Predigt zum 3. Herrentag nach Ostern / Hll. Myron tragendenen Frauen (Apg. 6:1-7; Mk. 15:43-16:8) (04.05.2025)
Liebe Brüder und Schwestern,
zwei Wochen nach dem Fest der Feste gedenken wir heute der Frauen, welche sich nach dem leiblichen Tod des Gottesmenschen um die ordnungsgemäße Balsamierung des Leichnams kümmern wollten. Es ist an diesem Tag aber auch bemerkenswert, dass wir neben den bis zuletzt treuen Frauen auch zweier Männer gedenken, die, anders als die Aposteln, dem Herrn dann offen ihre Treue erwiesen, als aus irdischen Erwägungen die Mission gescheitert zu sein schien und jegliche Treuebekundungen aus rationaler Sicht unsinnig vorkamen. Die engsten Jünger des Herrn hatten kurz vor dem Leidensweg Christi noch Irdisches im Sinn – so die beiden Söhne des Zebedäus, angestachelt von ihrer Mutter, die zur Rechten und zur Linken Christi in einem irdischen Königreich sitzen wollten (s. Mt. 20:24-28; Mk. 10:35-45; Lk. 22:24-27). Salome, die Mutter der beiden, war aber kurz darauf unter den Frauen, die dem Herrn wider alle menschliche Vernunft die Treue hielt, und eben auch Joseph von Arimathäa, von dem nicht zufällig erwähnt wird, dass er „auf das Königtum Gottes wartete“ (Mk. 15:43) und als Ratsherr „dem, was die anderen (Mitglieder des Hohen Rates) beschlossen und taten, nicht zugestimmt hatte, weil er gut und gerecht war“ (Lk. 23:51). Mit ihm war auch Nikodemus, der als Fürsprecher des Herrn im Hohen Rat aufgetreten war (s. Joh. 7:51) und nach der nächtlichen Unterhaltung mit Christus (s. Joh. 3:1-13; 7:50; 19:39) gewiss auch eine tiefere spirituelle Ahnung vom Königtum Gottes besaß. Diese beiden wagten sich aus ihrer Deckung hervor und sorgten für eine würdevolle Bestattung des Herrn unmittelbar nach der Abnahme des Leichnams vom Kreuz. Als der Sabbat vorüber war, traten dann die Frauen um Maria Magdalena in Erscheinung, um den Leichnam nochmals zu salben (s. Mk. 15:1). Es war eigentlich ein sinnloses Unterfangen, da die vorschriftsmäßige Salbung schon vor dem Sabbat durch die beiden Männer erfolgt war – und doch drückt diese Vorgehensweise die Liebe und die Treue dieser Frauen zu unserem Herrn aus. Das ist auch der Punkt, an dem wir hier ansetzen wollen. Es wird ja gemeinhin behauptet, dass es in der orthodoxen Kirche keine führenden Ämter für Frauen gibt und dass Frauen bei uns nur Menschen zweiter Klasse sind. Klar, wenn man sich allein diese äußere Anschauungsweise zu eigen macht, kann dieser Eindruck entstehen. Folglich finden Menschen, die nur Äußerlichkeiten im Sinn haben, auch Anstoß daran, dass Frauen (zumindest in der Russischen und in der Georgischen Kirche) einer strengeren Kleiderordnung im Gottesdienst unterzogen sind als Männer (s. 1 Kor. 11:2-16). Mag sein, dass es in manchen Gemeinden so gehandhabt wird. Wenn wir unser Augenmerk aber auf die innere (spirituelle) Seite richten, erkennen wir, dass die Mutter Gottes auch ohne ein hierarchisches Amt die höchste Stellung unter allen Menschen in der Kirche einnimmt, dass Maria Magdalena als gegenüber den Jüngern des Herrn rangmäßig Untergeordnete bei uns als Apostelgleiche verherrlicht wird und mit ihr andere heilige Frauen wie Helena, Nina, Tamara, Olga u.v.m., während die heilige Maria von Ägypten auf einer Stufe mit den größten Wüstenvätern als engelgleiches Wesen gerühmt wird und die Märtyrerinnen Fides, Spes, Caritas (Vera, Nadezhda und Liubovj) samt ihrer Mutter Sophia ranggleich mit den Makkabäer-Brüdern und deren Mutter Solomonia sind (s. 2 Makk. 7:1-41). Frauen sind die wichtigsten Funktionsträger in der Kirche schlechthin, denn als Mütter sind sie die ersten Aposteln ihrer Kinder und als Ehefrauen unverzichtbare Stützen für ihre Männer. Sie waren es, auf die sich die Kirche zu jeder Epoche der Drangsal stützen konnte, wie unlängst unter der Herrschaft der Atheisten. Die Unstimmigkeiten, die es bei uns in Bezug auf die angebliche Diskriminierung der Frau gibt (vgl. Eph. 5:23-24; Kol. 3:18), entstehen dadurch, dass manche Frauen in der Kirche nicht die Ehre Gottes anstreben, sondern auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind. Während Rangstreitigkeiten bei Männern dank der festen hierarchischen Ordnung auf ein Minimum reduziert sind, kommt es bei Frauen vermehrt zu Rivalitäten und Animositäten im Chor, am Kerzentisch, beim Saubermachen oder wie in der heutigen Lesung aus der Apostelgeschichte beim Verteilen der Versorgungsgüter (s. Apg. 6:1). Dies geschieht immer dann, wenn sie „das Ansehen bei den Menschen mehr als das Ansehen bei Gott“ lieben (Joh. 12:43). Ich persönlich stoße mich nicht daran, wenn Frauen ohne Kopftuch und in Hosen zur Kirche kommen, denn ich freue mich über jeden Menschen, der überhaupt zu Gott kommt, Welcher bekanntlich nicht auf das Äußere, sondern auf die Herzen der Menschen schaut (s. 3 Kön. / 1 Sam. 16:7).
Mein von Herzen kommender Rat an alle Christinnen: Gehen Sie den Weg der Myronträgerinnen! Jedes Jahr gehen wir mit ihnen in der Osterprozession durch die Dunkelheit zum Licht. Wir stehen symbolisch vor dem versiegelten Grabe des Herrn, das plötzlich offen erscheint und durch seine Leere der ganzen Welt die Auferstehung Christi verkündet. Die Myronträgerinnen hatten, anders als die Männer um Christus, keine Flausen im Kopf. Deren kopflastiges Streben endete für sie in der vorläufigen vermeintlichen Katastrophe, während die Frauen wider rationales menschliches Denken einfach nur dem Herrn ihre Liebe bezeugten, bis ihnen schließlich das Licht aus der Dunkelheit erstrahlte und sie zu „Aposteln für die Aposteln“ wurden (s. Mt. 28:7,10; Mk.16:7,9-10; Lk. 24:9-10; Joh. 20:1-2,18). Solche Frauen waren zu allen Zeiten die Grundpfeiler der Kirche, und nur solche Frauen werden auch ihre schwerlich zum Glauben zu bewegenden Männer zu Christus führen können (s. 1 Petr. 3:1-6; 1 Kor. 7:12-16). Welcher Lohn sie dafür erwartet ist aber in Gedanken nicht vorstellbar und in Worten nicht auszudrücken (s. 1 Kor. 2:9; vgl. Jes. 64:3). Amen.