Predigt zum Sonntag der Kreuzverehrung (Mk 8, 34 - 9, 1), 23.03.2025
Liebe Brüder und Schwestern,
wir feiern heute den dritten Sonntag der Großen Fasten, dieser wird auch der Sonntag der Kreuzverehrung genannt. Er bildet den Scheitelpunkt der Fastenzeit, drei Wochen haben wir hinter uns gebracht und drei Wochen sind es nun noch bis zur Karwoche, auf welche das heiß erwartete Osterfest, das Fest der Auferstehung Christi wartet.
Scheitelpunkt heißt auch Höhepunkt – denn das Kreuz spielt ja für uns Christen eine zentrale Rolle. Es ist das Mittel unserer Errettung. Ohne das Kreuz hätte es keine Errettung gegeben.
Schauen wir etwas genauer drauf:
In der orthodoxen Variante sehen wir ein Kreuz mit drei Balken. Sofort stellt sich die Frage, sind alle anderen Varianten falsch, bei denen z.B. nur ein einfaches Kreuz dargestellt wird? Nein, natürlich nicht. Es gibt verschiedene Ausprägungen davon.
Im orthodoxen Fall stellt der kleinere obere Querbalken die Tafel dar, auf der die Inschrift INRI – Jesu von Nazareth, König der Juden angebracht war.
Der untere kleine ist derjenige, an dem die Füße Christi angenagelt waren. Häufig wird die Frage gestellt, warum dieser geneigt angebracht ist, also von links oben nach rechts unten. Die hat wie vieles, oder nicht um sogar zu sagen, alles in der orthodoxen Kirche einen tieferen symbolischen Gehalt.
Erinnern wir uns an die Geschichte: neben Christi hingen zwei weitere Verurteilte. Beide unterschieden sich aber in dem, wie sie ihre Kreuzigung und die Christis wahrnahmen. Der rechte spottete, „Bist du nicht der Christus? Rette dich selbst und uns!“ Der linke aber, der Räuber, sagte in diesem Moment: „Gedenke meiner, wenn Du in Dein Königtum kommst!“
Dieser wurde errettet, er kam in das Königtum. Und genau dieser Unterschied zwischen den beiden ist durch die Neigung des Balkens dargestellt. Der Links hängende kam in das himmlische Königtum, daher zeigt der Balken auf dieser Seite nach oben, der Rechts hängende in den Hades, daher sehen wir da den Balken nach unten zeigend.
Das sind auch die beiden Wege, die jeder von uns hat. Glaubt er an Christus, wie wir es im Glaubensbekenntnis formulieren:
„[an] Gottes einziggezeugten Sohn, […] den für uns unter Pontius Pilatus Gekreuzigten, der gelitten hat und begraben worden ist, den am dritten Tage Auferstandenen gemäß den Schriften, den in die Himmel Aufgestiegenen und zur Rechten des Vaters Sitzenden, den mit Herrlichkeit Wiederkommenden, zu richten die Lebenden und die Toten, dessen Königtum ohne Ende sein wird,“
oder negieren wir dieses – was Gott in seiner Liebe jedem Menschen zubilligt. Jeder kann sich diesem Glauben anschließen, er muss es aber nicht. Doch die Konsequenzen daraus sollten ihm dann klar sein, was diese bewusste Entscheidung mit sich bringt. Der untere Balken am Kreuz zeigt es klar auf. Sie wie es auch der Apostel Paulus im 1. Brief an die Korinther schreibt (1 Kor 1,18):
„Denn das Wort vom Kreuz ist denen, die verloren gehen, Torheit; uns aber, die wir gerettet werden, ist es Gottes Kraft.“
Wenn wir das orthodoxe Kreuz betrachten, dann sehen wir, dass Christus nicht als Leidender dargestellt wird, sondern entgegen allen physischen Gesetzen die Schwerkraft überwindend mit waagerechten Armen und aufrecht gezeigt wird.
Das ist der ganze Gegensatz von insbesondere neueren Darstellungen der Kreuzigungen vor allem in der westlichen Kirche.
Der Grund ist: Christus ist der Sieger über die Kreuzigung. Nach einem Karfreitag gab es einen Ostersonntag, nach der Kreuzigung folgt die Auferstehung. Diese ist der Wendepunkt für die Menschheit: Wenn es vorher keine Errettung gab, waren die alttestamentarischen Propheten und Gerechten auch noch so tugendhaft und gläubig, so ist mit diesem Ereignis in der Weltgeschichte für alle die Möglichkeit der Errettung und des Eingangs in das himmlische Königtum gegeben worden.
Das Motiv des Sieges über das Kreuz, dass stärker als das des Leidens ist, findet sich auch in der Hymnografie des Tages. Viele der Gesänge in der Vigil sind denen des Auferstehungsfestes entnommen und im Festlied des Tages, dem Kondakion heißt es:
„Nicht länger bewacht das Flammenschwert das Tor von Eden; denn über es kam die unbegreifliche Bindung, das Holz des Kreuzes. Der Stachel des Todes und der Sieg des Hades sind vertrieben: denn du, mein Erretter, bist zu denen im Hades gekommen und riefest ihnen zu: Lasset euch wiederum führen ins Paradies.“
All dies zusammen ist doch ein Grund, dieses Kreuz zu verehren, so wie es die Kirche in dem heutigen Sonntag der Kreuzverehrung gebietet. Gestern, am Vorabend des Festes wurde bei der Nachtwache ein Kreuz aus dem Altarraum zur Verehrung in die Mitte der Kirche getragen. Diese Kreuzverehrung erfolgt unter dem Gesang des Hymnus: „Dein Kreuz, o Gebieter, beten wir an, und Deine heilige Auferstehung preisen wir.“ Das Kreuz bleibt nun die ganze Woche zur Verehrung in der Mitte der Kirche liegen. Die vierte Woche der Großen Fastenzeit, der Woche der Kreuzverehrung ist dann eine Woche des strengeren Fastens als die zweite und dritte Fastenwoche. An allen Tagen der Woche wird das Kreuz verehrt und am Freitag wird bei der Vesper das Kreuz in den Altar getragen.
Das Kreuz als christliches Symbol wurde erst im 5. Jahrhundert eingeführt. Man nennt das dritte ökumenische Konzil in der kleinasiatischen Stadt Ephesus, die heute in der türkischen Ägäisregion liegen würde, im Jahre 431 oft als den Ort der offiziellen Verankerung des Kreuzes als christliches Zeichen.
Wir tragen das Kreuz an unserem Körper, wir verehren es heute in der Kirche und wir achten auf die Worte, die Christus im heutigen Evangelium an uns richtet:
„Wer mir hinterher nachfolgen will, verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf und folge mir nach. […] Denn wer sich meiner und meiner Worte schämt unter diesem ehebrecherischen und sündigen Geschlecht, dessen wird sich auch der Menschensohn schämen, wann er kommen wird in der Herrlichkeit seines Vaters mit den heiligen Engeln.“
Mit anderen Worten:
nur dann, wenn wir unseren Geist auf Christus und sein Kreuz ausrichten,
nur dann, wenn wir ihn bekennen,
nur dann, wenn wir ihn in dieser Gesellschaft nicht verleugnen,
werden wir gewürdigt werden, ihn in Seiner Herrlichkeit im ewigen Leben zu erschauen.
Die Große Fastenzeit ist genau der richtige Moment dafür, sich diesen Impuls zu geben und das eigene Leben entsprechend zu gestalten.
Amen.