Predigt zum Hochfest der Kreuzerhöhung (1 Kor. 1:18-24; Joh. 19:6-11,13-20,25-28,30-35) (27.09.2021)
Liebe Brüder und Schwestern,
symbolisch für den Sieg des Christentums steht die Erscheinung des Kreuzzeichens dem hl. Konstantin dem Großen vor der Entscheidungsschlacht um die Herrschaft in Rom. Er ließ darauf hin sein zahlenmäßig weit unterlegenes Heer unter dem Zeichen des Kreuzes aufmarschieren und schlug 312 seinen Rivalen Maxentius an der Milvinischen Brücke vernichtend.
Mit Kaiser Konstantin begann eine neue, die christliche Epoche der Weltgeschichte. Politischer, kultureller, wirtschaftlicher und vor allem religiöser Mittelpunkt der Welt war nun für mehrere Jahrhunderte Konstantinopel, das Neue Rom. Aber auch Konstantinopel ist inzwischen längst Geschichte. Mit den Ereignissen des 20.Jahrhunderts hat sich eine neue Weltordnung etabliert. Die politische und demographische Entwicklung der letzten Jahrzehnte lässt unschwer erkennen, dass das Christentum in wenigen Generationen zur Randerscheinung verkommen wird und vielleicht wieder in den Zustand von vor der Konstantinischen Wende zurückversetzt wird. Wer mit offenen Augen auf den Straßen unserer Städte geht, sieht sofort, dass sich scheinbar nur die Christen vom fälschlichen Verständnis der von Gott gegebenen Freiheit infizieren lassen, während andere vom liberalen Gedankengut sogar eher noch radikalisiert werden. Schuld daran sind wir, nicht die Anderen. Allerdings hört man solche Worte nicht gerne in unserer freiheitsliebenden Gesellschaft. Wie dem auch sei, auf lange Sicht ist jede falsche Gesellschaftsordnung zum Scheitern verurteilt, auch wenn sie sich dabei noch so vehement auf Gott beruft. Das einst christliche Europa sollte allen als mahnendes Beispiel hierfür dienen. Die zivilisatorisch nicht so weit fortgeschrittenen Kulturen – sogar solche, die in historischer Hinsicht älter als das Christentum sind – werden mit fortschreitender technologischer Entwicklung den gleichen Weg der Säkularisierung gehen. In bereits hochentwickelten Ländern wie Japan und Südkorea bzw. im in rasantem Wirtschaftswachstum befindlichen China (inkl. Taiwan und Hongkong) spielt die jahrtausendealte religiöse Tradition schon jetzt nur noch eine dekorative Nebenrolle. Ökonomisches Wachstum, Konsumdenken, persönliche Besitzstandswahrung und die eigene Karriere sind längst zu Eckpfeilern der gesellschaftlichen Entwicklungsprozesse geworden. Die Vorreiterrolle für diese Abkehr von Gott haben die christlichen Nationen übernommen, in denen der Glaube heutzutage, wenn überhaupt, nur noch als folkloristischer Bestandteil der eigenen Kultur wahrgenommen wird. Man kann mir gerne mit logischen Gegendarstellungen widersprechen und auf sachliche Einwände werde ich sicher mit gebührendem Respekt eingehen. Schnappatmung allein ist aber kein überzeugendes Gegenargument für mich.
Der Beweggrund für meine Wortwahl ist folgender: das Christentum war selbst noch zur Zeit des Apostelgleichen Konstantin des Großen numerisch lediglich eine Randgruppe neben dem Heidentum, stieg aber in kürzester Zeit zur Weltreligion auf. Das Fundament hierfür hatte die Kirche zuvor nämlich durch ihr Bekennertum vor dem Angesicht der vermeintlich übermächtigen Feinde des Kreuzes zur Zeit der grausamen Verfolgungen gelegt. So konnte sie kraft des ihr innewohnenden Geistes über die Mächte der Unterwelt triumphieren (s. Ps. 43:4-9). Die christlichen Nationen erwiesen Gott auch später ihre Treue vornehmlich in der Zeit der Drangsal: unter muslimischer Unterdrückung durch die Araber, Tataren und Türken oder unter atheistischer Gewaltherrschaft durch die Kommunisten. Durch Letzteres schufen sie die Grundlage für das Wiedererstarken der Kirche Christi im ehemaligen Ostblock. Der für mich demzufolge einzig logische Schluss ist: Wir müssen heute im Hinblick auf den Fortbestand des Erbes unserer christlichen Zivilisation standhaft sein im Glauben, „denn alles, was von Gott geboren ist, überwindet die Welt; und unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat. Wer ist es aber, der die Welt überwindet, wenn nicht der, der glaubt, dass Jesus Gottes Sohn ist?“ (1 Joh. 5:4-5; vgl. Joh. 16:33; 1 Kor. 15:57; Hebr. 11:33).
Diesen Sieg bringenden Glauben kann man sich aber nicht durch ein einmaliges Initiationsritual aneignen, sondern durch Bekennermut (s. Mt. 16:24-28; Mk. 8:34-38; Lk. 9:23-27). Einer, der weiß, wie es geht, schreibt: „Seid stark in dem Herrn und in der Macht Seiner Stärke. Zieht an die Waffenrüstung Gottes, damit ihr bestehen könnt gegen die listigen Anschläge des Teufels. Denn wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Mächtigen und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt, die in dieser Finsternis herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel. Deshalb ergreift die Waffenrüstung Gottes, damit ihr an dem bösen Tag Widerstand leisten und alles überwinden und das Feld behalten könnt. So steht nun fest, umgürtet an euren Lenden mit Wahrheit und angetan mit dem Panzer der Gerechtigkeit, und an den Beinen gestiefelt, bereit, einzutreten für das Evangelium des Friedens. Vor allen Dingen aber ergreift den Schild des Glaubens, mit dem ihr auslöschen könnt alle feurigen Pfeile des Bösen, und nehmt den Helm des Heils und das Schwert des Geistes, welches ist das Wort Gottes. Betet allezeit mit Bitten und Flehen im Geist und wacht dazu mit aller Beharrlichkeit im Gebet für alle Heiligen und für mich, dass mir das Wort gegeben werde, wenn ich meinen Mund auftue, freimütig das Geheimnis des Evangeliums zu verkündigen, dessen Bote ich bin in Ketten, dass ich in Freimut davon rede, wie ich es muss“ (Eph. 6:10-20).
Am heutigen Festtag haben wir die „Waffe des Friedens, den unüberwindlichen Sieg“ (s. Kodakion) auf dem Podest vor uns liegen. Mit ihr können auch wir wie der Apostel Paulus und Kaiser Konstantin den Sieg für Christus erringen. Amen.
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2021
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