Predigt zum 4. Herrentag nach Ostern / vom Gelähmten (Apg. 9:32-42; Joh. 5:1-15) (11.05.2025)
Liebe Brüder und Schwestern,
nachdem wir in den ersten beiden nachösterlichen Herrentagen – an Antipascha und am Tag der Balsam tragenden Frauen – noch gewissermaßen rückblickend die Auferstehung des Herrn feierten, beginnt mit dem Herrentag vom Gelähmten die Vorausschau auf das nächste große Fest des Jahres – Pfingsten. Von nun an steht die Gnade des Heiligen Geistes im Mittelpunkt unserer geistlichen Betrachtung, was sich von den Lesungen aus dem Evangelium ableiten lässt. Schon am kommenden Mittwoch begehen wir Mittpfingsten – den Mittelpunkt zwischen Ostern und Pfingsten. Allerdings ist auch hier der Übergang fließend und nicht durch menschlich fassbare Kategorien beschreibbar. Ostern und Pfingsten sind ja immer präsent in der Kirche. Jedes mal, wenn wir die Göttliche Liturgie feiern, verkünden wir den Tod des Herrn (s. 1 Kor. 11:26) und folgerichtig Seine Auferstehung. Das Pascha des Herrn besteht ja aus dem Mystischen Abendmahl, dem Leiden und dem Tode, der Grabesruhe und der Auferstehung des Herrn. Und das ist doch schon der Anfang der Gründung der Kirche im Neuen Testament (s. Mt. 26:28; Mk. 14:24; LK. 22:20; 1 Kor. 11:25), die mit dem Herabkommen des Heiligen Geistes an Pfingsten vollendet wird. Somit vollzieht sich in der Göttlichen Liturgie vermittels der Epiklese jedes mal auch das Pfingstereignis. In der Liturgie manifestiert sich der Leib Christi – die Kirche. Sie ist Ostern und Pfingsten zugleich.
Wer an diesen Gnadengaben aktiv nicht teilnimmt, obwohl er getauft (also am Tode und der Auferstehung Christi Anteil hat) und mit Myron gesalbt ist (also zum Empfänger des Heiligen Geistes geworden ist), hat keinen Anteil am Leben der Kirche. Also hat er keinen Anteil an Christus – und somit auch nicht am ewigen Leben (s. Joh. 6:53-54). Auch der, welcher unwürdig an den Mysterien der Kirche teilnimmt, also nur vorgibt zu glauben, aber durch seine Handlungsweise und durch sein Leben das exakte Gegenteil beweist, den ereilt im übertragenen Sinne das Schicksal des Gelähmten am Schaftor aus der heutigen Lesung. Sehr oft passiert es aber auch, dass sich Krankheit und Tod auch im buchstäblichen Sinne als Folge dieser geistlichen Diskrepanz einstellen (s. 1 Kor. 11:30). Das als als Warnung an die, welche meinen, leichtfertig mit der Gnade des Heiligen Geistes umgehen zu können. Auch unser Gelähmter war wahrscheinlich nicht ohne Grund krank. Sein körperliches Gebrechen spiegelt den Zustand unserer Seele wider. Obwohl wir die Gnade empfingen, erweisen wir uns dieser als unwürdig. Gott will nicht den Tod des Sünders (s. Jer. 31:20; Ez. 18:23; 33:11); Er hat auch keinen Gefallen am körperlichen Leid des Menschen, aber manches Mal ist Er genötigt, ein Exempel zu statuieren. Sonst werden die Menschen die Warnungen Gottes niemals ernst nehmen. Denn wie im alltäglichen Leben und auch in der Politik werden Milde, Nachsicht und Großherzigkeit allzu oft als Schwäche interpretiert und böswillig ausgenutzt. Umso schlimmer aber dann die nachträgliche Bestrafung als ultima ratio, wenn alle anderen Mittel versagt haben. Wenn jedoch Gott gleich zu Beginn zu härteren Mitteln greift, ist Er kein liebender Gott in den Augen vieler Menschen.
Der Widersacher nutzt das aus, indem er durch seine Handlanger falsche Werte propagiert (s. 2 Kor. 11:15; Gal. 1:7). Toleranz, Freiheit, Friedfertigkeit usw. sind an sich lobenswert und zeugen von einer tugendhaften Einstellung der sie praktizierenden Menschen. Aber es gibt Situationen, in denen diese Eigenschaften nicht gefragt sind. Wenn man bis zum Exzess liebevoll, duldsam oder kompromissbereit ist, wird man leicht zum Verräter. Dann ist Gutherzigkeit schlimmer als Dieberei, sagt ein russisches Sprichwort. Liebe (s. Jak. 4:4; 1 Joh. 2:15), Freiheit (s. 1 Kor. 6:12; 8:9; 10:23-24; Gal. 5:13) und Toleranz (s. 2 Kor. 6:17; vgl. Jes. 52:11; Jer. 51:45; Offb. 18:4-8) können, wenn sie missbräuchlich angewandt werden, großen Schaden anrichten. All diese Eigenschaften sind nur dann Gott gefällig, wenn sie vom Heiligen Geist inspiriert (s. Gal. 5:16-18) und um Christi willen vollzogen werden (s. Joh. 15:5).
Die Ursache für seelische und körperliche Krankheit ist oftmals die Sündhaftigkeit des Menschen. Allerdings gibt es keinen logisch nachvollziehbaren Mechanismus dafür (s. Joh. 9:3). Der Teufel kann nur dann etwas tun, wenn es ihm von Gott erlaubt wird (s. Hiob 1:12; 2:6; Mt. 8:31-32; Mk. 5:12-14; Lk. 8:32), nicht wenn es ihm beliebt. In Gottes Heilsplan geschieht das Böse dazu, damit es am Ende zum Guten gewendet wird (s. Gen. 50:20). Immer! Aber dazu braucht es den Glauben und das Vertrauen in Gottes Vorsehung. Und wie schlimm es ist, wenn man „keinen Menschen“ hat (Joh. 5:7) – also nicht Jesus Christus als Grundstein im Leben besitzt (s. Eph. 2:20).
Der heilige Paisios (+1994) erzählte von einem jungen Mann in Griechenland, der von Dämonen besessen war. Der Vater betete zu Gott um dessen Genesung, wollte sich aber nicht mit Gottes Willen abfinden. Da erschien ihm ein Dämon in Engelsgestalt (s. 2 Kor. 11:14; Gal. 1:8) und versprach, den Jungen zu heilen, wenn der Vater danach eine Kirche (!) erbaut. Der Mann willigte ein. Der Junge wurde gesund (weil es für die Dämonen ein Leichtes ist, im Bedarfsfall von den Menschen abzulassen – ein Grundprinzip, das sich alle „WunderheilerInnen“ als Mediatoren zunutze machen). Nun musste der Mann sein Versprechen einlösen. Da er aber kein Geld hatte, verkaufte er sein Haus und all seine Habe, um eine Kirche zu errichten, so dass seine eigenen Kinder obdachlos wurden. Darauf wendeten sie sich empört von der Kirche ab und schlossen sich den Zeugen Jehovas an, die sie mit Freuden aufnahmen... Und das ist ein anschauliches Beispiel für das, was der Herr mit folgenden Worten meinte: „Sündige nicht mehr, damit dir nicht noch Schlimmeres zustößt“ (Joh. 5:14). Amen.