Predigt zum Gedächtnis aller Heiligen, die in den deutschen Landen aufgestrahlt sind (Lk 5, 1-11), 06.10.2024
Liebe Brüder und Schwestern,
wir feiern heute das Gedächtnis aller Heiligen, die in den deutschen Landen aufgestrahlt sind. Im letzten Jahr wurde erstmalig dieser Festtag begangen, der immer an dem Sonntag gefeiert wird, der dem 3. Oktober am nächsten liegt – in diesem Jahr also heute.
Christ zu sein, ist unabhängig von einer Nationalität oder einer Zugehörigkeit zu einem Volk, wie auch der Apostel Paulus in seinen Briefen bemerkt
An die Römer (Kap. 10): „Denn es ist kein Unterschied zwischen Jude und Grieche, denn er ist Herr über alle, und er ist reich für alle, die ihn anrufen; »denn jeder, der den Namen des Herrn anrufen wird, wird gerettet werden«.“
An die Galater (Kap. 3): „Da ist nicht Jude noch Grieche, da ist nicht Sklave noch Freier, da ist nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus. Wenn ihr aber des Christus seid, so seid ihr damit Abrahams Nachkommenschaft und nach der Verheißung Erben.“
Und an die Kolosser (Kap. 3): „Da ist weder Grieche noch Jude, Beschneidung noch Unbeschnittensein, Barbar, Skythe, Sklave, Freier, sondern Christus alles und in allen.“
Doch ist es natürlich, dass jeder eine Heimatverbundenheit spürt, zumindest die meisten tun das. Das was uns geformt hat, wo wir aufgewachsen sind, wo viele der uns Nahestehenden wohnen, das ist uns nahe. Auch ich freue mich immer wieder, wenn ich zum Beispiel meine Heimat, das Erzgebirge, aufsuche, weil ich die Familie besuche oder dort auch dienstlich tätig bin.
Einen besonderen Bezug haben alle Völker zu den Heiligen, die ihnen nahestehen, z. B. aus dem Grund, weil sie in dem jeweiligen Lande wirkten. Deshalb ist es sehr verständlich, dass wir hier in den deutschen Landen auch Heilige haben, die uns nahestehen. Die Tragik besteht ja darin, dass hierzulande das Christentum ca. 1000 Jahre orthodox war, dann aber spätestens mit dem großen Schisma dies dann nicht mehr der Fall war.
Somit ist in der Orthodoxie, wie wir sie heute – wieder 1000 Jahre danach – vorfinden, bislang in erster Linie den Heiligen gedacht worden, die entweder unbestritten für alle orthodoxen Christen von Bedeutung sind, ich möchte hier nur den Heiligen Nikolaus anführen oder auch die hll. Konstantin und Helena, andererseits spielten in den jeweiligen Patriarchaten sowie anderen autokephalen Kirchen, die im entsprechenden kanonischen Gebiet wirkenden Heiligen eine große Rolle, seien es z.B. der hl. Serafim von Sarov für die russische orthodoxe Kirche oder der hl. Savva für die serbische orthodoxe Kirche und viele andere mehr.
Hier in Deutschland gibt es aber auch eine große Schar von Heiligen, die in den ersten 1000 Jahren hier gelebt und gewirkt haben.
Wer genau darunter fällt ist, nicht immer ganz einfach zu beantworten, da zum Beispiel das Jahr 1054, als das große Schisma vollzogen wurde, also sich das Patriarchat von Rom von den anderen vier Patriarchaten des römischen Reichs trennte, erst der Wendepunkt war, der die sich anbahnende Trennung fixierte.
Der Prozess des Abfalls vom ursprünglichen orthodoxen Glauben setzte allerdings schon früher ein, nämlich zur Zeit Karls des Großen. Er wird sehr gerne als der Europa Einende hervorgehoben, das negative an seinem Wirken aber war, dass er diese vermeintliche Einheit durch das Anstoßen des Prozesses der größten Kirchenspaltung in Kauf nahm.
809 wurde auch auf sein Betreiben hin auf dem Aachener Konzil das Filoque in das Glaubensbekenntnis aufgenommen – einer der zentralen Punkte für die Kirchenspaltung.
Es ist damit nicht so einfach zu beantworten, wer in dieser Zeit welche Position vertrat und damit deswegen es sehr wichtig, sich mit der Vita derjenigen zu beschäftigen, die für eine Aufnahme in den orthodoxen Heiligenkalender in Frage kommen.
In der russischen Kirche sind dies bislang zwölf Heilige, darunter zum Beispiel
- der heilige Märtyrerbischof Bonifatius, Erzbischof von Mainz, Erleuchter Deutschlands (754);
- der heilige Maximianus, Bischof von Trier (347);
- der heilige Maternus, erster Bischof von Köln (4. Jh.);
- der heilige Willibrord, Erzbischof von Utrecht (739);
- der heilige Ansgar, Erzbischof von Hamburg (865);
- die ehrwürdige Lioba von Bischofsheim (782);
Insgesamt gibt es eine Liste von 78 Heiligen der Einen Kirche, die vorgeschlagen wurden, in den Heiligenkalender aufgenommen zu werden. Einige davon sind auf einer Ikone dargestellt „Synaxis Heiliger der deutschen Lande“. Diese wurde in dieser Woche das erste Mal der Öffentlichkeit auf der Diözesanversammlung unserer Diözese vorgestellt, der sie erschaffende Ikonenmaler Alexander Stoljarov war mit dabei vor Ort.
Auf der Webseite des Vereins „Deutschsprachige Orthodoxie in Mitteleuropa“, der hinter diesem Vorhaben der Ikone steht, heißt es: „Die Heiligen der ersten 800 Jahre im westlichen Europa gehören allen Christen gemeinsam: Ihre Verehrung fördert die wahre Ökumene und hilft uns, unser entchristlichtes Land erneut zur Kirche zurückzuführen. Schon seit vielen Jahren unternehmen orthodoxe Gemeinden Pilgerfahrten zu den Reliquien dieser Heiligen. So soll den Eingewanderten ein geistliches Zuhause erschlossen werden und ihren hiesigen Brüdern ein Sinn für die lebendigen Wurzeln ihres Glaubens.“
Das heutige Tagesevangelium, was wir lasen, war ja das vom Fischzug des Petrus aus dem 5. Kapitel des Lukasevangeliums. Das gleiche Thema wird übrigens beim Gedächtnis aller Heiligen, die in den russischen Landen aufgestrahlt sind, aufgegriffen, da wird die entsprechende Stelle aus dem 4. Kap. des Matthäusevangeliums gelesen.
Schöner Zufall oder auch Gottes Vorsehung. Auf jeden Fall sind die Heiligen, von denen wir heute sprachen, die Nachfolger von Petrus und den anderen Aposteln. Haben sie in dem jeweiligen Gebiet, in dem sie lebten, den Glauben weitergetragen, wie dies Christus seinen Jüngern auftrug. Darin sind uns diese Heiligen ein nahestehende Vorbild und aber auch sozusagen unsere lokalen Ansprechpartner vor Gott.
Beschäftigen wir uns also mit dem Leben dieser Heiligen, um sich an ihrem Vorbild zu orientieren, sie haben uns viel zu geben und wir können viel von ihnen lernen.
Nutzen wir ihre Fürsprache vor Gott, so wie es auch in dem heutigen Festlied heißt, dem Troparion im 4. Ton:
Ihr Bischöfe, Märtyrer, Mönche, Gerechte und alle Heiligen, / die ihr im deutschen Lande verherrlicht wurdet, / die ihr mit eurem Blut, eurem Glauben, Werken der Frömmigkeit und Liebe, / mit eurem Wort und Leben Gott gefallen habt, / Ihr wurdet gekrönt mit Kronen der Unverweslichkeit und Herrlichkeit, / betet zu Christus unserem Gott, / auf das Er unserem Lande Frieden gewähre // und unseren Seelen schenke das Heil.
Bitten wir sie um unsere Errettung, die unseres Landes und derer, die darin wohnen.
Amen.