Zum dogmatischen Verständnis von Ikonen, Reliquien- und Heiligenverehrung

Hier wird in leicht überarbeiteter Form ein Vortrag wiedergegeben, der 1978 auf dem in Frankfurt stattfindenden Seminar “Liturgik und Spiritualität der Orthodoxen Kirche” gehalten wurde. Der Text des Vortrags wurde im Sammelband “Theosis – Begegnung mit der Orthodoxie” Bd. 4, München 1989 im Verlag des Hl. Hiob-Klosters veröffentlicht.

Was bedeutet Heiligkeit? Beim Studium der Hl. Schrift können wir bemerken, daß das Wort “heilig” ganz offensichtlich in unterschiedlichen Bedeutungen benutzt wird. Im Alten Testament werden als Heilige solche Menschen bezeichnet, die sich vom Götzendienst losgesagt hatten, die nicht Unzucht oder Ehebruch trieben. Diesen war geheißen: Zaubert nicht, reinigt eure Kinder nicht (Deut.18,10,13), denn ihr seid ein “heiliges Volk” (Ex. 19, 6). Die Heiligkeit bestand für sie in dem Sichentfernen von heidnischen Gebräuchen. Das neutestamentliche Verständnis der Heiligkeit verlangt vom Christen mehr. Nachdem wir in der Taufe die Gabe der Heiligkeit durch das Überkommen des Heiligen Geistes erhalten haben, sollen wir uns nicht nur von Lastern zurückhalten, sondern nach größerer Vollkommenheit streben.

Wir hingegen sind aufgerufen “in Körper und Geist heilig zu sein” (1. Kor.7,34). “Trachtet nach Frieden mit allen und nach Heiligung, ohne die niemand den Herrn schauen wird” - so schreibt der Apostel (Hebr.12,14). Wir sind aufgerufen, unsere “Heiligung zur Vollendung zu führen in Gottesfurcht” (2. Kor.7,1). Die Abstufungen in der Bedeutung des Wortes “heilig” werden nur aus dem Zusammenhang deutlich. Heilig wird auch Gott genannt, aber anders als wir. Heilig werden die Engel und Erzengel, die Seraphim und Cherubim genannt. Aber hier besteht wiederum ein Unterschied in der Heiligkeit zwischen den höheren Kräften und uns. Die Tatsache jedoch, daß das gleiche Wort “heilig” auf der ganzen unerhört breiten Skala von Gott bis zu uns Sündern benutzt wird, liefert uns gleichzeitig die Möglichkeit, den Schlüssel zum Verständnis des Begriffes “heilig” zu finden. Gottesfurcht und Frieden werden häufig in Zusammenhang mit den Begriffen Heiligung oder Heiligkeit genannt. Der Hl. Apostel  Paulus fordert nicht nur Reinheit des Körpers, sondern inneren Frieden, Entfernung von innerer, seelischer Unruhe und Erregung, ein ruhiges, friedliches Leben. Auf diese Weise können wir den Ruhm dieser Welt und dieses Lebens verachten und ihm den wahrhaftigen, ewigen Ruhm vorziehen, das Glück dieses Lebens für nichtig halten, um uns am wahrhaftigen und dauerhaften Glück zu erfreuen, und würdig zu sein, Christus zu erblicken - “Selig sind die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen” (Mt.5,8). Gott hat uns auserwählt, “daß wir heilig und untadelig seien vor Ihm” (Eph.1,4). Der Hl. Johannes Chrysostomos sieht in der Tatsache der Erwählung der Menschen einen Beweis der Menschenfreundlichkeit Gottes wie auch der Tugend der Menschen. “Er hat uns zu Heiligen gemacht, aber wir müssen auch Heilige bleiben. Heilig ist, wer des Glaubens teilhaftig geworden, untadelhaft, wer ein makelloses Leben führt” (Homilie I zum Epheserbrief, Homilien Bd. IV, 177). Wichtig ist aber, daß diese Menschen vor Gott heilig und untadelig erscheinen “denn nur in den Augen der Menschen sind diejenigen heilig und untadelig, welche übertünchten Gräbern gleichen, sowie jene, die in Schaffellen stecken”. Solche will Er nicht, sondern wie der Prophet meint mit dem Ausdruck “und nach der Reinheit meiner Hände” (Ps.17,25). Es ist also eine Heiligkeit, die in den Augen Gottes gilt, auf die Sein Auge schaut. Die Auserwählung erfolgt nach der Tugend der Menschen und der Liebe Gottes zu uns. Weder das eine noch das andere ist in sich ausreichend. Wäre die Auserwählung eine Folge der Liebe allein, so müßten alle gerettet werden, geschähe sie wiederum als Folge unserer Tugend, so wäre die Menschwerdung Christi und Sein ganzes Heilswerk überflüssig. Daß wir tugendhaft wurden, glaubten und zu Christus kamen, ist das Werk Dessen, Der uns gerufen hat, aber ebenso auch unseres.
Das freie Mitwirken des Menschen im Heilsplan Gottes ist also Voraussetzung für seine Heiligung. Aus dem Gesagten geht hervor, daß Heiligung die Annäherung an Gott als das Eine Heile, den Einen Heiligen ist, die freiwillige und freudige Aufnahme Seines Geschenkes, Seiner Vorherbestimmung und Seiner Auswahl, durch die wir aus Seinen Feinden zu Seinen Söhnen werden. Als Heilige bezeichnen wir deshalb solche Menschen, die einen Zustand der Entfernung vom Menschlich-Sündigen und der Annäherung zum Göttlich-Reinen-Heilen erreicht haben, und dadurch Gott näher stehen als wir, die wir uns durch unser sündiges Leben von der Gnade des Heiligen Geistes entfernen, die uns in der Taufe zuteilgeworden ist. “Heilige sind alle, die den rechten Glauben besitzen und einen gottgefälligen Lebenswandel führen. Auch wenn sie keine Wunder wirken, auch wenn sie keine Teufel austreiben, sind sie doch Heilige” (Joh.Chr.14. Homilie über 1.Tim). Israel ist dem Herrn heilig, d.h. es ist ausgesondert für Gott - so versteht der Hl. Johannes Chrysostomos die Stelle aus dem Lied des Moses (Deut.32,8-9): “Als der Höchste die Völkersitze verteilte, als Er die Menschenkinder schied, legte Er den Völkern Grenzen fest nach der Zahl der Söhne Gottes, (9) denn des Herrn Anteil ist Sein Volk, Jakob ist das für Ihn abgesteckte Erbe”. Somit sind Heilige aus der Masse der Menschen hervorgehoben für Gott, d.h. sie leben dem Göttlichen stärker als dem Menschlich-Sündigen, dem wir verhaftet sind. Der Hl. Johannes Chrysostomos vergleicht die Scharen der Märtyrer mit den Heerscharen der Engel, die der Patriarch Jakob schaute (Gen.32,2). Nach seinen Worten unterscheiden sich Märtyrer und Engel nur in ihren Namen, aber in ihren Taten sind sie vereinigt: “Die Engel leben im Himmel, und die Märtyrer ebenso; die ersteren sind dem Alter nicht unterworfen und unsterblich, und die Märtyrer werden ebenso sein. Jene haben eine körperlose Natur empfangen? Und? Und die Märtyrer, wenn sie auch in Körper gekleidet sind, sind doch unsterblich, oder, besser gesagt, der Tod für Christus ziert ihre Leiber noch vor der Unsterblichkeit in größerem Maße als die Unsterblichkeit” (Lobpreis allen Heiligen, die in der Welt gelitten haben, Tvorenija svjatago otca na¡sego Ioanna Zlatousta, SPb 1898, Bd. 2, S. 753).
Eine hervorragende Stellung unter den Heiligen nimmt die Allerheiligste Gottesmutter, die Jungfrau Maria ein. Sie ist “ehrbarer als die Cherubim und ruhmreicher als die Seraphim” - so heißt es in einem häufig gesungenen Hymnus. Unser Herr Jesus Christus und Seine wunderbare Gottesmutter sind für das Gebetsbewußtsein der Orthodoxen Kirche zwei untrennbare Wesen.
Nach den Worten des Akathistos-Hymnos an die Allerheiligste Gottesmutter ist Sie die “Lösung des Fluches”, in “Ihr ist das Naturgesetz überwunden”, “Sie hat in Sich den Unfaßbaren gefaßt”, Sie ist nicht nur die “Wiederaufrichtung des gefallenen Adams”, sondern ebenso die “Tötung des Hades”. Sie hat den “Retter geboren, und ist damit selbst zur Rettung der Welt geworden”. Durch Sie erlangen wir die Rettung: “Freue Dich, Du Göttlicher Eingang der  Geretteten, o Gottesbraut”. Sie hat den Abgrund zwischen Himmel und Erde überbrückt: “Freue Dich, Du Brücke, die zum Himmel führt”. Sie ist “die Brücke, die vom Tod zum Leben führt”. Sie ist die Grundlage unser aller Vergottung. Sie hat nicht nur “die Tore der Hölle getötet, sondern die Türen des Paradieses geöffnet”. Sie Selbst ist das Paradies geworden, in dem der “Baum des Lebens, unser Herr Jesus Christus steht: “Freue Dich, o Herrscherin, beseeltes Paradies, das Du den Baum des Lebens, unseren Herrn, in Deiner Mitte hast”. Die Schatzkammer der Gebete und Lobpreisungen der Allerheiligsten Gottesmutter in der Orthodoxen Kirche scheint unerschöpfliche Reichtümer zu bergen. Die Allerheiligste Gottesmutter ist Himmel und Paradies, Jungfrau und Mutter: “Wie sollen wir Dich nennen, o Gebenedeite, Himmel, da Du wie die Sonne der Wahrheit aufleuchtetest, Paradies, da Du die Blüte der Unverweslichkeit hervorbrachtest, Jungfrau, da Du unvergänglich geblieben bist, reine Mutter, da Du in Deinen reinen Umarmungen Deinen Sohn hattest, unser aller Gott, Diesen bitte, daß unsere Seelen gerettet werden” (Theotokion 1.Stunde).
Archim. Justin Popovic schreibt in seiner Dogmatik: “Sie ist die Mutter Gottes und daher die Mutter alles Göttlichen, alles Heiligen, alles Himmlischen, alles Besten” (Archim. Justin Popovic, Dogmatika Pravoslavne Crkve, Beograd 1935, Bd.2, S. 255). Vor Ihrem Einziggeborenen Sohn leistet die Allerheiligste Gottesmutter Fürbitte für das ganze Menschengeschlecht. Und wegen Ihrer natürlichen Nähe zu Ihrem Sohn sind wir Christen von besonderem Vertrauen in die Macht Ihrer Gebete und Fürbitte erfüllt.
Hierbei ist zu beachten, daß die Gottesmutter wie alle Menschen der Erbsünde unterworfen war. Durch Ihren eigenen freien Entschluß und Ihr eigenes Bemühen befreite Sie sich von persönlichen Sünden. Erfüllt vom Heiligen Geist, wurde Sie zur Behausung jeglicher Tugend. “Nachdem Sie ihre Sinne von jeglichem weltlichen und körperlichen Verlangen abgewandt hatte, und auf diese Weise Seele und Körper in Jungfräulichkeit bewahrte, so wie es Der geziemt, Die in Ihrem Schoß Gott empfangen sollte, denn Er, Der Heilig ist, weilt in den Heiligen, so also - theologisiert der Hl. Johannes Damaskinos -  strebt die Hl. Jungfrau nach Heiligkeit und erscheint als heiliger und wunderbarer Tempel des Höchsten Gottes”(Genaue Darlegung des Orthodoxen Glaubens, Buch 4, Kap. 14). Durch die Einwohnung des Heiligen Geistes wurde sie dann gereinigt, um auf die Geburt des Gottmenschen Jesus Christus vorbereitet zu sein. So schreibt der Hl. Ephraim der Syrer: “Christus wurde von einer Natur geboren, die der Unreinheit unterworfen war, und die der Reinigung durch Gottes Einwirkung bedurfte” (Rede gegen die Häretiker, Werke unseres Hl. Vater Ephraim des Syreres, – in russ.Sprache – T. 3, Moskau 1849, S. 71). Der Hl. Symeon der Neue Theologe schreibt: “Ich nenne die Jungfrau Maria völlig makellos und allrein, wenn ich Sie mit uns Menschen, ihren Dienern vergleiche. Wenn ich Sie aber mit Ihrem Bräutigam und Seinem Vater vergleiche, bezeichne ich Sie als Mensch, so wie alle Menschen sind, nur als heiligen und heiligeren als alle anderen Menschen, makellosen und allerreinsten in allen Geschlechtern” (Hl.Symeon N.Theol. 45. Rede). Auf diese Aussagen der Heiligen und Gottragenden Väter ist besonders deutlich hinzuweisen, um Mißverständnissen vorzubeugen, die unter Einfluß der viel später entstandenen römisch-katholischen Lehre von der angeblich unbefleckten Empfängnis entstehen können. Die makellose Reinheit und Sündlosigkeit der Allerheiligsten Jungfrau und Gottesmutter beziehen sich demnach nicht auf das Fehlen der Erbsünde in Ihrer menschlichen Natur, sondern vielmehr auf Ihre persönliche Beziehung zu Laster und Sünde und Ihren Kampf und Sieg über dieselben.
In unserem Glaubensgut, wie es sich besonders im liturgischen Leben ausdrückt, ist die Verehrung der Allerheiligsten Gottesmutter so fest verankert, daß der Erzpriester Sergij Bulgakov schreiben konnte: “Wer Maria nicht verehrt, der kennt  Jesus nicht. Und der Glaube an Christus, der die Verehrung der Gottesmutter nicht mit einschließt, ist ein anderer Glaube, ein anderes Christentum als das kirchliche” (S. Bulgakov, Pravoslavie, Paris o.J.,S. 254). In der Allerheiligsten Jungfrau hat sich die Heiligkeit verkörpert, die der Menschheit auch nach dem Sündenfall in der Alttestamentlichen Kirche zugänglich war, obwohl natürlich unter der Hilfe der göttlichen Gnade. Wenn die Alttestamentliche Kirche die Konzentration des gnadeerfüllten Lebens der ganzen Menschheit vor Christus war, so ist das Geschlecht der Gottesmutter, der Stammbaum Christi, die Konzentration dieser Heiligkeit. Die Aufgabe der gesamten alttestamentlichen Kirche war es, die heilige Menschheit zu erziehen, zu bewahren und vorzubereiten, die des Empfangs des Heiligen Geistes würdig war, d.h. der Verkündigung in der Person der Gottesmutter, die deshalb nicht einfach ein Werkzeug, sondern die direkte und positive Bedingung der Menschwerdung Gottes war, Seiner menschlichen Seite. Christus konnte nicht unter Gewaltanwendung gegenüber der menschlichen Natur, mechanisch Menschengestalt annehmen. Es war notwendig, daß die menschliche Natur selbst durch den Mund des allerreinsten menschlichen Geschöpfes sprach: “Siehe, die Magd des Herrn, mir geschehe nach Deinem Wort” (Luk.1,38). Hier, in der Verkündigung, kam der Heilige Geist auf die Gottesmutter hernieder und heiligte Sie und Den in Ihr Weilenden vollkommen. In Ihrer Demut bleibt die Gottesmutter immer im Schatten Ihres Sohnes. Nur am Kreuz, in Golgatha, tritt sie aus diesem Schatten wieder hervor und erscheint als die leidende Mutter, wie sie besonders in den Stavrotheotokien besungen wird. Danach erscheint Sie als erste Teilhaberin an der Auferstehung Ihres göttlichen Sohnes. Sie ist der unsichtbare, aber doch tatsächliche Mittelpunkt der Kirche der Heiligen Apostel, Sie begründet das Geheimnis der frühchristlichen Kirche. Sie kostete nach Ihrer Menschlichkeit den natürlichen Tod, wurde aber nach dem Glauben der Kirche nach drei Tagen auferweckt und steht seitdem in den Himmeln zur Rechten Ihres Sohnes als himmlische Königin. Hier jedoch bleibt die Gottesmutter auch Mutter des Menschengeschlechts, betet für dieses und leistet Fürbitte. Deshalb wendet sich die Hl. Kirche in Ihren Gebeten an die Gottesmutter in der Hoffnung und im Vertrauen auf Ihre Fürsprache vor Ihrem göttlichen Sohn. In dieser Hinsicht ist Sie Die Erste unter allen Heiligen.
Unsere Verehrung der Heiligen und in erster Linie der Allerheiligsten Gottesmutter besteht in unserer Verbundenheit im Gebet mit ihren Christus-ähnlichen Persönlichkeiten und in der Verherrlichung ihrer Tugenden und ihrer Heiligkeit. Dadurch verherrlichen wir tatsächlich Gott Selbst, Der sie geheiligt und geweiht hat. Diese Verehrung dient zum Ruhm Gottes, denn, wie der Psalmist singt  “Wunderbar ist Gott in Seinen Heiligen” (Ps. 67, 36). Uns dienen die Heiligen als Vorbild zur Nachahmung ihres Lebens und ihrer Tugenden. Wie Archim. Justin Popovic schreibt, besteht die fromme Verehrung der Heiligen in der Anrufung ihrer gnadenvollen Hilfe im Gebet, ihrer Vermittlung im Gebet vor Gott für uns schwache und sündige Menschen, denn sie haben vor Gott als Freunde und Vollführer Seines Willens mehr Mut und Kraft. “Die Verehrung der Heiligen bedeutet unter keinen Umständen ihre Vergötterung, denn wir verehren sie nicht als Götter, sondern als Diener Gottes, als Freunde Christi, als Gottessöhne im Einziggeborenen Sohn Gottes, Der Sich uns Menschen gleichstellte, um uns Menschen mit Gott in der Gnade gleichzustellen” (Archim. Justin Popovic, Geheimnis des Glaubens und des Lebens – in serb. Spr. – Krnjevo 1977, S. 161).
In der alten Kirche gab es drei Gruppen von Menschen, die als Heilige angesehen wurden. Dies waren zunächst die alttestamentlichen Apostel, von denen die Kirche glaubte, daß sie eben deshalb zu Patriarchen, Propheten oder Aposteln von Gott gewählt wurden, weil sie heilige Menschen waren. Hier ist anzumerken, daß die Allerheiligste Gottesmutter und der “Größte unter den von Frauen Geborenen”, Johannes der Täufer, außerhalb jeglicher Gruppierungen stehen. Die zweite Gruppe besteht aus Verstorbenen, die in ihrem Leben eine solche Tat vollbracht haben, die nach dem Glauben der Kirche schon selbst in sich den betreffenden Menschen des Kranzes der Heiligkeit würdigt. Dies sind die Märtyrer, die nach dem Glauben der Kirche, den sie im Tropar an die Märtyrer ausdrückt, in ihrem Leiden “Kränze der Unverweslichkeit erreicht haben”. Die dritte Gruppe besteht aus denen, die nicht automatisch einer der genannten Gruppen angehören, die aber die Kirche als Heilige anerkennt, da sie persönlich dieser Anerkennung würdig sind. Das sind Heilige aus der Reihe der Asketen.    Forsetzung folgt

 

Bote 1997-2
Zum dogmatischen Verständnis
von Ikonen, Reliquien- und Heiligenverehrung Anfang s. Bote 1/1997

Die dritte Gruppe besteht aus denen, die nicht automatisch einer der genannten Gruppen angehören, die aber die Kirche als Heilige anerkennt, da sie persönlich dieser Anerkennung würdig sind. Das sind Heilige aus der Reihe der Asketen.
Danach verbleibt noch eine Gruppe von Heiligen, die aus Geistlichen und Bischöfen besteht. Hier ist anzunehmen, daß diese Personen zunächst einer der erstgenannten Gruppen angehörten und erst später zu einer eigenen Klasse herausgetrennt wurden. Hinsichtlich der Verehrung der Märtyrer als Heilige ist uns überliefert, daß dies bereits in der ersten Hälfte des 2. Jh. üblich war (Märtyrerakten des Hl. Ignatius des Gottesträgers). Daher können wir deren Anfang in das letzte Viertel des 1. Jh. verlegen oder in die Zeit unmittelbar nach der ersten Christenverfolgung durch Nero. Da elf der zwölf Apostel als Märtyrer starben, begann die Verehrung der Apostel allgemein als Märtyrer sehr früh. Der Hl. Johannes, der Theologe, starb um das Jahr 110 eines natürlichen Todes, und man muß mit Wahrscheinlichkeit annehmen, daß er sofort nach seinem Tode als Heiliger verehrt wurde, so daß die Verehrung der Hl. Apostel als solcher mit seiner Verehrung begann. Über die Verehrung der alttestamentlichen Patriarchen und Propheten können wir nur soviel sagen, daß sie in der zweiten Hälfte des 4. Jh. in der Kirche bestand.
Die Bekenner wurden offensichtlich in zwei Klassen geteilt, nämlich solche, die infolge des ertragenen Martyriums starben und zweitens solche, die nach ihren Leiden noch mehr oder weniger lange lebten. Während die ersteren sofort den Heiligen zugezählt wurden, wurde auf die zweiten die gleiche Regel angewandt, wie auf die Asketen, d.h. erst ihr weiteres Leben zeigte, ob sie den Heiligen zugerechnet wurden oder nicht. Hinsichtlich der Asketen muß man annehmen, daß die Kirche sie von ältester Zeit her auf Grund übernatürlicher Zeugnisse Gottes über sie den Heiligen zuzählt. Als Kriterium ihrer Heiligkeit galt gewöhnlich, daß Gott sie der Gabe der Wundertaten entweder noch zu Lebzeiten oder nach Ihrem Tode würdigte.
Außer den genannten Klassen besteht noch die Gruppe der Kaiser und Kaiserinnen, die in zwei Untergruppen geteilt wird. Sie wurden als Heilige anerkannt entweder für ihre Verdienste für die Kirche oder wegen ihres persönlichen tugendhaften Lebens. Hinsichtlich der Verdienste für die Kirche bestand für die Anerkennung als Heilige keine bestimmte Norm, die sich genau ausdrücken ließe. Wurden sie für ihr persönliches tugendhaftes Leben als Heilige anerkannt, so mußten sie den üblichen Anforderung für die Zuzählung zum Chor der Heiligen genügen, d.h. die Grundlage stellt ihre Verherrlichung durch Gott in der Gabe von Wundertaten dar. Ob diese Regel immer streng eingehalten wurde, können wir heute nicht überprüfen, da uns in vielen Fällen die genauen Angaben fehlen. Ein Beispiel jedoch für die Einhaltung eben dieser Regel bietet u.a. die Kaiserin Theophania (Theophano), die erste Gattin des Kaisers Leo des Weisen, die im Jahre 894 starb. Der Chronist berichtet, daß Gott sie bereits einige Tage nach ihrem Entschlafen als Wundertäterin erkennen ließ.
Historisch waren zunächst all die in den genannten Klassen aufgeführten Heiligen örtlich gefeierte Heilige, d.h. solche, die in einzelnen Episkopien verehrt wurden. Anfänglich gab es für die gesamte Kirche nur verhältnismäßig wenige allgemeine Feiertage, und zwar zur Ehre unseres Herrn Jesus Christus und der Gottesmutter. Die Heiligen wurden erst allmählich aus örtlich verehrten Heiligen zu solchen, die in der gesamten Kirche verehrt wurden. Und zwar geschah dieser Prozeß bei einigen verhältnismäßig früh, bei anderen sehr viel später. Zunächst feierte jede Diözese ihre Heiligen selbst, z.B. wenn sie von einem Apostel begründet war, oder noch mehr ein Apostel in ihr gestorben war, so feierte sie dessen Feiertag, oder die Feiertage der Hl. Märtyrer, die auf dem Territorium dieser Diözese das Martyrium für unseren Herrn Jesus Christus erlitten hatten. Es versteht sich von selbst, daß es nicht verboten war, auch das Gedenken “fremder” Heiliger zu feiern, hierzu bestand jedoch keine allgemeine Verpflichtung. Von den örtlich verehrten Heiligen wurden zunächst einige hervorragende Heilige über die Grenzen der Diözese hinaus verehrt und wurden allmählich zum Verehrungsgut der gesamten Kirche. Später wurden ganze Klassen von Heiligen dieserart allmählich von der ganzen Kirche verehrt. Wir wissen, daß bereits in der Zeit des Hl. Johannes Chrysostomos der Feiertag aller Märtyrer, das ist unser heutiger Feiertag Allerheiligen am Sonntag nach Pfingsten bestand. So können wir mit größter Wahrscheinlichkeit annehmen, daß schon zur Zeit des Hl. Johannes Chrysostomos die Verehrung der Hl. Märtyrer aus verschiedenen geographischen Orten in der gesamten Kirche üblich war. Die die Hl. Apostel einen Chor von Heiligen darstellen, der über den Hl. Märtyrern steht, muß man annehmen, daß in der gesamten Kirche ihre Verehrung bereits vor der der Hl. Märtyrer verbreitet war (Konstantin der Gr. erbaute in Konstantinopel eine Kirche zur Ehre der zwölf Hl. Apostel). Nach den Hl. Aposteln und Märtyrern wurde die allgemeine Verehrung der Hl. Bischöfe und Asketen sehr viel später verbreitet. In einer Novelle des Kaisers Leo des Weisen, der von 886-911 regierte, wird angeordnet, daß zusammen mit den Aposteln und Märtyrern auch in der ganzen griechischen Kirche die sieben bekanntesten Heiligen aus dem Chor der Bischöfe gefeiert werden sollen: Athanasius von Alexandrien, Basilios der Gr., Gregor der Theologe von Nyssa, Johannes Chrysostomos, Kyrill von Alexandrien und Epiphanios von Zypern.
Die Kanonisierung oder - besser gesagt - die Aufnahme in die Liste der Heiligen stellt in unserer Kirche keinen Akt dar, der den Gepflogenheiten der römischen Kirche vergleichbar wäre. Das Recht, einen bestimmten verstorbenen Menschen zum Heiligen zu erklären, stand den Bischöfen mit den Kollegien ihrer Kleriker zu. Man muß annehmen, daß sich die Bischöfe in diesen Fragen mit den Metropoliten und anderen Bischöfen absprachen. In einigen Fällen übten Laien Druck auf die Bischöfe aus, indem sie mitunter schon zu Lebzeiten eines Asketen etwa Kirchen in seinem zukünftigen Namen errichteten, wenn dieser bereits zu Lebzeiten von Gott durch besondere Gaben der Wundertätigkeit ausgezeichnet war. Die Kanonisierung eines neu anerkannten Heiligen bestand darin, daß ein bestimmter Tag festgesetzt wurde, an dem sein Fest jährlich begangen wurde, d.h. sein Name wurde in den Kalender der Diözese eingetragen und zu den Namen der übrigen Heiligen zugefügt, die täglich bei der Proskomidie kommemoriert wurden. An den Gepflogenheiten der Anerkennung von Heiligen in der frühen christlichen Kirche hat sich bis heute prinzipiell nichts geändert. Von der Regel, nach der für die Heiligsprechung allein die Gabe der Wundertätigkeit ausschlaggebend ist, stellt nur die Tradition des Hl. Berges Athos eine Ausnahme dar. Hier werden Asketen zum Chor der Heiligen gezählt, wenn von ihren Gebeinen Wohlgeruch ausgeht. Hierin ist auch einer der Gründe zu sehen, aus denen die Gebeine der Mönche auf dem Athos bereits drei oder vier Jahre nach ihrem Ableben ausgegraben werden. Auch im Vollzug der Heiligsprechung stellt der Athos eine Ausnahme dar. Während gewöhnlich die Heiligsprechung zur örtlichen Verehrung durch den zuständigen Bischof ausgesprochen wird, oder zur allgemeinen Verehrung durch den Patriarchen oder die Synode, sprechen die Bruderschaften der einzelnen Klöster auf dem Athos oder die gesamte Gemeinschaft durch den Mund der Mönchsversammlung im Protaton die Kanonisierung aus eigener Macht aus.
Die Feierlichkeiten der Kanonisierung bestehen ausschließlich aus feierlichen Gottesdiensten zu Ehren des neu anerkannten Heiligen und aus der Festsetzung eines bestimmten Tages in jedem Jahr zu seiner Verehrung.
Die Heiligen sind unsere himmlischen Fürbitter und Beschützer und sind deshalb lebendige und tätige Glieder der kämpfenden Kirche. Die gnadenvolle Anwesenheit der Heiligen in der Kirche trennt uns nicht von Christus, sondern nähert uns Ihm, verbindet uns mit Ihm. Sie sind unsere Mitbeter, unsere Freunde und Helfer in unserem Dienst an Christus und unserer Gemeinschaft mit Ihm. Die dogmatische Grundlage der Verehrung der Heiligen liegt eben darin, daß nach der Menschwerdung Christi einerseits die unüberbrückbare Entfernung zwischen Christus und denen die Christi sind (Gal.5,24), wie auch andererseits ihre Nähe zu Ihm deutlich wurden. Die Kirche ist Leib Christi, die in der Kirche Rettung finden, erhalten Kraft und Leben Christi, sie werden vergöttlicht, sie werden Götter nach der Gnade und erscheinen selbst als Gesalbte im Gesalbten Jesus.
In der Hl. Schrift finden sich für die Heiligen Bezeichnungen wie: “Kinder Gottes” (1.Joh.3,1), “Erben Gottes, Miterben und Brüder Christi” (Röm.8,17,29), “Bewohner der Himmel” (Phil.3,20), “neue Schöpfung in Christus” (2.Kor.5,17), “Gesalbte Gottes” (1.Joh.2,20), “königliches Priestertum, Menschen der Erneuerung” (1.Petr.2,9), “erwählte Freunde Gottes” (Jak.2,23). In diesem Licht stehen die Heiligen vor Gott.
Uns gehen die Heiligen Gottes in vielfältiger Weise als Vorbilder voran, mahnen uns zur Nachahmung ihres Lebens. Sie sind - wie der Hl. Apostel Paulus schreibt - “Gefäße des Erbarmens Gottes” (Röm.9,23). Der Hl. Johannes Chrysostomos erinnert daran, daß die Leiden der Heiligen sehr viel dazu beitragen, die Macht Gottes zu offenbaren. “Dann offenbart sich meine Kraft, sagt er, wenn ihr in Schwachheit seid und durch euch, die ihr schwach zu sein scheinet, das Wort des Evangeliums gemehrt und überall hin ausgesäet wird” (Ausgewählte Schriften des heiligen Chrysostomus, Bibliothek der Kirchenväter, Bd.2, Kempten 1874, S.26 f.)
Die Leiden der Heiligen reichen uns zum Trost. Weiterhin zeugen die Heiligen von der Auferstehung: “Daß aber eben dies auch die Gedanken an die Auferstehung leitet, da vernimm von demselben Paulus, wenn er sagt: ‘ Habe ich dem Menschen nach in Ephesus mit wilden Tieren gekämpft, was hilft mirs, wenn die Toten nicht auferstehen’? (I.Kor. 15,32). Und wieder: ‘Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendsten unter allen Menschen’ (I. Kor. 15,19). Wir dulden, sagt er, im gegenwärtigen Leben unzählige Leiden; wenn demnach kein anderes Leben zu hoffen stünde, wer wäre elender als wir?” (ibid. S. 32). Die Leiden der Heiligen lenken unsere Aufmerksamkeit auch auf das ewige Leben. “Daraus erhellt, daß unser Geschick mit dem gegenwärtigen Leben nicht abgeschlossen ist; und das wird uns aus den Versuchungen klar. Denn nimmer kann Gott es zugeben, daß denen, welche so viele und schwere Übel erlitten und das ganze zeitliche Leben in Versuchungen und tausend Gefahren zugebracht haben, es nicht mit noch viel größeren Gaben vergolten werde” (ibid.).
Die Heiligen sind - wie wir - Menschen von Fleisch und Blut, den gleichen Leidenschaften und Versuchungen unterworfen, vom Teufel bekämpft, aber von Gott zum ewigen Leben berufen. Die Gleichung stimmt jedoch auch umgekehrt; auch wir sind Menschen wie die Heiligen - mit allen Talenten, mit allen Gaben, die die Heiligen besitzen. Von uns hängt es ab, ob wir den Kampf aufnehmen und den Heiligen in ihren Tugenden nacheifern. Schon in der Hl. Schrift werden nicht nur die Tugenden der Heiligen, sondern auch ihre Fehler, Sünden und Verfehlungen beschrieben, damit wir diese letzteren fliehen, um den ersteren nachzueifern. Die Hl. Schrift zeigt uns, daß auch die Gerechten oft fielen, daß Sünder große Verbesserungen an sich vornahmen, damit wir von beiden lernen, damit der, der in der Tugend steht, nicht unaufmerksam werde und die Sünder nicht verzweifeln, wenn sie wissen, daß viele Sünder Buße getan und die höchste Stufe der Tugend erreicht haben.
Die Heiligen werden als Fremde auf dieser Erde bezeichnet. Fremde jedoch nicht in dem allgemein üblichen Sinn, sondern “sie haben alles Irdische angeschaut und gesehen, daß es schnell vergeht und zunichte wird, und daß hier nichts fest und bleibend ist, weder Reichtum noch Macht, noch Ruhm oder das Leben selbst, sondern alles hat ein Ende und strebt seiner Grenze zu. Das Himmlische dagegen ist nicht solcher Art, sondern ohne Ende und ewig. Darauf wünschten sie, Fremde zu sein, in Hinsicht auf das Schnellebige und Vergängliche, um die dauerhaften Güter zu erlangen. Daher waren sie Fremde nicht deshalb, weil sie kein Vaterland hatten, sondern weil sie zum ewigen Vaterland strebten” (Chrysostomos, Bd.4, S. 818).
Die Seelen der Heiligen sind nach dem Hl. Johannes Chrysostomos von Liebe erfüllt, voll von Fürsorge für uns. In ihrer Liebe übertreffen sie die väterliche Zuneigung. Sie übertreffen die Natur in ihrer Zuneigung zu den von ihnen Geführten. Unser Herr Jesus Christus bezeugt Selbst, daß die Menschheit in den letzten Zeiten von nie dagewesenem Kummer um der Heiligen willen erlöst wird: “Und wenn jene Tage nicht verkürzt würden, so würde kein Mensch gerettet werden. Aber um der Auserwählten willen werden jene Tage verkürzt werden” (Mt.24,22). Es ist die Eigenart der Heiligen, weder Ruhm noch Ehre noch irgend etwas anderes der Rettung der Nächsten vorzuziehen.
So sagt der Hl. Apostel Paulus: “Ich selbst wünschte, verflucht und von Christus getrennt zu sein, zum Besten meiner Brüder, meiner Verwandten dem Fleische nach” (Röm.9,3). Immer wieder betont der Hl. Johannes Chrysostomos in seinen Predigten, daß die Fürsprache, die Gebete der Heiligen eine außerordentliche Kraft besitzen. Diese wirkt sich jedoch nur dann auf uns aus, wenn wir selbst unsere Sünden bußfertig bereuen. Wir müssen die Heiligen lieben, damit sie für uns Gott danken.
Mit der Verehrung der Heiligen ist die Verehrung ihrer Gebeine verbunden, bzw. ihrer Reliquien, wie wir nach dem lateinischen Sprachgebrauch oft sagen. So wie wir als Christen aufgerufen sind, unsere Körper reinzuhalten, weil sie Tempel Gottes sind, erkennen wir in den Gebeinen der Heiligen Gefäße der Gnade Gottes. Denn ihre heiligen und geheiligten Körper wurden durch die Gnade Gottes unverweslich und wundertätig. Die heiligen Reliquien sind Zeichen der göttlichen Gunst und der gnadeerfüllten Anwesenheit des Heiligen Geistes in materiellen menschlichen Körpern. Dies ist ebenso ein Beweis dafür, daß die menschlichen Körper auferstehen werden und von Gott Unverweslichkeit, Unsterblichkeit und das ewige Leben erlangen werden (Archim. Justin, Geheimnis, a.a. ., S. 161). Aufgrund der Aussendungsrede unseres Herrn Jesus Christus an die zwölf Apostel im 10. Kapitel Mt.,16: “Seht, ich sende euch aus wie Schafe mitten unter die Wölfe, seid also klug wie Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben”, und V. 40-41: “Wer euch aufnimmt, nimmt Mich auf, und wer Mich aufnimmt, nimmt den auf, den Ich gesandt habe. Wer einen Propheten aufnimmt, weil er ein Prophet ist, der wird Prophetenlohn erhalten, und wer einen Gerechten aufnimmt, weil er ein Gerechter ist, der wird den Lohn eines Gerechten erhalten” - aufgrund dieses Textes schreibt Archimandrit Justin Popovi´c: “Wer die Heiligen und ihre heiligen Reliquien nicht annimmt und nicht verehrt, der nimmt weder Christus, noch Gott Vater an. Denn die Verehrung der Heiligen ist in dem Gottmenschen Christus begründet, Der deshalb eben Mensch geworden ist, damit Er den Menschen verherrlicht, und zwar sowohl seinen Körper als auch seine Seele. Wer die Heiligen nicht verehrt als Glieder des gottmenschlichen Leibes des verkörperten Herrn Jesus Christus, der entkörpert gleichsam Christus und vertreibt Ihn aus Seinem Leib, der Seine Kirche ist” (Justin Popovic, a.a.O.,S. 161,2).
Durch die Heilung der blutflüssigen Frau, die, von Glauben erfüllt, nicht einmal den Körper Christi, sondern lediglich den Saum Seines Gewandes berührte, hat uns unser Herr Jesus Christus bereits gezeigt, welche Kraft auch von den Gegenständen ausgeht, die die Heiligen berührt haben. In seinem Lobpreis auf die ägyptischen Märtyrer schreibt der Hl. Johannes Chrysostomos: “Wahrhaftig, die Leiber dieser Heiligen befestigen unsere Stadt besser als irgendeine adamantene oder unzerstörbare Mauer und gleichen hohen Felsen, die von allen Seiten ausgestreut sind, sie schlagen nicht nur die Angriffe dieser fühlbaren und sichtbaren Feinde zurück, sondern auch die Listen der unsichtbaren Dämonen, und alle List des Teufels werfen sie ab und vernichten sie mit solcher Leichtigkeit wie ein kräftiger Mann Kinderspielzeug umstößt und herabwirft. Die übrigen von Menschen angewandten Mittel, wie etwa Mauern, Gräben, Waffen, Heere und alles, was man für die Verteidigung der Bewohner sich ausdenken mag, können die Feinde mit Hilfe anderer, größerer und stärkerer Mittel bekämpfen, die sie besitzen. Wenn aber eine Stadt sich mit den Leibern der Heiligen umgibt, dann können die Feinde, wenn sie auch alle ihre unzähligen Reichtümer anwenden, den Städten, die die Leiber der Heiligen besitzen, keine ähnliche Waffe entgegensetzen. Und nicht nur gegen die Listen der Menschen, oder auch gegen die Hinterlist der Dämonen ist uns dieser Schatz von Nutzen, sondern selbst wenn sich unser aller Herrscher für die Menge unserer Sünden über uns erzürnt, so können wir Ihm diese Leiber zur Verteidigung anbieten und Ihn schnell zu Gnade gegenüber der Stadt bewegen. Viele wissen, welche Kraft diese Heiligen vor Gott besitzen, denn sie haben nicht irgendwie für die Wahrheit gekämpft, sondern so tapfer und kräftig dem zielstrebigen und unerträglichen Ansturm des Teufels widerstanden, als ob sie in steinernen und eisernen anstatt verweslichen und sterblichen Körpern kämpften, als ob sie schon der leidenschaftslosen und unsterblichen Natur überantwortet wären und nicht bitteren und traurigen körperlichen Nöten unterworfen wären” (Chrysostomos, Bd. 2,S. 742).
In seinem Lobpreis auf den Hl. Ignatius den Gottesträger sagt der Hl. Johannes Chrysostomos: “So werden wir nicht nur heute, sondern jeden Tag hierher kommen, um geistige Früchte zu ernten. Wer im Glauben hierher kommt, kann wahrhaftig große Güter erhalten, denn nicht nur die Körper, sondern auch die Grabstätten der Heiligen sind von geistiger Gnade erfüllt. Wenn es bei Elisäos geschah, daß ein Toter, der nur sein Grab berührte, die Ketten des Todes zerriß und wieder zum Leben zurückkehrte, umso mehr kann heute, wo die Gnade reicher und das Wirken des Geistes stärker ist, jemand, der dieses Grab berührte, große Kraft von ihm empfangen. Deshalb hat Gott uns auch die Gebeine der Heiligen gelassen in dem Wunsch, uns zu gleichem Eifer wie sie anzuspornen, uns eine zuverlässige Zuflucht und Trost im Unglück zu geben, das uns dauernd erreicht. Daher beschwöre ich euch alle, wenn ihr euch in Trostlosigkeit, in Krankheit, in Sorgen oder in irgendeinem anderen Unglück befindet oder auch im Abgrund der Sünde, kommt mit Glauben hierher, und ihr werdet von allem diesem befreit werden und mit großer Freude von hier gehen, da ihr schon allein vom Nachdenken Erleichterung euerer Gewissen erhaltet. Oder besser noch, nicht nur für die, die sich in Unglück befinden, ist es notwendig, zu kommen, sondern auch für die, die Freude haben, die in Ruhm leben, die an der Macht sind, oder die irgendein Anliegen an Gott haben - auch sie sollen diesen Nutzen nicht verachten. Wenn sie herkommen und diesen Heiligen sehen, werden sie ihre Güter festigen, da sie durch die Erinnerung an seine Taten ihre Seelen lehren, sich zu beschränken und ihrem Gewissen nicht gestatten, sich durch ihre Taten zu Stolz er erheben. Und es ist nichts Geringes, auf Sein Wohlergehen nicht stolz zu sein, sondern sein Glück bescheiden zu nutzen. Auf diese Weise ist dieser Schatz für alle nützlich, dieser Zufluchtsort notwendig - für die Gefallenen, damit sie von ihren Versuchungen erlöst werden, für die, denen es gut geht, damit ihre Güter gefestigt werden, für die Kranken, damit ihnen Gesundheit zurückgegeben werde, und für die Gesunden, damit sie nicht der Krankheit verfallen. Wenn wir an all dies denken, werden wir das Verweilen an diesem Ort jeder Freude und jedem Vergnügen vorziehen, um uns gleichzeitig zu freuen und Nutzen zu erhalten und schließlich auch dort zu Mitbewohnern und Gefährten dieser Heiligen zu werden (ibid., S. 642).
Es ist bekannt, daß sich die Christen bereits zu Beginn der ersten Hälfte des 2. Jh. jährlich an den Gräbern der Märtyrer versammelten, um ihre Erinnerung feierlich zu begehen. Über die Verehrung der Gebeine der Heiligen wissen wir, daß diese nicht später als in der zweiten Hälfte des 4. Jh. begann, und daß sie in der Mitte des 5. Jh. allgemein anerkannter Brauch war. Das Vorhandensein der Gebeine von Heiligen ist keineswegs Voraussetzung für Aufnahme in die Liste der Heiligen. Von vielen Heiligen sind uns keine sterblichen Überreste überkommen. Es ist Gottes unerfindlicher Wille, nach dem die Gebeine von einigen Heiligen unverweslich sind, während die sterblichen Überreste anderer Heiliger genauso verweslich sind, wie die anderer sterblicher Menschen. Die Reliquien der Heiligen stellen in einigen Fällen ganze Körper dar, während es in anderen Fällen lediglich Knochen sind. Aus den Gebeinen einiger Heiliger strömt wohlriechendes Öl - dieses Heiligen werden daher als Myronspender bezeichnet.
Dogmatisch ist die Verehrung der Gebeine der Heiligen wie auch ihrer Ikonen damit zu erklären, daß wir an eine besondere Verbindung des Heiligen Geistes mit den Körpern der Heiligen glauben, die auch durch den Tod der betreffenden Heiligen nicht unterbrochen wird. Die Macht des Todes wird in Hinsicht auf die Heiligen eingeschränkt - ihre Seelen verlassen die Körper nicht vollständig, sondern besitzen eine besondere geistige, gnadeerfüllte Anwesenheit in ihren Gebeinen - selbst in dem kleinsten Teil derselben. Die Reliquien sind gleichsam Körper, die schon vor der allgemeinen Auferstehung und in ihrer Erwartung verherrlicht wurden. Dieser Zustand ähnelt demjenigen des Leibes unseres Herrn Jesus Christus, Der wohl tot und von der Seele verlassen, aber nicht von Seinem göttlichen Geist verlassen war und der Auferstehung harrte
Die Verehrung der heiligen Ikonen führt ihre Geschichte bis in die ersten Jahrhunderte des Christentums zurück. In den Katakomben in Rom befinden sich Fresken bereits aus dem 2.Jh. Deshalb hat die Hl. Orthodoxe Kirche auf ihrem VII. Ökumenischen Konzil die häretischen Ansinnen der Ikonoklasten abgewehrt und die Verehrung der Ikonen ein für allemal gutgeheißen. Dabei ist zu beachten, daß wir nicht die Ikonen selbst verehren, sondern sie als Fenster, als Hilfsmittel ansehen. Die Verehrung, die wir einer Ikone darbringen, geht auf ihr Urbild zurück, auf das Bild Unseres Herrn, des Gottmenschen Jesus Christus und Seiner Heiligen. Sie bringen uns ihre Urbilder in Erinnerung, dienen gleich der Schrift als Kommunikationsmittel und führen unsere Gebete zu ihrem himmlischen Urbild empor. Über die Darstellung kommt es hier natürlich zu einer Berührung mit den Heiligen, und hieraus erklärt sich wohl das Phänomen der wundertätigen Ikonen.
Die Väter des VII. Ökumenischen Konzils definierten in ihrem Oros:
1. Die Grundlage der Ikonenverehrung ist in der Überlieferung der Kirche zu sehen.
2. Das unbestreitbare Vorbild er Ikonenverehrung ist die Verehrung des Heiligen, Ehrbaren und Lebensspendenen Kreuzes.
Weiterhin wurden die Materialien festgelegt, aus denen Ikonen herzustellen sind, und es wurde der Personenkreis umrissen, der auf Ikonen dargestellt wird: unser Herr Jesus Christus, die Gottesmutter, die heiligen Engel und die Heiligen. Den Zweck der Ikonenverehrung sahen die Hl. Väter des VII. Ökumenischen Konzils darin, daß den Gläubigen durch das häufige Ansehen und die Verneigung vor den heiligen Ikonen die Taten und Tugenden der Heiligen in Erinnerung gerufen werden. Das sollte schließlich zur Liebe zu den Heiligen und zur Nachahmung ihres Glaubens, ihres Lebens und ihrer Tugenden anspor nen. Die dogmatische Norm der Ikonenverehrung wurde als “fromme Verehrung” – timhtikª prosk¨nsiV – definiert. Argumente, die heute von verschiedenen Seiten gegen die Ikonenverehrung geäußert werden, beruhen zumeist auf Unkenntnis des wahren Gehaltes der Verehrung von Heiligen und Ikonen und wärmen die längst überholten Einwände der Ikonoklasten wieder auf.
Nach dem Wort des Psalmisten “ruhen die Augen des Herrn immer auf den Gerechten und Seine Ohren auf ihrem Gebet” (Ps.33,16). Wir vertrauen daher darauf, daß wir uns durch unsere Gebete die Heiligen zu Freunden gewinnen, so daß sie als Freunde Gottes unsere Sünden im Gebet vor Gott tragen. Verehren können wir die Heiligen in unserem irdischen Leben durch nichts besser, als durch die Nachahmung ihres Glaubens und ihrer Tugenden. So gebietet uns der Hl. Apostel Paulus: “Gedenkt eurer Lehrer, die euch das Wort Gottes verkündeten, schaut auf das Ende ihres Lebens und ahmt ihren Glauben nach” (Hebr.13,7).