten. Er ist Israels König, so steige er jetzt vom Kreuz herab, und wir werden an ihn glauben" (Mt. 27, 42). Diese Widerwilligkeit Jesu Christi, Wunder zu tun, sowie sein Wunsch, die Zeugen der von ihm getanen Wunder zu bitten, davon niemanden zu erzählen, hat mehrere Erklärungen.
Erstens wird ein Wunder sinnlos, wenn es sein Ziel nicht erreicht; denn wer an Wunder nicht glauben will, wird sich immer bemühen, das Ereignis mit natürlichen Ursachen zu erklären. Auch wenn ein Wunder ganz außerordentlich ist, z.B. die Wiederbelebung eines Toten; selbst dann (wie der Heiland in der Parabel über einen reichen Mann und Lazarus spricht) „werden sie auch nicht überzeugt werden, wenn jemand aus den Toten aufersteht" (Lk. 16, 31). In dieser Parabel könnte eine Prophezeiung Jesu Christi über seinen Tod gesehen werden, die sich völlig erfüllt hat; denn trotz der offensichtlichen Historizität der Auferstehung Christi versuchen immer noch viele, dieses Ereignis anderweitig zu erklären: entweder, dass die Apostel Jesu Ohnmacht für den Tod angenommen, oder dass sie das Ganze selbst inszeniert , die Leiche gestohlen und ihr angebliches Verschwinden für die Auferstehung ausgegeben hätten, und so weiter.
Zweitens wird der auf einem Wunder beruhende Glaube kein wahrer Glaube sein, also keine freiwillige Annahme der Wahrheit Gottes, sondern eine genötigte. Sicherlich wird solcher Glaube im Christentum nicht völlig verurteilt, aber als der Apostel Thomas, der die Auferstehung Christi angezweifelt und gesagt hatte: „Wenn ich nicht in seinen Händen das Mal der Nägel sehe und meine Finger in das Mal der Nägel lege und lege meine Hand in seine Seite, so werde ich nicht glauben", und sich also später selbst überzeugte, sagte Christus zu ihm: „Weil du mich gesehen hast, hast du geglaubt. Glückselig sind, die nicht gesehen und doch geglaubt haben" (Jh, 20, 25-29).
Daher, wie paradox es auch immer erscheinen mag, „kommt für Christen nicht der Glaube von einem Wunder, sondern ein Wunder vom Glauben"[27]. Die alttestamentarischen Juden versuchten, den Glauben durch Wunder zu stiften, und diese Einstellung zu Wundern war im Christentum verpönt - so wie auch die völlige Verneinung der Unmöglichkeit von Wundern in der griechischen Philosophie: „Während nämlich die Juden ein Zeichen fordern und die Griechen Weisheit verlangen" (1 Kor., 1, 22)[28]. Das Christentum, das den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit war, hat in Wirklichkeit deren beider Sichtweisen der Wirkung Gottes in der Welt und dessen Erkenntnis durch den Menschen vereint, und zwar so, dass sowohl die intellektuelle Erkenntnis Gottes als auch die Sichtweise auf die Welt als auf ein unablässiges Wunder, welches die permanente Vorsehung Gottes in der Welt bezeugt, nicht im Widerspruch zueinander stehen, sondern einander ergänzen und erklären.
Aber nicht jeder kann unmittelbar und sofort, ohne Zeichen und Wunder, zu Gott kommen. Der Mensch ist schwach, und einige benötigen, um ihren Glauben zu finden und zu erhalten, einen wundersamen Nachweis, der, auch wenn er kein Beweis ist, sie anregt, ihren Geist auf den Schöpfer und nicht auf seine Geschöpfe zu richten. Aber ist die Epoche der Wunder jetzt wirklich vorbei, wie einige denken? Ist es nicht wirklich so, dass unser Glaube daran, dass Gott sich in seiner Ökonomie[29] unablässig um uns kümmert, durch verschiedene Wunder gestärkt wird? Ist es wirklich so, dass auch die Menschen, die sich infolge der Zeitumstände außerhalb der Kirche befinden, keine Chance haben, kraft einer Ver-wunderung in ihren Schoß zurückzukehren? Denn wenn ein Wunder die Verletzung eines Naturgesetztes darstellt, dann sollten einige Wunder, die ganz offensichtlich sind, von allen und nicht nur von den Gläubigen als solche verstanden werden können!
Es ist erstaunlich, aber beim Vergleich der Naturerscheinungen miteinander ist es leicht, festzustellen, dass die so genannten allgemeinen Gesetze der Physik gar nicht allgemein sind. Sie werden nicht nur oft, sondern auch überraschend regelmäßig außer Kraft gesetzt und verletzt! In diesem Zusammenhang werden die Worte des Apostels Paulus verständlicher: „weil das von Gott Erkennbare unter ihnen offenbar ist, denn Gott hat es ihnen offenbart. Denn sein unsichtbares Wesen, sowohl seine ewige Kraft als auch seine Göttlichkeit, wird seit Erschaffung der Welt in dem Gemachten wahrgenommen und geschaut, damit sie ohne Entschuldigung seien" (Röm. 1, 19-20).
Als Beispiel nehmen wir nur einen, den offensichtlichsten Fall. Alle kennen die Hauptgesetze der Physik, also die drei Hauptsätze der Thermodynamik. Der Erste Hauptsatz, d.h. das Gesetz der Energieerhaltung, widerspricht der modernen Inflationstheorie der Entstehung des Universums. Diese Theorie besagt, dass die Energie bei der Existenz des Urknalls entstanden sei. So schreibt der Physiker A.M. Khazen[30]: „Über die Hypothese des Urknalls kann man sich streiten. Aber das wichtigste, was sie behauptet, ist die Heterogenität der Zeit, die bei der Entstehung des Universums besonders hoch ist. Schauen Sie sich die Literatur über den Urknall an. Die von diesem Model eingeführte Nicht-Erhaltung der Energie wird schamhaft verschleiert. Die Entstehung des Universums ist die Entstehung der Energie und der Entropie-Information"[31].[32]
Unter anderem postuliert der Zweite Hauptsatz der Thermodynamik die permanente Steigerung der Entropie (bzw. wenigstens deren Nicht-Verminderung) in einem geschlossenen System. Umgangssprachlich bedeutet dies, dass die Steigerung der Ordnung bzw. die Verminderung der Unordnung in der Welt per se unmöglich sei. Jedem vernünftigen Menschen ist klar, dass aus einem Haufen Ziegelsteine nicht „von selbst" ein Haus entstehen könnte, wobei das gegenteilige Ereignis nicht nur wahrscheinlicher ist, sondern tatsächlich ständig geschieht. Die Verminderung der Entropie im Haufen Ziegelsteine kann also nur von außen (durch den Menschen) bewirkt werden, der aus den Ziegelsteinen ein Haus baut. Also zeigt die alltägliche menschliche Erfahrung, dass das Bewusstsein - d.h., etwas Nicht-Materielles - einen der Hauptsätze der Physik verletzen kann.
Dieser Widerspruch wird am stärksten und am verblüffendstens durch das Phänomen des Lebens bestätigt. Jeder von uns beobachtet, wie die formlose Erdmasse, die einen Samen oder die Wurzel einer Pflanze umgibt, sich im Frühling und im Sommer jede Sekunde in Blätter, Blumen und Früchte umwandelt - also in Pflanzenteile, deren Ordnungsgrad überraschend hoch ist. Daher können wir mit dem Physiker S.J. Porojkow völlig konform gehen, der schreibt, dass „selbst die Erscheinung des Lebens, die dem Gesetz der Steigerung der Entropie in der materiellen Welt nicht unterliegt, ein Wunder ist"[33]; und „vom Standpunkt der Informationsentropie ist die Existenz der DNS-Moleküle nichts anderes als ein Wunder"[34]. Wir können wohl den Schluss ziehen, dass hier, wie auch im Falle der Erbauung eines Hauses, die Verletzung des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik durch eine nicht-materielle geistliche Ursache - den Heiligen Geist - stattfindet. Die Vertreter des Materialismus glauben naiv daran, dass das Entropieprinzip auf nicht-geschlossene Systeme, zu denen auch ein lebendiger Organismus gehört, nicht anwendbar sei. Dieses Argument zeigt den elementaren Mangel an Verständnis des Wesens der modernen Physik, die auf den Gesetzen der Mathematik beruht und alle ihre Gesetze für abstrakte Systeme formuliert - für ein ideales Gas, für ein geschlossenes System, für einen absolut schwarzen Körper, für einen absolut harten Körper und so weiter. In Wirklichkeit existieren solche Idealisierungen nicht, aber es ist offensichtlich, dass alle Physikgesetze in der realen Welt sehr wohl funktionieren. Daher wäre es nicht besonders übertrieben, zu behaupten, dass in der unorganischen Welt das Entropiegesetz in allen Systemen erfüllt wird.
Es wird auch eine andere Erklärung angeführt, und zwar, dass sogar die Erscheinungen, die den bereits entdeckten Gesetzen tatsächlich zu widersprechen scheinen, mithilfe der noch nicht entdeckten Gesetze erklärt werden könnten. Diese nicht-entdeckten Gesetze sollen den angeblich existierenden Widerspruch durch eine generellere Sichtweise auf das Problem versöhnen. Als Beispiel wird das Verhältnis zwischen der relativistischen und der nicht-relativistischen Physik angeführt. In dieser Fragestellung wird aber das Wichtigste nicht gemerkt, und zwar dass die Wissenschaft ein ganzheitliches System ist und ein von ihren Postulaten einem anderen nicht widersprechen darf. Die Newton'sche Mechanik widerspricht nicht dieser von Einstein, sondern ist deren Spezialfall. Daher kann es gesagt werden, dass wenn es eine Erscheinung gibt, die wenigstens einem der Naturgesetze widerspricht, dann widerspricht sie auch der ganzen Ordnung der physikalischen Kenntnisse. Allerdings ist es relativ schwierig, eine klare Antwort darauf zu geben, ob die gegebene Erscheinung einem Naturgesetz widerspricht oder ob wir ihre natürlichen Ursachen tatsächlich nicht kennen.
Es existiert auch die relative große Wahrscheinlichkeit, einen Fehler zu machen und eine unverständliche natürliche Erscheinungen als ein Wunder zu deuten. Die Kirche hat die Identifizierung von Wundern immer sehr ernst genommen, um die Anbetung eines Geschöpfes anstatt seines Schöpfers bzw. die Eindringung heidnischen Denkens ins Christentum zu verhindern. So wird jedes wie ein Wunder erscheinende Ereignis sorgfältig von Spezialisten untersucht. In der heutigen Russischen Orthodoxen Kirche gibt es zur Beschreibung der Daten über wundersame Zeichen sogar einen Ausschuss, der aus ehrwürdigen Wissenschaftlern besteht, Spezialisten in den Bereichen der Physik, Geologie, Biologie und Philologie.
Diese Sichtweise, die besagt, dass das Leben ein Wunder ist, kann etwas befremden. Und tatsächlich: als Wunder wird normalerweise ein Ereignis angesehen, das aus der üblichen Folge der Ereignisse herausragt, also einmalig und einzigartig ist. Dazu kann zweierlei angemerkt werden: Erstens ist eine derartige Einstellung, die nicht nur etwas Seltenes als Wunder betrachtet, in der Geschichte bekannt: bereits die antiken Juden hatten die Welt als ein unaufhörliches und grandioses Wunder angesehen. Unter den Gelehrten hatte bereits Leibniz die Gravitationskraft der Planeten als „unaufhörliches Wunder" bezeichnet[35].
Zweitens, wie aus dem oben erwähnten folgt, setzt der Begriff des Wunders selbst die Existenz Gottes oder anderer höherer Kräfte voraus, die Ursache der wundersamen Ereignisse sind. Da Wunder rare, sogar einmalige Ereignisse sind, ist es unmöglich, dass ihre Quelle ein ewiges, unpersönliches Prinzip wäre. Im Christentum bedeutet dies, dass ein Wunder nicht einfach eine Verletzung der Naturgesetze ist, sondern einem bestimmten Zweck dient. Durch seine Vorsehung nimmt Gott an den Angelegenheiten der Menschen teil, indem ER ihnen Hinweise bzw. „Zeichen" gibt, die sie zum Heil anleiten. Im Evangelium wird das Wort „Wunder" sehr oft zusammen mit dem Wort „Zeichen" benutzt und zeigt damit, dass wundersame Taten einen symbolischen Charakter haben, denn Wunder werden von Gott nicht um ihrer selbst willen getan, sondern dienen bestimmten religiösen Zielen und haben belehrende Bedeutung.
Höchst wundersam erscheinen uns die tatsächlich außergewöhnlichen Ereignisse, die sowohl den Naturgesetzen widersprechen als auch äußerst selten geschehen. Neigung zum Außergewöhnlichen und Raren und Ignorierung dessen, was häufig vorkommt, ist menschlich. Daher geschehen Wunder eben mit einem Menschen und eben in der Kirche - so wie das weit bekannte Wunder der Heilung der Nichte von Blaise Pascal von einer heftigen Krankheit, die ihr Auge befiel. Die Heilung geschah, nachdem sie die Dornenkrone des Heilands berührt hatte[36].
Auch im heutigen Leben der Kirche kommen Mitteilungen über Wunder ziemlich häufig vor. Dazu zählt sowohl das Wunder des Herabkommens des Heiligen Feuers[37] zu Ostern in der Grabeskirche in Jerusalem als auch die Erneuerungen und Myrongaben der Ikonen,[38] die wundersamen Heilungen unheilbar Kranker sowie viele andere Erscheinungen. Die Atheisten behaupten, dass diese Wunder von listigen Priestern inszeniert seien, die auf diese Weise die Kirchengänger in ihre Kirche locken wollen. Aber erstens ist diese Beschuldigung haltlos, und die Unschuldsvermutung gilt auch immer noch - auch für Priester. Außerdem wird dabei angenommen, dass die Priester selbst nicht an Wunder glauben würden, wenn sie solche inszenieren müssten. Dennoch ist ohne den Glauben an Wunder ein Glaube an Gott unmöglich! Aber es ist schon völlig absurd, sich einen Priester vorzustellen, der nicht an Gott glaubt. Wie könnte dann die Existenz der christlichen Kirche durch 2000 Jahre hindurch erklärt werden, insbesondere in den Zeiten der Verfolgung, als Hunderte und Tausende von Priestern sich dem Märtyrertum und sogar dem Tode ausgeliefert haben? War das alles nur, um den Betrug am eigenen Volk zu rechtfertigen?! Insbesondere weil viele Priester gegenüber wundersamen Ereignisse selbst sehr vorsichtig eingestellt sind und oft zu Recht vermuten, dass diese aus völlig natürlichen Gründen oder auch einer Provokation seitens der Missgünstigen resultieren könnten. So machen die Priester eine wundertätige Ikone erst nach sorgfältigsten Prüfungen zugänglich.
Es gibt noch ein Wunder, das unbemerkt bleibt, obwohl es in allen Kirchen jede Woche geschieht: das ist das Wunder der Eucharistie. Es geht nicht um das große Wunder der Umwandlung von Wein und Brot in Blut und Leib des Heilandes. Für einen Atheisten besteht kein Wunder darin, denn Wein und Brot ändern sich ihrer äußerlichen Form nach nicht, und Christus ist in den Heiligen Sakramenten anwesend, aber unsichtbar. Es geht darum, was die Eucharistie begleitet - um die Kommunion. Hunderte und Tausende und Millionen orthodoxer Christen, unten denen viele Kranke, auch ansteckend Kranke gibt, erhalten gemeinsam die Kommunion aus einem Labis (kleinem Löffel), was, vom Standpunkt der Epidemiologie, zur massenhaften Verbreitung infektiöser Krankheiten führen müsste. Dies geschieht aber nicht, obwohl die Menschen fast zweitausend Jahre lang in den Kirchen kommunizieren. Wenn die Regeln der Infektionsverbreitung sich auch auf die Kommunion ausgebreitet hätten, wären die Christen sehr kurze Zeit nach ihrem Auftauchen bereits wieder verschwunden. Manchmal wird es dadurch erklärt, dass die Labise angeblich aus Silber gemacht seien und die Kommunion angeblich Wein enthalte, also eine Spirituslösung, wobei Silber und Spiritus über desinfizierende Eigenschaften verfügen sollen. Es fällt aber schwer, dies als Erklärung zu bezeichnen, da kein Wissenschaftler glauben würde, dass eine sehr schwache Spirituslösung (5-7 %) und der Kontakt mit Silber (obwohl Labise sehr oft auch aus nicht-edlen Metallen angefertigt sind) während einer verschwindend kurzen Zeit (einige Sekunden) fähig wären, alle bekannten und unbekannten Arten von krankheitserregenden Mikroben und Viren zu vernichten.
Das Wunder in der Geschichte: kann Gott das Geschehene ungeschehen machen?
Wird das Wunder nicht als ein unverständliches und absurdes Ereignis, sondern vor allem als Zeichen verstanden, kann dies helfen, ein allgemein bekanntes Problem zu verstehen und zu erklären. Es geht darum, dass das Verlangen nach Wundern zur Verstärkung des Glaubens zu folgendem Paradox führt: kann Gott das Geschehene ungeschehen machen? Diese Frage war bereits für die antiken Griechen interessant. So schrieb Aristoteles: „Agathon[39] hat recht: `Es gibt ja nur eins, was Gott nicht gegeben ist: Das zum Ungeschehenen zu machen, was getan ist´"[40].
In dieser Frage verbirgt sich ein sehr einfaches und verständliches Paradoxon: wenn Gott allmächtig ist, dann kann ER alles, dann kann ER auch das Geschehene zum Ungeschehenen machen, also es so machen, dass das, was geschehen ist, nicht geschehen ist. Zum Beispiel, dass Caesar den Rubikon nicht überschritt; dass Sokrates nicht vergiftet wurde; dass Napoleon Russland nicht angriff. Diese Frage passt nicht in den Rahmen der menschlichen Logik hinein. Der Mensch denkt: die Vergangenheit ist das, was nicht mehr existiert, und der Wille Gottes breitet sich nicht auf das Nicht-Existierende aus, also kann Gott das Geschehene nicht zum Ungeschehenen machen. Außerdem ist die Gegenwart eine Folge der Vergangenheit, und wenn die Ereignisse, die in der Vergangenheit stattgefunden haben, in Wirklichkeit nicht geschehen wären, wäre der ganze weitere Gang der Geschichte ein anderer, so wie auch die heutige Wirklichkeit. Eine geringfügige Einmischung in eines der Ereignisse der vergangenen Welt müsste die Gegenwart radikal verändern, was unserem gewöhnlichen Verständnis der Welt und unserer Aktivitäten darin völlig widerspricht.
Viele Philosophen und Theologien haben diese Frage wie folgt beantwortet: Gott kann das Geschehene nicht zum Ungeschehenen machen, denn das widerspräche dem Plan Gottes für die Welt, das widerspräche seinem eigenen Wesen. So sprachen beispielsweise der Heilige Augustinus und Thomas von Aquin. Dieser schrieb: „ER kann es auch nicht so machen, dass etwas, was in der Vergangenheit geschehen ist, ungeschehen wird... Das, was einen Widerspruch in sich trägt, fällt nicht unter die Allmächtigkeit Gottes. Aber dass etwas Geschehenes nicht geschehen ist, impliziert einen Widerspruch". (Summa theologica I, 25)[41]. Dabei bezieht er sich auf den Heiligen Augustinus: „Wenn jemand sagt, wenn Gott allmächtig ist, möge ER tun, dass das Geschehene nicht geschehen ist, versteht er nicht, dass dies das gleiche ist, als wenn man sagt, wenn Gott allmächtig ist, möge ER so tun, dass das Wahre zum Falschen werde"[42].
Nicht nur Thomas, sondern auch andere westliche Scholastiker wie Duns Scotus[43] und William von Ockham[44], die den Willen und die Allmächtigkeit Gottes höher als seine Weisheit stellten, wagten nicht anzunehmen, dass Gott über die Vergangenheit herrsche und das jemals Geschehene zum Ungeschehenen machen könne - so wie er auch das Gesetz des Widerspruchs nicht verletzen könne. Allerdings existierten parallel dazu auch andere Sichtweisen, die sich in der Stromlinie der Logik Tertullians befanden, der „credo quia absurdum" („Ich glaube, weil es widersinnig ist") behauptet haben soll. Diese Sichtweisen vertraten u.a. Martin Luther, Søren Kierkegaard und Leo Schestow[45], die der Meinung waren, dass die Rettung des Menschen durch Jesus darin bestehe, dass Gott die Ursünde und ihre Folgen abgeschafft, diese Sünde also faktisch ungeschehen gemacht hätte.
Wie soll dieses Problem nun gelöst werden? Jede Einmischung Gottes in die Welt ist ein Wunder. Wenn Gott sich in die Vergangenheit einmischt, ist dies auch ein Wunder. Gott ist überwesenhaft und übertemporär, daher gibt es für Gott weder Vergangenheit noch Zukunft, für IHN ist alles gegenwärtig, und formal kann ER sich sowohl in die Vergangenheit als auch in die Zukunft einmischen. Laut den Vorstellungen eines Menschen gibt es die Welt und den Menschen, der in dieser Welt agiert. Dieses Verhältnisprinzip ist subjekt-objekthaft: der Mensch ist Subjekt und die Welt ist Objekt. Übertragen wir dieses Prinzip auf die Verhältnisse zwischen Gott und der Welt, geraten wir in Schwierigkeiten. Es ist unmöglich, die Verhältnisse zwischen Gott und der Welt im Rahmen der subjekt-objekthaften Verhältnisse zu beschreiben. Im Bezug auf die Welt ist Gott sowohl transzendent als auch immanent. Die Verhältnisse zwischen Gott und der Welt können eher durch den Inhalt des Oros von Chalcedon[46] beschrieben werden, laut dem die zwei Naturen in Jesus Christus ungetrennt und unteilbar vereint sind. So ist auch Gott sowohl von der Welt getrennt als auch ihr immanent.
Gott mischt sich nicht einfach so in die Welt ein, als wäre sie sein Spielzeug, sondern kümmert sich um sie wie ein Haushälter[47]. Daher sind Wunder nicht einfach seltene Ereignisse, die gegen die Gesetze der Natur (einschließlich derer der Geschichte) geschehen. Ein Wunder ist immer ein Zeichen. Damit ein Wunder zum Zeichen wird, muss der Mensch daran teilhaben. Solche Wunder stärken tatsächlich den Glauben der Menschen.
Stellen wir uns vor, dass Gott ein historisches Wunder bewirkt; zum Beispiel, dass Sokrates nicht vergiftet worden wäre. Wie sollte so etwas passieren? Wir sind nicht die Zeugen eines solchen Ereignisses, und so stellte es für uns kein Wunder da. Vielleicht hätte Gott Mechanismen gefunden, um dieses vergangene Ereignis zu annullieren? Zum Beispiel hätte ein Wissenschaftler irgendwo in einem Archiv Dokumente gefunden, aus denen hätte geschlussfolgert werden können, dass Sokrates nicht vergiftet worden wäre, sondern eines natürlichen Todes gestorben sei. Was hätten wir daraus lernen können? Nichts. Wir hätten über die Weisheit der modernen Historiker gestaunt und das Ganze vergessen. Dieses historische Ereignis wäre für uns nicht zum Zeichen geworden. Also könnte Gott ein solches Wunder bewirken, wird es aber nicht tun, entsprechend seiner Ökonomie.
Oder eine andere Variante: Gott ändert die Vergangenheit, ändert die Umstände des Todes Sokrates, und in diesem Falle ändert sich auf wundersame Weise die ganze darauf folgende Geschichte; es ändern sich alle Archive, Manuskripte, Monographien, Lehrbücher, und all das geschieht ganz unbemerkt, denn auch wir und alle unsere Kenntnisse würden sich dementsprechend ändern. Was machte dies für einen Sinn? Niemand würde ein solches Wunder bemerken und es würde zu keinem Zeichen werden. Daher wäre eine solche Tat Gottes völlig sinnlos.
Es könnte gesagt werden, dass Gott nicht allmächtig sei, da er nichts Absurdes tun könne. Aber absurd ist nicht das, was dem menschlichen Verstand widerspricht, sondern das, was dem Plan Gottes widerspricht - also das Nicht-Heil des Menschen. Wenn der Plan Gottes zur Erlösung der Menschheit von ihren Sünden durch Tod und Auferstehung Christi nicht gelungen wäre, wäre eben das absurd. Gott kann sich nicht selbst widersprechen. ER wird seine Ökonomie nicht annullieren und daher auch nicht das Geschehene zum Ungeschehenen machen. Anders gesagt: Gott kann das Geschehene nicht etwa deshalb nicht ungeschehen machen, weil die Gesetze der Geschichte IHN daran hindern würden, sondern die durch Gott eingerichteten Gesetze der Geschichte sind so, dass ER keinen Grund hat, sie zu annullieren.
* * *
Kehren wir aber zu unserem Beispiel zurück. Dürfen die oben erwähnten Lebenserscheinungen, die dem Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik widersprechen, als Wunder angesehen werden? Ja und Nein. Einerseits ja, denn sie weisen die wesentliche Eigenschaft eines Wunders auf - nicht konform mit den Naturgesetzen zu gehen. Die antiken Griechen hatten Recht, als sie darauf hinwiesen, dass die Menschen ihre Aufmerksamkeit seltenen Vorkommnissen schenken, sich dagegen an das Alltägliche gewöhnen. So hatte sich der Mensch an das größte Wunder des Lebens gewöhnt, aber einige ordinäre, wenn auch sehr seltene Erscheinungen, wie den Vorbeiflug eines Kometen, für Wunder gehalten. Hätte sich der Charakter der Erscheinungen so verändert, dass einige Erscheinungen, die jetzt wundersam erscheinen, sich täglich oder gar stetig wiederholt hätten (beispielsweise Steine nicht im Wasser versunken, sondern darauf herumgeschwommen wären), hätte sich der Mensch auch daran gewöhnt und sogar eine Wissenschaft über die Erscheinung der herumschwimmenden Steine entwickelt - so wie er auch die Biologie als Wissenschaft über das Leben entwickelt hat, obwohl die Tatsache der Existenz des Lebens eigentlich eine Verletzung der Gesetze der Physik und ganz einfach und offensichtlich ein Wunder ist.
Andererseits ist das Phänomen des Lebens für die meisten Menschen gewöhnlich. Sie verehren es nicht wie ein Zeichen, daher halten viele es nicht für ein Wunder. Aber für solche, die die Welt mit anderen Augen anblicken können - mit den Augen eines Wissenschaftlers, der sich dort wundern kann, wo ein Spießer gewöhnlich gähnt - werden das Leben und viele andere Ereignisse auf der Welt, die aus der Natur selbst nicht erklärt werden können, ebenso wundersam erscheinen wie die allgemein anerkannten Wunder[48]. Das Leben und die Weltereignisse werden für jene auf eine Realität hindeuten, die über der Natur steht und deren Existenz das einzige ist, was all das erklären kann, was naturgesetzlich völlig unerklärlich ist.
Die durchgeführte Analyse des Begriffes des Wunders zeigt also, dass die atheistische Definition des Wunders als völlig fehlerhaft verworfen werden kann, denn sie ist erstens nicht korrekt (da sie, anstatt Wunder zu definieren, behauptet, dass es keine Wunder gäbe) und zweitens irrtümlich, da sie die tatsächliche Wirklichkeit der Wunder in der Welt verneint. Ein Wunder erweist sich als vielseitiges Phänomen, das manchmal ziemlich schwer zu erkennen ist, und zwar aufgrund dessen, dass die verschiedenen Eigenschaften des Wunders nicht immer in einer scheinbar wundersamen Erscheinung enthalten sind. Die wesenhafte, die psychologische und die phänomenologische Eigenschaft, jede wahrhaft entsprechend ihrem Maß, werden nur dann klar und verständlich, wenn sie in den allgemeineren Kontext einer theologischen Definition eingeschlossen werden, die uns hilft zu verstehen, warum ein Wunder eben den Naturgesetzen widerspricht, durchaus selten vorkommt und uns zu Reflexionen über uns selbst und unser Leben anregt.
Ich hoffe, dass eine derartige Vorgehensweise helfen wird zu verstehen, dass durch die Beobachtungen der Geschöpfe auch das Unsichtbare tatsächlich erkannt werden kann - nämlich die Göttlichen Kräfte und Energien. Also beruht die Überzeugtheit vieler Menschen davon, dass „es keine Wunder gäbe", nur auf einem psychologischen und nicht auf einem realistischen Grund.
[1] Давыденков О., свящ. Догматическое богословие. М., 2005 (Dawydenkow О., Priester. Dogmatische Theologie. Moskau, 2005.)
[2] Samuel Clarke (1675 - 1729) - englischer Philosoph und Theologe. (Anm.d.Ü.)
[3] Лейбниц Г.В. Сочинения в 4 т. Т. 1. М., 1982. С. 464 (Leibniz G.W. Die Werke in 4 Bänden. B. 1. Moskau, 1982. S. 464).
[4] Ibid. S. 497.
[5] Pietro Pomponazzi (Petrus Pomponatius) (1462 - 1525) - italienischer Philosoph und Humanist der Renaissance. (Anm.d.Ü.)
[6] Помпонацци П.О причинах естественных явлений, или О чародействе Трактаты о бессмертии души (Pomponazzi P. De naturalium effectuum causis sive De incantationibus Tractatus de immortalitate animae) // Помпонацци П. Трактаты «О бессмертии души», «О причинах естественных явлений». М., 1990. С. 272 (Pomponazzi P. Tractatus de immortalitate animae. De naturalium effectuum causis sive De incantationibus. Moskau, 1990. S. 272 )
[7] Цицерон. Философские трактаты. М., 1985. С. 265 (Cicero. Pholosophische Traktate. Moskau, 1985. S. 265).
[8] Vgl. die Anmerkung von Vater Alexander Schmemann, der das Wunder definiert als „eine unverständliche und sichtbare Verletzung der meist elementaren und meist absoluten Naturgesetze" («Воскресные беседы по Радио "Свобода"» („Die Sonntagsgespräche im Radio Liberty"), №1262).
[9] Цицерон. Философские трактаты. М., 1985. С. 265 (Cicero. Philosophische Traktate. Moskau, 1985. S. 265).
[10] Sextus Empiricus - ein Arzt und Philosoph im 2. Jahrhundert n. Chr.
[11] Hexaemeron (von griechisch hex = sechs und hämera = Tag) ist eine Bezeichnung für die sechs Schöpfungstage der Genesis oder für eine Abhandlung darüber. (Anm.d.Ü.)
[12] Василий Великий, свт. Беседы на Шестоднев // Василий Великий, свт. Творения. М., 1845. С. 58-59 (Basilius der Große, hl. Hier. Das Hexaemeron // Basilius der Große, hl. Hier. Moskau, 1845. S. 58-59).
[13] Григорий Богослов, свт. Слово о богословие, 4-е // Григорий Богослов, свт. Собр. творений: В 2 т. Т. 1. Сергиев Посад, 1994. С. 436 (Gregor von Nazianz. hl.Hier. Oratione theologica, das 4. // Gregor von Nazianz. hl.Hier. Sammlung der Werke: In 2 Bänden, Band 1. Sergijew Possad, 1994. S. 436).
[14] Декарт Р. Первоначала философии // Декарт Р. Сочинения: В 2 т. Т. 1. М., 1989. С. 368 (Descartes R. Die Prinzipien der Philosophie // Descartes R. Werke: In 2 B. B. 1. Мoskau, 1989. S. 368).
[15] Лейбниц Г.В.Ф. Сочинения: В 4 т. Т. 1. М., 1982. С. 257 (Leibniz G.W.F. Die Werke: In 4 B. B. 1. Мoskau, 1982. S. 257)
[16] Фейнман Р. Характер физических законов. М., 1987. С. 158 (Feynman R. The Character of Physical Law. Moskau, 1987).
[17] Эйнштейн А. Письмо к Соловину от 1 января 1951 г. // Эйнштейн А. Собрание научных трудов. Т. IV. М., 1967. С. 565 (Einstein А. Letter to Solovine, dated of January 1, 1951 // Einstein А. Sammlung der wissenschaftlichen Werke. B. IV. Мoskau, 1967. S. 565).
[18] Эйнштейн А. Религия и наука // Эйнштейн А. Собрание научных трудов. Т. IV. М., 1967. С. 126 (Einstein A. Religion and Science // Einstein А. Sammlung der wissenschaftlichen Werke. B. IV. Мoskau, 1967. S. 126)
[19] Die organismische Ansicht betrachtet die Welt als einen riesigen (unendlichen) lebendigen und sich ändernden Organismus, der sowohl als Ganzes als auch in seinen Teilen beseelt sei. (Anm.d.Ü)
[20] Wiktor Pawlowitsch Wisgin, Dr.Phil - moderner russischer Wissenschaftshistoriker und Philosoph. (Anm.d.Ü)
[21] Визгин В.П. Герметизм, эксперимент, чудо: три аспекта генезиса науки нового времени // Философско-религиозные истоки науки. М., 1997. С. 135 (Wisgin W.P. Hermetismus, Experiment, Wunder: drei Aspekte der Genesis der Wissenschaft der Neuen Zeit // Die philosophisch-religiösen Quellen der Wissenschaft. Moskau, 1997. S. 135)
[22] Спиноза Б. Избр. произведения: В 2 т. Т. 2. М., 1957. С. 94 (Spinoza B. Die ausgewählten Werke: In 2 B. B. 2. Мoskau, 1957. S. 94)
[23] Der Sensualismus ist eine philosophische Richtung, die alle Erkenntnisse aus Sinneseindrücken (letztlich physiologische Reize) oder Wahrnehmungen ableitet. Der Sensualismus ist damit eine spezifische Form des Empirismus. (Anm.d.Ü)
[24] Aus der russischen Übersetzung. (Anm.d.Ü)
[25] Гегель Г.В.Ф. Философия религии: В 2 т. Т. 2. М., 1977. С. 310 (Hegel G.W.F. Religionsphilosophie: In 2 B. B. 2. Мoskau, 1977. S. 310)
[26] Die biblischen Zitate nach der Rev. Elbenfelder-Übersetzung. (Anm.d.Ü)
[27] «Воскресные беседы по Радио "Свобода"», № 1262 („Die Sonntagsgespräche auf dem Radio Liberty", №1262).
[28] Kontext: „20 Wo ist der Weise, wo der Schriftgelehrte, wo der Wortgewaltige dieser Weltzeit? Hat nicht Gott die Weisheit dieser Welt zur Torheit gemacht? 21 Denn weil die Welt durch [ihre] Weisheit Gott in seiner Weisheit nicht erkannte, gefiel es Gott, durch die Torheit der Verkündigung diejenigen zu retten, die glauben. 22 Während nämlich die Juden ein Zeichen fordern und die Griechen Weisheit verlangen, 23 verkündigen wir Christus den Gekreuzigten, den Juden ein Ärgernis, den Griechen eine Torheit;24 denen aber, die berufen sind, sowohl Juden als auch Griechen, [verkündigen wir] Christus, Gottes Kraft und Gottes Weisheit. 25 Denn das Törichte Gottes ist weiser als die Menschen, und das Schwache Gottes ist stärker als die Menschen." (Zitiert nach der Schlachter 2000 Übersetzung).
[29] In der Sprache der patristischen Theologie bedeutet der Begriff „Ökonomie Gottes" (aus griech. οἶκος "Haus" und νόμος "Gesetz") die Lehre über Gott und sein Verhältnis zur Welt. Der Begriff „Ökonomie" stellt die ursprüngliche Vorsehung Gottes über seine Geschöpfe (die Schöpfung, die Fleischwerdung, das Heil der Menschheit usw.) sowie seine absolute Weisheit und Güte dar. „Ökonomie" unterscheidet sich vom Begriff „Theologie", der sich in seiner ursprünglichen Bedeutung ausschließlich auf die Lehre von Gott in seinem ewigen und unveränderlichen Dasein bezieht.
[30] Khazen, Alexander Moisejewitsch, Dr. Phys., war von 1960 bis 1993 Leiter des Forschungslaboratoriums am Institut für Mechanik der Moskauer Staatsuniversität. Zurzeit betreibt er seine wissenschaftlichen Aktivitäten in den USA, wo er sich als Mitglied der New-Yorker Akademie der Wissenschaften u.a. mit der Entstehung und der Evolution des Lebens und des Bewusstseins sowie mit den Ursachen der Erkennbarkeit der Natur beschäftigt. (Anm.d.Ü.)
[31] Der von A.M. Khazen eingeführte Begriff „Entropie-Information" steht für die Funktion des Zustandes jedes physikalischen Systems und wird definiert als Maß der Informationsmenge im Rahmen der gegebenen Merkmale und Bedingungen für den wahrscheinlichsten Zustand eines aus mehreren Elementen bestehenden Systems. Die Entropie-Information als Funktion des Zustandes des Systems wird definiert als: S = K ln W = - K ln y , wo K ist die adiabatische Invariante des Systems (die minimale diskrete Einheit der Veränderung der Entropie-Information im System), W ist die Funktion, die die Anzahl der möglichen Systemzustände beschreibt, y ist die Funktion,, die die Wahrscheinlichkeiten dieser Systemzustände beschreibt (y £1). (Anm.d.Ü.)
[32] Хазен А.М. Разум природы и разум человека. М., 2000. С. 330 (Khazen А.М. Das Bewusstsein der Natur und das Bewusstsein der Menschen. Moskau, 2000. S. 330).
[33] Поройков С.Ю. Физическая и религиозная реальность. М., 2006. С. 38 (Porojkow S.J. Die physikalische und die religiöse Realität. Moskau, 2008. S. 38).
[34] Ibid. S. 139.
[35] Лейбниц Г.В. Сочинения в 4 т. Т. 1. С. 500 (Leibniz G.W.F. Die Werke: In 4 B. B. 1. Мoskau, 1982. S. 500)
[36] Dieses Ereignis ist aus verschiedenen Quellen bekannt. Hier die Bezeugung Gilbertes, der Schwester Pascals: "Zu dieser Zeit hatte es Gott beliebt, meine Tochter von der Fistel des Tränensacks zu heilen, unter der sie dreieinhalb Jahre lang gelitten hatte. Diese Fistel war so bösartig, dass die meisterlichen Chirurgen in Paris sie für unheilbar hielten. Letztendlich bewirkte Gott ihre Heilung durch die Berührung der in Port Royal aufbewahrten Heiligen Dornen. Dieses Wunder wurde von mehreren Chirurgen und Ärzten bescheinigt und durch höchste Entscheidung der Kirche bestätigt". (Жизнь господина Паскаля, написанная госпожой Перье, его сестрой // Паскаль Б. Мысли. М., 1995. С. 49 (La vie de Monsieurs Pascal ecrite par Madame Périer sa sour // Pascal B. Pensées. Moskau. 1995, S. 49). Und David Hume, der Philosoph und Skeptiker, dem kaum nachgesagt werden kann, er habe die Fakten verzerrt wiedergeben wollen, schrieb zu diesem Anlass: „Die Gelehrtheit, die Klugheit und die Ehrlichkeit der Mönche von Port Royal sind überall in Europa wohlbekannt. Sie alle bestätigen ein Wunder, das mit der Nichte des berühmten Pascal geschehen ist, dessen außerordentliche Klugheit und Frömmigkeit wohl bekannt sind. Der berühmte Racine berichtet über dieses Wunder in seiner bekannten Beschreibung von Port Royal und erhärtet seine Erzählung mit all den Beweisen, die viele Nonnen, Priester, Ärzte und Laien, die zweifellosen Vertrauens würdig sind, vorgelegt haben. Viele Wissenschaftler, unter anderem auch der Bischof der Stadt Tournay, waren von diesem Wunder so überzeugt, dass sie sich darauf bei der Widerlegung von Atheisten und Freisinnigen bezogen haben. Die französische Statthalterin des Königs, die gegen Port Royal stark voreingenommen war, schickte ihren Arzt, um dieses Wunder zu erforschen, und dieser kam völlig überzeugt zurück. Also war die übernatürliche Heilung so zweifellos, dass es dieses berühmte Kloster für eine Weile vor der Schließung rettete, mit dem die Jesuiten es bedrohten. Hätte dieses Wunder auf einem Betrug beruht, wäre dieser sicherlich durch solch schlaue und starke Gegner entlarvt und die Niederlage seiner Urheber beschleunigt worden. ( (Юм Д. Исследование о человеческом разумении // Юм Д. Соч.: В 2 т. Т. 2. М., 1996. С. 109 (Hume D. An Enquiry concerning Human Understanding // Hume D. Die Werke: in 2 B. B. 2. Moskau, 1996, S. 109)
[37] Das Heilige Feuer ist ein sich alljährlich am Karsamstag der Orthodoxen Ostern in der Jerusalemer Grabeskirche ereignendes Wunder der Entstehung des Heiligen Feuers. Es besitzt keinen natürlichen Ursprung und verbrennt in seinen ersten Minuten nicht. Es kommt nur zum Orthodoxen Osterfest herab und nur nach den Gebeten des Orthodoxen Kirchenvorstehers. Die ersten Beschreibungen dieser Erscheinung gehen auf das 8. Jh. zurück. Mehr dazu s. http://www.holyfire.org/file/Deutsh_Das_Wunder_des_Heiligen_Feuers.htm. (Anm.d.Ü.)
[38] Ikonenerneuerung ist die Wiederherstellung der Farbe auf einer alten, dunklen Ikone ohne irgendwelche Restaurationsmaßnahmen. Myronspende heißt der Ausfluss einer aromatischen, heilenden Flüssigkeit aus der Ikone. Die Ikonenerneuerung und die Myronspende sind in der Orthodoxen Kirche mehrmals registriert worden, sowohl in der Alten als auch in der Neuesten Zeit. (Anm.d.Ü.)
[39] Vermutlich Agathon von Athen (ca. 448 v. Chr. - ca. 400 v. Chr.), ein griechischer Tragödiendichter der Antike. (Anm.d.Ü.)
[40] Аристотель. Никомахова этика, 1139 b 9 // Аристотель. Соч.: В 4 т. Т. 4. М., 1983. С. 174 (Aristoteles. Die nicomachische Ethik, 1139 b 9 // Aristoteles. Die Werke: in 4 B. B. 4. Moskau, 1983. S. 174)
[41] Фома Аквинский. Сумма теологии. Часть I, вопросы 1-43. Киев; М., 2002. С. 336 (Thomas von Aquin. Summa theologica. Teil I, Fragen 1-43. Kiew; Moskau, 2002. S. 336.)
[42] Ibid. S. 337. Das ist ein Zitat aus dem Traktat des Seligen Augustinus „Contra Faustum [Manichaeum]" XXIX, 5.
[43] Johannes Duns Scotus (um 1266 in Duns, Schottland - 1308 in Köln) war ein schottischer Theologe und Philosoph der Scholastik. Die von ihm erarbeitete scholastische Richtung des Scotismus verband darin u. a. Lehren des Aristoteles, des Augustinus und der Franziskaner miteinander. Duns Scotus untersuchte die philosophischen Kategorien der Möglichkeit und Notwendigkeit mit den Formen der Modallogik, wobei er diese in nichtformaler Weise anwandte. Diese Fragestellung spielt auch heute noch in der Philosophie eine große Rolle. Ferner bewertete er Glauben, Wille und Liebe höher als Wissen und Vernunft. Als einer der ersten mittelalterlichen Denker betrachtete er Philosophie und Theologie als unterschiedliche Disziplinen mit unterschiedlichen Aussagegehalten. (Anm.d.Ü.)
[44] Wilhelm von Ockham (um 1285 in Ockham in England - 1347 in München) war ein berühmter mittelalterlicher Philosoph, Theologe und kirchenpolitischer Schriftsteller in der Epoche der Spätscholastik. Sein umfangreiches philosophisches Werk enthält Arbeiten zur Logik, Naturphilosophie, Erkenntnistheorie, Wissenschaftstheorie, Metaphysik, Ethik und politischen Philosophie. (Anm.d.Ü.)
[45] Leo Isaakowitsch Schestow (1866 in Kiew -1938 in Paris) - Philosoph des Existentialismus. (Anm.d.Ü.)
[46] Der Oros (griech, „Grenze") des Konzils zu Chalcedon (451) ist die konziliare dogmatische Bestimmung des Verhältnisses zwischen der göttlichen und der menschlichen Natur in Jesus Christus. (Anm.d.Ü)
[47] S. den Begriff „göttliche Ökonomie" oben. (Anm.d.Ü)
[48] Vgl. den bekannten Spruch Einsteins: „"The most incomprehensible thing about the world is that it is comprehensible."[48] (zit. nach: Frank Ph. Einstein. New York, 1947. P. 1).
Lega, Victor