Predigt zum Hochfest der Taufe Christi (Theophanie) (Tit. 2:11-14; 3:4-7; Mt. 3:13-17) (19.01.2023)
„Des Herrn ist die Erde und ihre Fülle,
der Erdkreis und alle seine Bewohner.
Er Selbst hat ihn über den Meeren gegründet,
und über den Flüssen hat Er ihn bereitet“
(Ps. 23:1-2)
Liebe Brüder und Schwestern,
für jeden von Kindheit an im orthodoxen Glauben erzogenen Christen ist die Große Wasserweihe im Anschluss an die Göttliche Liturgie zum Fest der Taufe Christi ein Attribut, das zum Fest gehört wie die Segnung der Osterspeisen zur Auferstehung des Herrn oder die Segnung der Weidenkätzchen, der Äpfel etc. zu anderen großen Feiertagen der Kirche. Deshalb kommen sehr viele mit Kanistern und voluminösen Plastikflaschen bewaffnete Menschen an diesem Tag zur Kirche, um sich für das ganze Jahr mit „heiligem Wasser“, das vor Krankheit, allerlei Unglück und den Anschlägen böser Mächte schützen soll, einzudecken. Die Liturgie, das Fest der Theophanie selbst ist dabei, gelinde gesagt, zweitrangig. Damit aber wird der Heilsplan Gottes pervertiert, denn unser Gott und Erretter Jesus Christus „hat Sich für uns hingegeben, um uns von aller Schuld zu erlösen und Sich ein reines Volk zu schaffen, das Ihm als Sein besonderes Eigentum gehört und voll Eifer danach strebt, das Gute zu tun“ (Tit. 2:14). Dies geschah einzig aus der unergründlichen Barmherzigkeit Gottes heraus, denn „als die Güte und Menschenliebe Gottes, unseres Retters, erschien, hat Er uns gerettet – nicht weil wir Werke vollbracht hätten, die uns gerecht machen können, sondern aufgrund Seines Erbarmens – durch das Bad der Wiedergeburt und der Erneuerung im Heiligen Geist. Ihn hat Er in reichem Maß über uns ausgegossen durch Jesus Christus, unseren Retter, damit wir durch Seine Gnade gerecht gemacht werden und das ewige Leben erben, das wir erhoffen“ (Tit. 3:4-7). Es geht heute also nicht um primitiven Aberglauben, auch nicht um religiös angehauchte Folklore, sondern um unser ewiges Heil!
Im Grunde genügt die schlichte Wiedergabe der heutigen Lesung aus dem Apostelbuch schon, um den tiefen Sinn der Taufe Christi im Jordan zu beschreiben, „denn die Gnade Gottes ist erschienen, um alle Menschen zu retten. Sie erzieht uns dazu, uns von der Gottlosigkeit und den irdischen Begierden loszusagen und besonnen, gerecht und fromm in dieser Welt zu leben, während wir auf die selige Erfüllung unserer Hoffnung warten: auf das Erscheinen der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Erretters Christus Jesus“ (Tit. 2:11-13).
Das „Bad der Wiedergeburt“ empfangen wir im Mysterium der Taufe, die „Erneuerung im Heiligen Geist“ in dem der Myronsalbung. Es ist unsere Geburt „aus Wasser und Geist“ (Joh. 3:5), durch die wir schon hier auf Erden zu Erben des Königtums Gottes werden. Quasi ein „Nebenprodukt“ der Erneuerung des Menschen durch die Taufe des Gottessohnes im Jordan ist die Erneuerung der Erde und ihrer Fülle, des Erdkreises und seiner Bewohner (s. Ps: 23:1), also der gesamten sichtbaren Schöpfung. Die Erde ist von Gott ja über den Meeren gegründet (s. Ps. 23:2; vgl. Gen. 1:1,6,9-10) und über den Flüssen bereitet worden (s. Ps. 23:2; vgl. Gen. s. 2:11-14). Bei der Sintflut – dem Urbild der Taufe – wurde die sündhafte Menschheit in den Meeresfluten zerstört und der in Gott erneuerte Mensch (Noah mit Familie) zu neuem Leben bewahrt (ähnlich verhielt es sich mit der Vernichtung des ägyptischen Heeres im Schilfmeer und der Errettung des Volkes Israel unter Moses), während in der heiligen Taufe „unser alter Mensch“ mit-gekreuzigt wurde, „damit der von der Sünde beherrschte Leib vernichtet werde und wir nicht Sklaven der Sünde bleiben“ (Röm. 6:6). Die Taufe Christi war die Taufe von uns allen: „Wir wurden mit Ihm begraben durch die Taufe auf den Tod; und wie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt wurde, so sollen auch wir als neue Menschen leben“ (Röm. 6:4). Durch die Niedersendung des Heiligen Geistes auf den Menschensohn im Jordan sind folglich auch wir erneuert worden – jeder von uns im Mysterium der heiligen Myronsalbung. So wie in der Arche (Sinnbild für die Kirche) auch die Tiere gerettet wurden und zusammen die ganze Natur zu neuem Leben erwachte, so wurde in der Taufe Christi auch die ganze Natur geheiligt. Deshalb verwenden wir das „Wasser des Jordans“ zur Segnung unserer alltäglichen Dinge – Häuser, Fahrzeuge, Arbeitsstätten etc. – all dessen, was unserem irdischen Wohl dient und somit auch als Lebensgrundlage für das himmlische Königtum notwendig ist. Im Garten Eden, aus dem ein Strom floss, der sich in vier weitere Ströme aufteilte, stand der Baum des Lebens; jetzt werden bei uns in der Wasserweihe die Wasser des Meeres und der Flüsse (s. Ps. 113:3,5) durch den „neuen Baum des Lebens“ – das lebendig machende Kreuz Christi – geheiligt. Den ganzen Schmutz der menschlichen Sünde, der, metaphysisch betrachtet, die Wasser des Meeres in der Sintflut und die der Flüsse in der Abwaschung der Bosheiten der ganzen Menschheit in der Taufe des Menschensohns im Jordan verseucht hatte, hat Christus durch Seinen allreinen Leib in einen Quell der göttlichen Gnade umgewandelt (s. Joh. 7:38; Offb. 21:1-7; vgl. Ps. 113:7-8).
Vielleicht lohnt es sich für die zahlreichen frierenden sporadischen Zaungäste unseres alljährlichen Gottesdienste zur Theophanie sich doch einmal mithilfe der modernen technischen Mittel sachkundig zu machen, warum Christus in der Taufe von Johannes die ganze Gerechtigkeit Gottes erfüllt und warum Er als geliebter Sohn das Wohlgefallen des Vaters gefunden hat (Mt. 3:15,17). Amen.