Predigt zum Patronatsfest zu Ehren des seligen Isidor von Rostow und Brandenburg (27.05.2017)
Liebe Brüder und Schwestern,
jeder Heilige ist ein Phänomen für sich - sowohl die uns bekannten als auch die zur "Dunkelziffer" gehörenden, deren Namen und deren Kampf Gott allein kennt. Trotz ihrer individuellen Verschiedenheit lassen sich Heilige in verschiedene Kategorien unterteilen. Der selige Isidor gehört demnach zur Schar der "Narren um Christi willen", also zu der Art von Heiligen, die den schwersten nur erdenklichen Kampf auf sich genommen haben. Wir können uns gar nicht vorstellen, was dieser Kampf an Anstrengungen, Entbehrungen und Leidensprüfungen mit sich gebracht hat, doch wir können zumindest versuchen, die Motivation dieses "Narren in Christo" zu begreifen, denn schließlich ist unser Gemeindepatron zunächst auch nur ein Mensch aus Fleisch und Blut.
Das Christsein gründet sich auf der Demut. Die Armut im Geiste (s. Mt. 5: 3) - also das totale Eingeständnis, vor Gott keinerlei Verdienste zu haben und folglich keinen Lohn erwarten zu dürfen (s. Lk. 17: 10), ist der Ausgangspunkt für die Suche nach Gott. Wer dieses Gebot missachtet, hat gleich beim ersten Tor des Labyrinths einen Fehler gemacht und wird niemals an sein Ziel kommen, solange er nicht einsieht, dass er auf seinem eingeschlagenen Irrweg verloren geht. Demut äußert sich nicht in publikumswirksamen Gesten der vorgetäuschten Bescheidenheit, sie ist vielmehr eine verinnerlichte permanente Geisteshaltung, welche von der Erkenntnis der eigenen Unwürdigkeit vor Gott ausgeht. "An Dir allein sündigte ich, und das Böse vor Dir tat ich - damit Du gerechtfertigt würdest in Deinen Worten und siegtest in Deinem Richten" (Ps. 50: 6). Der Mensch ist zum Höchsten berufen: Gott ähnlich zu sein (s. Gen. 1: 26; Lev. 19: 2; Mt. 5: 48). Das ist die Norm, wenn wir das Wort Gottes als alleinigen Maßstab für uns Handeln zugrunde nehmen. Also kann Gott niemals in der Schuld des Menschen sein (s. Hiob 9: 2; Ps. 142: 2). Und trotzdem reduziert sich unsere "Frömmigkeit" auf Fürbitten und rituelle Handlungen fast exklusiv zur Erlangung irdischer Wünsche, anstatt dass wir sagen: "Dein Wille geschehe" (Mt. 6: 10; vgl. Mt. 26: 39, 42; Mk. 14: 36; Lk. 22: 42).
Vorgestern war ich bei der Eröffnung des Kirchentages in Weimar. Wie immer wurde da zu 1% über Gott und zu 99% über die Welt gesprochen. Es entstand, wie immer bei solchen Massenevents, der Eindruck, der Weg zu Gott sei schon gefunden, d.h. die Menschen erfüllen lückenlos ihre Verpflichtung gegenüber Gott, aber aus irgendeinem Grunde lässt Gott Gewalt und Unterdrückung, Leid und Not, Krieg und Terror, diverse Unglücksfälle geschehen. Eine Suche nach Gott findet nicht statt, wenngleich die Angebote an Atheisten bestehen, sich an den verschiedenen Veranstaltungen zu beteiligen und gemeinsam Gott zu fragen: Warum das Ganze? - Ich weiß nicht, gibt es belastbare Zahlen darüber, wie viele Ungläubige sich nach so einem Ereignis zum Glauben bekehren?...
Der selige Isidor steht im krassen Gegensatz dazu. Das orthodoxe Menschenbild geht davon aus, dass der Mensch in Gottes Schuld steht, nicht umgekehrt. Durch die Vereinigung mit Jesus Christus können sie aber jederzeit "umkehren, damit ihre Sünden vergeben werden" (Lk. 24: 47). Da der Mensch diese Möglichkeit nicht oder nur ungenügend wahrnimmt, - und das einzusehen ist schon die erste Stufe auf der Leiter der Seligpreisungen - kann er wenigstens die ihm von Gott gesandten Prüfungen und Lektionen mit Dankbarkeit annehmen und somit sogar alle Peiniger als Wohltäter seiner schuldbeladenen Seele anzusehen. Nach Maßgabe der Gnadengabe Gottes erträgt der Christ somit bereitwillig sein Martyrium - ob seelisch, ob körperlich - und wird zum Sieger über den Widersacher und sich selbst (vgl. Offb. 2: 7, 11, 17, 26; 3: 5, 12, 21; 12: 11, 15: 2; 21: 7). Dies ist der Weg, um ewig in das Buch Gottes eingeschrieben zu werden! Und darum geht es uns doch, oder? - Wir kennen unzählige Beispiele von Heiligen, die aus dieser Geisteshaltung heraus Gott in ihrem persönlichen Leid verherrlichten (s. Hiob 1: 21-22; 2: 10; Hebr. 11: 35-38). Nur aus dieser gnadenreichen Quelle konnten die Märtyrer ihre Kraft schöpfen, den Glauben unter unvorstellbaren Qualen zu bekennen. Der heilige Seraphim von Sarov war kein Märtyrer in klassischen Sinn, doch als er von drei Banditen in seiner armseligen Hütte überfallen und halbtot geschlagen wurde, sah er dies als Gnade für sich an, wofür er Gott und Seinen "Vollziehern" Dank schuldete. Er weigerte sich vor der weltlichen Gerichtsbarkeit, gegen die drei Verbrecher auszusagen und drohte im Falle einer Verurteilung, die Klostergemeinschaft zu verlassen. Und wenn es noch eine Steigerung zum Erdulden von unverschuldetem Leid (s. 1. Petr. 4: 15-19) gibt, dann ist es die freiwillg auf sich genommene Züchtigung durch die Bösartigkeit der Menschen. Die Narren um Christi willen erduldeten nämlich nicht nur von Gott herabgesandte Ungerechtigkeit - sie lechzten förmlich danach, provozierten buchstäblich die Leute dazu, ihnen die Hucke vollzuhauen und sie selbst als "Abschaum der Welt" (1. Kor. 4: 13) zu betrachten. Was für ein Unterschied zum "Christentum light" der Postmoderne!
Von uns wird nicht erwartet, dass wir nun "in Schafspelzen und Ziegenfellen" umherziehen (Hebr. 11: 37). Aber aufgrund des heute Gesagten können wir uns ein Beispiel an unserem Gemeindepatron nehmen und "mit Ausdauer in dem Wettkampf laufen, der uns aufgetragen ist, und dabei auf Jesus blicken, den Urheber und Vollender des Glaubens; Er hat angesichts der vor Ihm liegenden Freude das Kreuz auf Sich genommen, ohne auf die Schande zu achten, und Sich zur Rechten von Gottes Thron gesetzt". Denken wir "an an Den, Der von den Sündern solchen Widerstand gegen Sich erduldet hat;" dann werden auch wir "nicht ermatten und den Mut nicht verlieren" (Hebr. 12: 2-3). Amen.