Predigt zum Hochfest der Hypapante des Herrn (Hebr. 7: 7-17; Lk. 2: 22-40) (15.02.2016)
Liebe Brüder und Schwestern,
zum Fest der Begegnung des Herrn singen wir im Kondakion:
„Der Du den jungfräulichen Schoß durch Deine Geburt geheiligt und die Hände des Simeon, wie es sich gebührte, gesegnet hast, Du hast zuvorkommend auch uns jetzt gerettet, Christus Gott. Aber schenke Frieden in Kämpfen dem Staate, und stärke die, welche Du liebst, o einzig Menschenliebender!“
Wir feiern in der Begegnung des vierzigtägigen Christkindes mit dem greisen Simeon im Tempel Gottes das symbolische Aufeinandertreffen des Alten Bundes mit dem Neuen. Es ist aber auch die Begegnung des Lebens mit dem Tode. Die Geburtshöhle und die Windeln, dazu die Myrrhe aus der Gabentruhe der Weisen aus dem Morgenland wiesen schon vor vierzig Tagen ikonographisch auf die freiwillig auf sich genommene Sterblichkeit des Herrn hin, genauso wie das spätere Eintauchen in den Jordan, das einen Hinweis auf das Begräbnis Christi darstellte. Der erlösende und lebenbringende Tod Christi wird uns den Weg zum ewigen Leben öffnen. Und so frohlocken wir heute schon mit dem gerechten Greis. Der letzte Tag in seinem Leben ist der glücklichste, denn die Begegnung mit dem Erlöser stellt für ihn die Erfüllung seines langen, langen Wartens dar (s. Lk. 2: 26).
Nach dem Gesetz sollte jeder Erstgeborene in Israel Gott als Auslösung vom Tode während des Auszugs aus Ägypten geweiht werden (s. Ex. 13: 2, 13, 15). Damals wurde durch die andeutungsweise Bezeichnung mit dem Kreuz durch das Blut des Paschalammes jegliche Erstgeburt der Israeliten vom Tode in Ägypten befreit (s. Ex. 12: 22-23). Und nun hält Simeon den Befreier vom Tode in seinen Armen... Heute wird er für immer seine Augen schließen, jedoch – und das ist die Frohe Botschaft des heutigen Festtages – hat der Tod für ihn (und für uns) seinen Schrecken verloren!!! ... Wir müssen nur noch dafür Sorge tragen, dass wir zum Zeitpunkt unseres Ablebens den Erlöser gleichsam in uns tragen und voller Inbrunst sagen können: „Nun lässt Du, Herr, Deinen Knecht, wie Du gesagt hast, in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben das Heil gesehen, das Du vor allen Völkern bereitet hast, ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für Dein Volk Israel“ (Lk. 2: 29-32). Deshalb wünschten sich wir Christen im Leben nichts so sehr, wie den Empfang der Heiligen Gaben zur Stunde unseres Todes. Das Leben ist für uns eine (freudige) Vorbereitung auf den Tod. Oftmals muss ich aber bei der Erfüllung meiner pastoralen Pflicht bei Sterbefällen immer wieder erfahren, dass der oder die Verstorbene wochen- oder monatelang im Krankenhaus gelegen hatte, und weder er/sie selbst, noch einer der Angehörigen war auf die Idee gekommen, einen Priester als Beistand zur optimalen Vorbereitung auf den Übergang in die Ewigkeit zu rufen...
Zugleich stellt der heutige Tag ein Fest der über alles gesegneten Gottesgebärerin dar. Nach dem Gesetz sollte eine Mutter ja nach vierzig Tagen entsühnt werden (s. Lev. 12: 1-8). Die jungfräuliche Mutter des Herrn bedurfte zwar als Allreine keiner Reinigung, wie auch der Gesetzgeber Sich dem Gesetz nicht unterzuordnen gebraucht hätte, doch der Erlöser kam ja, um das Gesetz zu erfüllen (s. Mt. 5: 17). Seiner Mutter zu Ehren singen wir das heutige Troparion:
„Freue Dich, gnadenerfüllte, jungfräuliche Gottesgebärerin! Denn aus Dir erstrahlte die Sonne der Gerechtigkeit, Christus, unser Gott, und erleuchtete die von Finsternis Umgebenen. Frohlocke auch du, gerechter Greis, der du den Befreier unserer Seelen auf die Arme nahmst, Der uns die Auferstehung schenkt!“
Einer Überlieferung zufolge stellte der diensthabende Priester Zacharias die Mutter des Herrn an jenem Tag auf den Platz im Tempel, der Jungfrauen vorbehalten war (s. Synaxarion). Seine Prophezeiung verkündete schon gut ein halbes Jahr zuvor das nahende Heil: „Durch die barmherzige Liebe unseres Gottes wird uns besuchen das aufstrahlende Licht aus der Höhe, um allen zu leuchten, die in Finsternis sitzen und im Schatten des Todes, und unsere Schritte zu lenken auf den Weg des Friedens“ (Lk. 1: 78-79).
Und schließlich war da noch die Prophetin Hanna, eine Tochter Pёnuels. Sie trat hinzu, „pries Gott und sprach über das Kind zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten“ (Lk. 2: 38). Dies geschah zum Zwecke der Erfüllung des Gesetzes: „Erst auf die Aussage von zwei oder drei Zeugen darf eine Sache recht bekommen“ (Dtn. 19: 15; vgl. 17: 6 u. 2. Kor. 13: 1). So wie die Allerheiligste Jungfrau zuvor bei der Geburt des Herrn und dreißig Jahre später der Täufer im Jordan den menschlichen Teil der Heilsordnung erfüllen, so sind es nun diese vom Heiligen Geist erfüllten Zeugen, die den notwendigen menschlichen Anteil zur Erfüllung des göttlichen Heilplans beisteuerten. Ihr Dienst bestand in der unbegreiflichen Vorsehung des Herrn auch darin, dass nun die anwesenden Schriftgelehrten und Pharisäer zu Herodes gehen, ihm von der Geburt des neugeborenen Königs der Juden berichten und seinen Schergen den Aufenthaltsort des göttlichen Kindes verraten konnten (s. Mt. 2: 2-3).
Auf der Ikone der Darstellung des Herrn im Tempel Gottes erkennen wir in der geringfügig erweiterten Gruppe rund um die Heilige Familie die Präfiguration der Kirche Christi, in der durch die unermesslich erweiternde Gnade des Heiligen Geistes alle Menschen nun zum engsten Familienkreis Gottes gehören. Amen.