Vollkommene Freude - Eine Pfingstpredigt aus dem Jahre 1941 (Apg 2, 1-11. Joh 7, 37-52; 8, 12)
„...damit Meine Freude in euch bleibe und eure Freude vollkommen werde.“ (Joh. 15,11)
Pfingsten samt dem Tag des Heiligen Geistes mit Sei¬nem Geheimnis ist das Fest der Freude. Zwar kennt jedes Fest das ihm eigene Freuen, dieses aber spricht von der Person gewordenen Freude Gottes, die auf die Erde gekommen ist, vom Heiligen Geist.
Die Freude am Dasein ist eine der größten Gaben, die der Ewige Seiner Schöpfung in ihrem unbegrenzten Leben, in ihrer Weisheit und Schönheit geschenkt hat. „Es freue sich der Himmel, und die Erde sei fröhlich; ...das Meer brause und was darinnen ist; das Feld froh¬locke und alles, was darauf ist. Lasset jauchzen alle Bäume des Waldes vor dem Herrn“ (1. Chron. 16,31¬33).
Diese Freude, die das ganze Sein erfaßt, läßt die Kreatur den Herrn preisen. Und die Freude der Natur springt auf den Menschen über. Ein Ausdruck dafür sind die mit Blumen, Zweigen und Gräsern geschmückten Kirchen. Die höchste Freude der Schöpfung indessen zeigt sich in der menschlichen Liebe, in der Gabe wechselseitigen Liebens. Für die Weisheit Gottes selbst, die Sein „Werk¬meister“ ist und vor Ihm über die ganze Schöpfung froh¬lockt, war es eine „Freude“, bei den Menschenkindern zu sein (Spr. 8,30-3!). Nur ihnen als den zum Bilde Got¬tes Gestalteten ist diese Freude der gegenseitigen Liebe in all ihrer Mannigfaltigkeit gegeben, ein schier uner¬schöpflicher Quell des Freuens auf menschliche Art und Weise.
Doch alle natürlichen Gesichter der menschlichen Liebe erfassen ihre höchste Ausprägung, die geistige Liebe, nicht noch können sie sie je ausdrücken. Sie mögen sie wohl eher verdunkeln und ihr im Wege stehen. Der Mensch ist berufen, Gott zu lieben - und doch ist diese Freude der Liebe eine Gnadengabe Gottes, die erst durch die Reaktion des Menschen in Selbsthingabe und geistlicher Zucht empfangen wird.
In den Abschiedsgesprächen mit Seinen Jüngern ver¬heißt der Herr ihnen Seine vollkommene Freude. Um welche Freude Christi handelt es sich ? Wie kommt sie zustande und mit ihr die Vollkommenheit und Fülle?
Sie hebt sich von der rasch vergänglichen Lust dieser Welt dadurch ab, daß niemand sie den damit Beschenk¬ten wieder nehmen kann (Joh. 16,22).
Es ist die sieghafte Freude, die unter Trauer gewonnen und angesichts des Kreuzes geboren wird. „Ihr werdet traurig sein, aber eure Trauer soll in Freude verwandelt werden“ (Joh. 16,20). Es ist die Freude angesichts des Kreuzes, und ihr Urbild ist im Himmel.
Im Leben der Heiligen Dreifaltigkeit wird Ihre göttliche Dreieinigkeit bestätigt durch die opferbereite Selbsthin-gabe der Hypostasen in gegenseitiger Liebe. Gott ist opferbereite Liebe in drei Hypostasen, die durch die erfüllte, vollkommene Freude gekrönt wird. Es war der Sohn Gottes, Der diese Kreuzesfreude in die Welt gebracht hat. Sein Kommen vom Himmel wie Sein ge¬samter irdischer Dienst, Erniedrigung und Kreuzestod eingeschlossen, haben die vollkommene Freude Gestalt werden lassen, die Er Selbst in Seiner himmlischen Herrlichkeit empfangen und Seinen Jüngern durch die Sendung des Heiligen Geistes auf die Erde vermittelt hat.
Kriterium für unseren geistlichen Aufstieg
Auf diese Vollendung bezieht sich auch das letzte Wort des Herrn in der Welt, das Er angesichts Seiner tödlichen Erschöpfung am Kreuz spricht: „Es ist vollbracht!“ (Joh. 19,30). Die Kreuzesfreude hatte sich in ihrer Kraft voll-endet, wenngleich sie als Herrlichkeit des Sieges noch nicht über der Welt aufleuchtete. Soweit die Verheißung des Herrn.
Was aber hat Er Seinenjüngern an irdischen Schicksalen in dieser Stunde der Trennung vorausgesagt? Nicht irdische Freuden, sondern Leid; nicht die Herrlichkeit der Welt, sondern Feindschaft und Verfolgung samt eigener geistlicher Ermattung. Und erst durch diese Heimsuchungen hindurch erfahren sie den Trost des Trösters, die gnadenreiche Freude über Ihn und den Frieden Christi. Die christliche Freude weiß sehr wohl von Versuchungen, mehr noch, sie bedarf ihrer und nimmt sie „mit großer Freude an“, wie der Apostel (Jak. 1,2) lehrt. „Wenn man uns bekümmert, freuen wir uns“
(2. Kor. 6,10) mit der Freude des Kreuzes, mit der sieg-reichen Freude.
Als man Pfingsten die Apostel in ihrer heiligen Ekstase sah, stellte sich aus Unkenntnis die Frage, ob „sie nicht voll süßen Weines“ wären (Apg. 2,13). Sie hatten vom Heiligen Geist in göttlichem Frohlocken Kenntnis des Künftigen erhalten, wie Christus ihnen verheißen hatte. Vollkommene Freude erfüllte ihre Herzen. Mit ihr kommt nur in Berührung, wer im tätigen Glauben an den Herrn lebt: „Den ihr nicht gesehen habt noch seht, aber an Ihn glaubt: Ihr werdet euch freuen mit unaus¬sprechlicher und herrlicher Freude“ (1. Petr.. 1,8). Sie spiegelt sich in den Gesichtern der Heiligen. Wo immer sie uns gegeben ist, erweist sie sich als ein Kriterium für unseren geistlichen Aufstieg.
Wenngleich das Hohe sich auch nicht im Niederen erschöpft, sondern es übertrifft, greift es doch in ihm Raum. Deswegen werden auch die irdischen, die krea- türlichen Bilder der Liebe und der Freude darüber nicht gegenstandslos, durch die vollkommene Liebe nicht un-tersagt, sondern vielmehr in ihrem Licht erst gerechtfer¬tigt. Ihr Widerstand gegen die Welt gilt dem, was in ihr dem Willen Gottes widerstrebt; er richtet sich nicht gegen das ursprüngliche Sein überhaupt.
Die Liebe Gottes ruht auf der ganzen Schöpfung, und alle Kreatur „erwartet das Offenbarwerden der Söhne Gottes“ (Röm. 8,20-22).
Das Fest der Gestalt gewordenen Freude will uns gna-denreich die kommende Verklärung der Welt ankündi¬gen, die bei der Erscheinung des Herrn stattfinden wird,
ja schon vorweggenommen wurde in der Ankunft des Trösters. Das menschliche Herz vermag jetzt auch mit der Freude der ganzen Schöpfung zu frohlocken. Wir wollen sie aufnehmen und uns zu eigen machen.
Angesichts unvergleichlichen Leides, das die Jünger erwartete, gab der Herr ihnen mit Seiner Voraussage das Gebot der völligen Freude, die ihnen nicht mehr genom-men werden kann. Sie gilt ungeschmälert auch uns heute, die wir in diesen schrecklichen Tagen leben. Erreicht unser Ohr des Herrn Ruf und Verheißung in all ihrer Kraft und Wahrheit, oder suchen wir uns nur innerlich zu schützen vor dem äußersten Schrecken, vor der letzten Verzweiflung, weil wir die Freude nicht zu fassen vermögen? Kann in uns „der Sieg, der die Welt überwunden hat“ triumphieren: unser Glaube? (Joh. 5,4)
Wohl wissen wir von Furcht und Glaubensschwäche, wie sie die Apostel Christi in der Nacht von Gethse¬mane erfahren haben, doch auch davon, daß Erneu¬erung, die die Welt braucht, im Feuer der Heimsuchun¬gen kommt. Nicht um des Todes willen, sondern zu neuem Leben erstirbt das Weizenkorn Gottes in der Erde.
Mit dem Mut der Geduld werden die Herzen gestählt und empfänglich für die ewige Freude. Halten wir uns an den geistlichen Sieg. Der Herr hat gesagt: „In der Welt habt ihr Bedrängnis, aber seid getrost, Ich habe die Welt überwunden“ (Joh. 16,33). Als einziger Sieger über den Tod schenke Er auch uns heute die Freude des Trösters. Amen.
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