Predigt über den verlorenen Sohn (Lk 15,11-32), 16.02.2025
Liebe Brüder und Schwestern,
das heutige Evangelium ist besonders reich an Inhalten. Diese zu umfassen ist quasi in einer zehnminütigen Predigt kaum möglich. Doch versuchen wir zu erkennen, was es für uns bedeutet.
Wer sind die Hauptakteure des heutigen Gleichnisses? Der Vater und seine beiden Söhne. Das interessante daran ist, de facto war jeder von uns schon in allen diesen Rollen, hat Erfahrungen gemacht, die auf das zurückzuführen sind, was diese drei erlebten.
Fangen wir mit dem Vater an. Viele von uns haben Kinder oder auch Patenkinder. Wir sorgen uns um sie, lieben sie, ziehen sie auf, erziehen sie und hoffen darauf, dass das, was wir in sie hineingelegt haben, auch bei ihnen Frucht bringt. Umso mehr sind wir traurig, enttäuscht, wenn sie flügge werden und ihre eigenen Vorstellungen entwickeln, die nicht zwingend unseren entsprechen.
Besonders schmerzlich ist es, wenn dieses noch erwachsen werdende eigene Ich sich dazu entscheidet, nicht mehr den Weg zu Gott zu gehen und es vorzieht, „sich selbst zu erkennen“, „sich selbst zu finden“ ohne dabei das annehmen zu wollen, das in Liebe von den Umstehenden in einen hineingelegt wurde. Hier müssen wir leider zurückstecken und darauf hoffen, dass eben diese Liebe, die wir aufgebracht haben, dazu führt, dass eine Rückkehr nicht von vornherein ausgeschlossen ist, die Tür dazu weiter offen steht.
Umso mehr ist natürlich unsere Freude, wenn dann doch irgendwann sich derjenige oder diejenige an seine Wurzeln erinnert und zurückkehrt, dabei aber auch zugibt, dass der damals eingeschlagene Weg nicht der richtige war und sich nun alles ändern wird. So, wie der Sohn sprach:
„Vater, ich habe gesündigt wider den Himmel und vor dir; ich bin nicht mehr würdig, dein Sohn zu heißen.“
Klar, dass wir in diesem Moment eine große Erleichterung spüren, ähnlich wie es dem Vater ging oder auch denjenigen, der an einer anderen Stelle im Evangelium eine Drachme oder ein Schaf verloren und diese dann nach längerem Suchen wiederfanden.
Doch was kann man tun, damit der verlorene Sohn oder die verlorene Tochter wiederkommt? Sie haben ja schließlich ihre eigene Entscheidung getroffen, wollen sich selbst verwirklichen? Reden hilft da nur eingeschränkt, kann eher Abneigung und Abkehr provozieren. Sie banal es klingt, hier hilft in erster Linie nur das Gebet zu Gott, zu den Heiligen, dass eine Änderung des Weges erfolgt.
Wenden wir uns dem verlorenen Sohn zu. Auch seine Lebensgeschichte können wir sicherlich sehr gut nachempfinden. Es ist sehr selten, dass der Weg eines Menschen gerade ist und er nicht auf Abwege kommt.
Auch viele von uns, mich eingeschlossen, haben eine Zeit des Lebens ohne Gott verbracht, sind durch eigenen Willen oder durch äußere Umstände von ihm fern gewesen. Und häufig ist es auch dann so, dass wir erst in eine schwierige, aussichtslose Situation geraten. Diese kann auch wieder selbst verschuldet oder durch von uns unabhängige Umstände passiert sein.
Bei dem verlorenen Sohn war es der eigene Willen, sich nicht auf den schmalen Pfad der Tugendhaftigkeit zu begeben, sondern den Lüsten und Ergötzungen des irdischen Lebens ungebremst zu frönen
„[Er] reiste in ein fernes Land und verschleuderte dort sein Vermögen, indem er heillos lebte. Nachdem er aber alles verschwendet hatte, kam eine gewaltige Hungersnot über jenes Land, und er fing an, Mangel zu leiden.“
Entscheidend war aber, dass dann in der Zeit, in der das Leben schwer wurde, der gute Samen, den der Vater durch die Erziehung in den Sohn legte, aufging und dieser zu Besinnung kam und umkehrte. Im theologischen würden wir sagen, dass er „umgeistete“, dass er nun seinen Geist auf etwas anderes richtete, als vorher. Er strebte nicht mehr den irdischen Lüsten nach, sondern erkannte, dass er ein anderes Leben führen muss – im konkreten Fall, dass er zu seinem Vater, zu seiner Familie zurückkehrt. Im geistigen Sinne also, dass er zu Gott und zur Kirche zurückkommt.
Zwei Schritte waren dazu notwendig:
1. die Erkenntnis, dass etwas geändert werden muss, dass das bisherige Handeln nicht zum Ziel führt:
„Ich will aufstehen und zu meinem Vater gehen, …“
2. das Bekenntnis, dem Vater bzw. Gott gegenüber, dass man gesündigt hat und künftig anders handeln wird:
„… und will zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündigt wider den Himmel und vor dir...“
Wenn der irdische Vater in diesem Gleichnis dem abgefallenen Sohn schon vergeben hat, um wieviel mehr wird der wahre Gott uns vergeben, wenn wir diese beiden Schritte gehen.
So, wie es auch im heutigen Festlied, dem Kondakion des Triodions, heißt:
Deine väterliche Herrlichkeit habe ich töricht verlassen / und in Übeln verschwendet den Reichtum, den du mir übergeben hast: / deshalb rufe ich zu dir den Schrei des Verlorenen: / Gesündigt habe ich vor dir, mitleidvoller Vater; // nimm mich, den Umgeistenden, an und mache mich zu einem deiner Tagelöhner.
Nun gibt es aber auch noch eine dritte Person in diesem Gleichnis, auch diese ist uns wohlbekannt. Der ältere Sohn, der – zumindest äußerlich – den Geboten seines Vaters folgte, auf dem Feld arbeitete und sich eigentlich nichts zuschulden kommen ließ. Soweit, so gut. Aber auch er ging de facto verloren, nämlich in dem Moment, als sich in ihm eine Hartherzigkeit zeigte, als man zu ihm sagte
„Dein Bruder ist gekommen, und dein Vater hat das gemästete Kalb geschlachtet, weil er ihn gesund wiedererhalten hat. Er aber wurde zornig und wollte nicht hineingehen.“
Wenn wir also Gott dienen, unser Leben auf ihn ausrichten, dann tun wir dies nicht in der Erwartung, dass wir hier auf Erden dafür übermäßig erhoben werden, sondern in der Hoffnung darauf, dass wir nach unserem Übergang aus diesem irdischen Leben das himmlische Königtum ererben werden. So denn auch der Vater antwortete:
„Kind, du bist allezeit bei mir, und all das Meine ist dein.“
Und dabei auf das Wesentliche, dass was alles überstrahlt, die Aufmerksamkeit des älteren Sohnes richtete:
„Es galt aber, fröhlich zu sein und sich zu freuen; denn dieser dein Bruder war tot und ist wieder aufgelebt, er war verloren und ist gefunden worden.“
Wir sehen also an diesen drei Hauptpersonen der heutigen Geschichte, dass wir
- Als Eltern oder Nahestehende akzeptieren müssen, wenn jemand eine andere Wahl trifft, als die uns genehm wäre, wir aber dafür beten, dass der- oder diejenige den Weg zu Gott findet,
- Als diejenigen, die von diesem Weg abgekommen sind, die Möglichkeit haben, wieder zurückzufinden, durch Umgeisten, durch Buße und
- Als diejenigen, die so etwas als Dritte miterleben, keinesfalls anfangen sollten unsere eigene Lebensführung mit der anderer zu vergleichen und diese vorzuverurteilen.
Amen.