Predigt zum Patronatsfest zu Ehren des seligen Isidor von Rostow und Brandenburg (27.05.2018)
Liebe Brüder und Schwestern,
wenn wir gemeinsam das Gedächtnis unseres Gemeindepatrons feiern, tun wir dies in der Absicht, Hilfe für unsere kranken Seelen und Beistand in irdischen Dingen zu erflehen. Heilige Menschen, welche Gott ergeben sind, stehen Gott so nahe, dass sie in der Tat inbrünstige Fürsprecher in unserer seelischen oder leiblichen Not vor dem Allerhöchsten sein können. Gott erwartet ja unsere Gebete. Aber Gott will auch, dass wir uns nicht nur dann an Ihn wenden, wenn das Feuer lichterloh unter dem Dach brennt, sondern dass wir uns ständig hilfesuchend an Ihn wenden: "Betet ohne Unterlass!" (1 Thess. 5:17). "Warum dass denn?" mag sich der eine oder andere fragen. Weshalb sollten wir Gott "belästigen", wenn bei uns alles in Ordnung ist?.. Es ist, seien wir doch mal ehrlich, bewusst oder unbewusst die gängige Geisteshaltung der modernen Durchschnittschristen. Nichtsdestoweniger wird diese Haltung unserem Zustand vor Gott in keinster Weise gerecht. Unser Problem ist, dass wir "guter Christ sein" mit Gutmenschentum gleichsetzen. So philosophieren wir dann darüber, dass ein aufrichtiger liebenswerter Atheist genauso ein guter Mensch sein könne wir ein Christ, dass ein frommer Buddhist Gott mehr dienen kann, als ein bigotter Christ und dass Gott bei der Beurteilung von uns Menschen vor allem auf die Herzen schaut. Ja selbst wenn sich in solchen epochalen Erkenntnissen immer ein Körnchen Wahrheit ausmachen lässt, geht die ganze Diskussion am eigentlichen Ziel, das Gott an uns Menschen gestellt hat, vorbei. Gott will den Menschen von der Macht der Sünde befreien, ihm ein völlig neues Leben schenken, damit dieser schon in dieser Welt Teilhaber der kommenden Welt werde: "Wenn also jemand in Christus ist, dann ist er eine neue Schöpfung" (2 Kor. 5:17; vgl. Gal. 6:15). Und darin dienen uns die Heiligen als Vorbilder.
Der selige Isidor offenbart durch sein persönliches Beispiel ein Bündel an Gott gefälligen und aus Sicht des Menschen nachahmenswerten Eigenschaften. Es ist doch selbstverständlich für einen Christen, dass er moralisch lebt und handelt. Wir alle morden und stehlen nicht, begehen keine unzüchtigen Handlungen, bemühen uns um Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit, sind beizeiten vielleicht auch hilfsbereit und zuvorkommend. Sind wir dadurch aber schon gute Christen? - Definitiv nicht! Es sind Werke des äußeren Menschen, zu denen wir auch ohne das Erlösungswerk Christi imstande gewesen wären. Und folglich ist die populäre These: "Hauptsache, man ist ein guter Mensch, egal welchen Glauben man hat" faktisch eine Leugnung des Zeugnisses der Heiligen Schrift, ja sogar eine Verhöhnung des Leidens, des Todes und der Auferstehung Christi.
Narren um Christi willen, wie dem heiligen Isidor, ging es nie um "allgemein anerkannte" humanistische Werte. Wenn wir diese auf verlogener Menschenfreundlichkeit basierenden "Werte" beim Versuch der Unterscheidung zwischen Gut und Böse zugrunde legen, kommen wir ohnehin in ein unausweichliches, von der jeweiligen Zeitströmung diktiertes Interpretationsdilemma. Im Dritten Reich war z.B. Euthanasie ein probates Mittel zur Reinhaltung der Rasse. Und das war "gut". Abtreibungen wurden früher als Todsünde angesehen, heute dürfen Frauen sagen: "Mein Bauch gehört mir!" Auch das ist "gut". Homosexualität und Prostitution waren früher strafbar und verwerflich, heute gilt sexuelle Freizügigkeit als das Wesensmerkmal der Freiheit. Ist jetzt auch "gut". Früher galt Respekt vor den Älteren als Tugend, heute werden Eltern strafrechtliche Konsequenzen angedroht, wenn sie ihre Kinder für ungezogenes Verhalten disziplinieren. Mehr als "gut". Diese Liste könnte man beliebig fortsetzen. Vor allem aber scheint unstrittig zu sein, dass vieles, was heute "gut" ist, in wenigen Jahrzehnten vielleicht nicht mehr als "gut" angesehen wird. Wäre es da nicht besser, sich auf ewige Werte zu stützen - auf Werte, die über dem krankhaft gottlosen menschlichen Denken stehen?!
Das Evangelium Christi verurteilt das rein äußerliche Handeln (s. Mt. 6:1-6; Lk. 18:9-14; 20:46-47), der humanistische Zeitgeist sieht in ihm hingegen die höchste Stufe der Vervollkommnung. Luft nach oben? - Fehlanzeige! Und so ist man selbstgenügsam in geistlichen Dingen. Wir sind keine Übeltäter, gesetzestreu, leben moralisch, glauben an Gott und gehen in die Kirche. Aber das taten auch die Zeitgenossen des heiligen Isidor im 15. Jahrhundert. Ich kann extrem viel beten und fasten, regelmäßig beichten und an der Heiligen Kommunion teilnehmen, dabei geistlich aber völlig danebenliegen: Missgunst, Hass, Zorn gegen meine Mitmenschen empfinden sowie Undank, Murren und Gleichgültigkeit gegen Gott hegen. Ich kann Almosen verteilen, dabei aber Hochmut empfinden oder aus reinem Eigennutz handeln. Das Evangelium setzt aber ganz andere Maßstäbe als bei den Menschen üblich. Es geht um das, was wir im Herzen haben - um unsere Beziehung zu Gott. Die Liebe Gottes empfindet der, dem viel vergeben wird, "wem aber nur wenig vergeben wird, der zeigt auch nur wenig Liebe" (Lk. 7:47). Gottes Gnade "erweist ihre Kraft in der Schwachheit. Viel lieber will ich mich also meiner Schwachheit rühmen, damit die Kraft Christi auf mich herabkommt" (2 Kor. 12:9). Deshalb haben wir die Kirche als unsere liebende Mutter, die uns lehrt, vor Gott demütig zu sein. Alles ist bei uns auf den Kampf gegen die Sünde ausgerichtet, die in uns ist (s. Röm. 7:20). Wo wären wir da ohne die heiligende Kraft der Gnade Gottes? Heilige wie unser Schutzpatron weisen uns den Weg "aus diesem dem Tod verfallenen Leib" (Röm. 7:24). "Schaut auf das Ende ihres Lebens, und ahmt ihren Glauben nach!" (Hebr. 13:7). Durch die Gebete des seligen Isidor, Herr, Jesus Christus, erbarme Dich unser! Amen.