Predigt zum 5. Herrentag der Großen Fastenzeit - Hl. Maria von Ägypten (Hebr. 9:11-14; Mk. 10:32-45) (25.03.2018)
Liebe Brüder und Schwestern,
langsam biegen wir auf die Zielgerade. Wie ein Marathonläufer, der unterwegs an verschiedenen Verpflegungsstationen Stärkung für die erfolgreiche Beendigung des Wettkampfes erhält, bekommen wir auf unserem Weg zum großen Ziel geistliche Stärkung in Form der sonntäglichen Feiern während der Fastenzeit. Markanteste Meilensteine sind hierbei natürlich der Triumph der Orthodoxie und die Kreuzverehrung, welche die Allmacht und die Güte des Herrn verherrlichen. Doch auch aus den übrigen Herrentagen, die dem Gedächtnis herausragender Asketen gewidmet sind, schöpfen wir unsere Inspiration für die Zeit des Fastens. Nach den hll. Gregorios Palamas und Johannes Klimakos ist nun die hl. Maria von Ägypten dran. Ihre Askese übersteigt das menschliche Vorstellungsvermögen, denn wenn die beiden Erstgenannten zwar jahrzehntelang unter größter Enthaltsamkeit aber doch in der Gemeinschaft hinter Klostermauern verbracht haben, lebte die hl. Maria völlig allein 46 Jahre lang in der Wüste. Sie hatte kein Dach über dem Kopf, kein Bett, keine Küche, keinen Kleiderschrank, keine Vorratskammer - nichts. Sie war den Elementen völlig schutzlos ausgeliefert. Jede menschliche Logik streikt bei dem Gedanken, hierin einen tiefen Sinn erkennen zu wollen. Dabei muss nur der richtige - nämlich spirituelle - Ansatz gefunden werden, um solch ein entbehrungsreiches Leben in Gedanken und Worte fassen zu können.
Wir gehen als logisch nachdenkende Menschen stets davon aus, dass Asketen wie unsere drei Vorbilder der Fastenzeit diese Anstrengungen auf sich nehmen, um sich oder irgendjemand sonst etwas zu beweisen. Aber das ist absurd. Wem wollte die hl. Maria von Ägypten etwas beweisen? - Den Löwen oder den Füchsen, den Schlangen oder den Skorpionen? -- Es ging ihr also nicht um das Aufstellen eines Weltrekords im Fasten. Aber weshalb zog es sie dann in die Einöde? -- Erinnern wir uns an das kurze Gleichnis von der Perle: Es ist "mit dem Himmelreich wie mit einem Kaufmann, der schöne Perlen suchte. Als er eine besonders wertvolle Perle fand, verkaufte er alles, was er besaß, und kaufte sie" (Mt. 13:45-46). Nichts war ihm zu schade, er scheute keine Mühen und Kosten, um diese eine Perle zu erwerben! Und dieses Gleichnis spiegelt in den einfachsten Worten und Bildern die vollkommene Realität des Himmelreichs wider: alles Irdische ist Müll im Vergleich zur Liebe Gottes (s. Mk. 8:36). Bloß, wenn es so dasteht - auch wenn es vom Herrn selbst im Evangelium verkündet wurde - bleibt es für uns Kleingläubige (s. Mk. 9:24) reine Theorie. Ein Ideal, gewiss, das aber für uns doch außerhalb jedweder Reichweite liegt. Sicher, der Herr hat vierzig Tage in der Wüste gefastet, auch Moses und Elias, aber Er war der Sohn Gottes und sie waren Propheten, Gesandte Gottes (s. Ex. 3:10-12; 3 Kön. 19:13-15), auserwählte Gefäße, durch die der Heilige Geist wirkte. Wenn wir dann aber eine schwache Frau, noch dazu eine vormals große Sünderin sehen, die um der Liebe Christi willen alles, aber wirklich alles vergaß, dann sehen wir, dass der Weg der vollkommen, ungetrübten Harmonie mit Gott allen offensteht und gangbar ist. Die Heiligen, die ja keine Superhelden, sondern Menschen wie du und ich sind, lassen durch ihr Beispiel in uns die Erkenntnis reifen, dass in unserem Wertekompass nichts über der Liebe zu unserem Herrn stehen darf (s. Mt. 10:37). Also ist der Verzicht auf Reichtum, Genuss, Macht, Ansehen etc. nicht Selbstkasteiung, kein freiwillig auf wich genommenes Leid, von dem man sich irgendwann im Jenseits eine Belohnung verspricht (das wäre ja auch eine Form von Ablasshandel), nein! Vielmehr ist die Flucht ins Kloster oder in die Wildnis der kompromisslose Weg zu einer unbeeinträchtigten Gemeinschaft mit Gott. Ziel ist es, in diesem zeitlichen Leben schon die Wonne der göttlichen Liebe zu erlangen. Dabei ist es - auch wenn es paradox klingt - in gewisser Hinsicht der leichtere Weg. Wer z.B. heute den Athos besucht, der schaut nach der Komplet bei Sonnenuntergang mitleidsvoll von der Klosterterrasse auf das griechische Kernland, wo gerade bei Laternenlicht und Musik das abendliche Treiben in den touristischen Vergnügungsetablissements beginnt. Denn hat man sich des irdischen Ballasts entledigt (meinetwegen auch nur für eine begrenzte Zeit als Pilger), ist der Weg frei für die Nachfolge Christi. -- Nun wissen wir aber, dass wir alle diesen Weg so nicht permanent gehen können. Folglich sind wir hier in der Welt berufen, Christus trotz der Widerstände, Verlockungen und Ablenkungen des Zeitlichen nachzufolgen. Doch für alle und jeden Weg gilt: "Wer Mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge Mir nach" (Mk. 8:34). Der direkte Weg bedeutet zwar Befreiung von irdischen Sorgen und Konzentration auf das Wesentliche - aber haben wir überhaupt den Hauch einer Ahnung, mit welchen Versuchungen; Kämpfen und Anfechtungen das einhergeht?! -- Der Weg der Nachfolge Christi in dieser Welt bedeutet hingegen, dass man seine irdische Bürde (Familie, Beruf, gesellschaftiche Verpflichtungen etc.) in Demut und Geduld quasi als Äquivalent zum monastischen Gehorsam (er)trägt und dann noch bemüht ist, ein Leben in harmonischer Gemeinschaft mit Gott zu führen. Irgendwo ist das sogar schwieriger, meine ich. Die unweigerlich auftretenden Widerstände in Form von irdischen Sorgen und Nöten sind dann das "Kreuz", das man trägt. Es ist jedoch in beiden Fällen der Weg des Heils, denn "wer (...) bis bis zum Ende standhaft bleibt, der wird gerettet" (Mt. 10:22; vgl. 24:13; Mk. 13:13). Darum, liebe Brüder und Schwestern, geht es dem Herrn in Seinem Evangelium, darum geht es der Kirche Tag für Tag, besonders in der Großen Fastenzeit, und darum geht es dem Priester in jedem an seine Gemeinde gerichteten Wort. Worum sollte es uns denn sonst gehen?!.. Amen.