Predigt zum Gedenktag der Enthauptung des heiligen Propheten, Vorläufers und Täufers Johannes (Apg. 13:25-32; Mk. 6:14-30) (11.09.2023)
Liebe Brüder und Schwestern,
wir begehen heute das Gedenken an die Enthauptung des Vorläufers Christi, das trotz seines traurigen Anlasses einen Platz als großer Festtag im Kirchenkalender einnimmt. Alle Glaubenszeugen mögen zwar vor den Menschen als Verlierer erscheinen, leuchten aber dafür vor Gott, „denn der Gottlose besteht nicht in seinem Unglück, doch der Gerechte wird auch im Tode getrost“ (Spr. 14:32). Und so gesehen feiern und fasten wir heute zugleich.
Wie aus der heutigen Lesung hervorgeht, ereignete sich die ohne Prozess und Urteil erfolgte Hinrichtung des Täufers an dem Tag, an dem König Herodes Antipas mit den Honoratioren seines Machtbezirks seinen Geburtstag feierte. Überhaupt kennt die Heilige Schrift nur zwei Fälle von Geburtstagsfeiern, beide mit tödlichem Ausgang, denn auch der Pharao in Ägypten feierte seinen Geburtstag, an dem er den Mundschenk, der zusammen mit Joseph im Gefängnis eingesessen hatte, enthaupten und den Vögeln zum Fraß aufhängen ließ (s. Gen. 40:19-20,22). Der heilige Hieronymus (+ 420) zieht daraus den Schluss, dass törichtes Verhaltens schlimme Taten nach sich zieht.
Der Geburtstag des Königs bot Herodias, mit der er in ungesetzlicher Ehe lebte und dafür von Johannes gescholten wurde (s. Mt. 14:3-4; Mk. 6:17-18; Lk. 3:19), die günstige Gelegenheit (s. Mk. 6:21), den ihr unliebsamen Propheten loszuwerden. Sie schickte ihre Tochter Salome, damit sie durch ihre frivole Tanzeinlage die Sinne des wohl schon reichlich angetrunkenen Königs verwirre, worauf dieser schwor, ihr jeden Wunsch erfüllen zu wollen. Nun war Herodias am Ziel, konnte Johannes für immer zum Schweigen bringen. Doch als das Haupt des Täufers auf einem Teller von Salome im Speisesaal „serviert“ wurde, sprach der Enthauptete der Überlieferung nach ein letztes Mal zu Herodes: „Du hast nicht das Recht, die Frau deines Bruders zur Gemahlin zu nehmen!“
Worin lag die Schuld des Herodes? Und war er durch seinen Eid tatsächlich gebunden? Sicherlich waren ihm die Verfluchungen bekannt, welche Eidbrecher auf sich zogen (s. Lev. 19:12; Num. 30:3; Deut. 23:21; Jer. 5:1-2; Hos. 10:4; Sach. 5:3-4; Mal. 3:5), wenngleich ihm die diesbezügliche Lehre des Neuen Bundes zu diesem Zeitpunkt nicht geläufig sein konnte (s. Mt. 5:34-37; Jak. 5:12). Zwei Evangelisten weisen zudem darauf hin, dass Herodes auch um seine Reputation bei seinen Gästen besorgt war (s. Mt. 14:9; Mk. 6:27). Dabei ist der Eid an sich in wichtigen Angelegenheiten unumgänglich, weil er den Betreffenden zu Treue und Gewissenhaftigkeit verpflichtet (in Kirche, Staat, Armee sowie vor Gericht). Nur darf er niemals missbräuchlich oder ohne die gebotene Notwendigkeit verlangt oder geleistet werden (so z.B. wenn eine Mutter ihr Kind auf die Bibel schwören lässt, dass es nicht die Marmelade aus dem Küchenschrank entnommen hat). So hätte Herodes seiner (illegitimen) Stieftochter natürlich niemals einen eidesstattlichen Blankoscheck ausstellen dürfen. Schwören oder sein Ehrenwort geben darf man ohnehin nur in Bezug auf das, was man gegebenenfalls auch einhalten kann (s. Mt. 5:36). Zudem gibt es für alles Grenzen. Ein Soldat ist durch den Fahneneid verpflichtet, alle militärischen Befehle, welche mit dem Kriegsdienst verbunden bzw. vereinbar sind, zu erfüllen. Eine Lizenz zum ungehemmten Abschlachten hat er aber nicht. Die Genfer Konvention gibt es seit 1864 (überarbeitet 1929 und 1949), vorher dienten im Kriegsfall die Soldatenehre und vor allem das Gewissen als Regularien für den Umgang mit Kriegsgefangenen, Verwundeten, Schiffbrüchigen und Zivilisten. Somit war und ist z.B. auch der Kadavergehorsam („Befehl ist Befehl“) moralisch niemals gerechtfertigt.
Folglich hätte Herodes trotz seines Eides diesen Amtsmissbrauch in Tateinheit mit Rechtsbeugung – und das war die Ermordung des Täufers aus niederen Motiven ohne jeden Zweifel – nie begehen dürfen. Nach geltendem (Römischen) Recht konnte Johannes nicht als Aufrührer bezeichnet werden, da er weder die Macht des Herrschers in Frage stellte noch andere zum Widerstand gegen die herrschende politische Ordnung aufrief. Er tadelte den König für dessen moralische Verfehlung, was in Galiläa aufgrund der dort vorherrschenden religiösen Kultur vollkommen angebracht war, obgleich es viel Mut erforderte. Wie dem auch sei, in jedem Fall hätte es ein ordentliches Verfahren gegen Johannes, den Sohn des Zacharias, geben müssen. Aber nichts ist bekannt darüber, dass es für Herodes ob dieser Willkür ein juristisches oder politisches Nachspiel gegeben hätte. Wenn es in Herodes vor der gesetzlosen Tötung des Täufers noch gute Ansätze gegeben haben mag (s. Mk. 6:19-20), so scheinen diese in ihm danach verlorengegangen zu sein. Und diese tragische Begebenheit in Verbindung mit dem Vorläufer des Herr war das Vorspiel für das spätere irdische Schicksal unseres Herrn Selbst. Nicht von ungefähr wurden die zuvor verfeindeten Potentaten Herodes und Pilatus zu Freunden (s. Lk. 23:12). Es war schließlich der Erstgenannte, welcher den Zweitgenannten quasi zu dessen Rechtsbruch „inspirierte“. Das Römische Recht galt damals wie es heute in weiterentwickelter Form in zivilisierten Ländern gilt. Trotzdem wird die Kirche Christi jetzt gerade vor den Augen der Weltöffentlichkeit völlig grundlos verfolgt, ohne dass irgendjemand für sie ihre Stimme erhebt. Einerseits ist das tragisch und beschämend noch dazu, doch andererseits ist das der Weg, den die Kirche in der Nachfolge Christi gehen muss, um Kirche zu sein. Und das tut die orthodoxe Kirche seit zweitausend Jahren. So gesehen ist das, was heute mit der Kirche in der Ukraine passiert, ein freudig-betrübliches Ereignis, so wie wir heute ein freudig-betrübliches Fest feiern. Gottes Wille geschehe! Amen.