Predigt zum Samstag der 5. Woche nach Ostern (Apg 15,35-41, Joh 10,27-38) (08.06.2024)
Christus ist auferstanden!
Lieber Vater, liebe Gläubigen,
im Evangelium hören wir heute, wie Christus zu uns spricht: „Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir; und ich gebe ihnen ewiges Leben, […] und niemand wird sie aus meiner Hand rauben.“ Welch ein Versprechen: „Niemand wird sie aus meiner Hand rauben“, wir sind in Seiner Hand. Unser ganzes Leben können wir in Seine Hand legen, aber nur, wenn wir es auch wollen.
Am Anfang steht die Taufe. In der Taufe stirbt unser altes Ich. Der alte Mensch taucht hinab ins Wasser und herauf steigt der neue Mensch und steigt das ganze Leben lang weiter hinauf, hinauf zu Gott, aber nur, wenn wir es auch wirklich wollen. Wollen wir am Ende unserer Tage zu Christus kommen, bei Ihm sein in unserem wahren Zuhause? „Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“ (Hebr 13,14). Das alles hier ist nicht unser wahres Zuhause, sondern droben im Himmel, das ist unser eigentliches Zuhause, das einzige Ziel dieses irdischen Lebens, das himmlische Jerusalem (vgl. Offb 21).
Der Heilige Johannes Klimakos ermuntert uns und sagt: „Steigt auf, steigt auf, Brüder, indem ihr euch bereitwillig in eurem Herzen zum Aufsteigen entschließt“ und den vernehmt, Der zu uns im Evangelium spricht, „Der unsere Füße leitet wie die eines Hirsches und uns auf die Anhöhe stellt, um mit Seinem Lied zu siegen!“
Das Leben als Aufstieg ist jedoch verbunden mit zahlreichen Mühen und Anstrengungen. Die materielle Welt sucht uns zurückzuhalten, versucht uns zu fangen, wie ein Spinnennetz. Allerdings haben wir unsere Verbündeten: die himmlischen Mächte helfen uns, die Heiligen und vor allem die Allheilige Gottesgebärerin stehen uns bei in unserem geistigen Kampfe. Deshalb sagen wir: Allheilige Gottesgebärerin, errette uns!
Für diesen Kampf der Seele gegen die „mannigfachen Fesseln dieser Welt“ ist es wichtig, so beschreibt es der Hl. Symeon Metaphrastes (byzantinischer Hagiograph, 11. Jh.), „daß man sich von allen sichtbaren Dingen löst, ... [und] an der Seite des Herrn zu verweilen beginnt und daraufhin den Kampf mit den Leidenschaften zu erkennen vermag, welcher im Innern haust, sowie den uns verborgenen Krieg.“ Denn wir stehen in der Gefahr, „daß man, obschon man Wunden besitzt und unsichtbare Leidenschaften hegt und pflegt, meint, man sei gesund und nicht krank. Dem jedoch, der Begierde und Ehre mißachtet hat, wird es zunächst möglich, diese (Leidenschaften) zu erkennen, dann aber auch, sie niederzuringen, nachdem er Christus gläubig angefleht und die Waffen des Geistes vom Himmel empfangen hat: den Panzer der Gerechtigkeit, den Helm des Heils, den Schild des Glaubens und das Schwert des Geistes“ (vgl. Eph 6,14.16,17).
Lasst uns also für diesen Kampf rüsten, jeden Tag aufs Neue. Hierfür haben wir die Heiligen Sakramente der Kirche, das Gebet, das Fasten und v.a. den Empfang der Heiligen Eucharistie und weitere geeignete Weisen der Buße, die uns Gott eingibt. Mögen wir bestehen in diesem, unserem Leben und am Ende zusammen mit dem Hl. Paulus sprechen: „Ich habe den guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe den Glauben bewahrt“ (2Tim 4,7).
Und wenn wir einem verlorenen Schaf begegnen und auf den Glauben zu sprechen kommen, dann wird es demjenigen vielleicht eine Torheit sein, „denn das Wort vom Kreuz ist denen, die verloren gehen, [eine] Torheit; uns aber, die wir gerettet werden, ist es Gottes Kraft“ (1Kor 1,18). Also, haben wir Mut, wir brauchen uns nicht zu fürchten oder zu verstecken. Seien wir aber auch jederzeit bereit, um einem Bruder Rede und Antwort zu stehen über unser Heil, wie es der Heilige Petrus schreibt: „haltet den Herrn, den Christus, in euren Herzen heilig! Seid aber jederzeit bereit zur Verantwortung jedem gegenüber, der Rechenschaft von euch über die Hoffnung in euch fordert, aber mit Sanftmut und Ehrerbietung!“ (1Petr 3,15).
Insofern müssen wir schon einigermaßen über unseren Glauben Bescheid wissen. Wir haben doch gute Gründe. Viele von uns haben Christus erfahren und stehen, so Gott will, in einer lebendigen Beziehung zu Ihm. Und all die Kraft und Gnade und Hoffnung und Freude, die wir daraus schöpfen, ist nicht „unwissenschaftlich“, das ist gar keine Frage der Wissenschaft, denn Glaube können wir doch nicht messen oder wiegen. Da geht es um den Sinn des Lebens, um wahres Sein, um wahres Leben und wahre Freude. Und wenn dann nur einer vom Weg des Todes (vgl. Didache) ablässt und sich, mit Gottes Hilfe, dem Weg des Lebens zuwendet und umkehrt und sich taufen lässt oder wieder zur Beichte kommt, dann freuen sich die Engel Gottes über die Metanoia des Sünders im Himmel – so steht es geschrieben (Lk 15,10).
Ebenso der Sünder ist ein verirrtes Schaf, vielleicht meint er gar, ganz ohne Gott leben zu können; vielleicht war er einmal ein Christ gewesen und dann kam der Biologie-, oder Physikunterricht in der Schule und trieb einen Keil zwischen Materia und Theologia. Anschließend begann derjenige zu zweifeln und so weiter und so fort. Leider hat ihm damals keiner gesagt, dass Gott, der die Natur und ihre Gesetze gemacht hat, doch Seine Naturgesetze auch jederzeit außer Kraft setzen kann und einen toten Lazarus nach vier Tagen wieder zum Leben erwecken kann, wenn Er dies will (vgl. Joh 11,41-44). Das ist nicht unlogisch. Wunder sind völlig logisch. Christus-Logos ist die Logik in persona!
Und wenn einer fest im Glauben war, sich aber verfehlt hat und sich nun schämt, zur Beichte zu kommen, dem sei Hoffnung gemacht und gesagt: wir alle verfehlen uns tausendfach am Tag. Trotzdem geht Christus jeden Tag los, um uns zu suchen und ruft: „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein!“ (Jes 43,1). Und vielleicht, irgendwann, wenn das Schaf die Stimme seines Hirten hört und seine eigene Hilfsbedürftigkeit erkennt, dann wird es reagieren und blöken, sodass sein Herr es finden kann, weil es nun gefunden werden will. Mögen auch wir dann schreien aus tiefster Seele, wie Jona im Bauch des Seetiers (Hades), oder wie Petrus wandelnd auf dem See: „Herr, errette mich!“ (Mt 14,30). Denn siehe, da streckte Jesus sofort die Hand aus, hielt ihn am Handgelenk und sprach: „Kleingläubiger, wozu hast du gezweifelt?“ (Mt 14,31).
Sollten wir Ihn also wirklich brauchen, dann wird Er, unser Vater im Himmel, da sein für uns, Er wird da sein, wenn wir zweifeln, oder uns verfehlt, oder verirrt haben. Wenn wir Ihn rufen, wird Er herbeieilen. Er wird sich kümmern, wie sich auch der Hl. Paulus um die Gemeinden gekümmert hat; in der heutigen Epistel hörten wir nämlich: „Nach einigen Tagen aber sprach Paulus zu Barnabas: Lass uns nun zurückkehren und die Brüder besuchen in jeder Stadt, in der wir das Wort des Herrn verkündigt haben, (und sehen,) wie es ihnen geht.“ (Apg 15,36).
Christus wird kommen und uns auf Seinen Schultern zurück zur Herde tragen (vgl. Lk 15,4-7). Und die Herde, das ist ja die Gemeinde, auf Griechisch κυριακὴ κοινωνία, daher kommt unser Wort „Kirche“. Schon die ersten Christen nämlich versammelten sich in besonderen, heiligen Häusern und benannten sie nach sich – das ist die Gemeinde des Herrn, die „Kirche“.
Und ist es denn nicht wahrlich vernünftig, zurückzurufen, wenn der Hirte uns verlorene Schafe sucht? Mögen wir unsere eigene, wahre Hilflosigkeit erkennen und ebenso endlich vernünftig handeln und Christus die Türe zu unseren Herzen öffnen. Ein Kranker erkennt doch normalerweise, dass er den Arzt benötigt. Daher lasst uns umgeisten (Metanoia) und wieder zur Besinnung kommen. Lasst uns Christus, unserem Hirten, wieder vollkommen, mit ganzem Herzen und in Wahrheit anschließen wollen. Lasst es uns zumindest versuchen, uns Mühe geben und jeden Tag ein bisschen besser werden und mehr verleugnen. Lasst uns versuchen, unser täglich Kreuz auf uns zu nehmen, um Christus nachzufolgen (vgl. Lk 9,23).
Möge Er uns aber finden und herbeieilen, uns am Handgelenk packen, wie der Auferstandene auf der Ikone die gefallenen Ureltern Adam und Eva am Handgelenk greift, um sie aus der Unterwelt emporzuziehen. Möge Er auch uns emporziehen, ehe der Tag der Verurteilung kommt, und Seine Vergebung und Kraft schenken. Möge Er bei uns sein „alle Tage bis zur Vollendung des Weltalters“ (Mt 28,20) und möge Er uns kennen und uns das ewige Leben schenken. So lasst uns sprechen: „Herr, Jesus Christus, erbarme Dich meiner!“ und Ihm danken „allezeit und für alles“ (Eph 5,20).
Christus ist auferstanden!