Predigt zum Hochfest der Weltweiten Erhöhung des Kostbaren und Lebenspendenden Kreuzes des Herrn (1 Kor. 1:18-24; Mt. 19:6-11,13-20,25-28,30-35) (27.09.2023)
Liebe Brüder und Schwestern,
historisch gründet das Fest der Kreuzerhöhung in der Auffindung des Kostbaren und Lebenspendenden Kreuzes unseres Herrn und Gottes Jesus Christus durch die heilige Kaiserin Helena anno 326 und in der Rückeroberung dieser größten Reliquie der Christenheit durch den römischen Kaiser Heraklios von den Persern im Jahre 630. Spirituell ist die Kreuzerhöhung aber mit dem Sieg des ersten christlichen Kaisers Konstantin gegen seine Widersacher verbunden, wodurch nämlich eine Zeitenwende in der Weltgeschichte eingeleitet wurde, infolge derer das Christentum zur Weltreligion aufstieg (heute ca. 2,5 Milliarden Anhänger).
Heute wollen wir die Konstantinische Wende etwas genauer unter die Lupe nehmen und den Bezug zu unserer heutigen Zeit herstellen. Dazu müssen wir uns nur vorstellen, schon damals hätte es unsere „unabhängige“ Medienberichterstattung gegeben und wir alle hätten als „freie“ und „mündige“ Bürger einer „aufgeklärten“ und von „humanistischen Werten“ geprägten Gesellschaft das Recht und die Möglichkeit, uns „völlig unvoreingenommen“ unsere „objektive“ Meinung zu politischen Ereignissen bilden zu können. (:-
Was geschah damals, 312 A.D., vor der entscheidenden Schlacht um die Macht im Westen des Römischen Reiches an der Milvinischen Brücke vor den Toren Roms? Der Cäsar der Westhälfte des Reiches Konstantin wird von Gott auserkoren, dem Glauben an Jesus Christus zum Aufstieg zu verhelfen. „Unter dem Zeichen des Kreuzes“ schlägt er seinen Widersacher Maxentius vernichtend. Im Jahr darauf erlässt Konstantin zusammen mit dem Herrscher der Osthälfte des Reiches Licinius das Edikt von Mailand, das den Christen im gesamten Reich die gleichen Rechte verleiht wie den Heiden. Konstantin selbst bleibt aber bis zu seinem Tod 337 Pontifex Maximus des heidnischen Kults und lässt sich erst auf dem Todeslager taufen. Aus Sicht mehrerer kritisch denkender orthodoxer Gläubiger wäre dieser Mann überhaupt nicht akzeptabel als Führer der christlichen Welt, zumal er auch nach seiner Erwählung durch Gott nicht zimperlich bei der Konsolidierung seiner Machtbasis gewesen ist. Gewiss wird Konstantin vom großen Kirchenhistoriker Eusebios, dem Bischof von Cäsarea (+339), glorifiziert, - eine Laudation, an der sich nahezu die gesamte Kirchenobrigkeit beteiligt. Kein Idealbild eines christlichen Herrschers in unseren heutigen Augen! Und doch sprechen die Fakten eine eindeutige Sprache: Konstantin erlässt Gesetze gegen unmoralische Lebensweisen und gegen Prostitution, schafft darüber hinaus die grausame Kreuzigung und die blutigen Gladiatorenkämpfe ab. Der Sonntag wird zum arbeitsfreien Tag und in der ganzen Oikumene wird der Kirchenkalender eingeführt, der auch heute noch am 1. September beginnt (basierend auf dem Indikt, d.h. dem Finanzjahr). Und schließlich ist es der heilige Konstantin, welcher im Jahre 325 das Erste Ökumenische Konzil nach Nicäa einberuft. Die Geburtsstunde der Orthodoxie, der gesamtkirchlichen (katholischen) Wahrung der Reinheit des Glaubens, ist somit mit dem Namen des ersten christlichen Kaisers auf das Engste verbunden. Sein Gegenspieler Licinius hingegen, der zusammen mit Konstantin 313 noch das Mailänder Toleranzedikt erlassen hatte, war inzwischen zu einem grausamen Verfolger der Kirche Christi in seinem Machtbereich geworden, bis er mit Gottes Beistand von Konstantin 324 entscheidend geschlagen wurde. Und nun: Auf wessen Seite wäre ich als orthodoxer Christ wohl gewesen? Es standen ja nur diese beiden zur Wahl… Hätte ich tatsächlich die Position vertreten, die pro-christliche Konfliktpartei erst dann vorbehaltlos unterstützen zu wollen, wenn deren Führungspersonal gänzlich meinen moralischen und weltanschaulichen Vorstellungen entspricht? Da hätte ich aber lange warten können…
Diese menschliche Unvollkommenheit zieht sich, wohlgemerkt, durch die gesamte Kirchengeschichte hindurch. Während wir aber, anstatt unsere eigenen Verfehlungen vor Gott zu beweinen, geflissentlich Fehler der anderen beäugen, überall nur das Negative sehen, trifft Gott, ohne Sich mit uns abgesprochen zu haben, Seine Entscheidung, denn Seine Gedanken unterscheiden sich himmelweit von unseren (s. Jes. 55:8-12).
Doch kehren wir wieder zurück zu der Zeit Konstantins des Großen. Es wäre für mich nicht von Belang gewesen, wer damals für den Westen (Konstantin) oder wer für den Osten (Licinius) stand. Politische, ethnische, kulturelle u.v.a. Komponenten wären für mich unerheblich gewesen. Entscheidend wäre für mich nur, durch wessen Herrschaft die Kirche und der Glauben gestärkt und durch wen es den Menschen weltweit besser gegangen wäre. Auch jetzt enthalte ich mich als Priester grundsätzlich jeglicher Stellungnahme zum derzeitigen internationalen politischen Geschehen. Dabei verurteile ich die nicht, welche aus weltanschaulichen o.ä. Gesichtspunkten eine andere persönliche Meinung als ich haben, ihr Weltbild also nicht auf dem Grundstein Jesus Christus errichten (s. 1 Kor. 3:9-17). Das ist ihr verfassungsmäßig garantiertes Recht. Aber wenn die Kirche verfolgt wird, dürfen wir Christen nicht schweigen, sondern unsere Stimmen erheben, denn „wir haben nicht den Geist dieser Welt empfangen, sondern den Geist Gottes, damit wir das erkennen, was uns Gott geschenkt hat“ (1 Kor. 2:12). Und so kann ich nicht anders als allen meinen Brüdern und Schwestern im Glauben zu empfehlen, sich ihre Geisteshaltung nach Vermögen auf dem Fundament der „Apostel und Propheten“ zu bilden (s. Eph. 2:20), denn „einen anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist – Jesus Christus“ (1 Kor. 3:11). Im GEBET vor dem Kreuz Christi werden wir dann alle – Episkopat, Klerus und Laien – eines Sinnes sein (vgl. Phil. 2:1-5). Amen.