Predigt zu Pfingsten (Apg 2,1-11; Joh 7,37-52; 8,12)
Liebe Brüder und Schwestern,
wir feiern heute, sieben Wochen nach der Auferstehung Christi, und einige Tage nach Christi Himmelfahrt, das Fest Pfingsten, im slawischen auch als Troica, zu Deutsch Dreiheit, bezeichnet. Letzteres deutet auf den Kern des Festes hin, wir begehen die Ausgießung des Heiligen Geistes auf die Jünger und damit einen weiteren, bedeutsamen Schritt in der Erfüllung des Göttlichen Heilsplanes.
Es ist damit das Geburtstagsfest der Kirche, nun sind die Jünger mit dem Heiligen Geist durch dessen Herabkunft gesegnet worden und wir haben daran teil.
Im Kondakion des Fests heißt es:
„Als er herabsteigend die Zungen verwirrte, entzweite die Nationen der Höchste. / Als er aber des Feuers Zungen verteilte, da rief er alle zur Einheit: // und so verherrlichen wir einmütig den Allheiligen Geist.“
Was ist damit gemeint?
Mit Pfingsten geschieht das Reziproke zu dem, was im Alten Testament geschah, was während des Turmbaus zu Babel eintrat.
Erinnern wir uns: Die Menschen zu dieser Zeit wurden, so würde man heute sagen: größenwahnsinnig, sie waren von Stolz erfüllt.
Die Menschen wollten „einen Turm, mit einer Spitze bis zum Himmel“ (Gen. 11, 4) bauen, um sich damit neben oder gar über Gott zu setzen.
„Da stieg der Herr herab, um Sich Stadt und Turm anzusehen, die die Menschenkinder bauten. Er sprach: ‚Seht nur, ein Volk sind sie, und eine Sprache haben sie alle. Und das ist erst der Anfang ihres Tuns. Jetzt wird ihnen nichts mehr unerreichbar sein, was sie sich auch vornehmen.“ (Gen. 11, 5-6).
Da ist er also wieder, der menschliche Stolz, der uns allen zu eigen ist und der als die Ursünde bezeichnet werden kann! Dieser Stolz ist also die Ursache dieses irren Vorhabens. Im englischen wird Stolz übrigens als „pride“ bezeichnet, das wird ja in einigen Kontexten heutzutage auch sehr gerne verwendet und gibt damit aber einen deutlichen Rückschluss darauf, welche eigentliche Motivation hinter dem Gebrauch dieses Wortes steht.
Dieser Stolz ist also als eine Art Größenwahnsinn, als der Versuch, sich ohne Gott zu vergöttlichen.
Stolz, wie er dagegen umgangssprachlich gebraucht wird, bezeichnet das, was wir als Freude empfinden, wenn wir etwas geschafft haben oder uns auch mit anderen darüber freuen, wenn sie etwas erreichten.
Sicherlich ist nicht in diesem Sinne das Wort Stolz als sündige Eigenschaft zu verstehen. Sondern das ist dann der Fall, wenn wir meinen, dass all das Erreichte wir ohne göttliches Zutun geschafft haben und auch künftig ohne Gott alles selbst aus unserer eigenen Kraft schaffen. Das wir unbelehrbar sind, immer recht haben und dies dann auch anderen gegenüber aufstempeln, aufdrücken, durchzusetzen versuchen.
Wenn man die Diskussionen, Auseinandersetzungen und Streitereien heutzutage verfolgt, die auf verschiedensten Ebenen – im Kleinen, wie im Großen – stattfinden, dann ist es erschreckend, wenn man dabei erkennt, wie diese von dem Stolz durchzogen sind. Wie Menschen genauso so handeln, wie beim Turmbau zu Babel.
Doch was geschah dann, als Gott dieses Ansinnen bemerkte?
„Auf, steigen Wir herab, und verwirren dort ihre Sprache, so dass keiner mehr die Sprache des anderen versteht‘. Der Herr zerstreute sie dort aus über die ganze Erde, und sie hörten auf, an der Stadt zu bauen. Darum nannte man die Stadt Babel (Wirrsal), denn dort hat der Herr die Sprache aller Welt verwirrt, und von dort aus hat Er die Menschen über die ganze Welt zerstreut“ (Gen. 11, 7-9).
Der Herr stieg herab und zeigten den Menschen ihre Grenzen. Er verwirrte ihre Sprachen, so dass sie nicht mehr in der Lage waren, das begonnene Werk zu Ende zu führen und ihren Stolz, ihren Größenwahnsinn auszuleben.
Bemerkenswert ist hier, dass geschrieben steht „Auf, steigen Wir herab“. Also ein deutlicher Hinweis auf die Dreiheit Gottes – Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Kommen wir damit zurück auf das Pfingsten des Neuen Testamentes, denn nun wird dieses Ereignis sozusagen von Gott rückgängig gemacht.
In der Zeit des Alten Bundes wurde der Pfingsttag seit dem Propheten Mose sieben Wochen nach dem jüdischen Pesachfest gefeiert. Dieses Fest wurde zur Erinnerung an die auf dem Berg Sinai durch Gott an Mose erfolgte Übergabe der Zehn Gebote eingeführt. Diese fand fünfzig Tage nach dem Auszug des Volkes Gottes aus Ägypten statt, deshalb wurde das Fest auch Pentekoste – Pfingsten genannt.
Zu dem heute in den Lesungen geschriebenen Pfingstereignis hörte man plötzlich ein lautes Tosen in der Luft. In diesem Augenblick erschienen mitten im Haus, in dem sich die Apostel versammeltenб Zungen von Feuer, sie teilten sich und blieben über dem Haupt jedes Apostels stehen.
Die Apostel und alle, die in dem Haus versammelt waren, als auf sie der Heilige Geist herabkam, begannen plötzlich in allen damals bekannten Sprachen zu reden. Dies war eine der Gaben des Heiligen Geistes. In allen Sprachen verherrlichten die Apostel die Größe Gottes, Seine wunderbaren Taten, deren Zeugen sie geworden waren und deren Sinn sie erst jetzt in ihrer Ganzheit begriffen.
Das zu diesem Fest in Jerusalem aus allen Gegenden des Römischen Reiches versammelte Volk wunderte sich auch darüber, dass es den Lobpreis Gottes in verschiedenen Sprachen hörte; dies war doch nicht erlaubt: Gebete wurden nur in der heiligen hebräischen Sprache verrichtet. Alle sahen das ungewöhnliche Wunder, aber niemand konnte begreifen, wie es geschehen war. Bald fanden sich Leute, die alles erklären wollten, obwohl sie selbst nichts verstanden. Sie verspotteten die Apostel und sagten: „Sie sind vom süßen Wein betrunken!“
Als Petrus und die anderen Apostel das hörten, standen sie auf, und Petrus begann, um den Lärm der Menge zu übertönen, laut zu sprechen: „Diese Männer sind nicht betrunken, wie ihr meint, es ist ja erst die dritte Stunde.“ Die dritte Stunde entspricht bei uns heute neun Uhr am Morgen, es war dies die erste Gebetsstunde und die Zeit des Morgenopfers im Tempel. Bis zu dieser Stunde war es damals auch an normalen Tagen niemandem erlaubt, etwas zu essen, um so mehr wurde dieses Gesetz an einem großen Feiertag eingehalten.
Darauf sagte Petrus zu den Versammelten, dass das, was hier geschah, schon vom Propheten Joël vorhergesagt worden war, der viele Jahrhunderte vor diesem Tag gelebt hatte: Gott habe Seinen Heiligen Geist auf die Apostel gesandt, und jetzt prophezeiten sie. „Jeder, der den Namen des Herrn anruft, wird errettet”, so beendete der Apostel Petrus seine Rede. Viele hörten aufmerksam zu und baten um die Taufe; an diesem Tag wurden etwa dreitausend Menschen in die Kirche aufgenommen, die bis dahin nicht an Jesus Christus geglaubt hatten.
Zusammenfassend: Feiern wir würdig das Fest Pfingsten, den Geburtstag der Kirche, bei dem uns unabhängig einer sprachlichen oder staatlichen Zugehörigkeit die Möglichkeit gegeben wurde, den heiligen Geist zu empfangen.
Lasst uns den Stolz meiden und immer im Geist führen, was uns der Apostel Jakobus erläutert: „Jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk kommt von oben herab, von dem Vater der Lichter, bei dem keine Veränderung ist noch eines Wechsels Schatten.“ (Jak 1,17)
Amen.