Predigt zum Hochfest des Einzugs des Herrn in Jerusalem / Palmsonntag (Phil.. 4: 4-9; Joh. 12: 1-18) (24.04.2016)

„Schon vor Deinem Leiden die allgemeine Auferstehung bezeugend, hast Du Lazarus von den Toten auferweckt, Christus, Gott! Deshalb rufen auch wir, wie die Kinder die Sinnbilder des Sieges tragend, Dir, dem Sieger über den Tod, zu: Hosanna in der Höhe, gesegnet sei, Der da kommt im Namen des Herrn!“ (Troparion zum Fest)

 

Liebe Brüder und Schwestern, 

 

eine Woche vor dem absoluten Höhepunkt im Leben eines Christen begehen wir den Einzug des Herrn in Jerusalem. Die Jubelrufe „Hosanna“ von damals zeigen, dass die Menschen zu allen Zeiten das Bedürfnis nach starken Persönlichkeiten haben, denen sie ewige Gefolgschaft schwören und sie anhimmeln, solange sie den Leuten das geben, was sie verlangen, - die sie aber im Falle der Nichterfüllung ihrer sehnsuchtsvollen Erwartungen wieder sehr schnell verdammen, verleugnen und verraten können. So werden dieselben Leute in wenigen Tagen die Kreuzigung Dessen verlangen, Dem sie heute noch bereit sind zu folgen. Dazu kommt es, weil der Messias ein anderes Königtum verkündet, als sie es wollen. Sein Königtum ist nicht von dieser Welt (s. Joh. 18: 36). Sie lassen Ihn ans Kreuz schlagen, „weil sie sich der Liebe zur Wahrheit verschlossen haben, durch die sie gerettet werden sollten“ (2. Thess. 2: 10). Sie sehen in Ihm einen politischen Führer, Der ein irdisches Königreich nach ihren Vorstellungen zu gründen hat.

Das führt uns erst einmal zu der Frage, ob der politische Freiheitskampf für einen Christen, der „sich den Herrschern und Machthabern unterzuordnen und ihnen zu gehorchen“ hat (Tit. 3: 1), überhaupt zulässig ist. Ohne Zweifel ist jede staatliche Gewalt grundsätzlich „von Gott eingesetzt“ (Röm. 13: 1). Aber so wie es Situationen gibt, in denen man, trotz des fünften Gebots, sogar seinen Eltern den Gehorsam verweigern muss (z.B. wenn diese einen vom Glauben abbringen oder zu unmoralischem Verhalten anstiften wollen), so sind bewaffnete Aufstände gegen eine Fremdherrschaft als ultima ratio vorstellbar. Wir kennen den biblisch fixierten Freiheitskampf der Makkabäer gegen die hellenistischen Eroberer, das Aufbegehren der Russen gegen die Tataren oder den Befreiungskrieg der Griechen gegen die Türken. Auch meine nahen Vorfahren kämpften im Russischen Bürgerkrieg mit der Waffe in der Hand gegen den bolschewistischen Terror in ihrer Heimat und setzten den Kampf später an der politischen Front fort. So ein Kampf ist also, unter Beibehaltung der vom Glauben vorgegebenen ethischen Normen, legitim. Also war der Gedanke der Juden zu Zeiten Jesu, sich gegen die römische Herrschaft zu erheben, nicht von sich aus verwerflich. Was in den Augen Gottes jedoch ein Gräuel darstellt, ist die Vermischung des Geistlichen und des Weltlichen. Der Herr sprach: „Alle, die vor Mir kamen, sind Diebe und Räuber“ (Joh. 10: 8). Wer ist damit gemeint? Offensichtlich nicht die Propheten, auch nicht die legitimen weltlichen Herrscher im Alten Bund, sondern militante Volksverführer, die sich für den Messias ausgegeben hatten. Sie gaben ihre politischen Ambitionen als Gottes Werk aus! Und viele folgten ihnen. Nun aber erkennen die Massen, dass Jesus, „Der kommt im Namen des Herrn, der König Israels“ ist (Joh. 12: 13) – und liefern Ihn wenige Tage später zur Kreuzigung aus, weil Er ihre politischen Ziele nicht erfüllte. 

Was ist Sein Anliegen gewesen, weswegen Er in diese Welt kam? - Die Antwort darauf sehe ich jeden Sonntag in den Gesichtern der Menschen, wenn sie am Ende des Gottesdienstes das Zeichen unserer Erlösung küssen. Diese Menschen werden in diesen zwei Stunden zu Teilhabern des Königtums, das der Messias verkündigt hat, und nehmen diesen Frieden im Herzen mit in ihren nicht immer einfachen Alltag. Wenn ich da an die Gläubigen in anderen Ländern denke, die direkt nach den Freitagsgebeten mit erhobenen Fäusten auf die Straße rennen und durch und durch auf Krawall gebürstet sind …  

Doch leider sieht man heute auch im christlichen Kulturkreis, dass „orthodoxe“ Kleriker mit Kirchenfahnen und Kruzifixen auf die Straße gehen und die Leute zu ethnischem Hass und politischem Extremismus anstacheln. Wer in ihre Gesichter schaut, der findet keine Bruderliebe und schon gar keine Liebe zu Christus. Auch das ist eine teuflische Vermischung religiöser und weltlicher Aspekte, die dazu den Tatbestand des von der Kirche verurteilten Ethnophiletismus darstellt. Die Leute, die sich dieser „Kirche“ zuwenden, trennen sich nicht nur von der kanonischen Kirche des Moskauer Patriarchats ab, sondern von der orthodoxen Kirche als solche, und dadurch – von Christus, dem Haupt derselben. Aber sie merken es nicht, weil ihr Augenmerk auf das irdische Reich gerichtet ist, nicht auf das Reich Gottes. Solche Menschen „leben als Feinde des Kreuzes Christi. Ihr Ende ist das Verderben, ihr Gott der Bauch; ihr Ruhm besteht in ihrer Schande; Irdisches haben sie im Sinn. Unsere Heimat aber ist im Himmel. Von dorther erwarten wir auch Jesus Christus, den Herrn, als Retter“ (Phil. 3: 18-20). Deshalb wollen wir zu allen Zeiten darauf achten, dass unsere himmlischen und irdischen Ziele niemals im Widerspruch zueinander stehen. Als Handreichung dazu dient der heutige Festgesang:

 

„Auf dem Throne im Himmel, auf dem Eselfohlen auf der Erde, hast Du, Christus, o Gott, das Loblied der Engel und den Gesang der Kinder aufgenommen, die Dir zuriefen: Gesegnet, Der Du kommst, Adam aus der Unterwelt zu befreien“ (Kondakion zum Fest)

 

 

Lasst uns unser Leben danach ausrichten, „und der Frieden Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken in der Gemeinschaft mit Christus Jesus bewahren“ (Phil. 4: 7). Amen.

Jahr:
2016
Orignalsprache:
Deutsch

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