Predigt zum Hochfest der Heiligen Dreiheit (Pfingsten) (Apg. 2:1-11; Joh. 7:37-52, 8:12) (07.06.2020)
Liebe Brüder und Schwestern,
das Pfingstereignis, das am fünfzigsten Tag nach der Auferstehung und zehn Tage nach der Himmelfahrt des Herrn stattfand, wirft seine Schatten schon lange vorher im Alten Testament voraus. Die Vereinigung der Völker durch den Heiligen Geistes in „Zungen wie von Feuer“ auf dem Berg Zion und die Mitteilung der Gabe der fremden Sprachen an die erste Gemeinde in Jerusalem (s. Apg. 2:4) hatte ihren Ausgangspunkt in der vorherigen Zerstreuung der Menschen über die ganze Erde, die wiederum das Ergebnis der Verwirrung der Sprachen durch Gott war und zum Abbruch des Turmbaus zu Babel führte. Es ist wie mit dem Sündenfall des Menschen: Gott wendet das vom Menschen verursachte Böse mit der Zeit zum Guten (s. Gen. 50:20; Ex. 7:3; vgl. dazu Röm. 9:17; Jer. 32:42; Röm. 8:28), und zwar so, dass dank der Gnade Gottes ein Zustand erreicht wird, der den vor dem Treuebruch des Menschen noch bei weitem übertrifft (vgl. Lk. 15:22-24f). Wie nach dem Abfall von der paradiesischen Wonne des Gartens Eden den Menschen eine noch unvergleichlich höhere Glückseligkeit im Reich Gottes verheißen worden ist, so war die Verwirrung der Sprachen durch Gott (in 1. Person Plural als Andeutung der Trinität des Einen Gottes – s. Gen. 11:6-7, vgl. Gen. 1:26; 3:22; 18:1-5) als Folge des frevelhaften Turmbaus zu Babel letztlich der Grund und die Ursache für die Vereinigung der Völker in der Kirche durch die Niedersendung des Heiligen Geistes am Pfingsttag. Für uns Orthodoxe ist Pfingsten somit zugleich das Fest der Allerheiligsten Dreiheit, denn durch das Kommen des Trösters anstelle des Erlösers (s. Joh. 16:7) haben wir durch die Taufe „im Namen des Vater und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ Anteil an der Göttlichen Trinität. Im Pfingstereignis offenbart Sich Gott als Dreiheit, wie zuvor bei der Taufe im Jordan (s. Mt. 3:13-17; Mk. 1:9-11; Lk. 3:21-22) und bei der Verklärung auf dem Berg (s. Mt. 17:1-9; Mk. 9:2-10; Lk. 9:28-36). Gott offenbart uns die vollkommene Einheit in drei Hypostasen – eine Einheit, die nun wir alle als Glieder am Leib Christi mit unserem Herrn und miteinander mystisch verwirklichen sollen (s. Röm. 12:5; 1 Kor. 12:12-30; Eph. 4:25; 5:30). Das 3. Kapitel des Buches des Propheten Joёl sagt das Pfingstereignis in unübertroffener Präzision voraus: „Danach aber wird es geschehen, das Ich Meinen Geist ausgieße über alles Fleisch. Eure Söhne und Töchter werden Propheten sein, eure Alten werden Träume haben, und eure jungen Männer haben Visionen. Auch über Knechte und Mägde werde Ich Meinen Geist ausgießen in jenen Tagen. Ich werde wunderbare Zeichen wirken am Himmel und auf der Erde: Blut und Feuer und Rauchsäulen. Die Sonne wird sich in Finsternis verwandeln und der Mond in Blut, ehe der Tag des Herrn kommt, der große und schreckliche Tag. Und es wird geschehen: Wer den Namen des Herrn anruft, wird gerettet. Denn auf dem Berg Zion und in Jerusalem gibt es Rettung, wie der Herr gesagt hat, und wen der Herr ruft, der wird entrinnen“ (Joёl 3:1-5 /in der Septuaginta: 2:28-32/; vgl. Apg. 2:17-21).
Doch das Ausgießen der Gaben des Heiligen Geistes ist keine einseitige Angelegenheit, derzufolge die Menschen als passive Empfänger der überreichen Gnade Gottes nur aufgrund des Glaubens teilhaftig werden (vgl. Jak. 2:24). Betrachten wir noch einmal aufmerksam den letzten Vers der Prophezeiung: „Und es wird geschehen: Wer den Namen des Herrn anruft, wird gerettet. Denn auf dem Berg Zion und in Jerusalem gibt es Rettung, wie der Herr gesagt hat, und wen der Herr ruft, der wird entrinnen“ (Joёl 3:5). Zuerst muss aktiv etwas vom Menschen kommen, dann kann aus Sicht des Menschen von Gott auch passiv etwas erwartet werden. Einen Automatismus gibt es hierbei nicht. „Spiritualität“ als Leben in der Gnade des Heiligen Geistes ist nur denkbar durch Umkehr und Taufe (s. Mt. 3:7-8; Mk. 1:4; Lk. 3:7-8). Das ist der Beginn der Vergeistlichung der menschlichen Natur, um sie für das Himmelreich bereit zu machen: „Was aus dem Fleisch geboren ist, das ist Fleisch; was aber aus dem Geist geboren ist, das ist Geist“ (Joh. 3:6; vgl. dazu Röm. 8:14 und 1 Kor. :14). „Spiritualität“ abgetrennt von Buße und Demut ist gleichbedeutend mit dämonischer Verblendung; der Mensch „empfängt“ zwar gewisse „geistliche“ Gaben, aber diese sind nicht durch Gnade erworben, sondern ein Produkt der maßlosen Selbsterhöhung, hinter der der Widersacher steht. Der Mensch kann anhand von „Techniken“ und „Praktiken“ in die andere Welt eintauchen, wie es Götzendiener, Schamanen und Medizinmänner früherer Epochen taten sowie Wahrsager, Hexen und Esoteriker unserer Zeit heute noch tun, aber diese Kontakte zum Jenseits führen ihn ins Verderben. Besonders in unserer Zeit wollen die Menschen ihr „Nirvana“ so schnell und so leicht und so billig wie es nur geht. Spiritualität um der Spiritualität willen, geistliche Erlebnisse und Offenbarungen als Selbstzweck sind Gott aber nicht genehm und für den Menschen selbst höchst gefährlich. So ist auch das Jesus-Gebet der Hesychasten keine Formel und kein Mantra, sondern ein Akt der Buße und Demut vor Gott. Ein weiterer Schritt zur Reinigung des Herzens ist die sakramentale Beichte – die Vergebung der Sünden kraft der Gnade des Heiligen Geistes (s. Joh. 20:22-23). Wo diese nicht praktiziert oder nur noch rudimentär vorhanden ist, dort kann die Frucht des Geistes“ (s. Gal. 5:22f) nicht geerntet werden. Alles andere als die traditionelle Ohrenbeichte ist bloß Pseudo-Beichte, ein Sündenerlass auf die billige Tour. Dort kann es keine Spiritualität, kein Leben nach dem Geiste geben, denn ohne den Geist ist der Glaube selbst wie Speise ohne Würze (s. Mt. 5:13; Mk. 9:49-50; Lk. 14:34-35; vgl. Hiob 6:6; Kol. 4:6). Ein Glaube ohne Hand und Fuß! So ein Glaubenstorso taugt bestenfalls als schmückendes Beiwerk für nationalistische Selbstidentifikation osteuropäischer Prägung, als humanistisches Fundament eines völlig blutleeren „Christentums“ westeuropäischer Machart oder als verseuchter Nährboden für psychotische Ökumene-Romantiker. Doch wenn der Glaube an sich nicht das zentrale Thema ist, wenn also Gott nicht Selbst im Mittelpunkt steht, sondern nur als Mittel zum Zweck fungiert bzw. als wie immer geartete „Lebenshilfe“ dient, dann ist es Aberglaube statt Glaube – und das ist heute verbreiteter denn je. Wo hingegen Buße und Umkehr vorangehen, dort ist die Voraussetzung für das Reich Gottes auf Erden gegeben. Dann kann die Gnade Gottes wirksam werden. So sprach der Apostel Petrus an Pfingsten: „Kehrt um, und jeder von euch lasse sich auf den Namen Jesu Christi taufen zur Vergebung seiner Sünden; dann werdet ihr die Gabe des Heiligen Geistes empfangen“ (Apg. 2:38). Dies war der Beginn der Berufung aller Völker zur Gemeinschaft mit dem Allerhöchsten: „Denn euch und euren Kindern gilt die Verheißung und all denen in der Ferne, die der Herr, unser Gott, herbeirufen wird“ (Apg. 2:39). Im Alten Bund waren es nur die Propheten und Prophetinnen, die zu Gefäßen des Geistes Gottes wurden, die aber schon da weissagten, dass der Geist Gottes allen Menschen zuteil werden soll (s. Jes. 32:15; 54:13; Jer. 31:33; Sach. 12:10). Und heute, an Pfingsten, wird der Heilige Geist über „alles Fleisch“ (s. Joёl 3:1) ausgegossen, sprich, alle Individuen und alle Völker werden zur Gnade Gottes berufen, „denn auf dem Berg Zion und in Jerusalem gibt es Rettung, wie der Herr gesagt hat“ (s.o. Joёl 3:5). Es ist dies gleichwohl nur der Beginn des Himmelreichs auf Erden. Schon hier trennt sich die „Spreu vom Weizen“ (s. Lk. 3:17), und von da an läuft alles auf den „´Tag des Zornes`, den Tag der Offenbarung von Gottes gerechtem Gericht“ (s. Röm. 2:5; vgl. Offb. 6:17) hinaus. Alles zum Heil Notwendige ist uns gegeben, jetzt müssen wir entscheiden, ob wir zum Heil oder zur Verdammnis am Tag des Zornes leben wollen. Und so verschmelzen in der Kirche Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft miteinander: „Ihr seid (…) zum Berg Zion hingetreten, zur Stadt des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem, zu Tausenden von Engeln, zu einer festlichen Versammlung und zur Gemeinschaft der Erstgeborenen, die im Himmel verzeichnet sind; zu Gott, dem Richter aller, zu den Geistern der schon vollendeten Gerechten, zum Mittler eines Neuen Bundes, Jesus, und zum Blut der Besprengung, das mächtiger ruft als das Blut Abels“ (Hebr, 12:22-24). So hat die Ankunft Christi im Fleisch bereits historisch stattgefunden, wir erleben sie liturgisch im Hier und Jetzt, und erwarten sie doch in der Zukunft; ebenso sind wir durch das vor zwei Jahrtausenden vergossene Blut Christi heute erlöst, aber unsere endgültige Rettung wird erst in der Zukunft erfolgen; genauso ist das Reich Gottes am Pfingsttag A.D. 33 angebrochen, es wird für uns alle gemeinsam Jahr für Jahr in der Kirche liturgisch „aktualisiert“, beginnt noch dazu für jeden von uns individuell in der geistlichen Geburt durch das Mysterium der Myronsalbung – und doch erwarten wir es in seiner ganzen Fülle erst am Ende der Zeit. Und gestern, am Ahnen-Samstag, beteten wir für die längst oder unlängst Verstorbenen, die jetzt quasi schon vor dem Gericht Gottes stehen, das aber erst zum Ende der Zeiten kommen wird. „Dein Reich ist ein Reich aller Zeiten, und Deine Herrschaft waltet in allen Geschlechtern“ (Ps. 144:13a). Gottes Ruhm, Macht und Herrlichkeit sind keine Grenzen gesetzt. Amen.
Liebe Brüder und Schwestern,
das Pfingstereignis, das am fünfzigsten Tag nach der Auferstehung und zehn Tage nach der Himmelfahrt des Herrn stattfand, wirft seine Schatten schon lange vorher im Alten Testament voraus. Die Vereinigung der Völker durch den Heiligen Geistes in „Zungen wie von Feuer“ auf dem Berg Zion und die Mitteilung der Gabe der fremden Sprachen an die erste Gemeinde in Jerusalem (s. Apg. 2:4) hatte ihren Ausgangspunkt in der vorherigen Zerstreuung der Menschen über die ganze Erde, die wiederum das Ergebnis der Verwirrung der Sprachen durch Gott war und zum Abbruch des Turmbaus zu Babel führte. Es ist wie mit dem Sündenfall des Menschen: Gott wendet das vom Menschen verursachte Böse mit der Zeit zum Guten (s. Gen. 50:20; Ex. 7:3; vgl. dazu Röm. 9:17; Jer. 32:42; Röm. 8:28), und zwar so, dass dank der Gnade Gottes ein Zustand erreicht wird, der den vor dem Treuebruch des Menschen noch bei weitem übertrifft (vgl. Lk. 15:22-24f). Wie nach dem Abfall von der paradiesischen Wonne des Gartens Eden den Menschen eine noch unvergleichlich höhere Glückseligkeit im Reich Gottes verheißen worden ist, so war die Verwirrung der Sprachen durch Gott (in 1. Person Plural als Andeutung der Trinität des Einen Gottes – s. Gen. 11:6-7, vgl. Gen. 1:26; 3:22; 18:1-5) als Folge des frevelhaften Turmbaus zu Babel letztlich der Grund und die Ursache für die Vereinigung der Völker in der Kirche durch die Niedersendung des Heiligen Geistes am Pfingsttag. Für uns Orthodoxe ist Pfingsten somit zugleich das Fest der Allerheiligsten Dreiheit, denn durch das Kommen des Trösters anstelle des Erlösers (s. Joh. 16:7) haben wir durch die Taufe „im Namen des Vater und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ Anteil an der Göttlichen Trinität. Im Pfingstereignis offenbart Sich Gott als Dreiheit, wie zuvor bei der Taufe im Jordan (s. Mt. 3:13-17; Mk. 1:9-11; Lk. 3:21-22) und bei der Verklärung auf dem Berg (s. Mt. 17:1-9; Mk. 9:2-10; Lk. 9:28-36). Gott offenbart uns die vollkommene Einheit in drei Hypostasen – eine Einheit, die nun wir alle als Glieder am Leib Christi mit unserem Herrn und miteinander mystisch verwirklichen sollen (s. Röm. 12:5; 1 Kor. 12:12-30; Eph. 4:25; 5:30). Das 3. Kapitel des Buches des Propheten Joёl sagt das Pfingstereignis in unübertroffener Präzision voraus: „Danach aber wird es geschehen, das Ich Meinen Geist ausgieße über alles Fleisch. Eure Söhne und Töchter werden Propheten sein, eure Alten werden Träume haben, und eure jungen Männer haben Visionen. Auch über Knechte und Mägde werde Ich Meinen Geist ausgießen in jenen Tagen. Ich werde wunderbare Zeichen wirken am Himmel und auf der Erde: Blut und Feuer und Rauchsäulen. Die Sonne wird sich in Finsternis verwandeln und der Mond in Blut, ehe der Tag des Herrn kommt, der große und schreckliche Tag. Und es wird geschehen: Wer den Namen des Herrn anruft, wird gerettet. Denn auf dem Berg Zion und in Jerusalem gibt es Rettung, wie der Herr gesagt hat, und wen der Herr ruft, der wird entrinnen“ (Joёl 3:1-5 /in der Septuaginta: 2:28-32/; vgl. Apg. 2:17-21).
Doch das Ausgießen der Gaben des Heiligen Geistes ist keine einseitige Angelegenheit, derzufolge die Menschen als passive Empfänger der überreichen Gnade Gottes nur aufgrund des Glaubens teilhaftig werden (vgl. Jak. 2:24). Betrachten wir noch einmal aufmerksam den letzten Vers der Prophezeiung: „Und es wird geschehen: Wer den Namen des Herrn anruft, wird gerettet. Denn auf dem Berg Zion und in Jerusalem gibt es Rettung, wie der Herr gesagt hat, und wen der Herr ruft, der wird entrinnen“ (Joёl 3:5). Zuerst muss aktiv etwas vom Menschen kommen, dann kann aus Sicht des Menschen von Gott auch passiv etwas erwartet werden. Einen Automatismus gibt es hierbei nicht. „Spiritualität“ als Leben in der Gnade des Heiligen Geistes ist nur denkbar durch Umkehr und Taufe (s. Mt. 3:7-8; Mk. 1:4; Lk. 3:7-8). Das ist der Beginn der Vergeistlichung der menschlichen Natur, um sie für das Himmelreich bereit zu machen: „Was aus dem Fleisch geboren ist, das ist Fleisch; was aber aus dem Geist geboren ist, das ist Geist“ (Joh. 3:6; vgl. dazu Röm. 8:14 und 1 Kor. :14). „Spiritualität“ abgetrennt von Buße und Demut ist gleichbedeutend mit dämonischer Verblendung; der Mensch „empfängt“ zwar gewisse „geistliche“ Gaben, aber diese sind nicht durch Gnade erworben, sondern ein Produkt der maßlosen Selbsterhöhung, hinter der der Widersacher steht. Der Mensch kann anhand von „Techniken“ und „Praktiken“ in die andere Welt eintauchen, wie es Götzendiener, Schamanen und Medizinmänner früherer Epochen taten sowie Wahrsager, Hexen und Esoteriker unserer Zeit heute noch tun, aber diese Kontakte zum Jenseits führen ihn ins Verderben. Besonders in unserer Zeit wollen die Menschen ihr „Nirvana“ so schnell und so leicht und so billig wie es nur geht. Spiritualität um der Spiritualität willen, geistliche Erlebnisse und Offenbarungen als Selbstzweck sind Gott aber nicht genehm und für den Menschen selbst höchst gefährlich. So ist auch das Jesus-Gebet der Hesychasten keine Formel und kein Mantra, sondern ein Akt der Buße und Demut vor Gott. Ein weiterer Schritt zur Reinigung des Herzens ist die sakramentale Beichte – die Vergebung der Sünden kraft der Gnade des Heiligen Geistes (s. Joh. 20:22-23). Wo diese nicht praktiziert oder nur noch rudimentär vorhanden ist, dort kann die Frucht des Geistes“ (s. Gal. 5:22f) nicht geerntet werden. Alles andere als die traditionelle Ohrenbeichte ist bloß Pseudo-Beichte, ein Sündenerlass auf die billige Tour. Dort kann es keine Spiritualität, kein Leben nach dem Geiste geben, denn ohne den Geist ist der Glaube selbst wie Speise ohne Würze (s. Mt. 5:13; Mk. 9:49-50; Lk. 14:34-35; vgl. Hiob 6:6; Kol. 4:6). Ein Glaube ohne Hand und Fuß! So ein Glaubenstorso taugt bestenfalls als schmückendes Beiwerk für nationalistische Selbstidentifikation osteuropäischer Prägung, als humanistisches Fundament eines völlig blutleeren „Christentums“ westeuropäischer Machart oder als verseuchter Nährboden für psychotische Ökumene-Romantiker. Doch wenn der Glaube an sich nicht das zentrale Thema ist, wenn also Gott nicht Selbst im Mittelpunkt steht, sondern nur als Mittel zum Zweck fungiert bzw. als wie immer geartete „Lebenshilfe“ dient, dann ist es Aberglaube statt Glaube – und das ist heute verbreiteter denn je. Wo hingegen Buße und Umkehr vorangehen, dort ist die Voraussetzung für das Reich Gottes auf Erden gegeben. Dann kann die Gnade Gottes wirksam werden. So sprach der Apostel Petrus an Pfingsten: „Kehrt um, und jeder von euch lasse sich auf den Namen Jesu Christi taufen zur Vergebung seiner Sünden; dann werdet ihr die Gabe des Heiligen Geistes empfangen“ (Apg. 2:38). Dies war der Beginn der Berufung aller Völker zur Gemeinschaft mit dem Allerhöchsten: „Denn euch und euren Kindern gilt die Verheißung und all denen in der Ferne, die der Herr, unser Gott, herbeirufen wird“ (Apg. 2:39). Im Alten Bund waren es nur die Propheten und Prophetinnen, die zu Gefäßen des Geistes Gottes wurden, die aber schon da weissagten, dass der Geist Gottes allen Menschen zuteil werden soll (s. Jes. 32:15; 54:13; Jer. 31:33; Sach. 12:10). Und heute, an Pfingsten, wird der Heilige Geist über „alles Fleisch“ (s. Joёl 3:1) ausgegossen, sprich, alle Individuen und alle Völker werden zur Gnade Gottes berufen, „denn auf dem Berg Zion und in Jerusalem gibt es Rettung, wie der Herr gesagt hat“ (s.o. Joёl 3:5). Es ist dies gleichwohl nur der Beginn des Himmelreichs auf Erden. Schon hier trennt sich die „Spreu vom Weizen“ (s. Lk. 3:17), und von da an läuft alles auf den „´Tag des Zornes`, den Tag der Offenbarung von Gottes gerechtem Gericht“ (s. Röm. 2:5; vgl. Offb. 6:17) hinaus. Alles zum Heil Notwendige ist uns gegeben, jetzt müssen wir entscheiden, ob wir zum Heil oder zur Verdammnis am Tag des Zornes leben wollen. Und so verschmelzen in der Kirche Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft miteinander: „Ihr seid (…) zum Berg Zion hingetreten, zur Stadt des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem, zu Tausenden von Engeln, zu einer festlichen Versammlung und zur Gemeinschaft der Erstgeborenen, die im Himmel verzeichnet sind; zu Gott, dem Richter aller, zu den Geistern der schon vollendeten Gerechten, zum Mittler eines Neuen Bundes, Jesus, und zum Blut der Besprengung, das mächtiger ruft als das Blut Abels“ (Hebr, 12:22-24). So hat die Ankunft Christi im Fleisch bereits historisch stattgefunden, wir erleben sie liturgisch im Hier und Jetzt, und erwarten sie doch in der Zukunft; ebenso sind wir durch das vor zwei Jahrtausenden vergossene Blut Christi heute erlöst, aber unsere endgültige Rettung wird erst in der Zukunft erfolgen; genauso ist das Reich Gottes am Pfingsttag A.D. 33 angebrochen, es wird für uns alle gemeinsam Jahr für Jahr in der Kirche liturgisch „aktualisiert“, beginnt noch dazu für jeden von uns individuell in der geistlichen Geburt durch das Mysterium der Myronsalbung – und doch erwarten wir es in seiner ganzen Fülle erst am Ende der Zeit. Und gestern, am Ahnen-Samstag, beteten wir für die längst oder unlängst Verstorbenen, die jetzt quasi schon vor dem Gericht Gottes stehen, das aber erst zum Ende der Zeiten kommen wird. „Dein Reich ist ein Reich aller Zeiten, und Deine Herrschaft waltet in allen Geschlechtern“ (Ps. 144:13a). Gottes Ruhm, Macht und Herrlichkeit sind keine Grenzen gesetzt. Amen.