Predigt zum 24. Herrentag nach Pfingsten (Eph. 2:14-22; Lk. 12:16-21) (01.12.2019)
Liebe Brüder und Schwestern,
das Gleichnis vom reichen Mann, auf dessen Feldern eine gute Ernte stand ist schlicht verfasst, auf Anhieb verständlich – und stellt doch einen wahren Ozean an möglichen tiefgründigen Gedankengängen dar. Dieser Mann muss wunschlos glücklich sein. Reichtum!!! ... Aber eine volkstümliche Weisheit besagt, dass nur der wirklich reich ist, der mit dem zufrieden ist, was er hat. Demnach kann ein Millionär „arm“ sein, während demgegenüber ein Geringverdiener „reich“ sein kann. Pleite gehen tun ja meist die, welche mal ein Vermögen besessen haben. Das bezieht sich aber keineswegs nur auf den pekuniären Aspekt. Wer auf dem Berg Athos war oder woanders Einblick ins Klosterleben hatte, der weiß, dass man nicht nur für sich selbst Schätze sammeln, sondern auch vor Gott reich sein kann. Gott ist der himmlische Reichtum, mit dem wir nachhaltig alle unsere Bedürfnisse stillen (s. Joh. 4:13-14; 6:32-35). Wer Ihn jedoch nicht sucht, wird niemals zufriedengestellt werden können, selbst, wenn ihm die ganze Welt gehören würde (s. Mt. 16:26; Mk. 8:36; Lk. 9:25).
Als Seelsorger, der seit mehr als zwei Jahrzehnten mehr schlecht als recht auf „Gottes Ackerfeld“ (s. 1 Kor. 3:9) tätig ist, beobachte ich, dass im irdischen Leben erfolgreiche Menschen sich den Erfolg zumeist selbst zuschreiben, während die vom Schicksal weniger Bedachten den Urheber ihres Misserfolges oftmals in Gott sehen. Hüben wie drüben regiert geistliche Blindheit, wie wir sie auch bei dem reichen Mann aus unserem Gleichnis erkennen. Er dachte wohl, der enorme materielle Reichtum, der alle seine persönlichen Bedürfnisse um ein Vielfaches übersteigt, stehe ihm bedingungslos zu. Egal ob Millionenerbe, Lottogewinner oder Self-made-Man – ist er nicht frei, selbst über seinen Besitz zu verfügen (vgl. Apg. 5:4)? - Natürlich ist er das. Und überhaupt, sind wir Christen etwa nicht zur Freiheit berufen (s. Gal. 5:13)?! - Auch das sind wir, ohne Zweifel. Aber warum muss uns Gott zur Freiheit erst berufen?!.. Sind wir denn nicht „automatisch“ frei?! - Gott hätte durch den Apostel auch schlicht verkünden können: „Ihr seid frei, Leute!“ Und wir: „Juhuu! Tun wir uns also keinen Zwang an. Lasst uns faulenzen, essen, trinken und das Leben genießen (vgl. Lk. 12:19)!“ Aber das ist Freiheit im liberalen Sinn („Mein Bauch gehört mir!“), Freiheit als Selbstzweck, welche ohne die vertikale Dimension nur zu moralischem Verfall, Leid und Elend, vor allem aber zur Entfremdung von Gott führt. - Aber zu welcher Freiheit beruft uns Gott dann?..
Als geistlich begabte Wesen wissen wir: „Wo der Geist des Herrn wirkt, da ist Freiheit“ (2 Kor. 3:17). Da wir aber selbst keine Geistwesen sind, können wir durch gegenseitige Liebe den Frieden Gottes und den Reichtum Christi nur in Seinem Leib erlangen (s. Kol. 3:14-16) – Er ist „der Weg und die Wahrheit und das Leben“ (Joh. 14:6). Der Weg zur Freiheit führt nur über die Wahrheit (s. Joh. 8:32), also via Christum. Der jedoch ruft uns zur Selbstverleugnung, zum Tragen des Kreuzes, zur Nachfolge bis in den Tod auf (s. Mt. 16:24-25; Mk. 8:34-35; Lk. 9:23-24): „Wer Mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge Mir nach“. Christi Freiheit ist zwar ein „Joch“ (Mt. 11:29-30), das aber, anders als irdische Güter (s. erneut Lk. 12:19), wahrhaftig „Ruhe“ (s. Mt. 11:28) verschaffen kann. Zu ihr kann man in der Tat nur berufen sein, will man zu den Auserwählten gehören (s. Mt. 22:14).
Nur der Weg der Wahrheit führt zum Leben – Christus (s. erneut Joh.14:6). Das ist der „Selbstzweck“. Aber welchen Wert hätte dieser Weg, diese Wahrheit und dieses Leben, wenn sie unter Zwang zustande kämen oder als mechanische Selbstläufer vonstatten gingen?!.. - Das rechte tun ohne Freiheit ist Sklaverei, Freiheit ohne Regeln ist Anarchie. Verstehen wir doch, worauf es uns ankommen soll!: „Wenn ich aber wirklich Deine Gnade gefunden habe, so lass mich doch Deinen Weg wissen! Dann werde ich Dich erkennen, und es wird sich bestätigen, dass ich Deine Gnade gefunden habe“ (Ex. 33:13). - Da wollen wir hin – Gottes Gunst erlangen und dadurch den Weg des Lebens in der Freude vor dem Angesicht Gottes zu erkennen (s. Apg. 2:28, vgl. Ps. 15:11)! Wahre Freiheit bedeutet demnach Freude aus einem Leben im Angesicht Gottes. Die steht aber im krassesten Widerspruch zu der allseits propagierten Narrenfreiheit, deren vehemente Durchsetzung sich heutzutage sogar „Christen“ auf ihre Fahnen geschrieben haben. Doch der mit Molotov-Cocktails und Pflastersteinen erkämpfte Triumph der 68-er-“Freiheitsbewegung“ führt zu einem dramatischen Mitgliederschwund! So liefen junge Menschen karibischen bzw. fernöstlichen Despoten (Che Guevara, Fidel Castro, Ho-Chi-Minh, Kim-Il-Sung, Mao-Tse-Tung) in den 70-ern nach, dann totalitären Sekten (Bhagwan, Scientology) in den 80-ern, bis schließlich post-kommunistischer Konsumrausch und neuer Sittenverfall in den 90-ern folgte (s. wieder Lk. 12:19). Heute ist es ausgerechnet der Islam(-ismus), welcher die Sehnsucht vieler junger Leute nach einer „ordnenden Hand“ im Labyrinth der liberalen Orientierungslosigkeit stillt bzw. vorgibt zu stillen. Dabei hat Gott uns doch zur Freiheit berufen, und die schließt nun mal zwangsläufig die Möglichkeit ein, auch „nein“ sagen zu dürfen. Dieses Risiko besteht immer, es ist gewissermaßen der Preis der Freiheit. Und so lieben die Menschen die Finsternis mehr als das Licht, weil ihre Taten böse sind (s. Joh. 3:19). Wie soll diese Welt aber, die Gott so sehr geliebt hat, „dass Er Seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an Ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ (Joh. 3:16), ohne die mahnende Stimme der Kirche das Licht in der Finsternis sehen und die Wahrheit erkennen (s. 1 Tim. 3:15)?!.. Denn nur wer „die Wahrheit tut, kommt zum Licht, damit offenbar wird, dass seine Taten in Gott vollbracht sind“ (Joh. 3:21). Amen.