Predigt zum 2. Herrentag der Großen Fastenzeit / hl. Gregorios Palamas (Hebr. 1:19-2:3; Hebr. 7:26-8:2; Mk. 2-1:12; Joh. 10:9-16) (31.03.2024)
Liebe Brüder und Schwestern,
der zweite Herrentag der Großen Fastenzeit ist dem großen Lehrer des Herzens-Gebets („Jesus-Gebet“), dem gottseligen Asketen und herausragenden Hierarchen Gregorios Palamas (+1357) gewidmet. Nur: was hat die Perikope von der Heilung des Gelähmten von Kafarnaum mit Gebet und Fasten zu tun (wovon in zwei Wochen explizit die Rede sein wird – s. Mk. 9:29)?!.. Auf den ersten Blick scheint dieser Gedankensprung, in der Tat, schwer nachvollziehbar. Aber besinnen wir uns doch darauf, was diese geheiligte Zeit des Großen Fastens ausmacht. Wir unterziehen uns ja mitnichten einer Diät und verfolgen keineswegs das Ziel, einem bestimmten Verhaltenskodex möglichst buchstabengetreu Genüge zu leisten. Ziel der Vorbereitung auf die Große Woche und auf das Fest der Feste ist es vielmehr, im Glauben und in der Liebe zu wachsen – uns also darin zu vervollkommnen, was für das Seelenheil unerlässlich ist und ohne das alle asketischen Höchstleistungen und alle tugendhaften Errungenschaften o.ä. völlig sinnlos sind (s. 1 Kor. 13:1-13; vgl. Röm. 13:8-10; Gal. 5:13-15). Der Herr bringt dies ja dadurch zum Ausdruck, dass Er die Liebe zu Gott als das vornehmste Gebot im Gesetz hervorhebt (s. Dtn. 6:5; vgl. Mt. 22:37-38; Mk. 12:30) und die Liebe zum Mitmenschen mit diesem untrennbar zusammenfügt (s. Lev. 19:18; vgl. Mt. 20:39; Mk. 12:31). Die Liebe zu Gott muss absolut sein, wovon die Liebe zum Menschen ein Abglanz sein soll (analog der Gottähnlichkeit des Menschen – der Mensch kann Gott nicht gleich sein, Ihm aber ähneln, so etwa wie ein Wohnzimmer-Globus dem Erdball ähnelt). Oder, anders ausgedrückt: Gott sollen wir über alles lieben, und unseren Nächsten wie uns selbst. Ohne dieses Doppelgebot gibt es kein ewiges Leben (s. Lk. 10:25). Es ist, halten wir das hier fest, von absoluter, allerhöchster Notwendigkeit, diese Relation zwischen Gottesliebe und Menschenliebe zu wahren (s. Mt. 10:37; noch drastischer in Lk. 14:26). Aber, Hand aufs Herz: wer von uns liebt Gott mehr als seine Eltern, seine Geschwister, seinen Ehepartner oder seine Kinder? Ist das überhaupt möglich, und wenn ja, wie?!.. Es muss uns doch einleuchten, dass diese Art von Liebe leiblich ist, die in Bezug auf Gott überhaupt keine Anwendung finden kann. Und hier kommen wir zur anfangs gestellten Frage nach dem Sinn des Fastens. Alles, wozu uns die Kirche erzieht – durch die Verkündigung in Wort und Schrift, die Mysterien, liturgische und individuelle Gebetspraxis – dient dem Leben nach dem Geist (s. Joh. 3:1-13; Röm. 8:1-17; Gal. 4:6-7; 5:16-18). Denn: „Gott ist Geist, und alle, die Ihn anbeten, müssen im Geist und in der Wahrheit anbeten“ (Joh. 4:24). Wer ein geistliches Leben führt – und das bedeutet nichts anderes, als dass er sich als allergrößten Sünder vor Gott sieht (s. 1 Tim. 1:15) – der erkennt in seinem Herzen, wie sehr er von Gott geliebt ist, so dass er gar nicht anders kann, als den Herrn als Urheber alles Guten zu sehen und Ihm Seine Güte dadurch zu vergelten, dass er seine Mitmenschen in diese Liebe mit einschließt. Dann ist es auch ein Leichtes für ihn, die übrigen Gebote zu befolgen, die ja keine äußeren Vorschriften, sondern vielmehr Früchte eines Lebens nach dem Geist sind (s. Kol. 3:12-14; vgl. Gal. 5:22-25). Dann wird einem auch verständlich, warum junge Männer und Frauen auf irdisches Glück verzichten und ihr ganzes Leben Gott widmen wollen. Für nicht geistlich Gesinnte mögen sie als Schwachsinnige oder Fehlgeleitete bzw. als Fanatiker gelten (s. 1 Kor. 2:14-16), aber selbst dieses Unverständnis und diese Ablehnung seitens der Erdenbürger sind ein Quell der Glückseligkeit für sie (s. Mt. 5:10-12). So viel nun zur Bedeutung der Liebe für unser Seelenheil, zu dem uns Beten und Fasten hinführen (das weiß freilich nur derjenige, welcher selbst diese Erfahrung gemacht hat). Kommen wir zum Glauben. Es ist vollkommen logisch, dass man Gott nur lieben kann, wenn man an Ihn glaubt. Einen unpersönlichen Gott, quasi ein abstraktes Gedankenkonstrukt, kann man nicht lieben. Ich kann nur den lieben, den ich auch kenne. Deshalb heißen wir Orthodoxe, weil wir in der Befolgung der spirituellen (nicht bloß rituellen) Anweisungen der Kirche Gott erkennen können (s. Joh. 17:3; 2 Kor. 10:5; Gal. 4:8-9; Kol. 2:2 u.v.m.) und Ihn folglich auch richtig preisen können (vgl. Joh. 4:23-24).
Die heutige Lesung von der Aufrichtung des Gelähmten in Kafarnaum enthält ja gewissermaßen die Substanz des Fastens: a) die Vergebung der Sünden (der wahre Zweck des Fastens) und b) die Stärkung im Glauben. Beide Aspekte kommen hier als zentrale Merkmale zur Sprache (s. Mk. 2:5f). Uns wird vor Augen geführt, dass nicht ein diffuser, „selbstgewählter“ Glaube (das ist der etymologische Ursprung für Häresie) heilbringend ist, sondern nur der konkrete, durch aktive geistliche Werke bezeugte Glaube an Jesus Christus zur Vergebung unserer Sünden führt (s. Mk. 2:8-12). Ein Wesensmerkmal des Glaubens ist das Gebet bzw. das Eintreten vor Gott für andere (s. Mk. 2:3-5). Seine Liebe, offenbart an solchen Beispielen, zieht sich wie ein roter Faden durch das Evangelium, wobei Gott auch das Gebet von Heiden erhören kann, sodass deren Glaube den Unglauben der Gläubigen (s. Mk. 9:24) beschämt (s. Mt. 8:5-13; Lk. 7:1-10 bzw. Mt. 15:21-28; Mk. 7:24-30). Und da ist es nur folgerichtig, dass die heiligen Väter einstimmig davon künden, dass dem Gott der Liebe das Gebet für die Feinde ganz besonders wohlgefällig ist. Dann wird uns der Herr zur Stärkung unseres Glaubens den Heiligen Geist geben (s. Lk. 11:13). Nur müssen wir diese von Gott vorgegebene Prioritätensetzung auch selbst für uns nachvollziehen, dann wird uns alles andere hinzugegeben werden (s. Mt. 6:33; Lk. 12:31). Die Ernsthaftigkeit unserer Absichten können wir itzo durch Gebet und Fasten unter Beweis stellen. Amen.