Predigt zum 18. Samstag nach Pfingsten (1Kor 15,39-45; Lk 4,31-36) (11.10.2025)
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Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amin.
Lieber Vater, liebe Gläubigen,
im heutigen Evangelium hörten wir, wie ein besessener Mann in der Synagoge herumschreit. Er hatte „den Geist eines unreinen Dämons“ in sich, wie es geschrieben steht. Er schreit nachdem Jesus angefangen hat, in der Synagoge zu lehren, zu predigen: „He, was willst du von uns, Jesus, Nazarener? Bist du gekommen, uns zugrunde zu richten? Ich weiss, wer du bist: der Heilige Gottes.“ (V. 34). Lasst uns diesen geistlichen Kampf nicht auf die leichte Schulter nehmen: „Denn unser Kampf ist nicht gegen Fleisch und Blut, sondern gegen die Gewalten, gegen die Mächte, gegen die Weltbeherrscher dieser Finsternis, gegen die geistigen Mächte der Bosheit in der Himmelswelt.“ (Eph 6,12).
Nach dem Hl. Maximos dem Bekenner (☦ 662) sind es drei Dinge, die uns zum Bösen bewegen: die Leidenschaften, die böse Absicht und die Dämonen (vgl. „Zweite Centurie über die Liebe“, 33). Letztere gehen auf uns los, sobald sie ihre Chance wittern, nämlich wenn wir nachlässig werden. Sie passen eine günstige Gelegenheit ab und schlagen rigoros zu, indem sie die Leidenschaften etc. in uns entfachen. Daher sind sie die Anstifter zum Schlechten, weil der Widersacher sieht, was Gott zu unserer Errettung tut, daraus lernt und anschließend Ähnliches tut zu unserem Verderben: „Denn er haßt Gott, und da er wider ihn nichts vermag, bekriegt er uns, die wir nach dem Bild Gottes geschaffen sind, in der Meinung, er könne sich dadurch an Gott rächen.“ (Hl. Petros von Damaskos, ☦ 715 oder um 750, „Erstes Buch“).
Nun verstehen wir also sein Motiv und das seiner Handlanger. Er ist getrieben vom Hass gegenüber Gott und will sich nun an uns rächen, weil wir Sein sind und Er uns nach Seinem Ebenbild und Gleichnis erschaffen hat. Aber nun wissen wir, was unser Feind will und was er vorhat – ein wichtiger Schritt in der Kriegsführung. Der Teufel will unser Verderben, er will uns zu Grunde richten, unseren irdischen und geistigen Tod. Der Fürst dieser Welt kämpft gegen diejenigen, die sich um die praktische Tugend bemühen und verhilft uns hierdurch zum trainingsrelevanten Belastungsreiz, von dem das Krafttraining spricht, oder zum Widerstand, ohne die der Mensch wohl nicht zu wachsen vermag: „er besiegt jene, die mit ihm stets mannhaft ringen, oder wird von ihnen besiegt und verschafft ihnen vor dem Angesicht der Engel entweder Kränze oder Schande“ (Hl. Gregorios der Sinaite, ☦ 1346, „Sehr nützliche Kapitel“, 123).
Gott lässt das Böse zu, aufdass wir, die wir von Gott mit der Vernunft geehrt sind, klar erkennen und verstehen mögen, wie unnütz das Schlechte ist und aufdass wir, die wir nach Seinem Bilde geschaffen sind, uns nicht der Unterwerfung des Bösen fügen, sondern die Sünde besiegen und so die selige Unsterblichkeit erlangen und Gott-erfüllt auf ewig am Leben bleiben. Während sich der Herr Christus mit Licht bekleidet und ewigem Leben, bekleidet sich der Satan mit Tod und ewiger Finsternis. Er, der als Engel erschaffen wurde, Gott allein zu dienen und beherrscht zu werden, verließ er seine Stellung und revoltierte in der blinden Gier, selbst zu herrschen:
„Da aber der Mensch nicht nur zum Beherrschtwerden, sondern auch zum Herrschen gesetzt ist über alles, was auf Erden ist, blickt ihn der Unheilstifter mit mißgünstigen Augen an und wendet jeden Kunstgriff an, ihn von der Herrschaft herabzustürzen. Er kann es aber nicht mit Gewalt tun, da er nämlich von Dem daran gehindert wird, der alle beherrscht und die vernunftbegabe Seele frei und mit eigenmächtigem Willen gebildet hat. Darum bringt er mit List den Rat vor, welcher (den Menschen) von der Herrschaft herabstürzen soll.“ (Hl. Gregorios der Thessalonike, „150 Kapitel“, 41.42.44).
Unser Feind kann also nichts gegen unseren eigenen, freien Willen tun, den Gott uns gegeben hat – den uns die moderne Kognitions- und Neurowissenschaften auszureden versuchen, zumal man den Hirnkern noch nicht entdeckt haben will, in dem der freie Wille seinen Sitz hat –, sondern ist auf allerlei Trugbilder, Verlockungen und Lügen angewiesen, um uns zu betören und schließlich weichzuklopfen bis wir am Ende einknicken, wenn wir nicht zu unseren Waffen greifen: „Schließlich: Werdet stark im Herrn und in der Macht seiner Stärke! Zieht die ganze Waffenrüstung Gottes an, damit ihr gegen die Listen des Teufels bestehen könnt!“ (Eph 6,10-11). Diese sind: die Wahrheit und Gerechtigkeit, die Bereitschaft zur Versöhnung, der rechte Glaube und Geist, das Heil in der Heiligen Eucharistie, das Gebet und Nachtwachen (vgl. Mt 26,41), das Fasten und Metanoia.
Der Ursprung der Bosheit liegt nicht in der Natur, sondern in der Fehlleitung der natürlichen Kräfte. Denn so wie auch „die Dämonen nicht […] von Natur aus schlecht, sondern […] durch Mißbrauch der natürlichen Kräfte schlecht geworden“ sind, so kann auch der Mensch seine Vernunft, Geist und Umsicht zum Guten wie zum Schlechten verwenden und seine Vernunft durch „unvernünftigen Zorn, törichter Begierde und übereilter Vorstellungskraft“ verlieren (Hl. Maximos der Bekenner, „Dritte Centurie über die Liebe“, 5). Nicht das Fleisch ist also von Natur aus schlecht – „unser Kampf ist nicht gegen Fleisch und Blut“ (Eph 6,12) –, sondern wir bekämpfen die acht Hauptlaster, die hochgefährlich für uns sind:
„das erste die Gastrimargie, welches bedeutet die Völlerei des Bauches; das zweite die Unzucht; das dritte die Philargyrie, d. i. der Geiz oder die Geldliebe; das vierte der Zorn; das fünfte die Traurigkeit; das sechste die Acedia, d. i. die Engherzigkeit oder der Überdruß des Herzens; das siebente die Cenodoxie, d. i. die Prahlerei, das eitle Rühmen; das achte der Hochmuth“ (Hl. Johannes Cassianus, ☦ 435, „Collationes patrum“).
All diese Laster sind unsere Erz-Feinde, die wir bekämpfen und durch dämonische Einflüsse geweckt werden können. Wie aber können wir uns davor schützen? Nun, zuallererst können wir uns gewiss sein, dass wir keine Angst vor Dämonen und ihren schlechten Einflüssen zu haben brauchen. Der Heilige und große Wüstenvater Antonios (☦ 356) fasst in seiner Mönchsansprache die geistigen Kampfordnungen zusammen und rät: „Fürchtet die Dämonen nicht; vielmehr atmet Christus [ein] und vertraut auf ihn… Denn das fromme Leben und der Glaube an Gott sind eine große Waffe.“ Und an einer anderen Stelle: „Wer Gott sucht, findet ihn, indem er alle Begierden durch ausdauerndes Gebet überwindet. Ein solcher fürchtet keine Dämonen.“ Die Askese und ein ausdauerndes Gebet stellen daher starke geistige Waffen dar.
Außerdem haben wir die Kraft des Heiligen Kreuzes. Die ersten Christen bekreuzigten sich als würden sie ein Schild vor sich zeichnen. Ebenso die reuevolle Herzensarbeit, über die der Hl. Symeon der Neue Theologe (☦ 1022) sagt: „Selig, die unablässig ihre Sünden beweinen; denn das Licht ergreift sie und wandelt Bitterkeit in Süße.“ Die Lichtgnade, also, verwandelt dämonische Traurigkeit in rettende Reue, so als würden unsere Tränen die Erde befeuchten, um sie für den Samen fruchtbar zu machen. Dabei muss das Samenkorn (unser altes Ich) immer wieder von neuem absterben, sodass es wachsen kann (vgl. Joh 12,24). Sodann, wenn wir unser altes Ich loslassen, können wir von neuem Leben in Christo.
Unser Ziel ist dabei die innere Freiheit – und die süße Liebe Christi will uns ja befreien! Und wenn wir erst einmal frei sind von den Leidenschaften, werden die Einflüsterungen, diese lästigen Schnaken, die uns nachts vor dem Einschlafen um die Ohren surren, diese werden an uns abprallen, denn die „Leidenschaftslosigkeit [ἀπάθεια] betrachtet die Ränke der Dämonen als bloße Possen“ (Hl. Johannes Klimakos, ☦ um 650). Dann verlieren die Trugbilder ihre Bindekraft und wir (der Geist / νοῦς) stehen vor Gott. Andererseits aber macht uns die Abkehr von den ungeschaffenen Energien Gottes – mit der schon die ersten Christen bspw. durch das Küssen von heiligen Reliquien in Berührung zu kommen suchten – oder die Abwendung von der Gnade Gottes anfällig für die dämonischen Denkmuster: „Der Geist [νοῦς], der sich von Gott abwendet, verfällt einem dämonischen Leben und den Gedanken der Dämonen“, sagt der Hl. Gregorios Palamas (☦1359) und empfiehlt uns das immerwährende Jesusgebet, dessen Ursprünge bis in das frühe Mönchtum zurückreichen (4. Jh.) und bis heute ein zentraler Weg zur Konzentration des Geistes und Öffnung des Herzens gegenüber Gott darstellt: „Herr Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme Dich meiner, des Sünders!“ Oder wenn wir unter Menschen sind: „Herr, erbarme Dich unser!“
Auch die kurze Anrufung des Namens Jesu hilft, wenn sich schlechte Gedanken – die entweder von Gott kommen, vom Teufel oder von uns selbst (vgl. Hl. Johannes Cassianus) – versuchen bei uns anzuheften. Der Hl. Paisios vom Athos (☦1994), ein großartiger Heiliger aus unseren Zeiten von dem auf Deutsch über sechs Bände zu lesen gibt, vergleicht die negativen Gedanken mit kleinen Flugzeugen, die bei uns laden wollen, wenn wir ihnen allzu sehr zuhören und sie in unserem Kopf kreisen lassen: „Böse Gedanken sind wie Flugzeuge, die einen Flughafen suchen… Wenn du ihnen Aufmerksamkeit schenkst, baust du in deinem Kopf einen Flughafen und lässt sie landen.“ Stattdessen sollten wir unseren Sinn vielmehr in der Hölle halten, aber ohne zu verzweifeln (vgl. Hl. Siluan vom Athos, ☦ 1938), um uns in Demut zu üben.
Liebe Brüder und Schwestern, in einer Welt voller Ablenkungen und digitaler Stimmen geht es uns um diese drei Themen: (1) vertrauen, (2) beten und (3) sich demütigen, denn ohne Demütigung keine Demut. Dann aber brauchen wir das Böse nicht zu fürchten, sondern wir rufen Christus an, der den Tod besiegt hat! Lasst uns die Gedanken prüfen, nüchtern bleiben und die Phantasien mit dem Jesusgebet bekämpfen! Und lasst uns demütig sein! Möge Gott mit uns sein und uns Vergebung schenken! Möge das Heilige Kreuz unser Licht sein und nicht der Drache unser Herr. Möge Satan weichen! Mögen wir nicht vergessen, dass all die irdischen Anstrengungen letztendlich in keinem Verhältnis stehen werden zu den unbeschreiblichen Gütern, die uns bereitet sind im ewigen Leben! Und mögen wir uns immer freuen im Glauben und in der Hoffnung auf unseren Vater im Himmel!
Ehre sei Dir, o Gott, für alles. Amin.