Predigt zum 32. Herrentag nach Pfingsten, Herrentag vor Christi Geburt, Herrentag der Väter, Vorabend von Christi Geburt (Heiligabend) (Hebr. 11: 9-10, 17-23, 32-40; Mt. 1: 1-25) (06.01.2019)
"Seht, es werden Tage kommen - Spruch des Herrn -, in denen Ich mit dem Haus Israel und dem Haus Juda einen neuen Bund schließen werde, nicht wie der Bund war, den Ich mit ihren Vätern geschlossen habe, als Ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägypten herauszuführen. Diesen Meinen Bund haben sie gebrochen, obwohl Ich ihr Gebieter war - Spruch des Herrn. Denn das wird der Bund sein, den Ich nach diesen Tagen mit dem Haus Israel schließe - Spruch des Herrn: Ich lege Mein Gesetz in sie hinein und schreibe es auf ihr Herz. Ich werde ihr Gott sein, und sie werden Mein Volk sein" (Jer. 31:31-33; vgl. 24:7).
Liebe Brüder und Schwestern,
wir lesen heute die ersten Zeilen aus dem Neuen Testament, dem Matthäus-Evangelium, das mit dem Stammbaum des Herrn - einer Nacherzählung des Alten Testamentes in nuce vom Stammvater Abraham über König David bis Jesus Christus, - beginnt. Das Ende dieser Aufzählung markiert den Übergang zu einer neuen Ära, welche schon sechshundert Jahre vorher angekündigt worden war, die eine völlig neue und andersartige Beziehung zwischen Gott und Mensch vorsieht: "Ich richte Meine Augen liebevoll auf sie und lasse sie in dieses Land heimkehren. Ich will sie aufbauen, nicht niederreißen, einpflanzen, nicht ausreißen. Ich gebe Ihnen ein Herz, damit sie erkennen, dass ich ihr Herr bin. Sie werden Mein Volk sein, und Ich werde ihr Gott sein, denn sie werden mit ganzem Herzen zu Mir umkehren" (Jer. 24:6-7). Der Herr der Heerscharen ist ein Gott der Liebe; Er will, dass die Menschen in dieser Liebe zu Ihm verbleiben (s. Dtn. 6:5) und darin auch untereinander fortfahren (Lev. 19:18; vgl. zu beiden Mt. 22:38-39; Mk. 12:29-31; Lk. 10:27). "Die Liebe Gottes wurde unter uns dadurch offenbart, dass Gott Seinen einzigen Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch Ihn leben" (1 Joh. 4:9). Bedarf es noch eines Beweises, dass Gott die Liebe Selbst ist (s. ebd. 4:8,16)? Und "wenn Gott uns so geliebt hat, müssen auch wir einander lieben ... Wenn wir einander lieben, bleibt Gott in uns, und Seine Liebe ist in uns vollendet" (4:11-12). Darin besteht der grundlegende qualitative Unterschied zu der Zeit vor Christi Geburt. Im Alten Bund beachteten die Menschen schon damals wider besseres Wissen (s. Dtn. 5:6 und Lev. 19:18) in erster Linie die rituelle Seite des Gesetzes mit ihren zahlreichen Vorschriften (s. Mt. 23:23 und Lk. 11:42), und die Gefahr, es ihnen auch heute noch gleichzutun, ist keineswegs gebannt. Jeder Priester wird bestätigen können, dass die Leute eher hundert Mal fragen, ob sie z.B. während der jetzt zu Ende gehenden Fastenzeit am Sonntag an der Heiligen Kommunion teilnehmen dürfen, obwohl sie am vorhergehenden Freitag Fisch gegessen haben, als dass auch nur einer fragt: "Wie kann ich es erlernen, meinen Nächsten zu lieben?"... Und gerade die Frömmsten der Frommen (vgl. Lk. 18:9-14) laufen Gefahr, den Heiland auch heuer bei Seiner Ankunft aus dem Haus ihres Herzens auszuschließen und Ihm einen erbärmlichen Stall zuzuweisen...
Die heutige Lesung hebt die besondere Stellung Abrahams und Davids als Ahnen Christi hervor, denn durch die Verheißungen an die Nachkommenschaft Abrahams (s. Gen. 22:15-18) und Davids (s. 4. Kön. 7:12-17, 25-29), welche im Mensch gewordenen Gott Jesus Christus verwirklicht worden sind, ist der Herr zu unserem Gott und wir zu Seinem Volk geworden. Es ist die "große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll" (Lk. 2:10)! Auch wenn die von Gott enfremdeten, sündigen Menschen zuvor Böses im Sinn gehabt hatten, hatte Gott dabei immer nur "Gutes im Sinn". So wie einst Josef durch den Verrat seiner Brüder in Ägypten erhöht wurde, um "viel Volk am Leben zu erhalten" (Gen. 50:20), so wird nun Christus geboren, um von den eigenen Leuten verfolgt zu werden und nach Ägypten zu fliehen, damit alle Menschen das Heil erlangen können. Wie Josef vor seinem Tod trotz der zuvor gegen ihn gerichteten Feindseligkeit für seine Brüder und deren Kinder sorgte, so werden die geistlichen Nachkommen Christi noch im Zustand der „Feindschaft mit Gott“ durch den Tod Seines Sohnes versöhnt und gerettet werden (s. Röm. 5:10). Die Geburtshöhle ist eine protoypische Andeutung der Grabhöhle, die Windeln des Christkindes weisen heute schon auf die Grabbinden des Erlösers hin. Heute ist auch der Beginn des Leidenswegs des "Mannes voller Schmerz" (Jes. 53:3), Der "unsere Krankheit getragen und unsere Schmerzen auf Sich geladen" hat (53:4), denn "durch Seine Wunden sind wir geheilt" (53:5). Deshalb ist der Tag vor dem Christfest ein Tag des Gedenkens an den Preis, den Gott für unser Heil entrichtet hat (s. 1 Petr. 1:18; Hebr. 9:12-15; Offb. 5:9). Lasst uns den heutigen strengen Fastentag folglich als unabdingbare Vorstufe zum Übergang in die Festtagsfreude begreifen: "Die mit Tränen säen, in Jubel werden sie ernten. Sie gingen, ja sie gingen und weinten, werfend ihre Samen. Kommen aber werden sie, kommen in Jubel, tragend ihre Garben" (Ps. 125:5-6). Und dann gilt auch: "Das Wort ist glaubwürdig: Wenn wir mit Christus gestorben sind, werden wir auch mit Ihm leben; wenn wir standhaft bleiben, werden wir auch mit Ihm herrschen" (2 Tim. 2:11-12a). Wir dürfen in diesen Zeiten niemals zulassen, dass die Frohe Botschaft, so wie sie uns von Anfang an überliefert wurde, von wem auch immer entstellt wird (z.B. durch einen Predigt-Vergleich der Hirten zu Bethlehem mit den „Gelbwesten“ in Frankreich). Der Apostel Paulus ermahnt seinen Schüler Timotheus: "Bemüh dich darum, dich vor Gott zu bewähren als ein Arbeiter, der sich nicht zu schämen braucht, als ein Mann, der offen und klar die wahre Lehre vertritt. Gottlosem Geschwätz geh aus dem Weg; solche Menschen geraten immer tiefer in die Gottlosigkeit, und ihre Lehre wird um sich fressen wie ein Krebsgeschwür ... So zerstören sie bei manchen den Glauben" (2 Tim. 2:15-17a,18b) - wovor uns Gott bewahren möge! Amen.