Predigt zum Sonntag vom Jüngsten Gericht (Mt 25,31-46), 23.02.2025
Liebe Brüder und Schwestern,
der Abschnitt aus dem Evangelium, den wir gerade gehört haben, enthält die Vorhersagen des Erlösers über das Ende der Zeit. Die christliche Tradition nennt dieses Ereignis das Jüngste Gericht oder auch das Weltgericht.
Häufig denken wir, dass – wenn wir nicht gegen die zehn Gebote verstoßen haben oder zumindest der Meinung sind, dass wir es nicht taten – dies völlig ausreichend ist, um in das himmlische Königtum einzugehen und dieses Gericht zu bestehen.
Doch spätestens, wenn wir uns genau diese Stelle im Evangelium genauer anschauen, stellen wir fest, dass mehr von uns gefordert wird. Nämlich, dass wir nicht nur der Sünde entsagen, sondern dass wir auch nichts unterlassen, was wir anderen, Bedürftigen Gutes tun können.
Einerseits überrascht uns das vielleicht, aber andererseits kennen wir das doch schon aus unserem weltlichen Leben, denn wir haben sogar hier in unserer weltlichen Gesellschaft einen Paragrafen zu diesem Sachverhalt im Strafgesetzbuch:
„§ 323c Unterlassene Hilfeleistung
(1) Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.“
Wenn also schon im Irdischen das anderen nichtbeistehen in Notsituationen bestraft werden kann, um wieviel mehr sind wir als Christen gehalten, diesen Beistand auch darüberhinausgehend zu leisten.
Es geht hier nicht nur um materiellen Beistand für Bedürftige, sondern es geht auch um den seelischen, um den geistlichen Beistand. Denn ein Mensch kann auch einen immateriellen Hunger oder Durst haben, also sozusagen ein offenes Ohr, Zuwendung oder Liebe notwendig haben.
Und dieser Beistand wiederum ergibt sich aus dem göttlichen Auftrag, wie ihn Jesus prägnant in den folgenden Worten zusammenfasst (Mt 22,37-40):
„›Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben, von ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken!‹ Das ist das erste und wichtigste Gebot. Ein weiteres ist genauso wichtig: ›Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.‹ Alle anderen Gebote und alle Forderungen der Propheten gründen sich auf diese beiden Gebote.“
Also ohne die Liebe zu Gott und ohne eine praktische Liebe zu den Nächsten und den Bedürftigen, wird es für uns schwer werden, in das himmlische Königtum einzugehen.
Ein weiterer Aspekt ist dabei aber, wie wir mit unserem Herzen dazu stehen. Tun wir das nur, um einer möglichen Strafe Gottes zu entgehen, so wie es der zweiten Menschengruppe im heutigen Evangelium geschah? Oder tun wir dieses aus wahrhaftiger Liebe?
Letzteres fällt sicher nicht immer leicht, denn um diese Liebe zu erlangen, ist eine Reinigung unseres Herzens, unserer Seele unabdingbare Voraussetzung.
Wie können wir diese erreichen?
Indem wir in uns schauen, uns von den schlechten Angewohnheiten, Bestrebungen, Leidenschaften befreien – also Buße tun.
Die beste Gelegenheit, die sich nun dafür bietet, diesen Weg einzuschlagen, ist die in einer Woche beginnende Große Fastenzeit. Diese hilft uns, diesen Reinigungsprozess anzustoßen und damit uns von dem Dreck und den Ablagerungen auf unserem Herzen, unserer Seele zu befreien und diese zum Glänzen zu bringen. Damit werden wir dann fähig, anstelle unserer Leidenschaften den anderen, unseren Nächsten, wahrzunehmen und – sollte dieser bedürftig sein – zu erkennen, dass hier unsere Hilfe benötigt wird. Dann werden wir diese Hilfe auch mit Freude und aus Liebe leisten und selbst Glücksmomente verspüren, dass wir jemandem Gutes getan haben.
Doch sollten wir hier vorsichtig zu Werke gehen, um nicht das Gegenteil zu erreichen. Nicht immer ist es zielführend, jemandem „unter den Arm zu greifen“ – vor allem, wenn er es nicht will oder eigentlich auch gar nicht braucht.
Manche haben bestimmt einmal den Werbeclip gesehen, bei dem eine Oma an einer Fußgängerampel steht und ein hilfsbereiter junger Mann, ohne sie zu fragen, diese energisch unterhakt und auf die andere Seite der Straße über den Fußgängerübergang bringt. Dort angekommen, wendet sich die Kamera wieder auf die andere Straßenseite und man sieht, dass dort ein Bus abfährt, in dem die Oma eigentlich hätte einsteigen wollen und den sie durch diese unüberlegte Handlung des vermeintlichen Helfers verpasst hatte. Hätte der stürmische Helfer also ein wenig behutsamer gehandelt, wäre dieses Missgeschick nicht passiert.
So ist es auch im geistlichen Leben. Es hilft nicht, überstürzt zu versuchen, etwas – sei es auch aus unserer Sicht – noch so Gutes zu tun, sondern es ist angeraten, achtsam Schritt für Schritt vorzugehen.
Eine Hilfe ist dabei übrigens auch ein kleines Gebet am Anfang einer jeden Tat:
„Herr Jesus Christus, eingeborener Sohn Deines anfangslosen Vaters, Du hast gesagt: «Ohne mich könnt ihr nichts tun». Ich beherzige zutiefst das, was Du gesprochen hast, und ich verneige mich vor Deiner Güte. Hilf mir Sünder, das Werk, das ich nun beginne, in Dir auch zu vollenden, im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen“
Oder einfach: „Gib Deinen Segen, Herr!“
Wollen wir also in der demnächst beginnenden Fastenzeit unser Augenmerk darauf verwenden, damit die Liebe, die Nächstenliebe in uns erstrahlen kann und wir diese den wirklich Bedürftigen erweisen.
Amen.