Predigt zum 7. Herrentag nach Ostern / Gedächtnis der heiligen Väter des I Ökumenischen Konzils (Apg. 20:16-18, 28-36; Joh. 17:1-13) (01.06.2025)
Liebe Brüder und Schwestern,
das I Ökumenische Konzil 325 in Nizäa war gewissermaßen die Geburtsstunde der Orthodoxie. Die Kirche Christi wurde ja knapp drei Jahrhunderte vorher auf dem Berg Zion in Jerusalem gegründet (s. Jes. 2:1-5; Joёl 3:5; Mi. 4:1-3), doch erst in der Konstantinischen Ära bekam die Kirche die Möglichkeit, ihre Glaubenslehre öffentlich zu artikulieren. Es war der antiochenische Presbyter Arius, der das bis dahin angestaute, der göttlichen Weisheit widerstrebende, auf menschlichem Verstand beruhende Denken formulierte, indem er behauptete, der Herr Jesus Christus sei nur im allegorischen Sinne Sohn Gottes, jedoch nicht von göttlicher Natur und nicht eines Wesens mit dem Vater. Er bot demzufolge an, statt wesens-ein (griech. homousios) in Bezug auf Christus die Formulierung wesensähnlich (griech. homoiusios) zu verwenden. Nur ein Buchstabe, ein Iota (s. Mt. 5:18), das den Unterschied ausmacht. Und doch verwarfen die Väter des Konzils diese Lehre, die den Sohn Gottes als Geschöpf ansieht und nicht als vor allen Zeiten vom Vater gezeugten Logos (s. Joh. 1:1-5). Demnach wäre nämlich der Mensch Jesus für uns am Kreuz gestorben, nicht der Gottesmensch, also nicht Gott in menschlicher Gestalt. Heute lesen wir aus dem hohepriesterlichen Gebet des Herrn zum Vater: „Ich habe Dich auf der Erde verherrlicht und das Werk zu Ende geführt, das Du Mir aufgetragen hast. Vater, verherrliche Du Mich jetzt bei Dir mit der Herrlichkeit, die Ich bei Dir hatte, bevor die Welt war“ (Joh. 17:4-5). Christus kam nicht aus Zwang in diese Welt, so wie Er auch nicht aus Zwang Sein Leben hingegeben hat, sondern aus Liebe (s. Joh. 10:17-18) und Gehorsam zum Vater (s. Phil. 2:8-9). Ein Sklave oder ein angeheuerter Knecht hätte von Gott, dem Vater nicht „über alle erhöht“ werden können, einen „Namen verliehen“ bekommen, „der größer ist als alle Namen, damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihre Knie beugen vor dem Namen Jesu, und jeder Mund bekennt: ´Jesus Christus ist der Herr` - zur Ehre Gottes, des Vaters“ (Phil. 2:9-11). Freiwilliger Gehorsam bzw. Unterordnung aus Liebe (s. Eph. 5:2-6:3; Kol. 3:18-25) ist folgerichtig das Ordnungsprinzip für uns Christen, sei es in Familie, Kloster, Gemeinde oder Diözese, aber auch in Staat und Gesellschaft. Wenn Christus als Sohn Gottes gehorsam war, müssen wir es auch sein. Darin liegt dann auch der Schlüssel für das Verständnis der Wahrheit, die zum Seelenheil führt. Der Herr spricht ja in Seinem Gebet zum Vater: „Das ist das ewige Leben: Dich, den einzigen wahren Gott, zu erkennen und Jesus Christus, Den Du gesandt hast“ (Joh. 17:3). Noch: „Und in keinem anderen ist das Heil zu finden. Denn es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen“ (Apg. 4:12).
Der Arianismus als konfessionelle Gruppierung spielt heute nur noch eine geringe Rolle im Nahen und Mittleren Osten. Aber faktisch hielt die Lehre vom Geschaffensein Christi Einzug in die Gedankenwelt der „modernen“ Christen, die sich nicht mit theologischen und dogmatischen Feinheiten aufhalten, sondern sich lieber um die „Dinge dieser Welt“ kümmern wollen (vgl. Mt. 6:33; Lk. 12:31). Um die soll es uns aber jetzt nicht gehen. Vielmehr gewinnt im Abendland nämlich der Islam an Bedeutung, während das hier historisch verwurzelte Christentum bald zur Unkenntlichkeit verkümmert sein wird. Ich beobachte die sich mit steigender Tendenz wiederholenden Versuche von im Glauben eifernden Muslimen, den immer weniger im eigenen Glauben bewanderten Christen „das Evangelium zu erklären“. Sie reißen Zitate aus dem Zusammenhang heraus wie es sonst nur Sektierer tun, um ihre Zuhörer von der Richtigkeit ihrer Sichtweise zu überzeugen (s. z.B. Joh. 14:28), machen sich die Ignoranz der heutigen nominellen Christen somit zunutze. Deshalb wohl sieht man heute vermehrt nicht-orientalisch aussehende Frauen auf der Straße mit Kopftüchern und in knöchellangen Kleidern bzw. europäische Männer mit langen Bärten und gestutztem Oberlippenbart. Natürlich achten wir die Gewissensfreiheit jedes einzelnen und jede Religion als solche. Aber wir sollten auf der Hut sein und bei Bedarf auch energisch widersprechen können. Wenn im Koran steht, dass Isa bloß ein Prophet ist (Sure 19, Ayat 30), dass Er nicht am Kreuz starb (4:157-158), dass Allah keinen Sohn hat (6:101-102; 10:68-70; 112:1-4) etc., tolerieren wir es, wenn das so von unseren muslimischen Brüdern und Schwestern gesehen und auch gepredigt wird. Wir können uns aber nicht damit abfinden, dass bei uns lebende Muslime unser Evangelium mutwillig verdrehen und dadurch die halbherzigen Christen hier in die Irre führen. Wir Christen verspüren auch nicht das Verlangen, den Muslimen den Koran aus unserem Blickwinkel zu erläutern. Doch wenn die Muslime auf ihrer gegenwärtig angewandten missionarischen Taktik weiter bestehen, müssen sie irgendwann auch mit einer Gegenreaktion der Christen rechnen. Und dann, das garantiere ich, werden nicht mehr die „Gemeinsamkeiten“ betont werden. Vielmehr wird man sich seitens der Christen genötigt sehen, einen wirklichen Dialog anzufangen und dann den Koran bzw. den Islam im Disput strengsten historischen-kritischen Prüfungen zu unterziehen. Dann will ich sehen, welche wissenschaftlich tragbaren Beweise die Muslime dafür anführen werden, dass gemäß ihrer Tradition Ibrahim seinen Sohn Ismael (!) auf dem Berg Arafat in Arabien Allah zum Opfer darbringen wollte oder dass Muhammad während seiner nächtlichen Entrückung „an das entfernteste Ende der Welt“ (arab. al-aksa) tatsächlich in Jerusalem war (NB: Jerusalem kommt im Koran kein einziges Mal vor). Ich jedenfalls werde stets an die Worte des heiligen Alexander Newski denken: „Gott ist nicht Kraft, sondern Wahrheit“. Amen.