Predigt zum 15. Herrentag nach Pfingsten (2 Kor. 4:6-15; Mt. 22:35-46) (17.09.2023)
Liebe Brüder und Schwestern,
heute wollen wir uns mal etwas ausführlicher der Apostellesung zuwenden. Der heilige Apostel Paulus richtet folgende Worte an die Korinther: „Denn Gott, Der sprach: ´Aus Finsternis soll Licht aufleuchten!`, Er ist in unseren Herzen aufgeleuchtet, damit wir erleuchtet werden zur Erkenntnis des göttlichen Glanzes auf dem Antlitz Christi“ (2 Kor. 4:6).
Das geschaffene Licht erstrahlte zu Beginn der Welt, am ersten Tag der Schöpfung (s. Gen. 1:3-5). Das physische Licht war also schon in dieser Welt, noch bevor „Lichter am Himmelsgewölbe“ (am vierten Tag) erschaffen wurden. Diese waren eher dazu bestimmt, „Tag und Nacht zu scheiden“ sowie „zur Bestimmung von Festzeiten, von Tagen und Jahren zu dienen“ (Gen. 1:14). Das sichtbare Licht war aber lediglich der Abglanz des wahren Lichtes, das Gott Selbst ist (s. Joh. 1:9; 1 Joh. 1:5). Und wir Menschen wurden erleuchtet zur Erkenntnis des göttlichen Glanzes auf dem Antlitz Christi. Als Präfiguration wurde das nicht geschaffene Licht schon im Alten Bund auf dem Antlitz Mose sichtbar (s. Ex. 34:27-35); die drei Jünger sahen die nicht geschaffenen Energien Gottes später auf dem Antlitz Christi (s. Mt. 17:2; Mk. 9:1-3; Lk. 9:29). Nach ihnen bezeugen Heilige wie Gregorios Palamas (+1359) die Wahrnehmung der göttlichen Energien durch die Hesychasten, die bis in unsere Zeit auf dem Berg Athos und anderswo das Licht des Evangeliums weniger durch Worte als durch ihr Leben verkünden. Doch Gott gewährt manchmal auch Weltkindern Einblick in das Leben in der Gnade des Heiligen Geistes: Nikolai Motowilow (+1879) kam als „Außenstehenden“ im November 1831 die Ehre zuteil, dieses blendende Licht auf dem Antlitz des heiligen Serafim (+1833) zu erblicken, – eine Erfahrung, die er der Nachwelt in seinen Aufzeichnungen hinterließ.
Wir müssen nun die Gnade des Heiligen Geistes durch ein Leben in Christus annehmen und in uns vermehren, denn wenn das uns in Gnaden verliehene Licht in uns Finsternis ist, wie groß muss dann die Finsternis sein (s. Mt. 6:23)!? Dann erlischt in uns das Abbild Gottes, obwohl in Ihm keine Finsternis ist (s. 1 Joh. 1:5b; vgl. Ps. 138:12). Nicht weil Gott es will, sondern weil wir es so wollen.
„Diesen Schatz tragen wir in zerbrechlichen Gefäßen; so wird deutlich, dass das Übermaß der Kraft von Gott und nicht von uns kommt“ (2 Kor. 4:7). Unsere menschliche Natur ist nach Gottes Vorsehung das „zerbrechliche Gefäß“, vermittels dessen zunächst die Apostel, die ungebildet, auf einer niederen sozialen Stufe stehend und nicht frei von menschlicher Schwäche, diesen „Schatz“ in sich trugen. Nach ihnen sind wir an der Reihe.
Was bewirkt dieses „Übermaß der Kraft Gottes“ in solch schwächlichen Trägern der Gnade? „Von allen Seiten werden wir in die Enge getrieben und finden doch noch Raum; wir wissen weder aus noch ein und verzweifeln doch nicht; wir werden gehetzt und sind doch nicht verlassen; wir werden niedergestreckt und doch nicht vernichtet“ (4:8-9). Die Folge: Geduld (s. Lk. 8:15; 21:19; Jak. 1:3-4; 5:7-11; 1 Petr. 2:20 2 Petr. 1:6; Röm. 5:3-4; 8:25; 15:4-5; 2 Kor. 6:4, 12:12; Kol. 1:11; 1 Thess. 1:3; 2 Thess. 1:4; 3:5; 1 Tim. 6:11; 2 Tim. 2:10-12; 3:10; Tit. 2:2; Hebr. 10:36; 12:1; Offb. 1:9; 2:2-3; 3:10; 13:10; 14:12)! Enorm Vieles wird den Dienern Christi in dieser Welt zugefügt, damit sie durch Demut im Glauben wachsen und ihre Hoffnung in allen Dingen nur auf Gottes Gnade setzen (vgl. 2 Kor. 12:5-10). Gott kann es dann so fügen, dass in ausweglosen Situationen nicht nur die Seele gerettet wird, sondern auch der Leib (s. 2 Kor. 2:8-10). Denn
„wohin wir auch kommen, immer tragen wir das Todesleiden Jesu an unserem Leib, damit auch das Leben Jesu an unserem Leib sichtbar wird. Denn immer werden wir, obgleich wir leben, um Jesu willen dem Tod ausgeliefert, damit auch das Leben Jesu an unserem sterblichen Fleisch offenbar wird“ (4:10-11).
Diener des Herrn werden von Ihm in solche Situationen geführt, in denen es den Anschein haben mag, dass sie machtlos vor dem Angesicht des Todes und von Gott verlassen sind. Bestes Beispiel hierfür ist der Apostel Paulus selbst (s. 2 Kor. 11:22-27). Doch gerade in Todesgefahren zeigt sich, dass das Leben Jesu Christi durch solch zerbrechliche Gefäße die Wahrheit der Auferstehung bezeugt. „Sind wir nun mit Christus gestorben, so glauben wir, dass wir auch mit Ihm leben werden“ (Röm. 6:8), denn wir wollen „mit Ihm leiden, um mit Ihm auch verherrlicht zu werden“ (8:17). Das kann aber nur einer von sich sagen, der die Wundmale Christi an Seinem Leib trägt (s. Gal. 6:17). „So erweist an uns der Tod, an euch aber das Leben seine Macht. Doch haben wir den gleichen Geist des Glaubens, von dem es in der Schrift heißt: ´Ich habe geglaubt, darum habe ich geredet`. Auch wir glauben, und darum reden wir“ (2 Kor. 4:12-13). Die tödlichen Gefahren und die Leiden der Glaubensverkünder tragen in sich das Leben der Empfänger ihrer Botschaft. Allerdings können diese Worte auch auf menschenverachtende Weise missinterpretiert werden, wie es auch heute geschieht. Schon unsere heilige Märtyrer-Zarin Alexandra (+1918) bemerkte dies zu Zeiten des 1. Weltkrieges, als Soldaten täglich zu Tausenden den Tod fanden und das Volk großen Mangel litt, während gewisse Kreise in Petrograd und Moskau das Leben in vollen Zügen genossen (vgl. Jak. 5:1-6). Was über diese Leute wenige Jahre danach hereinbrach, war nur die logische Folge dieser Verhaltensweise. Ganz offensichtlich hatten sie da „den Geist des Glaubens“ schon längst verloren. Doch für die Nachfolger Christi sind diese Prüfungen nur ein weiterer Ansporn, den Glauben unerschrocken zu verkünden. In dem angeführten Zitat aus dem Buch der Psalmen (115:1) sehen wir die Übereinstimmung des Alten mit dem Neuen Testament. Die Propheten verkündeten Christus, Den sie mit ihrem prophetischen Blick sahen; die Apostel hingegen verkündeten Christus, Den sie mit den leiblichen Augen gesehen hatten, Der auch dem Apostel Paulus erschienen war (s. Apg. 9:3-6; 1 Kor. 15:8). Eigentlich glaubten weder die einen noch die anderen an Christus, sondern sie glaubten vielmehr Christus. So gestaltete sich die Verkündigung der Auferstehung. Wie hätte der Apostel Paulus den Korinthern sonst sagen können: „Ich hatte mich entschlossen, bei euch nichts zu wissen außer Jesus Christus, und zwar als den Gekreuzigten“ (1 Kor. 2:2)?! Erwarten wir also stets das Ende, das der Herr herbeiführen wird (s. Jak. 5:11). „Denn wir wissen, dass Der, Welcher Jesus, den Herrn, auferweckt hat, auch uns mit Jesus auferwecken und uns zusammen mit euch (vor Sein Angesicht) stellen wird. Alles tun wir euretwegen, damit immer mehr Menschen aufgrund der überreich gewordenen Gnade den Dank vervielfachen, Gott zur Ehre“ (2 Kor. 4:14-15).
Nicht nur der Alte und der Neue Bund bilden eine Einheit in Jesus Christus. Dank der Auferstehung Christi werden ebenso die Glaubenszeugen zusammen mit den Empfängern ihrer Botschaft vor dem Angesicht Gottes stehen und aufgrund der überreichen Gnade ihre Dankbarkeit zu Gottes Ehre bekunden. Dies vollzieht sich aber heute schon vornehmlich in der Heiligen Eucharistie, durch die wir ja jedes Mal den Tod des Herrn bis zu Seiner Wiederkehr verkünden (s. 1 Kor. 11:26). Es ist der lebensspendende Tod, den wir in der Kirche feiern. Dementsprechend sagt der Apostel auch: „Ich bin überzeugt, dass die Leiden der gegenwärtigen Zeit nichts bedeuten im Vergleich zu der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll“ (Röm. 8:18).
In der Frühzeit des Christentums gab es überaus zahlreichen Blutzeugen, welche die Wahrheit der Auferstehung und des ewigen Lebens in Christus durch ihre Standhaftigkeit im Todesleiden allen sichtbar verkündeten. Nach ihnen waren es die Asketen, welche unter lebensfeindlichen Bedingungen das tägliche Martyrium für Christus erduldeten. Wir aber leben in einer Zeit, in der Konsum und Komfort zum Lebensziel geworden, Geborgenheit und Absicherung zu allen Seiten eine Selbstverständlichkeit sind sowie Vergnügung und Unterhaltung den Sinn des Lebens darstellen. Nur wenn den Menschen in diesen Dingen der Boden unter den Füßen weggezogen wird, bequemen sie sich überhaupt an Gott zu denken und vielleicht sogar zur Kirche zu kommen. Und nur dann hat man als Priester die Möglichkeit, ihnen den Glauben zu verkünden, damit immer mehr Menschen aufgrund der überreich gewordenen Gnade den Dank vervielfachen, Gott zur Ehre. Doch allzu oft verlaufen solche Gespräche zwar in offener und liebenswerter Atmosphäre, es entwickeln sich durchaus auch konstruktive Ansätze, aber am Ende bleibt es bei der netten und interessanten Unterhaltung mit dem Priester. Es muss schon wirklich ganz knüppeldick kommen, damit die Menschen wirklich den Weg zu Gott in der Kirche finden. Und das tut Not. Wir kennen heute eine Vielzahl von Menschen, die zwar an etwas glauben, aber so leben, als gäbe es keinen „Gesetzesgeber“ über ihnen (s. Ps. 9:21). Wenigsten darin unterschieden sich die Juden zu Zeiten Christi von unseren heutigen massenhaft Getauften, dass sie sich – jeder auf seine Weise – ob der Gebote Gottes noch Gedanken machten (s. Mt. 22:34-40). Amen.