Predigt zum 26. Herrentag nach Pfingsten (Eph. 5:8-19; Lk. 12:16-21) (06.12.2020)
Liebe Brüder und Schwestern,
die falsche Selbstsicherheit des reichen Mannes aus dem heute vernommenen Gleichnis dient als warnendes Beispiel für uns alle, uns a) nicht auf irdische Faktoren zu verlassen und b) uns nicht nach trügerischer Ruhe zu sehnen. Natürlich hat jeder, der hart arbeitet, das Bedürfnis, auch mal ausspannen zu dürfen, um neue Kräfte zu sammeln. Aber eine Erholung auf Dauer wie in der Lotterie-Werbung in Gestalt eines jungen Mannes dargestellt, der in einer Hängematte am Strand zwischen zwei Palmen liegend nicht mehr weiß, welchen Monat wir haben, kann für uns nicht anstrebenswert sein. Nicht dafür hat uns Gott dieses Leben gegeben! Gott wird uns nämlich daran messen, inwieweit wir unsere Kapazitäten zu Seiner Verherrlichung ausgeschöpft haben. Da wir das aber nur höchst unzureichend tun, schulden wir Gott unendlich viel. Was nun?!.. Die Kirche kommt uns bei diesem Bestreben entgegen, indem sie vierzig Tage vor dem Fest der Ankunft Gottes in der hiesigen Welt eine Fastenzeit festgelegt hat. Das Fasten ist ja das genaue Gegenteil von „Ruh dich aus, iss und trink, und freue dich des Lebens“ (Lk. 12:19), oder, genauer gesagt, sie ist die von Gott gesegnete Alternative zu Müßiggang einerseits und hektischer Betriebsamkeit andererseits. Auch wir können uns des Lebens freuen, wenn wir uns in geregelten Maßen Ruhe gönnen, essen, trinken etc. Diese Freude, die uns die Kirche anbietet, ist aber die Freude in Christus, die uns nicht an diese Welt bindet, sondern bereits an die zukünftige denken lässt (s. Hebr. 13:14).
Die Realität sieht bei uns aber oft anders aus: „Oh je, schon wieder Fastenzeit! Wie sollen wir bloß durch diese lange Zeit kommen?!“ - Übellaunigkeit, Trostlosigkeit, geistlicher Stillstand sind dann die Folge. Dabei muss das gar nicht sein. Wer nämlich geistlich fastet, der bemüht sich darum, seine eigenen Sünden zu erkennen. Wer nicht vollkommen geistlich blind ist, muss sich als großen Sünder vor Gott betrachten und seine unermessliche Schuld vor Gott sehen. Was also tun? Adäquate Mittel, unsere Schuld vor Gott zu begleichen, gehen uns ab. Alle Güter dieser Welt wären ein Hohn vor der Erhabenheit Gottes, Der aber nichtsdestoweniger die zwei kleine Münzen der armen Witwe annahm (s. Mk. 12:41-4; Lk. 21:1-4) und den Räuber für dessen Buße mit dem letzten Atemzug in Sein Reich aufnahm (s. Lk. 23:41-42). Nehmen wir uns diese beiden zum Vorbild: sie haben nichts – und geben doch alles! Was konnte die mittellose Frau Gott schon geben, und wie konnte der bereits ans Kreuz genagelte Übeltäter Gott noch gnädig stimmen?!.. - Nur noch vor Gott ihr Herz öffnen und das Wenige tun, wozu sie noch imstande waren, denn „ein zerschlagenes und demütiges Herz wird Gott nicht verachten“ (Ps. 50:19). Der Herr ist dem reuigen Sünder und der für alles dankbaren Bedürftigen so nahe, während Er Sich von jeglicher Bigotterie abwendet. „Gott tritt den Stolzen entgegen, den Demütigen schenkt Er aber Seine Gnade“ (Jak. 4:6; 1 Petr. 5:6). Und weiter: „Sucht die Nähe Gottes; dann wird Er Sich euch nähern“ (Jak. 4:8). Für die gegenwärtige Fastenzeit bedeutet es, bezogen auf uns, dass wir zwar nichts haben, womit wir Gott in irgendeiner Weise milde stimmen könnten; doch wenn wir uns vor Ihm demütigen, wird Er uns erhöhen (s. Jak. 4:10). Als Zeichen unserer Ernsthaftigkeit wollen wir daher unsere leiblichen Begierden durch Enthaltsamkeit zähmen (s. Gal. 5:24). Demnach sieht der kirchliche Gegenentwurf zur Selbstgerechtigkeit des Reichen aus dem Gleichnis so aus: „Alles, was für unser Leben und unsere Frömmigkeit gut ist, hat Seine göttliche Macht uns geschenkt; sie hat uns Den erkennen lassen, Der uns durch Seine Herrlichkeit und Kraft berufen hat. Durch sie wurden uns die kostbaren und überaus großen Verheißungen geschenkt, damit ihr der verderblichen Begierde, die in der Welt herrscht, entflieht und an der göttlichen Natur Anteil erhaltet. Darum setzt allen Eifer daran, mit eurem Glauben die Tugend zu verbinden, mit der Tugend die Erkenntnis, mit der Erkenntnis die Selbstbeherrschung, mit der Selbstbeherrschung die Ausdauer, mit der Ausdauer die Frömmigkeit, mit der Frömmigkeit die Brüderlichkeit und mit der Brüderlichkeit die Liebe. Wenn dies alles bei euch vorhanden ist und wächst, dann nimmt es euch die Trägheit und Unfruchtbarkeit, so dass ihr Jesus Christus, unseren Herrn, immer tiefer erkennt. Wem dies aber fehlt, der ist blind und kurzsichtig; er hat vergessen, dass er gereinigt worden ist von seinen früheren Sünden. Deshalb, meine Brüder, bemüht euch noch mehr darum, dass eure Berufung und Erwählung Bestand hat. Wenn ihr das tut, werdet ihr niemals scheitern. Dann wird euch in reichem Maß gewährt, in das ewige Reich unseres Herrn und Retters Jesus Christus einzutreten“ (2 Petr. 1:3-11).
Worum geht es also? - Durch Absage an die verderblichen Begierde dieser Welt die Tugendhaftigkeit zu erlangen, um Anteil an der göttlichen Natur zu erhalten! Also, ich kann mir keine bessere Motivation zur Vorbereitung auf das Geburtsfest Christi vorstellen: Gott wird unserer menschlichen Natur teilhaftig, damit wir unsererseits an Seiner göttlichen Natur teilnehmen! Und da gibt es in meinen Augen nichts Widerwärtigeres als diese unendliche Gnade und Liebe durch Konsum, Schlemmerei und Ausschweifung zu entehren. Wer das Fest der Geburt Christi allein auf Freizeit, Festmahle und Geselligkeit reduziert (vgl. Lk. 12:19!), der hat Jesus Christus, unseren Herrn, nicht erkannt, und hat folglich keine Sorge dafür getragen, dass seine Berufung und Erwählung Bestand hat.
Jetzt prangt es wieder auf den Plakaten im Supermarkt: „Das Beste an Weihnachten: Essen & Trinken“. – Aha!.. Wir holen uns Christus Gott sozusagen vom Himmel herunter, ohne aber mit Ihm wieder in den Himmel aufsteigen zu wollen. Na denn: Prost, Mahlzeit! Aber nicht mit uns. Amen.
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2020
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