Predigt zum dritten Herrentag nach Pfingsten (Röm. 5:1-10; Mt. 6:22-33) (25.06.2023)
Liebe Brüder und Schwestern,
im heute verlesenen Abschnitt der Bergpredigt ermahnt uns der Herr, die richtigen Prioritäten in unserem Leben zu setzen und uns zuvörderst um das zu bemühen, was zum ewigen Leben führt. Er verwendet hierfür, wie so oft, die Bilderrede: „Das Auge gibt dem Körper Licht. Wenn dein Auge gesund ist, dann wird dein ganzer Körper hell sein. Wenn aber dein Auge krank ist, dann wird dein ganzer Körper finster sein. Wenn nun das Licht in dir Finsternis ist, wie groß muss dann die Finsternis sein!“ (Mt. 6:22-23).
Natürlich meint der Herr hier nicht den physischen Leib, sondern die Ganzheit des Menschen, der aus Leib und Seele besteht. Das „Auge“ der Seele ist der Verstand. Ihn gilt es rein zu halten. Das ist die vornehmliche Aufgabe des Christen, wie es die heiligen Väter bezeugen. In seinem ursprünglichen Zustand (vor dem Sündenfall) war der Mensch so geschaffen, dass er ohne Anstrengung Gott schauen bzw. Ihn mit seinen äußerlichen (Augen, Ohren) und innerlichen (Herz, Verstand) Sinnen wahrnehmen konnte. Durch den Sündenfall hat er diese Fähigkeit verloren. Nach der Überwindung des Todes durch unseren Erlöser und der daraus resultierenden Wiedererlangung der Gemeinschaft mit Gott ist das Paradies in diesem zeitlichen Leben wieder zugänglich geworden, doch das Königtum Gottes ist seit den Tagen Johannes des Täufers bis heute nur noch mit größter Anstrengung zu erlangen (s. Mt. 11:12). Das Königtum Gottes ist nicht durch äußere Kriterien wahrnehmbar, sondern es nimmt in unseren Herzen und Seelen Gestalt an (s. Lk. 17:21). Der Herr vergleicht es mit einem Senfkorn (s. Mt. 13:31-32; Mk. 4:30-32; Lk. 13:18-19) bzw. mit dem Sauerteig (s. Mt. 13:33; Lk. 13:20-21). Es erscheint wie ein Senfkorn nicht sofort in seiner ganzen Pracht, sondern beginnt ganz allmählich im Herzen der Menschen zu wachsen, bis ein großer Baum daraus geworden ist. Und die Teigmasse wird dank etwas Sauerteig zu einem großen Laib aufgehen, ohne dass der Sauerteig äußerlich wahrgenommen wird. So existiert das Königtum Gottes in dieser Welt. Die, welche es sich aneignen wollen, müssen größte Anstrengungen auf sich nehmen (s. Mt. 7:13-14; Lk. 13:22-30). Wir denken oft, es genüge schon, „gute Werke“ zu vollbringen, um fit für das himmlische Königtum zu sein. Die heiligen Väter warnen aber davor, Werke des gefallenen Fleisches, selbst wenn sie scheinbar hehren Zielen dienen, den Werken des Geistes vorzuziehen, „denn das Begehren des Fleisches richtet sich gegen den Geist, das Begehren des Geistes aber gegen das Fleisch; beide stehen sich als Feinde gegenüber“ (Gal. 5:17). Natürlich sind Wohltätigkeit und Barmherzigkeit gut und richtig, nur können sie allein nicht dafür sorgen, dass das „Auge des Körpers“ rein bleibt und der ganze Mensch erleuchtet wird. Sehr oft können solche Werke als Surrogat für die Erfüllung der neutestamentlichen Gebote Christi, dank derer wir „die erhoffte Gerechtigkeit kraft des Geistes und aufgrund des Glaubens“ erwarten (Gal. 5:5), missverstanden werden. Jedenfalls sind die Werke der „Martha“ nahezu wertlos vor Gott, wenn sie nicht mit den Werken der „Maria“ einhergehen (s. Lk. 10:38-42), denn Erstere können auch ohne den Glauben oder aus geistlich-moralisch unlauterer Motivation (Hochmut, Effekthascherei etc.) vollbracht werden.
Die Kirche ist das „Schiff“, auf dem wir Kurs auf das Königtum Gottes genommen haben. Das Evangelium ist die „Karte“, die Lehre der Kirche, formuliert durch ihre Heiligen, ist der „Kompass“. Nehmen wir unsere alltäglichen Hausgebete, welche uns die Heiligen überliefert haben: natürlich ist dort auch von den schändlichen Werken des Fleisches die Rede, die einen klar ersichtlichen Hinderungsgrund für die Erlangung des himmlischen Königtums darstellen (s. Gal. 5:19-21). Aber die heiligen Väter legen in ihren Lehren den Akzent auf die Reinhaltung des Geistes. Ist der Verstand rein, wird auch das Herz und die ganze Seele rein sein (vgl. Mt. 6:22-23 und Lk. 11:34-36). Hier ein paar Beispiele aus den Morgen- und Abendgebeten: „Erleuchte meinen Verstand und mein Herz ... Erleuchte die Augen meiner Seele, öffne meinen Mund, nachzusinnen über Deine Worte, zu verstehen Deine Gebote und Deinen Willen zu tun, Dir zu singen im Bekenntnis des Herzens und Deinen allheiligen Namen zu preisen…“ (Morgentroparien an die Heilige Dreiheit); „Würdige mich, in Deinem wahrhaften Licht und mit erleuchtetem Herzen Deinen Willen zu tun…“ (MG 4); „Gib, dass wir mit wachsamen Herzen und in nüchternen Gedanken die ganze Nacht des gegenwärtigen Lebens durchschreiten mögen…“ (MG 5); „Erleuchte unsere Gedanken und Augen und erhebe unseren Verstand vom schweren Schlaf der Trägheit“ (MG 6); „Erfülle meinen Verstand mit Gnade … Stärke mich im Wachen für den Lobgesang, indem Du den Schlaf der Mutlosigkeit vertreibst“ (MG 7); „Vertreibe von mir, Deinem sündigen und elenden Knecht, Kleinmut, Nachlässigkeit, Unvernunft und Sorglosigkeit sowie alle unreinen, bösen und lästerlichen Regungen von meinem verhärteten Herzen und von meinem verfinsterten Verstand“ (MG 10); „Erlöse mich, Herr, von eitlen Gedanken, die mich beflecken, und bösen Gelüsten“ (AG 1); „Erleuchte meinen Verstand durch das Licht der Erkenntnis Deines heiligen Evangeliums, meine Seele durch die Liebe Deines Kreuzes, mein Herz durch die Reinheit Deines Wortes, meinen Körper durch Dein leidenschaftsloses Leiden; mein Gemüt bewahre durch Deine Demut und richte mich zur rechten Zeit zu Deinem Lobpreis auf“ (AG 2); „Erlöse meine in Leidenschaften gefangene Seele und beschatte mich mit dem Lichte Deines Antlitzes wenn Du kommen wirst in Herrlichkeit“ (AG 4); „In Deine Hände, Herr Jesus Christus, mein Gott, befehle ich meinen Geist. Segne Du mich, erbarme Dich meiner und schenke mir das ewige Leben. Amen“(AG vor dem Zubettgehen).