Predigt zum Geburtsfest des heiligen Propheten, Vorläufers und Täufers des Herrn Johannes (Röm. 13:11-14:4; Lk. 1:25-52; 57:68,76,80) (07.07.2023)
Liebe Brüder und Schwestern,
es gibt keinen Heiligen im Kirchenkalender, dem so viele Feste gewidmet sind wie dem Vorläufer Christi: seine Empfängnis im Mutterleib, die Synaxis nach der Theophanie, die drei Auffindungen seines kostbaren Hauptes sowie die beiden großen Festtage seiner Geburt und seiner Enthauptung, wobei letztere mit einem strengen eintägigen Fasten einhergeht. Zudem wird im Wochenzyklus (Oktoichos) jeden Dienstag des Täufers des Herrn gedacht. So viel, um zu verdeutlichen, welche Bedeutung der größte unter den Propheten (s. Lk. 7:26) in der Kirche einnimmt. Er war es ja, der gemäß der Prophezeiung des Jesajas durch seine Stimme in der Wüste den Weg des Herrn vorbereiten und Seine Steige eben machen sollte (s. Mt. 3:3; Mk. 1:3; Lk. 3:4; vgl. Jes. 40:3). Im kirchlichen „Fachjargon“ wird dieser Prediger in der Wüste auch Vorläufer der Gnade genannt. Denn noch bevor der Herr Jesus Christus Selbst in der Öffentlichkeit auftrat, verkündete Johannes schon: „Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!“ (Mt. 3:2; vgl. 4:17).
Da stellt sich einem allerdings die Frage, wie das Himmelreich nahekommen soll bzw. was es eigentlich mit dem Himmelreich auf sich hat. Der Herr lässt ja keinen Zweifel daran aufkommen, dass das Reich Gottes nicht auf empirisch wahrnehmbare Weise kommen wird, so dass man sagen wird: „Siehe, hier ist es! Oder: Da ist es! Denn siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch“ (Lk. 17:21). Und hierbei kommt dem Vorläufer des Herren eine zentrale Stellung zu, entsprechend den Worten des Herrn: „Das Gesetz und die Propheten reichen bis zu Johannes. Von da an wird das Evangelium vom Reich Gottes gepredigt, und jedermann drängt sich mit Gewalt hinein“ (Lk. 16:16). Das verdeutlicht noch einmal, dass mit der Predigt des letzten und größten Propheten nunmehr das Himmelreich verkündigt wird. „Denn das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude in dem Heiligen Geist“ (Röm. 14:17). Kein Wort also davon, das man bloß („im Herzen“) glauben muss, um in das Reich Gottes zu gelangen; man muss sich stattdessen förmlich „mit Gewalt hineindrängen“. Wie aber? Durch Buße! Denn ohne die gibt es keinen „Zugang im Glauben zu dieser Gnade, in der wir stehen“ (Röm. 5:2); ohne die gibt es kein Zeugnis vom „Evangelium der Gnade Gottes“ (Apg. 20:24). Der erste Schritt zur Erlangung des Himmelreichs ist die von Johannes gepredigte „Taufe der Buße“ (Apg. 13:24; 19:4). Aber neben der Taufe zur Buße gibt es noch die Salbung mit dem Heiligen Geist, ohne die ein Leben im Geist nicht denkbar wäre (s. Apg. 10:37-38; vgl. Joh. 3:5; 1 Joh. 2:27). Die Taufe versetzt uns ja in den Urzustand der ersten Menschen vor dem Sündenfall zurück; doch dieser Zustand „Zero“ war keineswegs als Endzustand des Menschen gedacht. Vom Zustand der Ebenbildlichkeit Gottes soll der Mensch den Zustand der Ähnlichkeit Gottes erlangen, was in der patristischen Terminologie Theosis (= Vergöttlichung) heißt. Da wir aber auch nach der Taufe zur Vergebung der Sünden weiterhin die Neigung zur Sünde in uns haben (s. Röm. 7:14-25), bedürfen wir der Gnade des Heiligen Geistes, durch die wir Gott „ähnlich“ werden können. Dies aber ist nur möglich durch die ständige Buße, beispielhaft ausgedrückt durch das Jesus-Gebet: „Herr, Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme Dich meiner, des Sünders!“ (vgl. Lk. 18:13-14). Die Buße, zu der natürlich die sakramentale Beichte gehört, bewirkt das Wirken der Gnade Gottes. Zur Buße gehört selbstverständlich das aufrichtige Bemühen, nach den Geboten des Herrn zu leben, um Ihm somit ernsthaft unsere Liebe zu bezeugen (s. Joh. 15:10). Durch „Glauben im Herzen“ erfüllt man weder die Gebote Christi, noch erlangt man dadurch die Liebe zum Herrn, die einfach unerlässlich ist, um dem Erlöser auch in schwierigsten Prüfungen die Treue zu halten.
Welch eine Liebe aber hatte Johannes der Vorläufer zu Seinem Herrn! Erinnern wir uns an seine Worte, die er an seine Jünger richtete: „Ihr selbst seid meine Zeugen, dass ich gesagt habe: ´Ich bin nicht der Christus, sondern vor Ihm her gesandt`. Wer die Braut hat, der ist der Bräutigam; der Freund des Bräutigams aber, der dabeisteht und ihm zuhört, freut sich sehr über die Stimme des Bräutigams. Diese meine Freude ist nun erfüllt. Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen“ (Joh. 3:28-30). Nach einem Leben voll unvorstellbarer Entbehrungen in der Wüste darf er nun seinen Lauf im Kerker des Herodes beenden. Welch unbeschreibliche Belohnung für einen, der so viel Liebe in sich hat! Oder hätte er sich vielleicht eher ein Schloss in Küstennähe mit einer Schatzkammer voller Gold als Aufwandsentschädigung für die geleisteten Dienste wünschen sollen?!.. Für nichts in der Welt hätte er sich das gewünscht. Wer für sich gar nichts beansprucht hat, ist der beste Zeuge von der Wahrheit. Er spricht: „Der von oben her kommt, ist über allen. Wer von der Erde ist, der ist von der Erde und redet von der Erde. Der vom Himmel kommt, Der ist über allen und bezeugt, was Er gesehen und gehört hat; und Sein Zeugnis nimmt niemand an. Wer es aber annimmt, der besiegelt, dass Gott wahrhaftig ist. Denn Der, Den Gott gesandt hat, redet Gottes Worte; denn Gott gibt den Geist ohne Maß. Der Vater hat den Sohn lieb und hat Ihm alles in Seine Hand gegeben. Wer an den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben. Wer aber dem Sohn nicht gehorsam ist, der wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt über ihm“ (Joh. 3:31-36; vgl. dazu die Worte des Herrn Joh. 3:12-13).
Der Vorläufer zeigt uns, wie auch wir das Zeugnis des vom Himmel auf Erden gekommenen Erretters der Welt im Geist und in der Wahrheit (s. Joh. 4:23-24) annehmen und dadurch besiegeln können, dass Gott wahrhaftig ist. Amen.