Predigt zum 32. Herrentag nach Christi Geburt / vor Theophanie (Gal. 1:11-19; 2 Tim. 4:5-8; Mt: 2:13-23; Mk. 1:1-8) (14.01.2024)
Liebe Brüder und Schwestern,
am Herrentag vor der Taufe des Herrn, der heuer mit dem Fest der Beschneidung des Herrn und dem Herrentag nach der Geburt Christi zusammenfällt, wird der Prolog des Evangeliums nach Markus gelesen. Wie die heiligen Väter bemerken, geht jedes der vier Evangelien von einem anderen Ausgangszeitpunkt aus. So beginnt das Evangelium von Johannes mit der Ewigkeit, dem zeitlosen Ursprung des göttlichen Logos, vorgetragen in der „Nacht der Nächte“. Symbol für diesen Evangelisten, der theologisch bis in unerreichbare Höhen gelangt, ist der Adler. Das Evangelium nach Matthäus betont demgegenüber zu Beginn die menschliche Abstammung unseres Herrn Jesus Christus und wird folgerichtig am Herrentag vor dem Geburtsfest Christi vorgetragen. Von daher ist der Mensch das Sinnbild dieses Evangelisten. Der Evangelist Lukas berichtet am Anfang seiner Verkündigung von der Geburt des Vorläufers Christi, wobei uns die damit zusammenhängende Lesung vom Priester Zacharias zum Geburtsfest des Täufers zu Gehör gebracht wird. Für diesen Evangelisten steht der Stier als Opfertier im Tempelgottesdienst.
Nun befassen wir uns also mit dem ersten Zeilen der Frohen Botschaft nach Markus, die folgendermaßen beginnt: „Anfang des Evangeliums von Jesus Christus, dem Sohn Gottes“ (Mk. 1:1). Und weiter geht es mit dem Propheten, Vorläufer und Täufer Johannes, welcher in der Wüste lebte und für den der Löwe, ein Wüstentier, steht (N.B.: Löwen waren noch bis zum 13. Jahrhundert n. Chr. in der Judäischen Wüste beheimatet, s. Ri. 14:5-18; 1 Kön. / 1 Sam. 17:34-37; 2 Kön. / 2 Sam. 23:20; 3 Kön. / 1 Kön. 13:24-28; 20:36; 4 Kön. / 2 Kön. 17:25-26; Spr. 22:13; 26:13; Jes. 15:9; dazu die Viten u.a. der hll. Gerasimos vom Jordan und Maria von Ägypten), zudem ist der Löwe das biblische Wahrzeichen des Stammes Juda (s. Gen. 49:9). Im etwas weiter gefassten Rahmen beginnt bei Markus das „Evangelium von Jesus Christus, dem Sohn Gottes“ mit der Taufe des Herrn von Johannes im Jordan und der Erscheinung Gottes als Dreiheit, wofür Johannes als Zeuge steht.
So ergibt sich, dass die vier Evangelien, jedes für sich genommen und jedes auf seine Weise „in medias res“ beginnen: mit der göttlichen Herkunft, der menschlichen Abstammung Christi, der Geburt des Höchsten, welcher von Frauen geboren wurde, sowie der Taufe des Herrn. Das Beispiel des Täufers, der mit einem Engel verglichen wird (s. Mk. 1:2; vgl. Mal. 3:1), soll auch uns dazu inspirieren, im engelsgleichen Gehorsam gegenüber Gott zu leben. Denn das ist der Weg zur Erlangung der Seligkeit, den alle Heiligen gegangen sind.
Doch solange wir uns noch in der irdischen Realität befinden, können wir dieser nur entfliehen, indem wir das Kreuz Christi auf uns nehmen und Ihm nachfolgen. Das freudige Fest der Geburt Christi ist untrennbar mit dem Tod von vielen Tausend unschuldigen Knaben verbunden, die Taufe Christi hängt in ihrer geistlichen Dimension mit dem Tod und der Auferstehung Christi zusammen (s. Mk. 10:38-39; Röm. 6:3-5; Kol. 2:12). Dabei sollen wir nämlich den Fehler vermeiden, zu denken, dass Christus von Seinem himmlischen Thron bequem oder gar ungerührt auf unseren Leidensweg schaut. Christus hat nicht nur vor 2000 Jahren im historischen Sinne für uns gelitten, nein, Er wird bis heute und bis an das Ende der Tage für uns zum Opfer dargebracht (vgl. 1 Kor. 11:26). Heisst es nicht in der 9. Ode der Kanons zur Heiligen Kommunion: „Christus lebt, schmecket und sehet! Der Herr, Der einst um unseretwillen uns gleich geworden ist und Sich Seinem Vater zum Sühneopfer dargebracht hat, wird immerdar geopfert, auf dass geheiligt werden alle, die an Ihm teilnehmen“? So ist unsere Taufe in Christus kein statisches Ereignis, sondern unsere permanente Anteilnahme an Tod und Auferstehung Christi. Der zeitlose Sohn Gottes wurde in der (von Ihm geschaffenen) Zeit zum Menschensohn, so dass in der Person des Gott-Menschen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft miteinander verschmelzen (wie auch in der Göttlichen Liturgie, in der die Wiederkehr Christi einerseits erwartet, andererseits aber als bereits stattgefunden erlebt wird). Als Gott steht Er über der Zeit, als Mensch wurde Er zum Bestandteil der zeitlichen Welt. Und wir sind Teilhaber an Seiner Gottheit, indem wir in der Taufe zu Gliedern Seines gott-menschlichen Leibes geworden sind. Wenn also die Kirche Christi verfolgt wird – seit zweitausend Jahren bis heute – wird Christus verfolgt (s. Apg. 9:4-5) – und wir alle mit Ihm. Wie könnte es auch anders sein?: „Wenn darum ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit: wenn ein Glied geehrt wird, freuen sich alle anderen mit ihm. Ihr aber seid der Leib Christi, und jeder einzelne ist ein Glied an Ihm“ (1Kor. 12:26-27).
Für uns bedeutet dies heute, dass wir an der Herrlichkeit des himmlischen Königtums Christi teilnehmen können, indem wir an Seinen Leiden teilhaben. Der Herr Selbst bat Seinen himmlischen Vater im Hohepriesterlichen Gebet, dass Er durch Sein Leiden verherrlicht werden möge (s. Joh. 17:1-5). Dafür wird Er ständig mit uns auf Erden sein (s. Mt. 28:20). Die unzähligen Heiligen, welche nichts anderes als die Gemeinschaft mit Christus in ihrem zeitlichen Leben suchten, sind eindeutige Belege dafür. Im Grunde legt die ganze Geschichte der Kirche Christi beredtes Zeugnis davon ab. Und wenn schon Unschuldige Säuglinge von Gott auserkoren wurden, Christus auf Erden zu verherrlichen, umso mehr können wir es dann in der unbedingten Nachfolge des Herrn (s. Joh. 21:19). Wenn Christus in diese Welt gekommen ist, um den Kelch, den Ihm Sein Vater gegeben hat, zu trinken (s. Joh. 18:11), dann sollen wir es Ihm gleichtun: „Den Kelch des Heiles will ich nehmen und den Namen des Herrn anrufen“ (Ps. 115:4). Darin liegt auch unser Heil. Amen.