Predigt zum 26. Sonntag nach Pfingsten über die Dankbarkeit (Lk 17,12-19), 22.12.2024
Liebe Brüder und Schwestern,
zentrales Thema der heutigen Evangeliumslesung ist die Dankbarkeit.
Zehn Aussätzige wurden durch Christus geheilt. Aussätzige bedeutete zu jener Zeit, dass diese Leute ein sehr armseliges, abgeschiedenes Leben genötigt waren zu führen und es für sie keine Aussicht auf Besserung gab. Die ansteckende Krankheit hatte eine vollkommene Isolation zur Folge.
Wir erinnern uns sicherlich noch gut an die nicht vor allzu langer Zeit aufgetretene Situation, als wir durch die Pandemie-Maßnahmen auch schon einer gewissen zeitlich begrenzten Isolation ausgesetzt waren. Da gab es allerdings die berechtigte Hoffnung, dass dieser Zustand irgendwann einmal ein Ende findet, was ja dann auch geschah.
Hier, im vorliegenden Fall, lag das aber völlig anders. Doch in dieser aussichtslosen Situation hilft der Herr den Aussätzigen, er heilt sie.
„Und als er sie sah, sprach er zu ihnen: Gehet hin und zeiget euch den Priestern. Und es geschah: Während sie unterwegs waren, wurden sie gereinigt.“
Sie waren also schon auf dem Weg, als sie geheilt wurden, und nicht mehr direkt bei Christus.
Von den zehn kamen aber neun nicht auf die Idee, nach der Heilung umzukehren, zu Christus zu kommen, und sich für die Rettung zu bedanken.
Nur einer von ihnen, und ausgerechnet nicht einer aus dem jüdischen zu jener Zeit „rechtgläubigen“ Volk, sondern ein Fremdling, ein Samariter tut dieses.
Jesus spricht darauf hin:
„Haben sich sonst keine gefunden, die zurückkehrten, um Gott Verherrlichung zu geben, außer diesem Fremdstämmigen? […] Stehe auf und gehe hin; dein Glaube hat dich gerettet.“
Formale Rechtgläubigkeit reicht also nicht, sondern nur mit offenen Herzen und Augen sind wir in der Lage, zu erkennen, was uns Großartiges geschieht und demjenigen zu danken, der all dieses gewährt.
Wenn wir selbst reflektieren, ob und wie wir Dankbarkeit Gott und anderen Menschen erweisen, dann stellen wir fest, dass wir oftmals eine sehr asymmetrische Denkweise an den Tag legen.
Gern nehmen wir Wohltaten anderer hin oder nehmen gar nicht wahr, was Gott und Menschen um uns herum Gutes tun.
Andererseits sind wir sehr empfindlich, wenn wir jemand anderes geholfen haben und keine Dankbarkeit gespiegelt bekommen.
Diese Asymmetrie können wir nur so auflösen, indem wir den ersten Schritt tun und aus unserem Ich-zentrierten Denken, unserem Egoismus, heraustreten und mit offenen Augen wahrnehmen, was uns geschieht.
Natürlich ist es leichter, anderen zu danken, wenn sie uns Gutes getan haben. Doch auch das Gegenteil, also wenn uns durch jemandem Schlechtes widerfährt, kann für uns ein Impuls sein, zu reflektieren, ob dieses uns nicht dabei hilft, eigene negative Eigenschaften zu bekämpfen. Und das kann dann auch zu einer Dankbarkeit führen, wenn dieser Kampf erfolgreich war und wir uns von diesen negativen Charakterzügen oder Leidenschaften befreiten.
Um so mehr gilt die Dankbarkeit gegenüber Gott. Wir, die wir uns heute zum Gottesdienst versammelt haben, sind gekommen, um diese Ihm gegenüber zu erweisen.
Ein Gebet, welches der Priester nach dem Großen Einzug mit den Gaben halblaut während der Darbringung spricht und deshalb für die Gläubigen nicht direkt die Möglichkeit besteht, dieses zu hören, möchte ich an dieser Stelle zitieren:
„Würdig ist es und recht, Dich zu preisen, Dich zu segnen, Dich zu loben, Dir Dank zu sagen und Dich anzubeten an jedem Ort Deiner Herrschaft. Denn Du bist Gott, der unaussprechliche, unergründliche, unsichtbare, unbegreifliche, immerseiende und gleichbleibende: Du und Dein einziggezeugter Sohn und Dein Heiliger Geist. Du hast uns aus dem Nichtsein ins Dasein geführt und uns Gefallene wieder aufgerichtet und hast nicht nachgelassen, alles zu tun, bis Du uns in den Himmel emporgeführt und uns Dein künftiges Königtum gnädig geschenkt hattest. Für all das danken wir Dir und Deinem einziggezeugten Sohn und Deinem Heiligen Geist, für alle uns erwiesenen Wohltaten, die wir kennen und die wir nicht kennen, die offenbaren und die verborgenen. Wir danken Dir auch für diese Liturgie, die Du aus unseren Händen anzunehmen geruhst, obgleich Dich Tausende von Erzengeln und Zehntausende von Engeln umgeben, die Cherubim und die Seraphim, die sechsflügeligen, vieläugigen, hoch schwebenden, auf Flügeln sich erhebenden, die den Siegeshymnus singen, rufen, jauchzen und sprechen:
Heilig, heilig, heilig, Herr Sabaoth. Erfüllt sind Himmel und Erde von Deiner Herrlichkeit. Hosanna in den Höhen. Gesegnet, der da kommt im Namen des Herrn. Hosanna in den Höhen.
Letzterer Ausruf wird vom Chor gesungen, der hier die Stimme der Gemeinde, der zur Liturgie versammelten, ist. Das ist ein zentraler Moment in der Liturgie. Alle in der Kirche Versammelten bringen gemeinsam die Gaben – Brot und Wein – dar und danken dem Herrn, dafür, dass er alles schuf und dass er uns den Weg zu unserer Errettung nicht verwehrt.
Dank ist also ein wesentlicher Bestandteil des Gottesdienstes, den wir heute und an anderen Tagen feiern.
Zum Abschluss des Gottesdienstes, vor dem Schlusssegen spricht der Diakon in der Ektenie nach der Kommunion:
„Aufrecht. Da wir an den göttlichen, heiligen, allreinen, unsterblichen, himmlischen und lebensspendenden, schauererregenden Mysterien Christi teilgenommen haben, lasst uns würdig danken dem Herrn.“
Und der Priester ergänzt im abschließenden Gebet:
„Denn jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk ist von oben und steigt herab von Dir, dem Vater der Lichter, und Dir senden wir die Verherrlichung, Danksagung und Anbetung empor, dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, jetzt und immerdar und in die Ewigkeit der Ewigkeit.“
Hier wird noch einmal der Dank an Gott dafür gebracht, dass Er unsere Gaben annahm und uns die Kommunion, Leib und Blut Christi, spendete.
Der Apostel Paulus schreibt in seinem ersten Brief an die Thessalonicher:
„Seid allezeit fröhlich, betet ohne Unterlass, seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus für euch.“ (1.Thessalonicher 5,16-18)
In diesem Sinne: Vergessen wir also nicht, Dankbarkeit zu zeigen. In erster Linie gegenüber Gott, aber auch allen anderen, die uns Gutes, aber zuweilen auch nicht so Gutes tun.
Nach unserem Gottesdienst werden die Dankgebete für den Empfang der heiligen Gaben gelesen, seien wir also diesmal besonders aufmerksam, beten diese mit und verinnerlichen ihren Inhalt, damit wir dem einen vormals aussätzigen Samariter nacheifern, der sich in Dankbarkeit an Gott wandte.
Amen.