Predigt zum Herrentag nach Theophanie / 32. Herrentag nach Pfingsten (Eph. 4:7-13; Mt. 4:12-17) (22.01.2023)

Liebe Brüder und Schwestern, 

 

die heutige Lesung aus dem Evangelium nach Matthäus handelt davon, dass Sich unser Herr nach der Taufe im Jordan, sobald Er von der Gefangennahme Johannes des Täufers erfährt, von Judäa nach Galiläa begibt. Dort verlässt Er Seine Heimatstadt Nazareth und lässt Sich in der Stadt Kafarnaum am See Genezareth nieder. Hier beginnt Er damit, die Menschen zur Umkehr zu rufen, wie es zuvor schon Sein Vorläufer getan hatte. Hierdurch erfüllt sich die Prophezeiung Jesajas: „Das Land Sebulon und das Land Naftali, die Straße am Meer, das Gebiet jenseits des Jordan, das heidnische Galiläa: das Volk, das im Dunkel lebte, hat ein helles Licht gesehen; denen, die im Schattenreich des Todes wohnten, ist ein Licht erschienen“ (Mt. 4:15-16; vgl. Jes. 8:29; 9:1). 

In den Augen eines unbedarften Zeitgenossen werden einige dieser Begrifflichkeiten wenig Aussagekraft besitzen: Was ist unter dem Volk, das im Dunkel lebte und im Schattenreich des Todes wohnte, zu verstehen, und welches helle Licht ist diesen Menschen erschienen? Klarheit könnte uns die heutige Lesung aus dem Epheserbrief verschaffen, die sich auf den in der Welt erschienen Gottessohn bezieht: „Er gab den einen das Apostelamt, andere setzte Er als Propheten ein, andere als Evangelisten, andere als Hirten und Lehrer, um die Heiligen für die Erfüllung ihres Dienstes zu rüsten, für den Aufbau des Leibes Christi. So sollen wir alle zur Einheit im Glauben und in der Erkenntnis des Sohnes Gottes gelangen, damit wir zum vollkommenen Menschen werden und Christus in Seiner vollendeten Gestalt darstellen“ (Eph. 4:11-13).

Gott, Der vom Himmel auf die Erde herabstieg, um (zusammen mit uns) wieder dorthin hinaufzusteigen (s. Joh. 3:13; Eph. 4:8-10) beteiligt die Menschen an Seinem Erlösungswerk: „Jeder von uns empfing die Gnade in dem Maß, wie Christus sie ihm geschenkt hat“ (Eph. 4:7; vgl. Mt. 25:15; Röm. 12:6). Diese Gaben sind uns dazu verliehen, damit wir durch sie einander aufbauen (s. 1 Kor. 14:26) und schließlich auch in uns das Licht aus der Finsternis aufleuchte „zur Erkenntnis des göttlichen Glanzes auf dem Antlitz Christi“ (2 Kor. 4:6). Der Apostel und Evangelist Johannes schreibt: „Gott ist Licht, und keine Finsternis ist in Ihm“ (1 Joh. 1:5). Er Selbst – Christus – ist das Ziel unserer Bestrebungen, ein Ziel, das nur durch die Bewahrung der göttlichen Gebote erreichbar ist: „Eine Leuchte ist dein Gesetz für meine Füße und Licht für meine Pfade“ (Ps. 118:105). Ohne Gott gibt es dagegen nur Finsternis (s. 1 Kön./1 Sam. 2:9; Hiob 18:18; Mt. 8:12; 22:13; 25:30; 2 Petr. 2:4,17; Jud. 6,13; Offb. 16:10 u.v.m.).

Gott schenkt uns Seine Gnade im Übermaß, damit wir diese annehmen. Es gibt nämlich nichts großartigeres, nichts herrlicheres, nichts freudigeres als die Erkenntnis des Sohnes Gottes (s.  Joh. 17:3). Deshalb sprechen wir von einem Gott der Liebe (s. 1 Joh. 4:16). Aber aus dieser offenbarten Erkenntnis ziehen einige den Schluss, dass der Herr immer alles verzeihen wird und wir uns um unsere geistliche und moralische Vervollkommnung gar nicht zu kümmern bräuchten – Er ist ja der liebe Gott. Wie wir aber den Gleichnissen des Herrn entnehmen, stehen alle in großer Verantwortung vor ihrem Herrn, Der den faulen Knecht dafür verurteilt, weil dieser sein Talent vergraben hatte, die fünf Jungfrauen nicht ins Brautgemach lässt, weil sie keine Vorsorgemaßnahmen für Seine verspätete Rückkehr ergriffen hatten, den Gast am Hochzeitsmahl Seines Sohnes in den finsteren Kerker werfen lässt, weil dieser kein festliches Gewand angezogen hatte, die Böcke zu Seiner Linken zusammen mit dem Teufel und dessen Gepränge in die Gehenna des Feuers schickt, weil sie den geringeren Brüdern des Herrn nicht in der Not beigestanden hatten u.v.m. Ist das also der Gott der Liebe?!.. Ja, ja, und nochmals ja!!! Gott ist zudem der Herr des Himmels und der Erde sowie König der ganzen Schöpfung  (s. Jdt. 9:12).  

Können Sie sich ernsthaft einen Herrscher vorstellen, der „aus Liebe“ jedem Halunken alles verzeiht und jedem Gauner alles durchgehen lässt?! Wäre der himmlische Herrscher dann wirklich noch der „Gott der Schwachen, Helfer der Geringen, Beistand der Armen, Beschützer der Verachteten und Retter der Hoffnungslosen“ (Jdt. 9:11; vgl. Ps. 93)?!.. Der Gott der Liebe ist gnädig gegenüber den Gefallenen, sofern sie Ihn reumütig um Vergebung bitten. Er gibt ja dem zur elften Stunde Gekommenen den gleichen Lohn wie dem, der von der ersten Stunde an geschuftet hat; Er öffnet dem Räuber das Paradies, weil dieser Ihn mit seinem letzten Atemzug bekannt hatte; Er erlässt Seinem über alle Ohren verschuldeten Knecht alle Schulden, nachdem dieser Ihn lediglich um Aufschub angefleht hatte. Ja, so einen Gott haben wir!!! Und heute lesen wir, wie der Mensch gewordene Gott nach der Taufe im Jordan und der Versuchung durch den Teufel in der Wüste Seine irdische Mission nicht zufällig mit denselben Worten beginnt, wie es vor Ihm der Vorläufer getan hat: „Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe“ (Mt. 4:17). Wir haben einen Gott, Der voll Erbarmen und Recht ist (s. Ps. 100:1; vgl. 97:3); einen Gott, Der nicht den Tod des Sünders wünscht, sondern dessen Umkehr erwartet, damit dieser am Leben bleibt (s. Ez. 18:23; 33:11). Deshalb begibt Sich der Herr in der heute vernommenen Lesung aus dem Evangelium auf die Suche nach uns, wie es der Prophet vorausgesagt hatte: „Denn so spricht Gott, der Herr: ´Jetzt will Ich Meine Schafe suchen und Mich Selber um sie kümmern. Wie ein Hirte sich um die Tiere seiner Herde kümmert an dem Tag, an dem er mitten unter den Schafen ist, die sich verirrt haben, so kümmere Ich Mich um Meine Schafe und hole sie zurück von allen Orten, wohin sie sich am dunklen, finsteren Tag zerstreut haben`“ (Ez. 34:11-12). Ja, so einen Gott haben wir! Amen.

Jahr:
2023
Orignalsprache:
Deutsch

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