Predigt zum 18. Sonntag nach Pfingsten über Gerechtigkeit und Barmherzigkeit (Lk 6,31-36), 12.10.2025
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Liebe Brüder und Schwestern,
wieder lasen wir ein äußerst prägnantes Evangelium, in dem uns Jesus mitteilt, was wir zu tun und was wir besser zu lassen haben. Es ist ein sehr verdichteter Ausschnitt aus der Bergpredigt. Es geht um Gerechtigkeit und Barmherzigkeit.
Als Christen sind wir nicht normale Menschen. Denn diese würden erwarten, dass sie etwas von dem zurückbekommen, was sie anderen gegeben haben. Und das zumindest in gleicher Höhe, wenn nicht gar mit Zins und Zinseszins. Und nun erfahren wir in dieser Lesung, dass wir noch mehr tun sollten.
Jesus fängt zuerst mit dem an, was wir „goldenes Gesetz“ nennen:
„Und wie ihr wollt, dass euch die Menschen tun, tuet auch ihr ihnen gleicherweise.“
Das ist – so meine ich – für die meisten von uns einleuchtend, selbstverständlich und passt zu dem vorhin gesagten. Wir erwarten eigentlich, dass eine Art Parität in den zwischenmenschlichen Beziehungen eintritt.
In deutschen auch unter dem folgenden Spruch bekannt:
„Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem anderen zu.“
Und tatsächlich, es funktioniert auch sinngemäß. Wenn wir jemandem ein Lächeln schenken, dann werden wir in den meisten Fällen auch ein Lächeln zurückbekommen. Wenn wir jemandem helfen, so ist zumeist dieser auch uns gegenüber hilfsbereit.
Versuchen wir aber andere zu manipulieren, dann werden diese, wenn sie dies bemerken, keinerlei Vertrauen mehr zu uns haben und sich zurückziehen oder – je nach Charakter – mit gleicher Münze antworten.
Soweit so klar. Doch Christus bleibt an dieser Stelle nicht stehen:
„Und wenn ihr die liebet, die euch lieben, was für eine Gnade ist euch zuteil? Denn auch die Sünder lieben die, welche sie lieben.“
Und das führt er noch weiter aus in Bezug auf das Gute zu tun, auf das Leihen usw.
Die Normen der Welt sind kein Maßstab für diejenigen, die Christus nachfolgen.
Und das ist nun der Schritt, der uns dann schon „nicht normal“ macht, wir sollen von den anderen nicht ein Vergelten von gleichem mit gleichem erwarten.
Das ist genau der Punkt: Wenn wir anderen gegenüber Liebe zeigen, und das ist ja schließlich ein Gebot Gottes „Liebe Deinen Nächsten…“, dann heißt das, dass wir dies aus einem Herzensbedürfnis heraus tun und dabei keinerlei Gegengabe von dem anderen erwarten.
Gleichwohl, wenn der andere auch Christ ist, dann handelt er ebenso und es entwickelt sich eine gute Beziehung zueinander.
Doch einfordern können wir dieses nicht, wir können dieses Verhalten nicht von allen erwarten.
Jetzt zündet Christus in seinen Äußerungen die nächste Stufe:
„Indes, liebet eure Feinde, und tuet Gutes, und leihet, wobei ihr nichts zurückerhofft“
Hier kommen wir fast schon an unsere Grenzen. Feindesliebe. Wie soll das gehen?
Das wird uns sicherlich nicht gleich gelingen. Hier können wir nur versuchen, in dem betreffenden Menschen zumindest ein Stückchen Abbild Gottes zu finden.
Zu erkennen, warum er so handelt, welche Randbedingungen, welche Vorgeschichte, welche Motivation und auch welche eigenen Unzulänglichkeiten zu diesem Verhalten geführt haben.
In der Regel hilft es auch, Gott anzurufen und um Hilfe zu bitten. Um Hilfe, diese Situation im oben genannten christlichen Sinne zu bewältigen.
Wenn wir dies alles beherzigen, dann können wir uns freuen, das das eintreten wird, was uns Christus am Ende des heutigen Evangeliums verspricht:
„und euer Lohn wird groß sein, und ihr werdet Söhne des Höchsten sein; denn er selbst ist milde gegen die Ungnädigen und Bösen. Werdet also mitleidvoll, wie auch euer Vater mitleidvoll ist.“
Wir haben tatsächlich nur diese eine Möglichkeit: Wenn wir anderen gegenüber Barmherzigkeit zeigen, dann wird auch Gott uns gegenüber barmherzig sein. Und diese Barmherzigkeit, die wir zeigen, diese Liebe darf eben nicht auf einen uns genehmen Personenkreis beschränkt sein.
Das ist auch eine große Hoffnung. Jeder weiß – wenn er nicht gerade in Hochmut und Stolz verfallen ist – dass er die Sünde in sich trägt. Also brauchen wir die Barmherzigkeit Gottes, damit wir nicht gerichtet werden, damit Gottes Barmherzigkeit über der Gerechtigkeit steht, nach der wir eigentlich gerichtet werden müssten.
Nicht immer wird uns alles gleich gelingen, doch versuchen wir, diese Vorgehensweise Stück für Stück in unser Leben einzubringen, in unserer Familie, in der Gemeinde, unter unseren Kollegen, mit unseren Widersachern.
Gott wird unsere Bemühungen sehen und wird uns dabei unterstützen, wenn wir ihn darin einbeziehen.
Amen.