Predigt zum fünften Herrentag nach Pfingsten (Röm. 10:1-10; Mt. 8:28-9:1) (09.07.2023)
Liebe Brüder und Schwestern,
die Austreibung einer ganzen Legion von Dämonen aus zwei Besessenen im Lande der Gedarener durch unseren Herrn Jesus Christus ist uns allen geläufig. Wenn mich früher (in meiner Kindheit und Jugend) etwas naiv die Frage beschäftigte, ob es heutzutage auch noch dämonisch besessene Menschen gäbe, befasse ich mich heute als Seelsorger damit, die mir anvertrauten Menschenseelen vor dem in der säkularen Gesellschaft allgegenwärtigen Einfluss zu warnen und ihnen den Weg zu einem Leben in der Gnade des Heiligen Geistes zu weisen. In meiner Jugendzeit schien es mir absolut ausreichend, formal die Mitgliedschaft in der Kirche zu besitzen und diese durch einen oberflächlichen Glauben zu bekräftigen, ansonsten aber vollkommen der menschlichen Denkweise zu verfallen und ein Leben nach den Normen dieser Welt zu führen. Doch sehen wir, dass eine solche Einstellung unweigerlich dazu führt, dass man gegenüber der Außenwelt nominell der Kirche angehört, sich selbst als „orthodox“ betrachtet, jedoch im Geiste sehr weit davon entfernt ist. Der Apostel beschreibt den Geisteszustand seiner legalistisch denkenden Zeitgenossen aus den Judenchristen wie folgt: „Sie erkennen die Gerechtigkeit nicht, die vor Gott gilt, und suchen ihre eigene Gerechtigkeit aufzurichten und sind so der Gerechtigkeit Gottes nicht untertan. Denn Christus ist des Gesetzes Ende; wer an Ihn glaubt, wird gerecht gemacht“ (Röm. 10:3-4).
Wir müssen heute angesichts der rapiden Zunahme antichristlicher Kräfte in der Gesellschaft begreifen, dass ein lauwarmer Glaube bloß an die Existenz eines höheren Wesens nicht der Gerechtigkeit entspricht, die vor Gott gilt. Schon wegen unserer Kinder und Kindeskinder nicht, die im Vorschulalter einer beispiellosen Gehirnwäsche unterzogen werden, wobei das Monopol bzw. die Prärogative der Eltern auf die moralische Entwicklung der Kinder längst außer Kraft ist. Aber auch Erwachsene werden sehr leicht zur Beute einer dem Anschein nach humanistischen Denkweise, die im geistlichen Sinne jedoch vollkommen dem Treiben des Feindes unserer Errettung entspricht. Wer sich das antun möchte, kann sich gerne im Internet kursierende Aufnahmen von „charismatischen“ evangelikalen, im zunehmenden Maße aber auch katholischen Kongregationen anschauen, die in ihren „Gottesdiensten“ unter dämonischem Einfluss stehen. Und dies stellt überhaupt keinen Hinderungsgrund für die Annäherung mit der pseudo-orthodoxen Staatskirche in der Ukraine dar, welche mit dem Segen des Patriarchats von Konstantinopel ihre eigene Gerechtigkeit aufzurichten bestrebt ist. Wie sonst ist es zu erklären, dass im Kiewer Höhlenkloster, der Wiege des russischen Mönchtums, nun offen Lieder gesungen werden, die zum Mord an den Russen aufrufen?! Heiligtümer werden von den Schismatikern gewaltsam entwendet, – nicht etwa, damit dort gebetet wird, – sondern, damit dort wild herumgehüpft und gekreischt wird. Und die Welt schaut weg, wie schon zu Zeiten der Kirchenverfolgungen in der Sowjetunion. Und die Vertreter der kanonischen Kirche, welche, um ihr Überleben zu sichern, den einzigen Ausweg in einem wie auch immer gearteten Kompromiss mit dem Teufel sehen, erkennen nun, dass dieser Weg sowohl in irdischer als auch im himmlischer Perspektive in die Irre führt. So war es schon vor hundert Jahren, als auf jeden Schritt, mit dem die kirchliche Obrigkeit auf die gottlosen Machthaber zuging, diese mit neuen Repressionen antworteten.
Wir können heute nur noch beten, dass die Kirche in der Ukraine ihren Kampf besteht und das Pleroma der Orthodoxie seine Einheit bewahrt. Wir alle sind nun gefragt, nicht bloß an unser persönliches Heil und Wohlergehen zu denken, sondern eine gesamtkirchliche Perspektive in sich zu haben (s. 1 Kor. 12:26). Dabei sollen wir uns an das halten, was uns die Kirche seit zweitausend Jahren lehrt und was wir in Zeiten der politischen und wirtschaftlichen Stabilität schnell vergessen. An Gott kann man nicht bloß mit dem Verstand glauben, wie es die meisten aufgeklärten Menschen im Abendland tun (bzw. taten), „denn wenn man vom Herzen glaubt, so wird man gerecht; und wenn man mit dem Munde bekennt, so wird man gerettet“ (Röm. 10:10). Tatsächlich, so einfach ist das?!.. Ist es also doch ausreichend, „Gott im Herzen zu haben“ und sich allein mit den Lippen zum Glauben zu bekennen?!.. Mitnichten.
Von Herzen glauben bedeutet im Gesamtkontext der Heiligen Schrift, dass man Gott von ganzem Herzen liebt (s. Dtn. 6:5; Mt. 22:37, Mk. 12:30; Lk. 10:27-28)! Keine Rede davon, dass man sich selbst betrügen darf, Gott den hintersten Winkel seines Herzens zuweist und ansonsten völlig ungezwungen lebt wie man will. Wer z.B. eine protestantische Andacht besucht, der wird befriedigt feststellen, dass er alles dort vom Programm-Blatt oder Liederbuch Gesungene, alles aus der Schrift Gelesene und vom Pastor oder der Pastorin Gepredigte verstanden hat. Besucht er danach einen orthodoxen Gottesdienst, wird er nicht umhin können festzustellen, dass er als Ungeübter bei weitem nicht alles verstanden hat, selbst wenn der Gottesdienst in einer für ihn verständlichen Sprache bei normalen akustischen Voraussetzungen stattgefunden hat. Dennoch wird er bald feststellen, dass er durch Befolgen der kirchlichen Anordnungen und entsprechender geistlicher Lebensweise (s. Mt. 17:21; Mk. 9:29) die Erfahrung der lebendigen Gemeinschaft mit seinem Schöpfer machen kann (s. Ps. 33:9; Joh: 1:46). Es ist eine Erfahrung, die er unverzüglich mit allen teilen will und die er dann bereitwillig mit dem Munde bekennt, auch wenn er dafür verspottet, verfolgt, misshandelt oder getötet wird. Doch das Bekenntnis, basierend auf dieser Erfahrung ist ja das, wofür unsere ungezählten bekannten und unbekannten Blutzeugen stehen. Amen.