Predigt zum 4. Sonntag nach Ostern über den aufgerichteten Gelähmten (Joh 5, 1-15), 11.05.2025
Liebe Brüder und Schwestern,
am heutigen vierten Sonntag nach Ostern lesen wir die Begebenheit über den aufgerichteten Gelähmten.
Fangen wir mit dem Schluss der Geschichte an: Nach der vollbrachten Heilung findet den aufgerichteten Gelähmten „Jesus ihn im Heiligtum und sprach zu ihm: Siehe, du bist gesund geworden; sündige nicht mehr, damit dir nichts Schlimmeres widerfahre.“
Das gibt uns schon einmal einen deutlichen Hinweis darauf, warum der vormals Gelähmte krank war. Diese Krankheit diente dazu, in ihm die Umkehr zu bewirkten und sich Gott anzuschließen.
Es ist ja bemerkenswert, dass er 38 Jahre an dem Teichbecken verweilte und nicht geheilt wurde. Es fand sich schließlich niemand, der ihn hätte bei der Aufwallung des Wassers in das Becken bringen können, was seine Heilung bewirkt hätte.
Der Mann hatte keine Freunde! Was hat er getan, dass er in diese Situation geriet? Er unterscheidet sich damit von einem anderen Gelähmten, von dem wir auch im Laufe des Kirchenjahres hören, der aber Freunde hatte, die ihn damals durch das Dach des Hauses auf seiner Bahre herabließen und ihn sprichwörtlich vor die Füße des Erlösers legten.
Das ist eine große erste Lehre für uns. Verprellen wir nicht die Menschen um uns durch unsere Sünden und unsere Nicht-Liebe. Im Gegenteil, schaffen wir durch Liebe, Barmherzigkeit, der gemeinsamen Sache – der Liturgie – einen festen Bund mit den uns Umgebenden, mit den uns Nahestehenden. Dies ermöglicht es uns dann, mittels ihres Beistandes, Schwierigkeiten zu überwinden.
Jeder von uns erlebt eine Art Lähmung, wenn wir um uns schauen, viel Negatives hören und sehen. Wenn wir von Konflikten in unserer Umgebung und der Welt hören, wenn wir sehen, welchen nichtchristlichen Weg unsere Gesellschaft eingeschlagen hat und missionarisch diesen – auch in Schule und in aller Öffentlichkeit – vorantreibt.
Da kann man schon die Schultern hängen lassen und sich nicht zu Taten – vor allem guten – motivieren.
Aber genau hier hilft dieses soziale Netzwerk, was dem Gelähmten in der heutigen Begebenheit gefehlt hat. Wenn wir wahre Christen sind, dann unterstützen wir uns gegenseitig, ohne dass wir eine direkte Gegenleistung erwarten. Dann leben wir das Gebot, dass wir den Nächsten lieben sollten, wie uns selbst und setzen dies in der Praxis um. Ein guter Startpunkt ist dafür die eigene Gemeinde – wo, wenn nicht hier, sollten wir diese Tugenden gegenüber anderen Gemeindemitgliedern erweisen.
Nun hört aber die Geschichte nicht an der Stelle auf, dass der Mann dort 38 Jahre wartete, dass ihn jemand in das Becken bringt, und der Christus gegenüber offenbaren musste:
„Herr, ich habe keinen Menschen, dass er mich, wenn das Wasser aufgewallt ist, in das Teichbecken brächte; während aber ich komme, steigt ein anderer vor mir hinab.“
Nein, der Erretter selbst heilte ohne weitere Vorbedingung den Gelähmten.
Das ist natürlich auch für uns die zweite große Lehre. Gott hilft uns! Manchmal müssen wir Geduld aufbringen, manchmal ist es aber auch für unser Seelenheil nicht zielführend, von Schwächen befreit zu werden.
Es ist nicht nur einmal passiert, dass, wenn ein Mensch geheilt wurde – und man dieses als göttliches Wunder erleben durfte, weil mit menschlichem Verstand nicht erklärbar – dann dieser Mensch nicht den Weg weiter zu Gott ging. Dass er sich sogar selbst erhöhte und seine eigene Kraft, Geschicklichkeit, Weisheit und sonst noch was anderen gegenüber anpries.
Das Teichbecken an dem das geschah, trug auf hebräisch den Namen Bethesda. Auf deutsch würde man es mit „Haus der Barmherzigkeit“ übersetzen. Von den Menschen bekam der Gelähmte keine Barmherzigkeit, aber wohl von Gott!
Und nun geschieht etwas Unerwartetes, denn „Jesus spricht zu ihm: Steh auf, nimm dein Bett und geh umher.“
Um allen offensichtlich zu zeigen, was hier geschehen war, lässt Christus ihn das Bett tragen. Viele der Hebräer kannten ja den Gelähmten, schließlich hatten sie ihn 38 Jahre an ein und derselben Stelle liegen sehen – nun trug dieser sein eigenes Bett voller Kraft!
Aber damit nicht genug. Neben den beiden Hauptakteuren gab es noch eine weitere Gruppe von Menschen, die dieses wahrnahm und das Gesehene gegen ihre eigene Messlatte hielt, diejenigen, die nicht erkannten, dass hier etwas Göttliches geschah, was über allen bisher geltenden Regeln steht: der Göttlichen Heilung des Gelähmten versus des Sabbat-Gebotes. Letzteres wurde allzu wörtlich ausgelegt und das Äußere, das formale Einhalten des Gebotes, über das Wesentliche, Liebe und Barmherzigkeit Bedürftigen zu erweisen, gestellt.
Und das ist auch die dritte Lehre aus der Begebenheit von Bethesda: das formale Einhalten von Regeln steht nicht über den universellen Geboten der Liebe gegenüber Gott und den Nächsten.
Halten wir also noch einmal die drei wesentlichen Punkte fest:
- Verprellen wir nicht unsere Mitmenschen durch Nicht-Liebe, sondern schaffen wir unser - so wie wir es neuzeitlich bezeichnen –soziales Netzwerk, vor allem im Umfeld unserer Gemeinden.
- Gott hilft allen, wenn er erkennt, das dies zu ihrer Errettung dient. Kommt diese Hilfe nicht sofort oder bleibt aus, dann hat das sicherlich einen Sinn, der sich vielleicht uns nicht direkt erschließt, aber der auf unsere Errettung zielt.
- Das Gebot der Liebe zu Gott und unseren Nächsten ist stärker als die äußere, formelle Befolgung von Regeln.
Amen.