Predigt zum 2. Sonntag nach Ostern. Thomassonntag. Antipascha (Joh 20, 19-31), 27.04.2025
Liebe Brüder und Schwestern,
Christus ist auferstanden!
Letzte Woche begingen wir die lichte Woche nach Ostern, eine Woche, in der wir voller großer Freude uns der Auferstehung Christi gewahr wurden. Die Türen der Ikonostase zum Altarbereich waren offen.
Das Osterbrot, der Artos stand die ganze Zeit vor dem Altar, heute wird es an alle Gläubigen verteilt.
Wie die Heilige Überlieferung berichtet, pflegten die Apostel nach der Himmelfahrt des Herrn zur Erinnerung daran, dass Er ständig unter Ihnen weilt (Mt 28,20), an ihrem Tische den Platz in der Mitte freizuhalten und vor Ihn ein Stück Brot zu legen. Am Ende der Mahlzeit hoben sie unter Dankgebeten dieses Stück Brot hoch und riefen: „Christus ist auferstanden!“ Diesen Brauch erhielten sie und gaben Ihn an ihre Jünger weiter.
Die Kirchenväter der folgenden Jahrhunderte ordneten ihn, damit er erhalten bliebe, dem Feste der Auferstehung Christi zu. „Wie bei den Aposteln ein Stück Brot für den Erlöser bestimmt war zum Gedenken des auferstandenen Christus, so erinnert in unserer gegenwärtigen Kirche der Artos, der zum Osterfest in der Kirche vor die Augen der Gläubigen gelegt wird, an die unsichtbare Anwesenheit des auferstandenen Christus unter ihnen.“
Der heutige zweite Sonntag nach Ostern hat noch zwei weitere Bezeichnungen.
Zum ersten: Antipascha.
„Anti“ hat im griechischen mehrere Bedeutungen. Uns ist im Allgemeinen die deutsche Entsprechung „gegen“ geläufig. Diese trifft hier aber nicht zu, sondern es ist „anstelle dessen“, also „anstelle von Ostern“ damit gemeint. Es beginnt damit die Abfolge der Sonntage, die immer als „kleines Ostern“ bezeichnet werden, da wir an den Sonntagen der Auferstehung Christi gedenken.
Zum zweiten: Thomassonntag.
Dieser Begriff bezieht sich auf das Evangelium, das wir heute gehört haben.
Thomas, einer der Jünger, war nicht bei den ersten Erscheinungen Christi nach seiner Auferstehung bei den anderen Aposteln zugegen gewesen. Es war für ihn sozusagen unglaublich, als die Jünger zu ihm sprachen „Wir haben den Herrn gesehen.“ Er wollte Beweise sehen: „Wenn ich nicht in seinen Händen das Mal der Nägel sehe und meinen Finger in das Mal der Nägel lege und meine Hand in seine Seite lege, so werde ich keineswegs glauben.“
Eine Woche dauerte es, bis er seine Zweifel ausräumen konnte, denn dann kam Jesus wieder durch die verschlossenen Türen, segnete mit dem Friedenssegen die Jünger und bot Thomas genau das an, was dieser geäußert hatte und ergänzte „…und sei nicht ungläubig, sondern gläubig“.
Allein das reichte Thomas, um seinen Glauben wiederzufinden, er antwortete Christus „Mein Herr und mein Gott! Jesus spricht zu ihm: Weil du mich gesehen hast, bist du zum Glauben gekommen. Selig, die nicht gesehen und doch geglaubt haben.“
Es werden also von Jesus die als selig bezeichnet, die den Glauben auch schon ohne eine derartige Beweisführung in sich tragen. Aber er verurteilt Thomas nicht!
Und letzteres sollte uns Grund zur Freude und zur Hoffnung geben. Unsere Gesellschaft ist kritisch gegenüber allem und jedem. Vieles wird hinterfragt. Das ist erstmal weder sonderlich negativ oder positiv zu bewerten. Wichtig ist dagegen, dass man nicht stur auf seiner Position beharrt, wenn offensichtlich ist, dass man nicht die ganze Wahrheit kennt und nur aus Prinzip dabeibleibt. Es fällt uns einfach schwerer, diesen Schritt zu gehen.
Thomas ging den Schritt, er bleib nicht bei seinen Zweifeln, sondern schloss sich Christus an – er fand zum Glauben bzw. er fand wieder zum Glauben. Und damit ist er Vorbild auch für uns. Mit offenem Herzen und klaren Verstand es Gott zu ermöglichen, in unser Leben zu treten.
Ich kann das aus eigener Erfahrung berichten. Auch ich war am Anfang meines Weges in die orthodoxe Kirche, zum orthodoxen Glauben sehr skeptisch. Als jemand, der sich sehr mit den Naturwissenschaften und modernen Technologien beschäftigt, war es für mich anfangs sehr schwer, wahrhaftig an Gott zu glauben.
Doch gab es auf meinem Weg Geistliche, die es verstanden, mich dahin zu führen. So war einer der Begründer von vielen Gemeinden unserer Diözese hier in Deutschland, Erzpriester Leonid Tsypin selbst in seinem früheren weltlichen Beruf Physiker. Er schrieb seine Dissertation in Theologie über die ersten drei Tage der Genesis, die Schöpfungsgeschichte im Alten Testament und zeigte auf, dass die modernsten wissenschaftlichen Erkenntnisse den Aussagen der Bibel nicht widersprechen und Naturwissenschaft und Theologie kein Gegensatz sind, sondern sich ergänzen. Dies half mir persönlich sehr!
Eine kleine Begebenheit zu diesem Thema über einen bedeutenden Wissenschaftler des letzten Jahrhunderts*:
Der Wissenschaftler Werner Heisenberg, der im letzten Jahrhundert lebte, sprach mit Atomphysiker Wolfgang Pauli über seine Vision des Verhältnisses von Religion und Wissenschaft bei einem Besuch des Kopenhagener Hafens. Dabei wurde das Gespräch unterbrochen, weil nur wenige hundert Meter an ihnen vorbei ein großes Passagierschiff schwamm, dessen Fenster von Licht erleuchtet waren.
Heisenberg gingen mehrere Fragen durch den Kopf: Er träumte in diesem Moment von dem Leben der Menschen in den Kabinen, und in seinem Kopf kreiste die Frage: Was ist eigentlich dieses Schiff?
Die Bewegung des Schiffes konnte auf zwei Arten beschrieben werden. Wir können sagen, dass eine solche Maschine installiert ist, in der ein Kraftstoff verbrannt wird, dessen Verbrennungsgase unter Druck auf den Kolben wirken, dessen Bewegung auf den Propeller übertragen wird, der dann das Schiff treibt, damit es fährt.
Oder wir können auch sagen, dass ein Schiff hier ist, weil es von einer Firma gechartert worden ist, um die Ladung von Baumwolle aus Amerika nach Europa zu bewegen.
Die erste Beschreibung ist rein wissenschaftlicher Natur. Die zweite – religiös.
Die Wissenschaft beantwortet die Frage „Warum“ und „Wie“. Die Religion – die Frage nach dem „Weshalb“.
Kommen wir damit wieder auf Thomas zurück und was wir aus seiner Geschichte lernen:
Lassen wir uns also nicht durcheinanderbringen, wenn postuliert wird, dass Religion und Glauben etwas Rückständiges seien und der Wissenschaft widersprächen, das Gegenteil ist der Fall.
Verdammen wir das Zweifeln erst einmal nicht, aber gehen wir mit offenen Augen durch unser Leben und spätestens dann, wenn uns Gott einen Tipp, einen Anstoß, einen „Wink mit dem Zaunpfahl“ dazu gibt, öffnen wir Verstand und Herzen für den Glauben, für Gott.
Christus ist auferstanden!
Amen.