Kommentare zu den Evangelien des Hl. Justin Teil 1 bis 1992

Bote 1988-1
Kommentar zum Hl. Evangelium nach Matthäus

Vater Justin:
  Kommentar zum Hl. Evangelium nach Matthäus

2,3.  Mit ihrer Frage über den neugeborenen König der Juden  versetzten die Weisen Herodes und ganz Jerusalem in Schrecken. König Herodes fürchtete, als Ausländer, seine Krone zu verlieren, denn er war ein Idumäer; aber weshalb fürchtete sich Jerusalem, da die Propheten so viel über Christus als Retter, Wohltäter und Befreier vorausgesagt hatten? Es fürchtet sich aus Leichtsinn11, oder aus dem niedrigen Wunsch, dem Machthaber zu gefallen, oder aus Verderbtheit12 .

2,4.  Herodes war sich dessen bewußt, daß die Weisen nach dem Messias, Christus,  fragten. Deshalb rief er auch die Hohenpriester und Schriftgelehrten zusammen, um  Genaues über die Geburt des Messias zu erfahren.  Sie machen ihm auch genaue Angaben.  Umso größer ist ihre Verantwortung : sie kennen die Prophezeiungen über den Messias, doch sie verwerfen Ihn hartnäckig, verleumden, schlagen und töten Ihn.  Der selige Theophilakt sagt: Herodes fragt sie nach der Vorsehung Gottes, damit sie die Wahrheit bekennen;  deshalb werden sie auch verurteilt werden,  denn sie kreuzigten Den,  Welchen sie zunächst bekannten13.

2,4-6. Dasselbe Geheimnis erschüttert die Seelen der Weisen aus dem Morgenlande und die Seele des Königs Herodes. Nur aus verschiedenen Gründen. Um die quälende Frage zu lösen, ruft Herodes "die Hohenpriester und Schriftgelehrten des Volkes zusammen, und fragt sie:  wo soll Christus geboren werden?"   Die Hohenpriester und Schriftgelehrten als die besten Kenner des Gesetzes und gelehrtesten Ausleger der Heiligen Bücher mußten die prophetische Antwort auf die Frage des Herodes kennen.  Zur Zeit des Herodes gab es eine ansehnliche Zahl  von Hohenpriestern, denn sie wurden oft abgelöst, behielten jedoch den Titel des Hohenpriesters auf Lebenszeit bei. Sie waren Mitgleider des höchsten jüdischen Gerichtes, des Synedrions. Auf die Frage des Herodes antworten sie mit der messianischen Prophezeiung des Propheten Micha. 700 Jahre vor der Geburt des Heilands hatte Micha vorhergesagt,  daß der Messias in der Stadt Bethlehem in Judäa geboren werden wird (Micha 5,2). Das ist es, was Bethlehem groß werden läßt und es verherrlicht. Der Messias wird der Führer der Menschheit und Hirte des neuen Israels sein, des auserwählten Volkes, des Volkes eines heiligen und rettungbringenden Glaubens.  Und Er wird die Seelen Seiner geistlichen Herde auf den Weiden der göttlichen Wahrheit und Gerechtigkeit weiden.
11 Hl. Chrysostomos, ibid., c.67; S. 66
12 Sel. Theophylakt, ibid.
13 ibid.

 

Bote 1988-2
Vater Justin: Kommentar zum Hl. Evangelium nach Matthäus

Vater Justin: Kommentar zum Hl. Evangelium nach Matthäus  

2,7-8  Wenn die Bosheit ein Auge hat, so ist dies immer eines, und dabei immer ein blindes.  Viele Wunder schimmern vor den Augen des Herodes - die jenigen , die mit den Weisen aus dem Morgenlande zusammenhängen, und die aus der  Prophezeiung des Micha. Doch in Herodes wächst die Boshaftigkeit rasend: heimlich ruft er die Weisen zu sich, heimlich fragt er sie darüber aus, wann der Stern erschienen sei, um heimlich, ungestört durch die Juden, ihren Messias, den König der Juden, zu töten. Um seine Christustötende Absicht zu verbergen, verstellt er sich und erklärt den Weisen, daß auch er  den Neugeborenen verehren will.
 Die Absicht des Herodes den Neugeborenen zu töten - sagt der Hl. Chrysostomos, - beweist nicht nur seine Raserei, sondern auch seinen äußersten Unverstand. Sowohl das, was ihm gesagt wurde, wie auch die Ereignisse selbst, konnten ihn von jeglichem derartigen Versuch bewahren. Die Ereignisse verliefen  in einer übermenschlichen Weise. Ein Stern rief die Sternendeuter, fremde unternehmen eine so weite Reise, um sich dem Kind in Windeln und in der Krippe zu verneigen, und die Propheten sagen Ihn voraus. All diese Ereignisse überstiegen den menschlichen Verstand. Dennoch hielt nichts Herodes zurück. So ist die Bosheit; sie schadet sich selbst und unternimmt immer etwas Unmögliches. 14.14 Pred. 7,2-3, c.75; S. 74

Herodes fragt die Magier genau nach der Zeit des Erscheinens des Sternes aus, um genau das Alter des Neugeborenen festzulegen, in der Annahme, daß die Zeit des Erscheinens des Sterns mit der Seiner Geburt zusammenfiel. 15.15 s. Zigaben, a.a.O., c.2, v.7; col. 141
Ich nehme an, erklärt der Heilige Chrysostomos, daß der Stern lange vor der Geburt erschien, denn die Magier müssen viel Zeit auf dem Weg zugebracht haben, um anzugelangen und sich dem Neugeborenen zu verneigen, solange Er in Windeln lag. Daher ist dieses Ereignis wunderbar und ungewöhnlich. Deshalb erschien der Stern auch lange vor der Geburt Christi 16.16 sermo 7,3,c.76;S. 75

Die List des Herodes ist voll von Gift. Der Heilige Chrysostomos sagt: Herodes sagte nicht: geht und fragt nach dem König, sondern er sagte - nach dem Kinde. Ihm war es unerträglich, selbst den Namen auszusprechen, der Macht bedeutete. Und die Magier bemerkten dies wegen ihrer großen Frömmigkeit nicht, denn sie ahnten nicht, daß er solchen Haß entwickeln konnte, um sich einem so wunderbaren Geschehen zu widersetzen. Ohne etwas derartiges zu vermuten, gehen sie, von sich auf andere schließend, von ihm fort. 17. 17 ibid.

2,9-10  Nach der Vorsehung Gottes, sagt der selige Theophylakt, verbarg  sich der Stern für einige Zeit, damit die Magier die Juden fragten, so daß Herodes beunruhigt würde und die Wahrheit noch offensichtlicher zutage trete, und als sie aus Jerusalem fortgingen, erschien der Stern wieder und wies ihnen den Weg. Daraus ist ersichtlich, daß der Stern eine göttliche Kraft darstellte. 18. 18 Theophylakt, ad.loc.

Als die Magier nach Jerusalem kamen, sagt der Heilige Chrysostomos, verbarg sich der Stern, damit sie ohne ihren Weggefährten, gezwungen würden, die Juden zu fragen, und auf diese Weise das Ereignis allen offenkundig würde. Als sie aber fragten und sich bei den Feinden selbst nach dem Kinde erkundigten, erschien der Stern von neuem. Und sie gehen von Jerusalem nach Bethlehem im Gefolge des Sterns. Der Stern reiste wieder mit ihnen, woraus wiederum erkenntlich ist, daß dieser Stern nicht zu den gewöhnlichen Sternen zu zählen ist. - Kein einziger Stern hat solche Gewohnheiten. Er wanderte nicht einfach, sondern ging ihnen voraus und führte sie mitten am Tage gleichsam an der Hand. Vielleicht fragt jemand, warum ein solcher Stern nötig war, wenn der Ort der Geburt bereits bekannt war? Er war vonnöten, um auch den Knaben Selbst zu zeigen, denn sonst hätte man Ihn nicht erkennen können, da ja weder das Haus bekannt war, noch Seine Mutter berühmt und angesehen. Daher eben war der Stern nötig, der sie geradewegs zu diesem Ort brachte. Deshalb erschien er bei ihrer Abreise aus Jerusalem und blieb nicht eher stehen, als bis er an der Krippe angelangt war. 19.19 Serm. 7,3-4, c. 77; S. 75-76

Über die neuerliche Erscheinung des Sterns freuten sich die Magier sehr, "da sie wiederum ihren treuen Wegführer gefunden hatten und vollkommen sicher sein konnten, daß sie Den finden, Den sie suchten". 20. 20 Zigaben, ibid., c.2, v.10; col.144B

2.11    Geführt von dem Stern, innerlich erleuchtet durch göttliches Licht, gestützt auf die Voraussagen der Hll. Propheten, finden die Magier den Gottesknaben, fallen vor Ihm auf die Erde und verneigen sich vor Ihm mit ihrem ganzen Wesen. Von ganzem Herzen beschenken sie Ihn mit reichen Gaben: Gold, Weihrauch und Myrrhe. Im glänzenden Gold war das ganze geistliche und unvergängliche Gold ihrer Seele; im Weihrauch - alle Wohlgerüche ihrer nach Christus strebenden Gefühle; in ihrer Myrrhe alle Gerüche ihrer unsterblichen Hoffnungen. Mit dem unverlöschlichen Feuer göttlichen Glaubens, Liebe und Hoffnung mußten die Seelen der zu Gott eilenden Magier brennen, und so verehrten sie den bescheidenen Christusknaben zusammen mit der demütigen und heiligen Mutter mit ganzem Herzen und voller Freude.
Was veranlaßte die Magier, fragt der Heilige Chrysostomos,  sich zu verneigen, da doch weder die Jungfrau berühmt war, noch das Haus stattlich und nicht einmal in dem Äußeren etwas lag, was sie erstaunen oder anziehen könnte? Indessen, verehren sie Ihn  nicht nur, sondern bringen Ihm auch Geschenke, und zwar Geschenke nicht als einem  Menschen, sondern als Gott, -  denn Weihrauch und Myrrhe waren Symbol einer solchen Verehrung. Was aber bewegte sie und ließ sie von zu Hause aufbrechen und sich auf so einen weiten Weg begeben? - der Stern und die göttliche Erleuchtung ihrer Gedanken, welche sie allmählich zur vollkommenen Erkenntnis führten. Sonst hätten sie Ihm nicht solche Ehre erwiesen angesichts so unscheinbarer äußerer Umstände. Für die Gefühle war da nichts Erhebendes; da war nur die Krippe, die Höhle und die arme Mutter, damit wir daraus klar die Weisheit der Magier erkennen können und uns bewußt werden, daß sie sich  Ihm nicht als einem einfachen Menschen näherten,  sondern als Gott und Wohltäter.  Deswegen ließen sie sich auch von nichts Sichtbarem und Äußerlichem führen, sondern verneigten sich und brachten Geschenke dar, die nicht den groben Darbringungen ähnelten: Lämmern und Schafen,  sondern gleichsam wie wahre Christen, brachten sie Ihm Erkenntnis, Gehorsam und Liebe dar 21. 21 Serm. 8, 1, c. 83; S. 82.

 

Bote 1988-3
Kommentar zum Hl. Evangelium nach Matthäus

Mit der Verneigung der Weisen vor Christus wächst auch ihr Glaube. Gott führt sie allmählich von der geringeren Offenbarung zur größeren, von der kleineren Macht zur größeren. Da sie sich mit ganzer Seele vor dem Neugeborenen als Gott verneigten, führt sie der Herr nicht mehr durch einen sichtbaren strahlenden Stern, sondern teilt ihnen über den unsichtbaren Engel Seinen Willen mit, und zwar im Schlaf.  So sehr wuchs ihr Glaube und entwickelte sich ihr Gehorsam. Und als Menschen göttlichen Glaubens und engelgleichen Gehorsams fragten sie nicht einmal, warum sie nicht zu Herodes zurückkehren sollen, sondern "sie zogen auf einem anderen Wege in ihr Land".
Und hieraus ist zu sehen, sagt der Hl. Chrysostomos, wie groß ihr Glaube war, -  wie sie sich nicht verführen ließen, sondern gehorsam und vernünftig waren!  Sie murren nicht, denken nicht nach und sagen: wenn dieses Kind wirklich groß wäre und irgendwelche Macht hätte, warum ist müssen wir dann fliehen und uns heimlich entfernen, und weshalb schickt uns der Engel aus der Stadt wie Sklaven und Flüchtlinge, während wir doch offen und mutig vor eine solche Menge Volkes und vor den ungebildeten König treten? Nichts dergleichen sagten oder dachten sie, und  das ist gerade auch der deutlichste Beweis des Glaubens: keine Gründe zu suchen für das, was uns aufgetragen wird, sondern sich den Befehlen einfach unterwerfen22.
In diesem Zusammenhang sagt der selige Theophilakt : achte auf die Reihenfolge! Gott führte zunächst die Sternendeuter zum Glauben; danach, als sie nach Jerusalem kamen, belehrte er sie durch den Propheten, daß Christus in Bethlehem geboren wird, und schließlich durch den Engel.  Und sie fügten sich unter die Prophezeiung, d.h. das göttliche Wort. Nachdem sie also die Offenbarung von Gott erhalten hatten, fürchteten sie sich nicht vor Herodes und seiner Verfolgung, sondern faßten Mut,  stützten sich auf die Macht des Geborenen und wurden so zu wahrhaften Zeugen23. Zigaben sagt: bevor sie den Knaben gesehen haben, führt sie der Stern; aber nachdem sie Ihn sahen, spricht der Engel zu Ihnen, wie zu Geheiligten -  wV agiasqeisan24.
Wahrlich außerordentlich ungewöhnlich und groß ist die Tat der Weisen.  Gott trug sie ihnen als Heiden auf sicher wegen ihres riesigen Hungers und Durstes nach Gott und Seiner Wahrheit. Daher waren sie auch die ersten, die mit Christi göttlicher Wahrheit genährt und gesättigt wurden und erfuhren als erste diese wunderbare Seligkeit. Der Hl. Chrysostomos hat zweifellos recht,  wenn er sie als "Erstlinge der Kirche25 bezeichnet. Denn sie kosteten als erste, wie gütig und wunderbar der menschgewordene Gott und Herr ist: Jesus Christus.  Und sie fühlten auch zweifellos und erkannten welch ewige Güter Gottes im gottmenschlichen Leib Christi, der Kirche,  verborgen sind.
Flucht nach Ägypten

2, 13-15. Als unser Herr und Gott Jesus Christus Mensch wurde, ging Er völlig in unsere menschliche Welt ein, die ganz im Bösen liegt (vgl. 1 Jo. 5, 19). Über das menschgewordene göttliche Gute fiel sofort das satanische Böse her, in der Person des Königs Herodes. Der allmächtige Retter duldet unser irdisches Böses und zeigt damit, daß Er unsere menschliche Natur angenommen hat mit allen Bedingungen und Umständen in denen sie sich bewegt, existiert und lebt. Wenn auch allmächtig und allwissend, so flieht der Herr Jesus doch von dem wahnwitzig bösen Herodes, ohne seine wundertätige Kraft zu benutzen, und zwar aus zwei Gründen. Erstens: damit niemand daran zweifelt, daß Er wirklich Fleisch angenommen hat und wahrhaft  Mensch geworden ist. Zweitens: um uns von Anfang an zu zeigen, daß das göttliche Gute in dieser bösen Welt verfolgt werden muß.

2,13. Der gerechte Joseph ist bereits ein völlig gehorsamer Diener des heiligen Geheimnisses des menschgewordenen Gottes. Für alle wichtigeren Angelegenheiten er-hält er Hinweise über den Engel. Ihm ist das allerheiligste  Geheimnis des göttlichen Kindes Jesus vollkommen deutlich:  Jesus ist nicht sein Sohn, sondern der Sohn der Heiligen Jungfrau; die Heilige Jungfrau ist nicht seine Frau, sondern die Mut-ter Jesu; und er ist Deren eifriger Diener, Bewahrer und Beschützer. Als solcher empfängt er auch im Schlaf die Anweisung, mit dem Kind und Seiner Mutter vor Herodes nach Ägypten zu fliehen.
Der Engel erscheint, sagt der Hl. Chrysostomos und sagt nicht zu Maria, sondern zu Joseph: "Ste-he auf, nimm das Kind und Seine Mutter. Hier sagt er schon nicht mehr: deine Frau, sondern - Seine Mutter. Nachdem die Geburt geschehen war,  war der Zweifel vergangen und der Mann war überzeugt, so daß der Engel bereits offen mit ihm sprechen konnte, ohne das Kind oder die Frau sein zu nennen, sondern: nimm,  sagt er,das Kind und Seine Mutter und fliehe nach Ägypten, und er weist auf den Grund der Flucht hin: denn Herodes trachtet nach der Seele des Kindes26.
Aus diesen Ereignissen, sagt der selige Theophilakt, ist ersichtlich, warum Gott zuließ, daß die Jungfrau verlobt wurde. Denn hier ist offensichtlich, daß die Verlobung mit dem Ziel erfolgte, daß Joseph sich um Sie kümmert und sorgt. Der Engel sagte nicht: "nimm deine Frau", sondern "Seine Mutter".  Denn als der Zweifel schwand und sich der Gerechte durch die Wunder bei der Geburt überzeugte, daß alles vom Hl. Geist war, bezeichnete er Sie schon nicht 27.

Die Anweisung des Engels führte den gerechten Joseph nicht in Versuchung, und er sagte nicht: Was soll das heißen? Früher sagtest du, daß Er Sein Volk retten wird, und jetzt rettet Er nicht einmal Sich Selbst, sondern wir müssen in ein fernes Land fliehen? Das widerspricht dem, was versprochen wurde. Aber er sagt nichts dergleichen, sondern war als Verlobter bereit alles mit Freude zu erdulden, sich unterzuordnen und Gehorsam zu zeigen28. Der Herr flieht, damit wir glauben, daß Er wirklich Mensch ist. Denn wenn Er Sich in des Herodes Händen befunden hätte und nicht ermordet würde, dann könnte es so aussehen, als ob Er nur scheinbar Fleisch angenommen hätte29. Wäre der Christusknabe in die Gewalt des Herodes gekommen, sagt der Hl. Chrysostomos, und wäre dem Tod entkommen, dann wäre Zweifel daran entstanden, daß Er einen menschlichen Körper angenommen hatte, und der Glaube an die Größe der Heilsökonomie wäre in Frage gestellt worden. Wenn einige nach diesem und vielen anderen menschlichen Werken es wagten, die Annahme des Körpers als Märchen zu bezeichnen, in welche tiefe Gottlosigkeit wären sie dann verfallen, wenn Er überall so gehandelt hätte, wie es Gott und Seiner Macht geziemt?30

22 Hl. Chrysostomos, ibid., S. 82-83
23 Theophilakt, caput 2, vers. 12
24  Zigaben  , c. 2, v. 12; col. 148 B
25  Hl. Chrysostomos, ibid. Sermo 7, 4, c. 77; S. 76
26 Sermo 8, 2, c.85; S. 84-85
27 Theophilakt, ad loc
28  Hl. Chrysostomos, ibid, S. 85
29 Theophilakt, ibid., ad loc.
30 Sermo 8, 1, c.83, S. 83

 

Bote 1988-4
Kommentar zum Hl. Evangelium nach Matthäus

2, 14-15. Der Gehorsam des gerechten Joseph ist beispiellos; er ist ganz vom Glauben an Gott geprägt, von der Liebe zu Gott, von der Hoffnung auf Gott. Er nimmt das Kind und Seine Mutter und begibt sich heimlich nach Ägypten. So erfüllt der heilige Gehorsam die Prophezeiung des Propheten Hosea  (11,1), welche sich im engeren Sinn auf den Auszug der Juden aus Ägypten bezieht,  im weiteren aber und vollständigeren auf den Aufenthalt Christi in Ägypten. Denn Christus ist der wahre, ewige Sohn Gottes, das jüdische Volk aber, im vielen ein ungehorsamer und unfolgsamer Sohn.
Zur Zeit Christi war Ägypten eine römische Provinz wie auch Judäa, nur daß es nicht unter der Herrschaft des Herodes stand. Es gab hier viele Juden, es gab einen Tempel und Synagogen. Hier war die Heilige Familie außer Gefahr, die Ihr von Herodes drohte.
Der Herr flieht nach Ägypten, sagt der selige Theophylakt, um auch dieses zu heiligen, denn es gab zwei Gegenden, die jeglichem Übel ergeben waren: Babylon und Ägypten. Die Verehrung Babylons nahm der Herr über die Weisen an, Ägypten aber heiligte Er durch Seine eigene Anwesenheit31. Da Babylon und Ägypten mehr als alle übrigen Teile der Erde vom Feuer der Gottlosigkeit verwüstet waren, sagt der Hl. Chrysostomos, zeigt der Herr von Anfang an,  daß Er die Bewohner beider bessern wird, schickt die Weisen aus Babylon und geht Selbst mit Seiner Mutter nach Ägypten. In Ägypten angelangt heiligte Christus durch Seine Anwesenheit dieses ganze Gebiet32.

Der Kindermord des Herodes

2, 16  Die  Machtgier gleicht einem blutrünstigen Dämon.  Sie blendet durch Haß und Neid in Menschen alle Augen der Seele, und der Mensch begeht verschiedenartige Untaten wie etwas Natürliches und Normales.  Er sieht selbst in den offensichtlichen Wundern Gottes für sich weder einen Hinweis, noch eine Erinnerung, noch einen Ratschlag oder eine Drohung. So ist Herodes: aus Machtgier von Haß und Neid gegen den neugeborenen Messias geblendet, will er nicht aus so vielen göttlichen Zeichen und Wundern lernen und im Messias Gott und den Herrn anerkennen, dem er nichts anhaben kann, sondern er tötet in Bethlehem und Umgebung alle Kinder unter zwei Jahren. Mit dem einzigen Ziel: unter diesen Kindern auch den Herrn Jesus zu ermorden.  Besessen von Machtgier, fühlte Herodes nicht, daß er den Unsterblichen nicht töten kann selbst wenn er alle Todesarten aller Welten auf Ihn losließe.
In dieser Welt, in diesem Reich des Todes lauert der  Tod dem Herrn Christus durch verschiedene Herodes von Seiner Krippe an auf. Wie das Böse nicht das Gute duldet, so duldet der Tod nicht den Unsterblichen. Es ist offensichtlich: der Teufel duldet Gott nicht.  Daher dulden auch Menschen, die die Sünde lieben, Gott und den Herrn Jesus nicht. Alles was in ihnen teuflisch ist, kämpft ständig mit dem Gottmenschen.  Ihr intimer Wunsch:  daß Gott nicht in der Welt sei. Daran arbeiten sie mit ihrem ganzen Wesen. Herodes ist das Beispiel eines verbissenen Atheisten. Um den Jesus-Knaben zu töten, opfert er abertausende unschuldiger Kinder. Wenn jemand behauptet: die Kinder sind um Christi willen  getötet, so höre er zur Antwort: nicht um Christi willen, sondern um der Machtgier und Grausamkeit des Herodes willen; Gott ließ die Untat des Herodes zu, aber leitete ihn nicht dazu an. Hätte er es gewollt, so hätte sich Herodes dieser Untat enthalten können, denn er erhielt sowohl von den Weisen als auch von dem Stern und dem Propheten deutliche Beweise dafür, daß das Neugeborene von Gott gesandt und von Gott behütet ist und die Menschen Ihm nichts anhaben können. Der Hl. Chrysostomos sagt: nicht Christus war der Grund für den Tod der Kinder, sondern des Herodes Grausamkeit. Warum erzürnte sich Herodes, als er erkannte, daß die Weisen ihn betrogen hatten? Wußte er etwa nicht, daß die Geburt göttlich war? Rief er denn nicht die Hohenpriester zusammen? Versammelte er nicht die Schriftgelehrten? Wiesen die Hohenpriester und die Schriftgelehrten nicht auf den Propheten hin, der dies seit langem voraussagte? Hörte er nicht, daß auch der Stern den Weisen diente? Schämte er sich denn nicht vor dem Eifer der Heiden? Wunderte er sich nicht ob ihres Mutes? Erschrak er nicht vor der prophetischen Wahrheit? Warum dachte er nach all dem nicht darüber nach, daß es hier nicht um den Betrug der Weisen ging, sondern um die Macht Gottes, die alles in der richtigen Weise einrichtet?33
Über die Ermordung der unschuldigen Kinder  sagt der selige Theophilakt: seinen Zorn auf die Weisen aus dem Morgenlande wendet  Herodes gegen diejenigen, die ihm nichts getan hätten. Doch sagst du vielleicht: was ist das? Haben die Kinder Unrecht gelitten nur dafür, daß des Herodes Bosheit offenbar werde.  Hör also:  weshalb wurde der Kindermord zugelassen? Damit die Bosheit des Herodes offenbar werde; die Kinder sind nicht verloren, sondern wurden der Märtyrerkronen gewürdigt. Denn jeder, der hier auf Erden irgendein Unrecht erleidet, leidet entweder um der Vergebung der Sünden  willen, oder um der Vermehrung der Kronen, Belohnungen34. Beleidigungen, ungerechte Leiden, wer sie uns auch immer zufügen mag, sagt der Hl. Chrysostomos,  rechnet uns Gott entweder zur Vergebung der Sünden, oder zum Erhalt von Belohnungen an.  Durch unsere Leiden gleiche wir entweder unsere Sünden aus, oder, wenn wir keine Sünden haben, erhalten wir ihrentwegen die wertvollsten Kronen35.

Von der Ermordung der Kinder von Bethlehem wußte Gott nicht  nur zuvor, sondern Er sagte sie sogar durch Seinen Propheten voraus. Und zwar deshalb, weil die unschuldigen Kinder von Bethlehem die ersten Märtyrer für Christus wurden. Und als solche erhileten sie als erste von Gott heilige und ewige himmlische Belohnungen.
Diese Prophezeiung (im 18. Vers)  ist dem Buch des Propheten Jeremias (31, 15) entnommen. Rama ist eine kleine Stadt im Stamm Benjamins. Hier versammelte Nebuchadnezars Heerführer Nebusaradan die gefangenen Juden, um sie nach Babylon zu führen (Jerem. 40, 1). Dieses traurige Ereignis beschreibt Prophet Jeremias als Grund des untröstlichen Weinen Rachels, der Mutter Benjamins über das schwere Schicksal ihrer Nachkommer. Der Evangelist zeigt, daß dieses Ereignis auch ein prophetisches Urbild des Leidens der unschuldigen Kinder von Bethlehem war. Rama wird mit Bethlehem verglichen, da Rachel in der Nähe von Bethlehem beerdigt war.
Nachdem der Evangelist, sagtder Hl. Chrysostomos, den grausamen, ungerechten, gewaltsamen und gesetzlosen Mord an den Kindern beschrieben und die Seele des Hörers mit Schrecken erfüllt hat, tröstet er ihn jetzt auch, indem er sagt, daß dies nicht geschah, weil Gott dies nicht hätte verhindern können oder es nicht vorausgesehen hätte, sondern daß Er dies voraussah und durch Seinen Propheten voraussagte. Wir dürfen also nicht unsicher oder kleinmütug werden, wenn wir über Gottes unaussprechliche Voraussehung nachdenken, welche sowohl in Gottes Handeln, als auch in Gottes Zulassung offenbar wird. Ohne Gottes Wissen geschiht nichts. Gott weiß alles, wenn Er auch nicht alles tut36.
Was ist Rachel und Bethlehem gemein? Was verbindet Rama mit Rachel? Rachel war die Mutter Benjamins; sie wurde nach dem Tod in der Nähe von Rama beerdigt (Gen.  35, 19).  Da also sowohl ihr Grab in der Nähe von Rama war, als auch Rama in zum Erbteil Benjamins, ihres Sohnes, gehörte, bezeichnet der Evangelist die ermordeten Kinder sowohl nach dem Stammvater, als auch nach dem Ort der Beerdigung mit vollem Recht als Kinder Rachels37 .

31 Theophylakt, ad loc.
32 sermo 8,2 u.4, c. 84 u. 87; S. 84 u. 86
33 sermo 9, 1, c. 176-7; S. 90-91
34 Theophylakt, caput 2, vers. 16
35 sermo 9, 2, c. 177, S. 91
36 sermo 9, 3, c. 179, S 93
37 ibid.

 

Bote 1989-1
Kommentar zum Hl. Evangelium nach Matthäus

3,1-31. In jenen Tagen aber kommt Johannes der Täufer und predigt in der Wüste von Judäa und spricht: 2. Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe. 3. Denn dieser ist der, von welchem durch den Propheten Jesajas gesprochen ist, welcher spricht: "Stimme eines Rufenden in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn, machet gerade seinen Pfad".

Buße ist die Verwandlung der Seele von oben bis unten:  alle Sünden werden aus der Seele herasugedrängt, alle Gedanken werden rein und hei-lig, alle Gefühle gut und edel. Unter dem Einfluß der heiligen Kräfte Gottes wird im Menschen das Herz und der Geist und die Seele erneuert. Und das erneuerte Herz strahlt lichte und heilige Gefühle aus. Der erneuerte Geist strahlt lichte und heilige Gedanken aus. Solche Gefühle und solche Gedanken ziehen in die Seele alles himmlische, göttliche, unsterbliche, ewige. Was sage ich? Sie siedeln sogar den Herrn Christus Selbst in der Seele des Menschen an. Und ein wahrer Büßer kann zusammen mit dem Apostel Paulus sagen: "Wir ha-ben Christi Sinn" (1 Kor. 2, 16). Hat der Mensch Christi Sinn, dann denkt er mit Christus, fühlt mit Christus, lebt mit Christus (vgl. Gal. 2, 20). Er denkt mit Christus über die Welt, über das Leben, über den Himmel, über die Erde, über alles Sichtbare und Unsichtbare. Jeder Gedanke dieses Menschen ist ein Christus Gedanke und jedes Gefühl ist ein Christus Gefühl. Ein solcher Mensch überprüft jeden seiner Gedanken und jedes seiner Gefühle durch Christus.
Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe, d.h. der Messias naht, der Erlöser, der Gottmensch und mit Ihm und nach Ihm das ganze Himmelreich, denn wo der Herr Christus ist, der König des Himmels, da ist auch das Himmelreich mit all seinen Werten und Freuden. Die Sünden verwandeln die irdische Welt in eine Wüste, in die Hölle; die Buße verwandelt sie in den Himmel, in das Paradies. Den Menschen ist gewaltige Macht gegeben, aber auch Verantwortung, sie können diese Welt in ein Reich der Sünder verwandeln -  die Hölle, und in ein Reich des Guten - das Paradies. Sie können mit Gott und mit dem Teufel leben. Das Leben mit dem Teufel, d.h. mit der Sünde, verwandelte das Paradies in die Hölle; das Leben aber mit Gott, d.h. mit dem Guten, verwandelt diese Welt in das paradies, in das Himmelreich. Sowie in unserer irdischen Welt der Teufel durch die Sünde herrscht, so herscht in ihr Gott durch das Gute. Jede menschliche Seele ist sowohl Wüste als auch Hölle, solange der Herr Christus nicht in ihr einzug hält. Und Er zieht in sie durch die Tugwenden des Evangeliums ein: Buße, Gebet, Fasten, Liebe, Milde, De-mut, Geduld. Sowie Er einzieht, wunderbar und wundertätig, verwandelt Er sofort die Wüste in eine Pflanzstätte himmlischer Wünsche, unsterblicher Gedanke und ewiger Gefühle; in einem Wort: Er verwandelt die Hölle in das Paradies.
Johannes der Täufer, sagt der Hl. Chrysostomos verkündet lauthals dem jüdischen Volk, das, was dieses  weder von den Propheten noch von  irgend jemandem gehört hatte: den Himmel und das Himmelreich, und er spricht von nichts Irdischem mehr. Unter dem Himmelreich aber versteht er das erste und zweite Kommen Christi. In Ergänzung zum Hl. Chrysostomos sagt der selige Theophylakt: unter dem Himmelreich versteht der Täu-fer das erste und zweite Kommen Christi und ein tugendhaftes Leben. Denn wenn wir während unserer Wnderschaft auf der Erde gleichsam im Him-mel leben, weit von den Leidenschaften, dann ha-ben wir das Himmelreich. Als Himmelreich, sagt Zigaben, bezeichnet der Täufer Christus, als König des Himmels nach der Gottheit. Als Himmelreich bezeichnet er auch das engelgleiche Leben - thn politeian twn aggelwn - , welches Christus bald durch die Gebote des Evangeliums einführen soll-te. Als Himmelreich wird auch der Genuß der himmlischen Güter bezeichnet. Das Himmelreich bezeichnet auch viele andere wichtige Dinge, was aus den folgenden Ausführungen deutlich wer-den wird.

3, 3 Die Persönlichkeit des Heiligen Täufers ist in der gottmenschlichen Heilsordnung von solcher Bedeutung, daß ihn als Vorläufer des Erlösers der gottschaunde Prophet Jesajas voraussagte. Die Aufgabe des Vorläufers ist es den Erlöser voranzugehen und die Menschen dazu aufzurufen, sich auf den Empfang des Erlösers vorzubereiten. Der Vorläufer ist die Stimme, die in erschütternder Wei-se die gesamte Tragik der alten Welt ausdrückt,die ganze Verzweiflung  der alttestamentlichen Men-schheit, die in der endlosen Wüste des Todes und der Sünde verloren und verrannt war. Über diese Wüste erschalt die unüberhörbare Stimme: bereitet den Weg des Herrn, machet gerade Seinen Pfad! - doch wo ist der Weg des Herrn, wo sind Sei-ne Pfade? In eueren Seelen. Denn jede Seele hat den Weg des Herrn und die Pfade des Herrn in sich. Der Weg des Herrn in der Seele ist die Gott-ähnlichkeit der Seele selbst, und die Pfade des Herrn: die göttlichen Tugenden. Doch wenn man nicht nach Gott und in Gott lebt, nicht in der Gott-ähnlichkeit der Seele lebt, so ist der Weg des Herrn verwildert und verlassen, von Lastern aufgewühlt, von Leidenschaften zerfurcht, von Gesetzlosigkeiten verdorben. Und die Pfade des Herrn? Sie sind verworren durch ein sündiges Leben, überwachsen vom Dornengestrüpp sündiger Genüsse und überwuchert von verführerischen Leidenschaften. Weder der Weg des Herrn noch die Pfade des Herrn sind zu erkennen. Was soll man dann tun? Durch Buße die Dornen der  Genüsse und das Gestrüpp der Leidenschaften ausreißen; durch Demut den Stolz aus der Seele herausdrängen, durch Gebet und Fasten die Fleischeslust, durch Liebe den Haß, durch Milde den Zorn, durch Eifer die Faulheit, durch Gottesliebe die Liebe zur Sünde, durch Nächstenliebe die Bosheit. So wird auch der Weg des Herrn vorbereitet sein und die Pfade des Herrn geebnet. Und auf ihnen wird mit Freud der Allgute und Allbarmherzige Herr in die Seelen der demütigen und arbeitsamen Büßer einziehen. Des Menschen Sache ist es, seine Seele für den Herrn zu bereiten. Bereitet er sie nicht, so ist dies ein Zeichen dafür, daß er die Ankunft des Herrn nicht wünscht. Zu einem solchen Menschen kommt der Herr auch nicht, denn Er zwingt Sich niemanden mit Gewalt auf.
Zu den zitierten Worten des Propheten Gottes Jesajas sagt der Selige Theophylakt: Als Weg wird das Evangelium bezeichnet, als Pfade die Bestimmungen des Gesetzes, denn sie sind veraltet und alt. Deshalb sagt der Täufer: seid bereit zum Leben nach dem Evangelium und macht die Gebote des Gesetzes gerade,  d.h. geistlich, denn das Wort "gerade" bedeutet Geist. Wenn du siehst, daß ein Jude die Bestimmung des Gesetzes körperlich auffaßt, dann sag, daß er die Pfade nicht gerade macht, d.h. das Gesetz nicht geistlich auffaßt.
Nach dem Kommentar des Zigaben, bezeichnet der Prophet als Weg des Herrn und Seine Pfade die Seelen, durch die die Predigt des Evangeliums kommen sollte. Er rät, die Seelen zu bereiten, d.h. durchdie Buße zu reinigen: daß das Dornengestrüpp der Leidenschaften ausgerissen wird, die Steine der Sünde fortgeworfen, und sie so gerade und eben werden zur Aufnahme des Evangeliums.

 

Bote 1989-2
Kommentar zum Hl. Evangelium nach Matthäus

Mt. 3,4 Er aber, Johannes, hatte seine Kleidung von Kamelhaaren und einen ledernen Gürtel um seine Lenden; seine Speise aber war Heuschrecken und wilder Honig.
Als wahrer Prediger der Buße predigte der Vor-läufer die Buße nicht nur mit Worten und Taten, sondern auch mit seiner Speise und Kleidung: Er aber, Johannes, hatte seine Kleidung von Kamelhaaren und einen ledernen Gürtel um seine Lenden; seine Speise aber war Heuschrecken und wil-der Honig. - Der allgemeine Beichtvater menschli-cher Sünden zeiht, daß Demut und Fasten die Lungen der Buße sind. Wer wirklich Buße tut, führt Seele und Leib mit Demut und Fasten durch diese Welt, welche im Argen liegt.  Die erste Tugend der Seele ist die Demut, und die erste Tugend des Leibes das Fasten. Gemeinsam reinigen sie durch die Buße sowohl Seele als auch Körper von jegli-chem sündigen Schmutz und Unreinheit der Leidenschaften. Und so führen sie Seele und Leib zu ihrem himmlischen Ursprung zurück. Denn nichts bereitet die Seele und den Leib so auf das Himmelreich vor, wie reumütige Demut und reumüti-ges Fasten. Darin sind unsere unfehlbaren Lehrer: der Heilige Johannes der Täufer und der Hl. Apostel Paulus. Als Kämpfer, die in dieser Welt unabläs-sig für das ewige Leben und das Himmelreich käm-pfen, enthalten sie sich von allem, töten ihren Kör-per ab und engen ihn ein(vgl. 1 Kor. 9, 25. 27), um ihn für Christus und Sein Reich würdig zu machen.
Streng und hart gegen sich selbst, nährt sich der Hl. Vorläufer durch Heuschrecken. Dies ist eine besondere Art von Heuschrecken, die auch heute im Nahen Osten den ärmeren Menschen zur Speise dient. Der Gebrauch solcher Heuschrecken war durch das Gesetz Moses erlaubt (3 Mos. 11, 22). Als strenger Faster aß er niemals Brot, sondern neben Heuschrecken genoß er wilden Honig. Und dieser Honig ist "sehr bitter und von widerlichem Geschmack". Um Christus auf würdige Weise zu begegnen, unterzieht sich der Hl. Vorläufer von der Wiege an strengstem Fasten und härtester Askese. Und damit zeigt er deutlich, daß man sich Christus in würdiger Weise nur durch ein langes reumütiges Fasten und demütig reumütige Aske-se nähern kann.
Von dem asketischen Leben des Hl. Vorläufers sagt der Hl. Chrysostomos: es war seltsam und ungewöhnlich, im menschlichen Körper solche Geduld zu sehen. Dies zog besonders auch die Juden an. Sie sahen in ihm den großen Elias. Das Geschehen, dessen Zeugen sie waren, erinnerte sie an diesen heiligen Menschen, und verwunderte sie sogar noch mehr. Wahrlich, Elias hatte in Städten und Häusern gegessen, Johannes aber lebte von der Wiege an ständig in der Wüste. Der Vorläufer Dessen, Der alles Alte vernichten sollte, wie da sind: Mühe, Fluch, Qual und Schweiß, mußte auch selbst gewisse Zeichen einer solchen Gabe besitzen und über den alten Fluch erhaben sein. Das war Johannes auch. Er bearbeitete nicht die Erde, pflügte nicht und aß kein Brot im Schweiß seines Angesichts, sondern hatte fertige Speise, fand die Kleidung leichter als die Speise und um eine Wohnung kümmerte er sich noch weniger als um die Kleidung. Er brauchte weder Haus noch Bett, noch einen Tisch oder irgend etwas ähnliches, sondern, obwohl er einen Körper trug, führte er engelgleiches Leben. Deshalb trug er auch ein Hemd aus Kamelhaar, um uns durch das Kleid selbst zu lehren, daß wir uns von allem Men-schlichen entfernen,  und nichts gemeinsam mit der Erde haben, sondern zu unserer ursprüngli-chen Erhabenheit, in der einstmals Adam lebte, bevor er das Verlangen nach Speise und Kleidung verspürte. So diente des Johannes Kleidung als Zeichen seiner königlichen Würde und der Buße. Johannes lebte in der Wüste, wie im Himmel, er-füllte streng alle Regeln der Philosophie, der wirklichen Weisheit, und von dort kam er wie ein Engel vom Himmel in die Städte, er, der Vorkämpfer der Frömmigkeit, gekrönt vom ganzen Universum, und Philosoph einer Philosophie, die des Himmels wür-dig war. Dabei war er so zu jener Zeit, als die Sünde noch nicht vergeben war, das Gesetz noch nicht aufgehört hatte, der Tod noch nicht gebunden, die Tode der Hölle noch nicht zerstört, sondern das Alte Testament noch seine Gültigkeit besaß und inkraft war. Eine so mutige und starke Seele war das: sie besiegt alles und überwindet alle Hindernisse .
3,5-6 Da ging zu ihm hinaus Jerusalem und ganz Judäa und die ganze Umgegend des Jordan; und sie wurden von ihm im Jordan getauft, indem sie ihre Sünden bekannten.
Die gesamte Erscheinung des Hl. Vorläufers zeigte, daß er nicht nur ein Prophet war, sondern etwas "mehr als ein Prophet" (Mt. 11, 9). Mit allen Augen seiner heiligen Seele dem wunderbaren Antlitz des Messias zugewandt, spricht er ständig vom Himmelreich, vom Eingang in dieses durch die Buße, von seiner Unwürdigkeit vor dem Messias. Als sei er ganz vom Himmel, und als sei in ihm nichts irdisches, so ist er mit seinem ganzen Wesen dem Himmel und dem Himmelreich zugewandt. Das macht ihn auch anziehend für die Zeitgenossen; sein Erscheinen regt sie zur Buße und zur Beichte ihrer Sünden an. Der Evangelist bezeugt: Da ging zu ihm hinaus Jerusalem und ganz Judäa und die ganze Umgegend des Jordan; und sie wurden von ihm im Jordan getauft, indem sie ihre Sünden bekannten. - Obwohl sie die Taufe annahmen, sagt der selige Theophylakt, verlieh ihnen die Taufe des Johannes nicht die Vergebung der Sünden. Johannes verkündete nur die Buße und führte zur Vergebung der Sünden, d. h. führte zur Taufe Christi, durch die die Vergebung der Sünden erlangt wird.
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Bote 1989-3
Kommentar zum Hl. Evangelium nach Matthäus

Justin

Mt. 3, 7
Áls er aber viele der Pharisäer und Sadduzäer zu seiner Taufe kommen sah, sprach er zu ihnen: Otternbrut! Wer hat euch gewiesen dem kommenden Zorn zu entfliehen?

Der ungewöhnliche Wüstenbewohner und Prediger der Buße zieht die hochmütigen Pharisäer und ungläubigen Sadduzäer an. Und sie sehen in ihm etwas unüberwindliches, göttliches, etwas zum Himmel strebendes, was sie anzieht und in himmlische Welten führt. Erstarrt in kleinlichen Überlieferungen, verloren in den Labyrinthen selbstgemachter Kombinationen, fühlten die Pharisäer doch eine himmlische Wahrheit in der Predigt des Johannes und eine göttliche Wahrheit in seinem Leben. Und sie gingen zu ihm, damit er sie tauft. Das gleiche gilt auch für die Sadduzäer. In ihre verschlossene und einsame Welt flog das donnernde Wort und der himmlische Gedanke des heiligen Wüstenbewohners vom Jordan, und sie wurden aus dem Schlaf ihrer stolzen Herrschaft gerissen und machten sich auf den Weg zu dem Wüstenbewohner um sich taufen zu lassen.
Die Erscheinung des Heiligen Vorläufers bedeutet eine ganze Revolution für seine Volksgenossen. Der Beweis dafür sind die Pharisäer und Sadduzäer. Als er auch sie aufrüttelte und aus ihren egoistischen Festungen herausführte, vollbrachte er wirklich eine ungewöhnliche Revolution in der damaligen Welt. Gelehrt und geschickt, herr-schten die Pharisäer und Sadduzäer geistlich über das jüdische Volk und waren die Träger seiner his-torischen Werte und Hoffnungen. Sie stellten die zwei zahlenstärksten und einflußreichsten Gruppen, die auch als politische Parteien auftraten.
Das hebräische Wort Pharisäer bedeutet "abgesondert". DiePharisäer waren vom einfachen Volk durch die Wissenschaft und das Leben abgesondert. Ihre Herkunft ist in der nachbabylonischen Zeit nachzusetzen; besondere Bedeutung erlangten sie erst nach der Zeit der Makkabäer. Sie verehrten besonders das geschriebene Mosaische Gesetz, erkannten aber auch viele Überlieferungen an, die ihrer Meinung nach mündlich von Mo-ses und anderen alttestamentlichen Propheten herstammten. Die Heilige Schrift und diese Überlieferungen stellten die Norm des Glaubens und Lebens dar. Sie stützten sich besonders auf die Überlieferung und arbeiteten ein ganzes System von Anweisungen und Vorschriften für ihr äußeres Leben aus. Sogar das geschriebene Gesetz veränderten sie und passten es den kleinen und kleinlichen Vorschriften ihrer Überlieferungen an. In der Folge schrieben sie dem äußeren Verhalten eine riesige Bedeutung zu; gute Taten vollbrachten sie aus egoistischen und liebedienerischen Gründen, damit die Menschen sie sähen; aus den gleichen Gründen übten sie sich in Fasten, Gebet und Almosen. In sozialer Hinsicht stellten sie eine besondere Partei dar: sie waren Nationalisten und Chauvinisten, erbitterte Feinde der Fremdherrschaft, der Römer, welche die Härodianer unterstützten. Sie hatten einen enormen Einfluß beim Volk; sie waren sehr ehrsüchtig und herrschsüchtig. Zur Zeit Christi gab es ihrer um 6.000.  Es versteht sich, daß unter ihnen auch lichte Ausnahmen waren, wie Nekodemus, Saulus und Gamalael.
"Sadduzäer" bedeutet in der hebräischen Sprache "rechtschaffen". Dies war eine andere, sehr mächtige Partei, den Pharisäern entgegengesetzt. Sie führen ihren Ursprung auf den gelehrten Rabbiner Saddok zurück, der 260 Jahre vor Christus lebte.Sie verwarfen die Überlieferungen der Pharisäer völlig und hielten sich streng an das geschriebene Mosaische Gesetz. Sie waren entschiedene Gegner der formalistischen, überlieferungsgläubigen Frömmigkeit der Pharisäer. Sie mühten sich darum, das Joch des Gesetzes so leicht und angenehm zu machen. Sie negierten die persönliche Unsterblichkeit der Seele, die Auferstehung der Toten, Engel und die Vorsehung Gottes. Als sture und einseitige Rationalisten sahen sie den menschlichen Willen als einzige Ursache von Gut und Böse an. Als politische Partei vertraten sie Kompromißlösungen im Verhältnis zur Besatzungsmacht, daher wurden sie als Freunde der Römer angesehen.
Warum bezeichnet der heilige und gerechte Täufer die Pharisäer und Sadduzäer, die um der Taufe willen zu ihm kamen, als Otternbrut? Weil er  ihren Unglauben an den Herrn Christus, ihr verbrecherisches Verhalten Ihm gegenüber voraussah. Und der Heilige Täufer schätzte jeden Menschen einzeln und jede Gruppe von Menschen zusammen nach ihrem Verhältnis zum Heiland Christus. Als sie zu dem Täufer kamen, folgten sie zweifellos jenem göttlichen Antrieb ihrer Seele, welcher in ihnen noch nicht ganz erloschen war; doch der heilige Prophet sah durch Gottes Offenbarung voraus, wie sie sich gegenüber dem fleischgewordenen Gott verhalten würden, und deswegen bezeichnete er sie als Otternbrut. Eine solche Bezeichnung wurde später durch das Verhalten von Pharisäern und Sadduzäern gegenüber dem Lebensweg des Täufers gerechtfertigt. Aus diesem Lebensweg zogen sie nicht die für sie einzig rettungbringende Lehre: an Christus den Retter zu glauben und so die Rettung für sich und das ewige Leben zu erlangen. Als sie der Herr Christus frag-te, woher die Taufe des Johannes sei - vom Him-mel oder von den Menschen, antworteten sie "wir wissen es nicht", denn sie wurden von nichtigen und egoistischen Gründen gelenkt: wenn wir sa-gen "vom Himmel", wird er uns sagen: "warum habt ihr da nicht geglaubt", wenn wir aber sagen "von den Menschen", so fürchten wir das Volk, denn alle hielten Johannes für einen Propheten (Mt. 21, 25-27).
Da sie nicht an die grundlegende Frohbotschaft der Vorläufers glaubten, an den Sohn Gottes, den Retter der Welt von den Sünden, Tod und Teufel, nennt der Vorläufer die Pharisäer und Sadduzäer Otternbrut und droht ihnen womit? Mit dem kommenden Zorn, dem Zorn des sanften Heilands, Der als Gott der Liebe in die Welt kommt und allen und jedem die Rettung von Sünde, Tod und Teufel darbietet. Wer den Gott der Liebe und seine Rettung nicht annimmt, zieht Gottes Zorn auf sich, Der mit Recht auf jegliche Gottlosigkeit und menschliche Falschheit ausgegossen wird (vgl. Röm. 1, 18). Durch die Flucht vor dem Zorn, der über die menschlichen Sünden kommt, zeigen und zeu-gen die Pharisäer und Sadduzäer, daß die menschliche Natur, bewußt oder unbewußt, fühlt und merkt, daß die Sünde Strafe erfahren muß, wenn der Mensch sich nicht befreit, nicht gerettet wird.

 

Bote 1989-4
Kommentar zum Hl. Evangelium nach Matthäus

Bringet nun der Buße würdige Frucht.
Die Buße erschüttert den ganzen Menschen, sein ganzes Wesen. Sie pflügt und gräbt das gan-ze Feld der menschlichen Seele um. Doch dies ist nur die erste Hälfte der Buße. Die zweite liegt da-rin, würdige Frucht der Buße zu bringen. Frucht der Buße zu bringen setzt lange und angespannte Arbeit voraus: Aussaat, Pflege und Ernte. Früchte der Buße sind die göttlichen Tugenden: Sanftmut, Demut, Gebet, Fasten, Liebe, Mildtätigkeit, Geduld. Sie werden aus der Buße herausgeboren, wie aus einer Wurzel. Wenn die Buße in die menschliche Seele Eingang findet und ihre Wurzeln in all ihre Schichten einläßt, wird die Seele fruchtbar; die Unfruchtbare wird fruchtbar und gebiert würdige Früchte der Buße: die göttlichen Tugenden. Auf dieser Welt stellt die menschliche Seele den geeignetsten Boden für den himmlischen Samen der göttlichen Tugenden dar. Und die Buße - das beste Klima. Sie alle werden in der Seele durch Buße em-pfangen. Durch die Buße sprießen sie auf, wachsen und reifen sie. Daher ist die ununterbrochene bußfertige Haltung in der menschlichen Seele die wichtigste Voraussetzung dafür, daß diese würdige Früchte der Buße gebiert: die göttlichen Tugenden.
Aus all diesen Gründen bedeutet die Buße eine völlige Umkehr des menschlichen Wesens und Lebens: eine Umkehr der Gedanken, Gefühle, Wünsche, Neigungen; Umkehr des ganzen Le-bens und Wirkens. Ein bußfertiger Mensch bringt in sich würdige Gedanken, Gefühle, Wünsche, Neigungen, Taten hervor; würdig wessen? Gottes, vor Dem er ja Buße tut. Vor der Buße lebt der Mensch für sich und die Sünde. Denn im Stolzen und selbstherrlichen Dasein des Menschen für sich und von sich selbst ist sowohl Sünde als auch Wahnsinn. Ja, Sünde und Wahnsinn, denn in dieser irdischen Welt lebt nicht ein Grashalm, nicht ein Vogel für sich und von sich, sondern sie brauchen Sonne und Himmel, Luft und Erde und das ganze Weltall und alle seine Kräfte! Und wie sollte der Mensch all das nicht brauchen? All das und noch etwas unvergleichlich höheres als dies, nämlich Gott!
Ohne Zweifel lebt der Mensch vor der Buße, wenn er sich selbst lebt, tatsächlich der Sünde und nach der Sünde. Und das bedeutet, er lebt dem Teufel und im Teufel, denn in jeder Sünde ist irgendwo der Teufel. Das grundlegende Gesetz des teuflischen Seins und Lebens liegt darin, daß man Gott nicht in sich haben will und nichts göttliches, sondern stolz und eigenwillig für sich, in sich, von sich leben will. Tut der Mensch Buße, so beginnt er in Gott zu leben, in Gott zu denken, in Gott zu fühlen, in Gott zu handeln. Und das bedeutet, daß der Mensch beginnt in den göttlichen Tugenden zu leben. Sie werden zum Gesetz seines Lebens und Wirkens, zum Gesetz seines Denkens und Seins. Durch sie fließen alle göttlichen lebenspendenden und schöpferischen Kräfte in die büßende Seele und verwandeln alles in ihr in Unsterbliches und Ewiges. So ist die Buße in der Tat die Auferstehung der Seele zum ewigen und unsterblichen Leben. Denn sie verwandelt auch die Gefühle des Menschen in göttliche Gefühle, die Gedanken in göttlichen Gedanken, die Neigungen in göttliche Neigungen. In einem Wort: die Buße verwandelt den Menschen in eine Werkstatt unsterblicher Gedanken, unsterblicher Gefühle, unsterblicher Taten. Denn jeder Gedanke des Menschen, der in Gott endet, wird unsterblich und ewig; ebenso jedes Gefühl, jede Tat und jede Neigung.
Obwohl der Hl. Johannes der Vorläufer die Pharisäer und Sadduzäer anklagt, zwingt er sie doch nicht zu verzweifeln. Er rät ihnen, die Furcht vor dem Gericht Gottes, dieses winzige Gefühl der Buße, zum Beginn eines neuen Lebens zu verwandeln, indem es wachsen und gedeihen wird und Früchte hervorbringen wird, die des Himmels und Gottes würdig sind. Denn die Buße ist für die Seele das gleiche, wie der Frühling für die gefrorene Erde: sie weckt im Menschen alle Kräfte, bringt sie in Bewegung, befruchtet sie und sie empfangen die Tugenden des Evangeliums. Wenn die von Sünden gefangene und erkrankte Seele selbst zu versteinerter Gefühllosigkeit gelangt ist und nichts göttliches fühlt und sieht, so wird sie von der Buße dennoch belebt, aufgeweckt und erhält von ihr das Gefühl der Gottesfurcht. Und nach dieser auch alle übrigen göttlichen Tugenden. Wenn diese Tugenden anhaltend und eifrig gepflegt werden, so bringen sie zu ihrer Zeit würdige Früchte der Buße hervor.
Die Buße hat zweifache Wirkung. Sie bedeutet: das Böse abwerfen und das Gute aufnehmen; die Sünden verachten und die Tugenden lieben;  dem Leben in der Sünde ein Ende setzen und ein Le-ben in den Tugenden beginnen; den Teufel verlassen und sich Gott zuwenden. Ich bezeichne als Buße, schreibt der Hl. Chrysostomos, nicht nur die Aufgabe der früheren schlechten Taten, sondern auch das Tun großer guter Taten. Der Vorläufer sagt: Bringet nun der Buße würdige Frucht! - Wie sollen wir sie hervorbringen? Indem wir unserer bisherigen Lebensform entgegengesetzt vorgehen. Zum Beispiel, du hast Fremdes genommen? Von nun an gib auch das Eigene. Du hast lange in Unzucht gelebt? Jetzt enthalte dich auch deiner Frau an bestimmten Tagen; gewöhne dich an Enthaltsamkeit. Du hast diejenigen, die dir über den Weg kamen beleidigt und sogar geschlagen? Von jetzt an segne diejenigen, die dich beleidigen, und tue denen Gutes, die dich schlagen. Um geheilt zu werden, reicht es nicht, nur den Pfeil herauszuziehen, sondern man muß die Wunde noch mit Arznei behandeln. Du hast dich früher deinen Gelüsten und der Trunksucht hingegeben? Nun faste und trinke Wasser; mühe dich, das Böse zu vernichten, das in dir aus der bisherigen Lebensweise erwachsen ist. Hast du früher mit wollüstigen Augen fremde Schönheit betrachtet? Von nun an schaue um der größeren Sicherheit willen überhaupt keine Frau an. Es steht geschrieben: weiche vom Bösen und tue Gutes (Ps. 33, 15); und: bewahre deine Zunge vom Bösen und deine Lippen vor trügerischen Worten (Ps. 33, 14). Ich aber fordere, daß du das sprichst, was gut ist . Der Vorläufer beschränkte sich nicht darauf, die Pharisäer und Sadduzäer bloßzustellen, sondern er riet ihnen: Bringet nun der Buße würdige Frucht. Denn es reicht nicht, sich von der Gottlosigkeit zu entfernen, sondern man muß große Tugend zeigen. Tut nicht das, was mir zuwider ist und für euch gewöhnlich, wendet euch nicht den früheren Lastern zu, nachdem ihr euch für nur kurze Zeit eingeschränkt habt. Wir sind schon nicht mehr in der Lage in der sich die früheren Propheten befanden. Die jetztigen Umstände unterscheiden sich von den früheren und sie sind wichtiger, denn jetzt kommt der Richter und der Herr des Königreiches Selbst, um uns zu einer erhabeneren Philosophie zu führen, um uns in den Himmel einzuladen und in die dortigen Wohnungen hineinzuziehen. Deshalb spreche ich zu euch auch über die Hölle, denn jetzt sind sowohl die Belohnungen als auch die Strafen ewig.

Und denket nicht, bei euch selbst zu sagen: wir haben Abraham zum Vater; denn Ich sage euch, daß Gott dem Abraham aus diesen Steinen Kinder zu erwecken vermag.
Die Hoffnung auf den Stammbaum rettet den Menschen nicht. Mehr noch, sie tötet die Seele im Menschen, wenn dieser von hier eine Quelle des Stolzes entspringen läßt und damit seine Sünden rechtfertigt. Die Pharisäer und Sadduzäer mißbrauchten ihre physische Herkunft von Abraham: mit ihr verteidigten sie ihre Abtrünnigkeit von Gott und ihre geistliche Knechtschaft. "Wir sind Abrahams Same, sprachen sie zu Christus, und sind nie jemandes Knechte gewesen; wie sagst Du: ihr sollt frei werden?" (Jo. 8, 33). Sie verstanden eines nicht: wahre Knechtschaft ist nur die Knechtschaft der Sünde; die Freiheit von der Sünde ist die einzige wahre Freiheit. Christus ist der einzige wahre Befreier des Menschen, denn Er befreit die Menschen von der Sünde. Die Pharisäer und Sadduzäer rühmten sich nur oberflächlich und nominell mit Abraham. Sie waren Abrahams Nachkommen dem Leibe nach, aber nicht dem Geiste nach, nicht auch nach Abrahams Gottgefälligkeit. Deshalb klagt sie der Hl. Vorläufer auch an. Abraham war und blieb ein großer und heiliger "Freund Gottes". Und so wie Gott den toten Schoß Sarahs gebären ließ, so kann Er auch "dem Abraham aus Steinen Kinder erwecken ", wenn seine Nachfahren dem Leibe nach für unseren Retter Jesus Christus und Seine wunderbaren Taten schon gefühlloser sind als Steine. "Denkt nicht, sagt der Hl. Vorläufer, daß der Patriarch Abraham ohne Kinder bleibt, wenn ihr vergeht. Nein, nein! Gott kann ihm auch aus Steinen Kinder erwecken und sein Geschlecht weiterführen, wie es am Anfang auch geschah, denn es ist dasselbe, wenn aus Steinen Menschen entstehen und ein Kind aus einer unfruchtbaren Mutter geboren wird".
Unter Steinen, sagt der Hl. Theophylakt, sind die Heiden zu verstehen, von denen viele Glauben gefaßt haben. Außerdem, sagt Johannes auch buchstäblich, daß Gott dem Abraham aus Steinen Kinder erwecken kann. Denn wenn der Schoß Sarahs wegen ihrer Unfruchtbarkeit auch steinern war, so hat er doch geboren. Doch wann erweckte Gott dem Abraham Kinder aus Stein? In dem Moment, als man ihn kreuzigte und viele, die gesehen hatten daß die Steine zerbarsten, anfingen zu glauben.
Hinsichtlich dieser Worte des Vorläufers, sagt Zigaben: Gott kann dem Abraham aus Steinen Kin-der erwecken, denn er hat ihm auch den Isaak aus dem toten und steinharten Schoß der Sarah erweckt - ek thV ayucou kai lijwdouV mhtraV thV SarraV. Rühmt euch nicht eurer Herkunft von Abraham, denn dies ist nicht euer Verdienst, sondern ein Geschenk Gottes.  Denn Gott, Der allmächtig ist, kann dem Abraham nicht nur aus Menschen, sondern auch aus gewöhnlichen Steinen Kinder erwecken. Wirkliche Kinder Abrahams sind diejenigen, die seinen Tugenden nacheifern. Und sie werden mit ihm des Himmelreiches gewürdigt wer-den, mögen sie nun den Juden oder den Heiden entstammen. Denn die Verwandtschaft nach der Tugend steht höher, als die Verwandtschaft nach dem Blut, so wie die Seele wertvoller ist als der Körper.

 

Bote 1989-5
Kommentar zum Hl. Evangelium nach Matthäus

Schon ist aber die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt; jeder Baum nun, der nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen.
Die Erscheinung Christi in der Welt ist selbst bereits eine Art Gericht über die Welt. Denn Er verkörpert und zeigt in Sich alles göttliche Gute. Von Seinem Licht erleuchtet, welches alles Dunkel dieser Welt durchdringt, auch das dichteste und entfernteste, kann das Menschengeschlecht sein Böses nicht verbergen, sondern alles ist vor Ihm bloß und offengelegt. Allein Seine lichte Anwesenheit in der Welt zeigt, wie schrecklich und verurteilungswürdig das menschliche Böse ist. Welcher Mensch, der von Kopf bis Fuß von dem Licht erleuchtet ist, wagt es, Ihm zu sagen: ich verdiene keine Verurteilung! Vor dem allreinen und sündlosen Herrn Christus muß sich jeder sündig und schuldig fühlen außer versteinerten Pharisäern und verteufelten Gewissen.
Der Gedanke des hl. Vorläufers: der Gottmensch ist die Axt, und jeder Mensch der Baum, an dessen Wurzel bereits die Axt liegt. Mit diesem lichten Gedanken sagte der Vorläufer jenes Wort des Herrn voraus: "Wenn Ich nicht gekommen wäre und zu ihnen gesprochen hätte, so hätten sie keine Sünde; jetzt aber haben sie keine Entschuldigung für ihre Sünde" (Jo. 15, 22). Erleuchtet vom Licht Christi, sieht jeder Mensch von der Wurzel bis zur Spitze den Baum seiner Existenz: sieht sich selbst ganz, alles in sich, all seine Unfruchtbarkeit. Denn die wahre Frucht des Menschen ist es, sich und all das seine unsterblich und ewig zu machen. Und der Mensch bringt ewige Früchte nur dann hervor, wenn er sich mit dem Ewigen, dem Gottmenschlichen vereint. Der Mensch kann keine gute Frucht hervorbringen, wenn der Allgute in ihm nicht die grundlegende schöpferische Kraft ist. Nach dem vollkommen wahren Wort des vollkommen Wahren: "Könnt ihr nichts ohne Mich tun" (Jo. 15 ,5) nicht wirklich gutes, wirklich dauerndes, wirklich unsterbliches, wirklich ewiges. Nur wenn sich der vergängliche Mensch mit Hilfe des Glaubens und der übrigen göttlichen Tugenden, mit dem unvergänglichen Gottmensch vereint, macht er sich fähig, unvergängliche, ewige Früchte hervorzubringen: das zu tun, was göttlich, unsterblich, ewig ist. Und göttlich ist, unsterblich ist und ewig ist nur das, was von dem Göttlichen, von dem Unsterblichen, von dem Ewigen ist. All das ist in vollkommener Fülle nur in der Person des Gottmenschen Jesus Christus vereint. Vereint sich die menschliche Natur mit Ihm, so wird sie von allem befruchtet, was göttlich, unsterblich und ewig ist. Im wahren Sinne des Wortes ist nur Gott gut (Mt. 19, 17), und nur das, was von Gott ist, ist wahrhaft gut, unveränderlich gut, gut in allen Welten und in allen Zeiten. Jetzt wird dies auch nicht von der Axt des völlig gerechten Gerichtes Gottes abgehauen und ins Feuer geworfen. Vereint sich der Mensch nicht mit dem Gottmenschen, so bleibt er unfruchtbar, tut nicht unsterbliches und ewiges Gutes, sondern stellt sich mit dem Bösen und der Sünde gleich, welche ihn weit von Gott entfernt, dorthin in das ewige Reich des Bösen und der Sünde: die Hölle.
Warum ist der Mensch in der Welt? - Um des göttlichen Guten willen, um durch es zu leben. Wenn der Mensch davon lebt, wird er ein Mensch Gottes; und das bedeutet: unsterblich und ewig. Ohne dies besitzt der Mensch vom Standpunkt des Gottmenschen in dieser Welt keinen Wert. Deshalb senkt der Herr die Axt Seines Gerichtes auf einen solchen Menschen und wirft ihn ins Feuer, das Feuer, in welchem das Böse immer brennt, doch nicht verbrennt, denn es ist selbst aus Bösem gemacht. In Gott leben, in Gott wirken, in Gott denken, in Gott fühlen, das ist der einzig wahre Sinn menschlichen Daseins in dieser Welt. Denn nur das macht ihn göttlich unsterblich, göttlich ewig, göttlich selig. Ohne dies kann kein Sinn des Menschen würdig gefunden werden. Um alles anderen willen wird der Mensch abgehauen, aus dieser Welt entfernt und ins  Feuer geworfen, ins Reich der gottlosen, bösen Realitäten: in die Hölle, wo weder Gott, noch irgendetwas Göttliches ist.
Der Hl. Chrysostomos sagt: der Vorläufer sagte nicht: die Axt sei an die Zweige gelegt oder an die Früchte, sondern: an die Wurzel, um den Pharisäern und Sadduzäern zu zeigen, daß sie, falls sie in ihrer Vermessenheit verharren, unheilbare Übel erdulden und keine Hoffnung auf Heilung mehr haben werden. Und das deshalb, weil Der, Der da gekommen ist, nicht etwa ein Diener ist wie die vor Ihm Gesandten, sondern der Beherrscher des Weltalls, in Dessen Händen eine schwere und gewaltige Strafe liegt. Obwohl er sie auf diese Weise in Furcht versetzt, läßt er sie doch nicht in Verzweiflung sinken! Wie er oben nicht sagte, Gott habe bereits erweckt, sondern: Er kann dem Abraham Kinder erwecken, um ihnen gleichzeitig Furcht und Trost einzuflößen, so sagt er auch hier nicht: die Axt hat die Wurzel erfasst, sondern: die Axt ist an die Wurzel gesetzt, sie liegt daran. Hiermit zeigt er, daß es keinen Aufschub mehr gibt. Wenn ihr euch bekehrt und bessert, dann wird die Axt von der Wurzel verschwinden und euch nichts tun. Wenn ihr aber in eueren Lastern verharret, dann wird sie den Baum mit der Wurzel ausreißen. Die Axt wird weder von der Wurzel genommen, noch haut sie, obwohl daran gesetzt, zu: ersteres nicht, damit ihr nicht in euere frühere Trägheit zurückfallt, letzteres nicht, um euch erkennen zu lassen, daß ihr euch auch in kurzer Zeit bessern und retten könnt, wenn ihr Buße tut. Der Vorläufer fügt hinzu: ein jeder Baum, der keine gute Frucht bringt, wird ausgehauen und ins Feuer geworfen. Mit dem Worte jeder scheidet er abermals den Vorrang des Adels der Geburt aus. "Wenn du auch, will er sagen, ein Nachkomme Abrahams bist, und wenn du tausend Patriarchen als deine Vorfahren aufzählen könntest, so würdest du, falls du ohne Frucht bleibst, die Strafe nur noch verdoppeln". Diese Worte des Hl. Johannes des Täufers flößen Furcht ein, aber auch großen Trost, denn der Ausdruck, der keine gute Frucht bringt, zeigt, daß ein Baum, der Frucht bringt, keiner Strafe anheimfällt.
 Der selige Theophilakt sagt: der Vorläufer bezeichnet als Axt das Gericht Christi, als Bäume aber jeden von uns. So wird der Ungläubige allein wegen seines Unglaubens aus der Wurzel abgehauen und in die Hölle geworfen. Jeder Baum,der keine gute Frucht bringt, wird abgeschlagen, selbst wenn er von Abraham abstammte. Er sagte nicht: der keine gute Frucht gebracht hat, sondern: nicht bringt; denn man muß immer Früchte der Tugend hervorbringen. Hast du gestern Almosen gegeben, heute aber geraubt, so bist du Gott nicht lieb. Ein solcher Baum wird abgehauen und ins Feuer geworfen, nämlich ins Höllenfeuer.
Der heilige Vorläufer sah und sagte die Art des Wirkens Christi in der Welt voraus: Er läßt zu, wartet lange auf die Umkehr des Menschen, seine Buße und darauf, daß er gute Frucht bringt; tut er dies er aber lange Zeit nicht, so senkt der Herr Seine Axt auf den unfruchtbaren Baum des menschlichen Erdenlebens und führt einen solchen Menschen durch den Tod zu Sich zum Gericht (siehe Mk. 11, 12-14; Lk. 13, 6-9; Jo. 15, 5-6; Mt. 7, 19). Nach Sigaben bedeutet die Axt den Tod, die Bäume aber die Menschen; ihre Wurzel aber das Leben. Das Feuer bedeutet die Hölle.

Bote 1990-1
Kommentar zum Hl. Evangelium nach Matthäus 3, 12

3, 12
Seine Schaufel ist in Seiner Hand, und Er wird Seine Tenne durch und durch reinigen und Seinen Weizen in die Scheune sammeln, die Spreu aber wird Er verbrennen mit unauslöschlichem Feuer.
Der gottbeseelte Vorläufer sieht und erkennt das ganze heilbringende Wirken unseres Herrn Jesus Christus. Er sieht Ihn nicht nur als sanftmütiges Lamm Gottes, das die Sünden der Welt auf Sich nimmt (Jo. 1,29), sondern auch als überaus gerechten Richter. Denn dem Retter des Menschen von Sünde, Tod und Teufel fällt mit Recht das Gericht über den Menschen zu, das Gericht, welches feststellen wird, ob der Mensch die ihm zu seiner Rettung von Sünde, Tod und Teufel gegebenen Mittel genutzt hat, oder ob er auch weiterhin ihr freiwilliger Sklave geblieben ist. Damit die Menschen nicht aus Leichtsinn und Kurzsichtigkeit oder Unvernunft denken, daß man die Sanftmut des Lammes Gottes mißbrauchen kann und darf, spricht der Vorläufer von Ihm als dem allwissenden und überaus gerechten Richter, dem ewigen und unfehlbaren Richter. Er wünscht, daß seine Zeitgenossen, und nach die-sen alle übrigen Menschen sich auf den Standpunkt des Letzten Gerichts stellen und von ihm aus ihr gesamtes Leben, all ihre Werke, all ihre Gedanken, all ihre Worte betrachten, überprüfen und bewerten. Alles, was von der Sünde, vom Bösen, vom Teufel ist, ist Spreu; alles was von der Tugend, vom Gu-ten, von Gott ist, ist Weizen. Und diese Welt ist nichts anderes, als die Tenne Christi. Denn Er ist der Schöpfer der Welt und der Retter der Welt und daher auch der Richter der Welt. Er, der Allwissende, kennt alle Geheimnisse der Welt vom kleinsten bis zum größten. Er, der Allsehende, sieht alles Geschehene und Geschehende in allen Menschen al-ler Zeiten und aller Kontinente. Deshalb ist Sein Gericht über jeden einzeln und über alle zusammen überaus gerecht und unfehlbar.
Ob die Menschen es wollen oder nicht, das letz-te und endgültige Gericht über jeden von ihnen fällt dem allwissenden, allsehenden, allgerechten, unfehlbaren Richter zu - dem Gottmenschen Christus. Er wird am Ende der Geschichte die Tenne der Welt - die Erde - reinigen und mit der Schaufel Seines Gerichts alle menschlichen Wesen, die auf der Erde lebten aussondern. Alle, die sich bei dieser Aussonderung als Weizen des Herrn erweisen, wird der Herr in die himmlischen Scheunen sammeln; jene aber, die sich als leicht und wertlos erweisen wie Unkraut, werden in das unauslöschliche Feuer geworfen.
Der Hl. Vorläufer betont absichtlich zwei Handlungen Christi - die Taufe durch den Heiligen Geist und das Letzte Gericht. Die erste Voraussage des Vorläufers wurde am Tag des heiligen Pfingstfestes erfüllt, als der Herr Seine Apostel mit dem Heiligen Geist und Feuer taufte. Von da an bis zum heutigen Tag erfüllt sich diese Vorhersage bei der Taufe ei-nes jeden Mitglieds der Kirche Christi. Das zeigt und beweist, daß auch die andere Vorhersage des Vorläufers zweifellos erfüllt wird, nämlich die über das Letzte Gericht. Hätte Christus Seine Apostel nicht mit dem Heiligen Geist getauft, sagt der Hl. Chrysostomos und taufte Er nicht täglich jene, die es wünschen, so könnte man die zweite Voraussage des Vorläufers bezweifeln. Da sich jedoch das, was nach allem erhabener, schwerer und für den Verstand unbegreifbar ist, erfüllt hat und täglich erfüllt, warum soll man dann nicht das als wahrhaftig annehmen, was leicht und verständlich ist? Nachdem er gesagt hat: Er wird euch mit Heiligem Geist und Feuer taufen, und hier viel Gutes versprochen hat, weist der Heilige Johannes sofort auf die Schau-fel hin, womit Er das künftige Gericht anzeigt, damit wir nicht träge werden. Denkt nicht, sagt er, daß die Taufe ausreicht, wenn ihr danach im Laster lebt. Nein, wir bedürfen noch vieler Tugenden und Weisheit. Der, der so mächtig ist, daß Er Sünden vergeben und den Heiligen Geist spenden kann, kann umso mehr das Gericht vollbringen. Warum, mag jemand fragen, spricht der Vorläufer nicht von den Zeichen und Wundern, die in Kürze durch Christus geschehen sollten? Weil das Spenden des Geistes das größte aller Wunder war, und alle anderen nur um seinetwillen vollbracht wurden. Durch den Hinweis auf das Wichtigste hat der Vorläufer alles um-faßt: die Zerstörung des Todes, die Vernichtung der Sünde, die Aufhebung des Fluches, die Befreiung vom ständigen Kampf, den Einzug ins Paradies, den Aufstieg zum Himmel, die Gemeinschaft mit den Engeln, die Teilhabe an den künftigen Gütern: der Erhalt des Heiligen Geistes dienst als Unterpfand für all dies.
Hinsichtlich der Worte des Vorläufers: Seine Schaufel ist in Seiner Hand, sagt der selige Theophylakt: denkt nicht etwa, daß Er euch vergeben wird, wenn ihr sündigt, nachdem ihr von Ihm die Taufe empfangen habt. Er hat die Schaufel, d. h. die Untersuchung und das Gericht. Er wird Seine Tenne durch und durch reinigen, d. h. die Kirche, die viele Getaufte enthält; dies ähnelt folgendem: so wie von den Feldern alles in die Scheune gebracht wird, und ein Teil davon sich als Unkraut erweist - das sind die leichtsinnigen Menschen, die sich unter dem Einfluß der Geister des Bösen befinden - , so erweist sich der andere Teil als Weizen - das sind diejenigen, die anderen Gutes tun und sie durch Belehrung und Tat bewahren.


Bote 1990-2
Die Taufe Christi

Die Taufe Christi

3, 13 Dann kam Jesus aus Galiläa an den Jor-dan zu Johannes, um von ihm getauft zu werden.

Die erste Tugend des Evangeliums ist die De-mut, und sie geht vor Christus einher, denn Er ist ganz von ihr erfüllt, und sie leuchtet aus Ihm. Der Herr kommt, um vom Diener getauft zu werden. Ist das nicht Demut über aller Demut? Der Sündlose kommt, um vom Sündigen getauft zu werden; ist das nicht Demut, und der Quell jeglicher rettungbringender Demut? Und mit der Demut des Sündlosen kommt das göttliche Zeugnis von der Größe des Hl. Täufers: die Taufe der Umkehr des Johannes ist von Gott, auf Veranlassung Gottes, denn alles, was Johannes macht und tut, ist von Gott (vgl. Lk. 3, 2; Jo. 1, 33).
Der Herr kommt mit den Dienern, der Richter mit den Schuldigen, sagt der Hl. Chrysostomos. Doch das soll dich nicht beunruhigen: eben in dieser Demut leuchtet besonders Seine Größe. Und weshalb soll man sich denn darüber wundern, daß zur Taufe zusammen mit anderen zu dem Knecht auch Derjenige kam, Der geruhte so lange Zeit in dem jungfräulichen Schoß zu weilen, um in unserer Natur geboren zu werden, um Schläge und Kreuz zu ertragen, und alles zu erdulden, was Er erduldete? Verwunderlich ist es, daß Er, wenngleich Gott, Mensch werden wollte; und alles übrige ist nur eine Folge davon. Eben deshalb sagte Johannes zunächst, daß er unwürdig ist, die Riemen an Seinen Sandalen zu lösen (Lk. 3, 16) und daß Christus eben der Richter ist, Der jeden nach seinem Verdienst richten wird und allen in Fülle den Hl. Geist schicken wird, damit du von Ihm nicht gering denkst, wenn du Ihn zur Taufe schreiten siehst.
Der Reine wird getauft, sagt der selige Theophylakt, um uns zu waschen und uns zu zeigen, daß, wenn wir die Taufe zu empfangen wünschen, wir uns zunächst reinigen müssen, um nicht die Taufe zu besudeln, wenn wir nach ihr leicht durch die böse Gewohnheit in der Sünde untergehen. Mit den Dienern kommt der Herr, sagt Sigaben; aber die Diener kommen, um Buße zu tun, während Er kommt um dem Volk offenbart zu werden. Denn so sagt der Evangelist Johannes (1, 31):

3, 14
Johannes aber wehrte Ihm und sprach: ich habe nötig, von Dir getauft zu werden und Du kommst zu mir?

Für alles, was Christi ist, ist der Heilige Johannes unendlich empfindlich. Getragen vom Heiligen Geist hüpfte er schon im Leib seiner Mutter vor Freude, als zu ihr die Jungfrau Maria zu Besuch kam, die eben Jesus vom Heiligen Geist empfangen hatte (Lk. 1, 41. 44).
So erfuhr er auch jetzt, als Christus zu ihm kam, um Sich taufen zu lassen, "vom Geist Gottes, der in ihm weilt", daß Jesus der Messias, der Retter ist. Und sofort fühlte er die ganze göttliche Größe Christi und Seine ganze menschliche Erbärmlichkeit. Deshalb wehrte er sich erregt: ich habe nötig, von Dir getauft zu werden und Du kommst zu mir? Ich bin ein Mensch und als Mensch bin ich sündig. Und ich bin ein Vertreter des sündigen Menschengeschlechts, des Geschlechts Adams. Durch Gottes Gabe sehe ich alle menschlichen Sünden, und wir Menschen ersticken alle in ihnen, alle ohne Ausnahme, auch ich mit ihnen. Ich bin gesandt, um sündige Menschen durch die Taufe der Buße zu taufen: um in ihnen das Bewußtsein ihrer Sündigkeit zu wecken und das Gefühl der Buße für die Sünden hervorzurufen. Wie soll ich dann Dich, den Sündlosen, taufen mit meiner Taufe, der Taufe der Buße? Was soll die Buße dem Sündlosen? Es sei denn Du bist gekommen, um für uns und an unserer Stelle Buße zu tun? Ja, ja, Du bist gekommen, um die Sünde der Welt auf Dich zu nehmen (Jo. 1, 29). Ich bitte Dich, nimm auch meine Sünden aufDich; taufe Du mich, denn Deine Taufe befreit von jeder Sünde und jedem Tod.
Als sie Jesus sahen, Der zum Hl. Täufer kam, um die Taufe zu empfangen, konnten die Menschen denken, auch Er sei sündig. Um ihnen zuvorzukommen, sagte der Hl. Johannes zu Jesus: ich habe nötig, von Dir getauft zu werden und Du kommst zu mir? Da die Taufe des Johannes, sagt der Hl. Chrysostomos, eine Taufe der Buße war, und die Menschen zum Bewußtsein ihrer Sünden brachte, warnte der Hl. Johannes, damit nicht jemand dächte, auch Jesus käme mit einer solchen Absicht an den Jordan, davor, indem er Jesus als Lamm und Erlöser der Sünden der Welt bezeichnete. Der die Sünden des gesamten Menschengeschlechts vernichten konnte war zweifellos Selbst sündlos. Deshalb sagte der Hl. Johannes auch nicht: siehe, der Sündlose! sondern, was viel wichtiger ist: siehe, das Lamm Gottes, das die Sünde derWelt wegnimmt (Jo.1,29), damit sich die Menschen überzeugten und erkannten, daß Er kommt, um mit einem anderen Ziel getauft zu werden. Johannes will Christus die Taufe verwehren, damit die die es sehen, nicht dächten, daß Er auch wie einer von vielen wegen der Buße die Taufe annimmt .
Das Zögern des Johannes, den Heiland zu tau-fen, erklärt Sigaben so: Du mußt mich taufen, Du Sündloser mich, der ich für Sünden verantwortlich bin - o upeuqunoV amartiaV; - Du, Der mit Heiligem Geist und Feuer taufst, mich, der ich mit einfachem Wasser taufe; Du Herr, mich den Diener; Du Gott, mich den Menschen; und Du kommst zu mir? Der Vorläufer bedurfte der Reinigung durch den Herrn, denn auch er selbst war als Erbe Adams von der Unreinheit des Ungehorsams angesteckt; und der Menschgewordene Christus reinigte alles.

Bote 1990-3
Kommentar zum Hl. Evangelium nach Matthäus

Jesus aber antwortete und sprach zu ihm: laß es jetzt so sein; denn also gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen.

Gott-Logos wurde Mensch, um als Mensch die gesamte göttliche Wahrheit zu erfüllen und so die Existenz des Menschen in der irdischen Welt zu rechtfertigen. Zu dieser göttlichen Wahrheit, die erfüllt werden mußte, gehört auch die Taufe des Gottmenschen. Diesen Grund führt er auch gegenüber dem Vorläufer an: laß es jetzt so sein; denn also gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen - pasan dikaiosunhn. Nach der göttlichen Heilsordnung sollte die Taufe des Messias von Johannes die alttestamentliche Wahrheit abschließen und besiegeln, den Himmel aber öffnen und die himmlische Wahrheit auf die Erde bringen, indem sie dem Menschengeschlecht die Wahrheit der Wahrheiten eröffnete: die dreieinige Gottheit. Christus ist die Erfüllung des alttestamentlichen Gesetzes; in Ihm ist alles alttestamentliche Gute, die gesamte alttestamentliche Wahrheit verwirklicht. So hat die menschliche Natur durch Ihn und mit Seiner Hilfe das gesamte alttestamentliche Gesetz Gottes erfüllt. Daher führt er ein neues Gesetz ein, ein Neues Testament, einen neuen Bund Gottes mit dem Menschen: den des Evangeliums. Dies ist ein Bund und ein Testament der Liebe zwischen Gott und dem Menschen, zwischen dem Menschen und allen ewigen göttlichen Vollkommenheiten: der Wahrheit, der Gerechtigkeit, des Guten, der Weisheit, Güte, Ewigkeit. Mit all dem tritt das Menschengeschlecht durch den fleischgewordenen und menschgewordenen Gott-Logos in einen Bund, der sich in ein Testament verwandelt: das Neue Testament.
Also gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen. Der Sinn dieser Worte, sagt der Heilige Chrysostomos ist dieser: die Taufe ist das letzte der Werke des Gesetzes; wir haben alles erfüllt, was vom Gesetz vorgeschrieben war, kein Gebot haben wir übertreten; und da uns nur noch die Taufe bleibt, müssen wir auch sie vollziehen, und so erfüllen wir alle Gerechtigkeit. Unter Gerechtigkeit versteht Christus hier die Erfüllung aller Gebote. Daraus ist zu ersehen, warum Er zur Taufe hinzutrat. Ich bin gekommen, sagt Er, um den Fluch abzuwerfen, der wegen der Übertretung des Gesetzes auf euch liegt; deshalb muß Ich zuerst Selbst das ganze Gesetz erfüllen und euch von der Verurteilung befreien und auf diese Weise das Gesetz außer Kraft setzen. Ich muß also das ganze Gesetz erfüllen, denn Ich muß den Fluch abwerfen, der gegen euch im Gesetz geschrieben steht. Deshalb habe Ich auch den Leib angenommen und bin in die Welt gekommen.
Die Worte des Herrn an Johannes: laß es jetzt so sein , bedeuten nach der Auslegung des seligen Theophylakt: laß es jetzt geschehen; es wird die Zeit kommen, da wir den rechten Ruhm erhalten, wenn wir ihn auch jetzt nicht offenbaren. Unter der Gerechtigkeit versteht der Herr das Gesetz. Die menschliche Natur, sagt er, ist verflucht, denn sie konnte das Gesetz nicht erfüllen. Deshalb habe Ich auch die anderen Vorschriften des Gesetzes erfüllt. Ich muß nur noch getauft werden. Wenn Ich das erfülle, werde Ich die Natur von dem Fluch befreien.
Die Antwort des Vorläufers erklärt Zigaben folgendermaßen: laß jetzt sowohl Meine Sündlosigkeit, als auch Meine Gottheit beiseite. Jetzt ist dafür keine Zeit, sondern du mußt mich aus Gründen der Heilsordnung taufen. Denn wie Ich um der Menschen willen Mensch wurde, um als Mensch den Teufel zu vernichten, der sie vernichtete, ebenso nehme Ich auch so wie sie selbst die Taufe an, um im Wasser den Schmutz derer zu begraben, die aus Wasser und Geist neu geboren werden sollen. Also gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen., d. h. alle Gebote, durch die Taufe, da der alte Adam ein einziges Gebot nicht erfüllte, erfülle Ich also, der neue Adam, an seiner Stelle alle Gebote und ergänze seinen Mangel. Und auch die Taufe des Johannes war eine Gebot Gottes. Denn Johannes selbst sagt: Der mich gesandt hat, damit ich mit Wasser taufe, Der sagte mir... (Jo. 1, 33).

Dann läßt er es Ihm zu. Und als Jesus getauft war, stieg Er alsbald aus dem Wasser heraus und siehe, die Himmel wurden ihm aufgetan und er sah den Geist Gottes wie eine Taube niederfahren und auf ihn kommen.
Das ist die vollkommene himmlische Wahrheit: die Taufe und in ihr und durch sie die ganze Heilige Dreieinigkeit: Jesus - der Sohn Gottes, der Heilige Geist und Gott-Vater. Das Mysterium der Taufe liegt im Mysterium der Heiligen Dreieinigkeit. Die Heilige Dreieinigkeit ist es, die tauft und durch die der Mensch, die menschliche Natur getauft wird. Deshalb werden auch wir "im Namen des Vaters, und des Sohnes, und des Heiligen Geistes" getauft. Im Mysterium der Taufe liegt auch das Mysterium des Himmels; die Taufe hat den Schlüssel, mit dem der Himmel geöffnet wird. Denn nur über der getauften Seele wird der Himmel geöffnet und in sie steigt die gesamte himmlische Wahrheit, Gerechtigkeit, Liebe, Weisheit und Ewigkeit herab, und mit ihnen die Dreieinige Gottheit selbst. Auf Jesus als Menschen steigt der Heilige Geist herab, obwohl Er nach der Gottheit immer mit Ihm wesenseins ist. Und zwar steigt Er in einer sichtbaren Form herab, obwohl Er als Geist ein unsichtbares Wesen ist, um dem Menschen als psycho-physischem Wesen den deutlichsten Beweis der Heiligen Dreieinigkeit zu gewähren.
Siehe, rät der Hl. Johannes Chrysostomos, welche Wunder geschehen! Da wird nicht das Paradies geöffnet, sondern der Himmel selbst! Weshalb wurden die Himmel geöffnet? Weil du wissen sollst, daß das gleiche auch bei deiner Taufe geschieht: da ruft dich Gott in die himmlische Heimat und überzeugt dich davon, daß du nichts Gemeinsames mehr mit der Erde hast. Du siehst das nicht, aber trotzdem, zweifle nicht daran. Den Sinnen zugängliche Erscheinungen wunderbarer und geistlicher Dinge und alle ähnlichen Zeichen geschehen nur am Anfang, und zwar für grobe Menschen und solche, die kein Verständnis für körperlose Wesen aufbringen und die nur das Sichtbare verwundert, und die deshalb den Sinnen zugängliche Erscheinungen brauchen. Aber auch das geschieht mit einem Ziel: daß mit Glauben angenommen wird, was einst am Beginn durch Wunder bestätigt wurde, wenn diese Wunder dann auch nicht mehr geschahen. So war auch beim Apostelkonzil das Getöse vom Himmel und das Wehen eines starken Windes, und es erschienen Feuerzungen, - nicht wegen der Apostel selbst, sondern um der Juden willen, die sich damals bei ihnen befanden. Indessen nehmen auch wir das an, was einstmals durch Wunder bestätigt wurde, wenn auch diese sichtbaren Wunder nicht mehr geschehen. So erschien auch bei der Taufe Christi die Taube dafür, um den Anwesenden und Johannes den Täufer wie mit dem Finger auf den Gottessohn zu zeigen; und weiterhin dafür, daß auch du weißt, daß auch bei deiner Taufe der Heilige Geist auf dich herabkommt. Doch wir brauchen schon keine sichtbaren Zeichen mehr, denn uns genügt statt der Zeichen unser Glaube; die Zeichen werden nicht für die Gläubigen, sondern für die Ungläubigen gegeben. Und weshalb erschien der Heilige Geist als Taube? Weil die Taube ein sanftes und reines Geschöpf ist. Und weil der Heilige Geist der Geist der Sanftmut ist; deshalb erschien Er in dieser Gestalt.
Der Geist kommt auf Jesus herab, sagt der selige Theophylakt, um zu bezeugen, daß Derjenige, Der getauft wird, größer ist, als der, der tauft. Denn die Juden verehrten Johannes mehr als Christus. Alle sahen, daß der Geist auf Jesus herabkam, damit sie nicht dächten, daß die Stimme: dies ist Mein geliebter Sohn - um des Johannes willen war, sondern damit alle angesichts des Geistes glaubten, daß sich diese Stimme auf Jesus bezieht. Der Geist erschien als Taube wegen der Güte und Sanftmut der Taube und deshalb, weil die Taube der reinste Vogel ist, sich nicht im Schmutz aufhält, - so auch der Heilige Geist.
Und siehe, eine Stimme kommt aus den Himmeln, welche spricht: dieser ist Mein geliebter Sohn, an Welchem Ich Wohlgefallen gefunden habe.

Bei der Taufe Christi wird das gesamte Mysterium des Christentums offenbart: die Heilige Dreieinigkeit. Darin ist Anfang und Ende des Christentums beschlossen, und alles, was zwischen diesem Anfang und diesem Ende liegt. Damals geschah die vollständige und vollkommene Gotteserscheinung (Theophanie): Gott der Vater erschien als Stimme vom Himmel, der Heilige Geist als Taube, Gott der Sohn als Gottmensch Jesus. Dies wird im Tropar der Theophanie in erleuchteter Weise ausgedrückt. Nicht nur alle Mysterien des Christentums, sondern auch alle Seine unsterblichen Kräfte sind in der Heiligen Dreieinigkeit. Nach den Worten der Heiligen Väter geschieht im Christentum alles vom Vater durch den Sohn im Heiligen Geist. Darin liegt auch das Geheimnisvolle, das Heilige, und die Kraft des ersten christlichen Mysteriums: der Taufe. Darin liegt auch das Geheimnisvolle, das Heilige, und die Kraft auch aller übrigen heiligen christlichen Mysterien.
Die Wahrheit, die unser Herr Jesus Christus durch Sein erstes öffentliches Werk, die Taufe, der Welt eröffnete ist die Heilige Dreieinigkeit. Von hier beginnt Seine gottmenschliche Tätigkeit und Sein öffentliches heilbringendes Wirken. Dies ist nicht nur der Beginn und die Quelle sondern vollkommener Beginn und vollkommenen Quelle alles Neutestamentlichen. Jesus Christus ist der Sohn Gottes, die zweite Person der Heiligen Dreieinigkeit, - von hier und hiermit beginnt das Christentum. Darin ist das gesamte Geheimnis der Persönlichkeit Christi beschlossen. Erst seit Seiner Taufe wissen wir wer und was Er ist. Er ist: Gott-Logos, Der Fleisch annahm, Mensch wurde, um die menschliche Natur und den Menschen mit all dem zu erfüllen, was göttlich ist: der göttlichen Wahrheit, der göttlichen Gerechtigkeit, der göttlichen Liebe, dem göttlichen Licht, dem göttlichen Leben; in einem Wort: mit Gott, der Heiligen Dreieinigkeit. Daher ist es die Berufung des Menschen, sich zu vergöttlichen, sich zu verdreieinigen. Dazu dient das erste Sakrament: die Taufe und alle heiligen Sakramente nachher. Und weiter: alle heiligen Gebote des Evangeliums, und alles was das Neue Testament von Anfang bis Ende ausmacht. Der neutestamentliche Mensch ist daher neutestamentlich, daß er ganz durch die Heilige Dreienigkeit lebt: vom Vater durch den Sohn im Heiligen Geist. Auf einen solchen Menschen beziehen sich auch jene wunderbaren Worte eines erhabenen Kirchenliedes: "Durch den Heiligen Geist wird jede Seele belebt und durch die Reinheit erhoben, wird sie in heilig-geheimnisvoller Weise durchleuchtet von der dreifaltigen Einheit.
Als Christus die Taufe des Johannes annahm, sagt der Heilige Chrysostomos, eröffnete Er die Tore auch für die Taufe der neutestamentlichen Kirche. Nur unsere Taufe besitzt die Gnade des Hl. Geistes, die Taufe des Johannes besaß diese Gabe nicht. Daher geschah nicht ähnliches bei der Taufe der übrigen Menschen, sondern es geschah nur mit Dem, Der diese Gabe den anderen geben sollte. Da öffneten sich auch die Himmel, und der Heilige Geist kam herab. So führt uns Christus von der alten Lebensweise zur neuen, indem Er die Himmelstore öffnet und von dort den Heiligen Geist sendet, Der uns zur himmlischen Heimat ruft. Und nicht nur ruft, sondern auch mit der höchsten Würde bekleidet, Er macht uns nicht zu Engeln und Erzengeln, sondern zu geliebten Söhnen Gottes.
Durch Seinen Ungehorsam, sagt Zigaben, verschloß uns Adam einst das Paradies. Der Gehorsam des neuen Adam aber öffnete uns die Himmel und schenkte uns damit größere Güter, als wir verloren hatten. Die Himmel werden also geöffnet und zeigen, daß aus ihnen sowohl die Taube als auch die Stimme hergeht. Die Stimme kam vom Himmel, damit die Anwesenden erkannten, Wer da getauft wird; die Taube aber, um zu zeigen, daß sich die Stimme auf Ihn bezieht und nicht auf Johannes. Also: der Vater zeugt von oben für den Sohn, und der Heilige Geist kommt auf Ihn herab, gleichsam mit dem Finger zeigend, daß Er Derjenige ist, Den der Vater bezeugt.
Die Taufe Christi ist ein Ereignis außergewöhnlicher kosmischer Wichtigkeit und Bedeutung: die Dreieinige Gottheit eröffnet und vermittelt uns das Geheimnis des Gottmenschen Jesus. Bedeutsam sind die Worte des Vaters vom Himmel: dieser ist Mein geliebter Sohn, an Welchem Ich Wohlgefallen gefunden habe. Sie bedeuten: mit Seinem ganzen Wesen ist unser Herr Jesus Christus die vollkommenen Verkörperung und Verwirklichung des Willens Gottes und daher auch der Liebe Gottes. Sowohl vor der Fleischwerdung als auch nach ihr ist Er ganz in allem und mit allem "zum Wohlgefallen" Seines himmlischen Vaters. Deshalb auch ruht auf Ihm die außergewöhnliche und ewige Liebe des göttlichen Vaters. Niemand hat das Recht, auf diese Liebe eifersüchtig zu sein. Gibt es etwa in allen menschlichen Welten ein Wesen, das größere Liebe als unser Herr Jesus Christus verdiente? Die Stimme des Vaters vom Himmel bezeugt, daß es ein solches Wesen nicht nur in allen menschlichen sondern ebenso in allen göttlichen Welten nicht gibt. Gott der Vater teilte uns in Christus und durch Christus "das Geheimnis Seines Willens" mit (Eph. 1, 9). Und das Geheimnis Seines Willens liegt hierin: durch Christus die Menschen von der Sünde, vom Tod und vom Teufel zu retten, und in Christus alles zusammen zu bringen, was in den Himmeln und auf der Erde ist (Eph. 1, 10)

Bote 1990-5
Kommentar des Hl. Evangeliums nach Matthäus
Die Versuchung Jesu Christi 4,1-11

4,1. Dann wurde Jesus von dem Geiste in die Wüste hinaufgeführt, um von dem Teufel versucht zu werden;
Die Taufe Christi zeigt, daß in dieser Welt und über dieser Welt die erste und wichtigste Wirklichkeit der Dreieinige Gott ist. Die Versuchung Christi zeigt, daß in dieser Welt die zweitwichtigste Realität der Teufel ist. Zwischen diesen beiden Realitäten steht der Mensch als dritte Realität. Ein auch nur im geringsten geistlich aufgeweckter Mensch fühlt unvermeidlich die Existenz der einen wie der anderen Wirklichkeit: sowohl Gottes als auch des Teufels. Und wenn der Mensch wahrhaftig an unseren Herrn Jesus Christus glaubt, dann öffnen sich ihm die geistlichen Augen und er erkennt beide Wirklichkeiten deutlich. Und wenn er stärkeren Eifer im Evangelium erlangt, dann begegnet er allen Versuchungen mutiger, die aus dem dunklen Reich der Sünde und des Todes auf ihn zukommen. Wenn er gar mit Hilfe der göttlichen Tugenden mit dem Heiligen Geist erfüllt wird, dann wird er ein furchtloser Kämpfer und unüberwindbarer Sieger in allen Kämpfen mit den teuflischen Versuchungen. Und er überwindet den Teufel wie ein Adler die Mücke, denn gegen alles Böse führt er das göttliche Gut Christi ins Feld, das stets zahlreicher und kräftiger als dieses ist.
Bei der Taufe kam der Heilige Geist vom Himmel herab; und Christus überantwortet Sich ganz dem Heiligen Geist, damit dieser Ihn führe und lenke. Und der Geist führt Ihn wahrlich. Wohin? Zuerst "in die Wüste, um vom Teufel versucht zu werden".  Dadurch wird uns das Geheimnis des neuen Lebens offenbart: bei der Taufe erfolgt die Erscheinung Gottes (Theophanie), der Mensch wird mit der dreieinigen Gottheit erfüllt, und lebt nicht mehr für sich und verfügt nicht mehr über sich, sondern in ihm lebt und über ihn verfügt der Heilige Geist. Den Getauften führt der Heilige Geist sofort aufs Schlachtfeld: damit er im Kampf mit dem Teufel und dessen Versuchungen die christlichen Waffen erprobt, die er bei der Taufe erhielt. Und das Schlachtfeld ist diese ganze irdische Welt, in welcher "der Teufel wie ein brüllender Löwe umhergeht, und sucht, wen er verschlinge"(1.Petr. 5,8).
Da Christus alles tat, sagt der Hl. Chrysostomus, und unserer Belehrung willen erduldete, läßt Er auch jetzt zu, daß Ihn der Heilige Geist in die Wüste führt und in den Kampf mit dem Teufel stellt. Und das dafür, daß niemand von den Getauften, wenn ihn nach der Taufe größere Versuchungen als früher befallen, verwirrt werde wie von etwas Unerwartetem, sondern mutig jegliche Versuchung ertrage wie etwas Gewöhnliches. Ja wahrlich, du hast die Waffen nicht erhalten, damit du faul bist, sondern damit du Krieg führst. Daher verhindert Gott auch nicht, daß wir von Versuchungen heimgesucht werden. Erstens läßt Er das zu, damit wir erkennen, daß wir viel stärker geworden sind; zweitens, damit wir in Demut verweilen und nicht auf die Größe der Gaben stolz werden, wenn wir sehen, daß uns Versuchungen zur Demut führen können; drittens, damit der böse Geist angesichts unserer Ausdauer in den Versuchungen erkennt, daß wir ihn ganz verlassen und von ihm entfernt haben; viertens damit wir dadurch härter und kräftiger als jeder Nagel werden; fünftens, damit wir ein deutliches Zeugnis von dem Gut erhalten, das uns anvertraut ist.
Der Teufel stellt nach allem und in allem das Gegenteil zu Gott dar. Gott ist Licht, Gerechtigkeit, Wahrheit, Liebe, Güte, Weisheit; der Teufel ist alles Gegenteilige davon: Dunkel, Lüge, Unwahrheit, Haß, Böses, Irrsinn. So wie Gott die Verkörperung alles ewig Guten ist, so ist der Teufel die Verkörperung alles unvergänglichen Bösen. Im Kampf gegen Gott ist sein wichtigstes Werkzeug die Verleumdung. Dadurch ist er im Menschengeschlecht auch am besten bekannt. Sein Wirken unter den Menschen auf Erden begann er schon im Paradies mit der Verleumdung Gottes (1. Mos. 3, 4-5). In dieser Tätigkeit ist er unübertroffen ausdauernd und beispiellos listig. Daher erhielt er auch seinen Namen: Teufel, denn Teufel - diabolos - bedeutet Verleumder, Lästerer, Widersacher.

 

Bote 1991-2
Kommentar zum Hl. Evangelium nach Matthäus

4, 8-10 “Wiederum nimmt der Teufel Ihn mit auf einen sehr hohen Berg und zeigt Ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit und spricht zu Ihm: Alles dieses will ich Dir geben, wenn Du niederfallen und mich anbeten willst. Da spricht Jesus zu ihm: Geh hinweg, Satan! Denn es steht geschrieben: “Du sollst den Herrn, deinen Gott, anbeten und Ihm allein dienen”(Deut. 6,13).
Vor uns stehen zweifellos zwei ungewöhnliche Wesen, welche nicht wie die Menschen ohnmächtige Sklaven der Zeit und des Raumes sind. Irgendeine innere Kraft, mit welcher sie über die Gesetze des Lebens im Raum und in der Zeit herrschen, führt sie auf ungewöhnliche Weise aus der Wüste auf das Dach des Jerusalemer Tempels, und von dort “auf einen sehr hohen Berg”. Wenn sie auch in unserer irdischen Welt leben, wenn sie wollen, so unterliegen sie doch nicht den Gesetzen der Zeit und des Raumes, denn sie sind nicht von dieser Welt. Wenn sie sich freiwillig den Bedingungen des Raumes und der Zeit unterwerfen, in ihre Rahmen eintreten und in ihnen leben, so haben sie immer in sich die geistlichen Kräfte, um das alles zu überragen und zu überwinden, denn sie sind der Herkunft nach nicht von dieser räumlichen und zeitlichen Welt.
In diesem Fall wollte der Teufel seine übermenschliche und überirdische Kraft und Macht dem hungrigen und ausgemergelten Menschen Jesus zeigen, um ihn damit zu besiegen und für sich zu gewinnen. Aber unser Herr Jesus Christus verhält Sich so, als ob Er keine solchen Kräfte in Sich hätte. Er überläßt dies dem Versucher. Der Evangelist schreibt: Dann nimmt der Teufel ihn mit in die heilige Stadt und stellt ihn auf die Zinne des Tempels; danach: Wiederum nimmt der Teufel Ihn mit auf einen sehr hohen Berg. Als ob er damit dem Herrn Jesus sagen wollte: siehst Du meine übermenschliche Kraft und Macht? Du aber bist ganz ausgezehrt von Hunger und Schwäche. Daß Du menschlich schwach und hilflos bist, zeigt auch das, daß Du, wenn auch todhungrig, nicht imstande warst, Steine in Brot zu verwandeln. Das bedeutet, Du bist nicht der Sohn Gottes. Aber wäre ich an Deiner Stelle, - ich hätte das im Handumdrehen getan! Du trautest Dich nicht, vom Tempel zu springen, denn Du hast kein Gottvertrauen und zweifelst daran, daß Dich die Engel auf ihren Armen tragen. Auch das zeigt, daß Du nicht Gottes Sohn bist. Aber ich? Ich wäre gesprungen, und mir wäre nichts geschehen. So groß ist meine Macht und Kraft! Doch, es gibt noch eine Möglichkeit für Dich, kräftig und mächtig zu werden, allkräftig und allmächtig, so wie ich bin. In einem Augenblick (Lk. 4,5) zeigte er Ihm alle Reiche des Erdkreises. Und der Teufel sprach zu Ihm: Ich will Dir alle diese Gewalt und ihre Herrlichkeit geben; denn mir ist sie übergeben, und wem irgend ich will, gebe ich sie.Wenn Du nun vor mir anbeten willst, soll sie alle Dein sein. - Tue dies, und, selbst wenn Du es nicht bist, wirst Du für die Menschen der Sohn Gottes, Messias, sein, der Retter. Erscheine in Glanz und Pracht, in Ruhm und Macht des Königs des Erdkreises, des Königs der Könige! Deinem Glanz und Deiner Macht werden sich nicht nur die Juden, sondern alle Völker der Erde verneigen. Die Menschen lieben Glanz und Macht; nur ihnen unterwerfen sie sich, ihnen dienen sie. Die Menschen muß man zuerst blenden, und dann kann man sie beherrschen mit Glanz, mit Reichtum und - mit Macht! Die Menschen lieben keine himmlischen Gleichnisse, sie sind zu sehr von Unrat befleckt. Sie wollen nur möglichst viel Reichtum und Lust! Du hast bemerkt: die einen von ihnen haben Gott vergessen, die anderen kennen Ihn nicht, die dritten sind offen gegen Ihn. Und ich? Ich herrsche ungehindert über Völker und Reiche, ich herrsche durch Reichtum, Sinnlichkeit und Macht! Und alle unterwerfen sich mir freudig. Aber ich bin des Glücks müde, der Macht und des Ruhms. Ich will  mich von der Erde zurückziehen. Ich habe keinen verläßlichen Menschen, dem ich all das übergeben könnte. Du gefällst mir, Du bist ernst, eifrig bist du und weise, Du wirst erfolgreich über all diese Völker und Reiche dieser Welt herrschen können, herrschen mit Hilfe von Reichtum, Sinnlichkeit und Macht! Und unaussprechbares Glück wird sich in alle menschlichen Herzen ergießen, und alle Menschen, Völker und Reiche werden Dich als ihren Messias und Retter preisen, und Deines Reiches wird kein Ende sein! Nur zu, entscheide Dich! Alle Reiche, allen Reichtum, all ihren Ruhm und Glanz, all ihre Macht und Lust, alles dieses will ich dir geben, wenn Du niederfallen und mich anbeten willst!
Wenn der Satan irgendwo ganz anwesend ist, mit all seinen verführerischsten Listen, dann in dieser dritten Versuchung. Was hat er hier nicht alles zusammengetragen, um den Blumenstrauß der Versuchungen möglich reizvoll zu gestalten. Nur in einem hater sich geirrt, und zwar im Allerwichtigsten. Er wußte nicht, daß er vor sich den Gottmenschen hat, Der vollkommen weiß, was der Mensch ist, und was die irdischen Reiche darstellen, und was der Satan selbst ist. In der Tat, Er ist der Einziege, Der weiß, was alles der Mensch und die Menschheit braucht. Und Er allein hat all das, und Er allein kann ihnen das alles geben. Die Reiche dieser Welt? Was sind sie vor den allsehenden Augen des Gottmenschen Christus? - Sündige Geschöpfe sündiger Menschen; sterbliche Geschöpfe sterblicher Menschen. In ihnen gibt es viele Verbrechen, viele Laster, viel Gewalt, viel Angst, viel Böses. Wenn man will: in ihnen sind nur Sklaven über Sklaven, Gräber über Gräber. Denn die Menschen, alle Menschen ohne Unterschied - sind traurige und machtlose Sklaven der Sünde und des Todes. Ja, traurige Sklaven und hilflose Gottesacker. Und der Ruhm der Reiche dieser Welt? - Ihr Ruhm liegt in ihrer Schande. Zweifellos, in ihrer Schande! Kann man etwa auf einem unübersehbaren Friedhof, auf dem jedes Grab voll ist von Gestank, Verwesung und Würmern, von Ruhm reden? Die Gräber bleiben Gräber; soviel ihr sie auch anstreichen möget, sie bleiben von innen doch immer voll von Gestank und Verwesung. Und Satan wünscht gerade dies, und er arbeitet ständig darauf hin: daß die Menschen auch weiterhin Sklaven von Sünde und Tod bleiben. Denn nur so kann er über sie herrschen,er, der Schöpfer von Sünde und Tod. Und durch all sein Böses, und durch all seine Wünsche, fließt sein oberster Wunsch, sein Allwunsch: durch sich Gott zu ersetzen, er möchte die höchste Gottheit nicht nur für die Menschen werden, sondern auch für den Sohn Gottes und Gott-Jesus. Er will die Welt und die Mensche so Christus vorstellen, daß auch Er Sich von Ihnen lossagt, selbst wenn Er der Sohn Gottes und Gott ist. Er will Jesus dahin bringen, daß Er Sich selbst von Sich lossagt und Sich sagt: wahrhaftig bin Ich ein großer Fehler; es ist besser, wenn Ich Mich vernichte und dem Satan Platz mache.
Jesus Christus kennt den geheimen Allwunsch des Verführers und antwortet ihm und spricht: Geh hinweg, Satan! Denn es steht geschrieben: “Du sollst den Herrn, deinen Gott, anbeten und Ihm allein dienen”. - das wahre Leben der Menschen in der Welt besteht darin, daß sie sich nur Gott allein, dem Einzigen wahren, verneigen und dienen. Die Menschen sind nach Gottes Ebenbild geschaffen, damit sie ihre ganze Seele zu Gott zieht und damit ihr ganzes Leben ein unaufhörlicher Gottesdienst sei. Die Menschen sind unsterbliche Wesen, denn sie haben eine unsterbliche Seele. Nur indem sie dem unsterblichen und lebendigen Gott dienen, durch Ihn leben, erfüllen sie ihre göttliche Bestimmung in der Welt: die Sünde und den Tod zu besiegen und das unsterbliche und ewige Leben zu erreichen. Der Gottmensch kam in die Welt um den Menschen göttliche Kraft und Macht zu verleihen, damit sie sich von Sünde und Tod befreien können und heilig und unsterblich werden. Darin liegt das Reich und die Kraft und der Ruhm des Gottmenschen. Aber auch des Menschen. Denn das wahre Reich des Menschen und die wahre Kraft und der wahre Ruhm liegt darin, daß er durch den Gottmenschen heilig und unsterblich wird und bleibt. Alles andere ist des Menschen Schande und Schmach.
Wenn der Mensch nicht dem Gottmenschen dient, so muß er, mittelbar oder unmittelbar dem Teufel dienen. Einen dritten Weg gibt es auf diesem Planeten nicht. Wer diese Welt oder die Dinge dieser Welt zur Sünde benutzt, dient nicht Gott, sondern dem Teufel. Diese Welt ist den Menschen gegeben, damit sie ihnen zum Pflanzgarten der Unsterblichkeit werde, sie aber verwandeln sie durch ihre Sünden zum Pflanzgarten des Todes. Wie man diese Welt benutzen muß und die Dinge dieser Welt, das zeigte der Herr Jesus Christus. Jeder andere Gebrauch ist ein Mißbrauch der Welt. Wer wegen der Dinge dieser Welt den Schöpfer dieser Welt ablehnt oder sich von Ihm lossagt, der gebraucht diese Welt zu seinem Verderben. Wenn sich der Mensch aber in die Dinge dieser Welt verliebt oder von Geldgier befallen wird, oder von Machtgier oder von Sinneslust, so hört er auf, ein Gottesverehrer zu sein und wird zu einem Teufelsverehrer. Wenn er durch seine Sünden Macht und Ruhm dieser Welt kauft, so kauft er sie immer vom Teufel und verkauft ihm seine Seele - bewußt oder unbewußt. In dieser Welt ist der Teufel ein Usurpator, denn er hat sich selbst auf fremdem Eigentum zum Eigentümer ausgerufen. Wahrlich, das Böse in der Welt und die Sünden in der Welt sind seine, aber die Welt selbst ist nicht seine, sondern Gottes, denn sie ist Geschöpf Gottes “Wegen seines Stolzes betrachtet er die Welt als sein Eigentum. Das sagt er auch jetzt denen, die auf ihren Vorteil bedacht sind, um diejenigen, die sich ihm verneigen, in seiner Macht zu haben” . Die dritte Versuchung ist eine große Täuschung, wenn nicht sogar die größte, für das kleine Herz des Menschen. Unterliegt ihr der Mensch in kleinerem oder größerem Maße, so wird er in seinem Herzen immer Gott durch den Teufel ersetzen, und wird sich anstatt Gott sündiger Sinneslust oder verwerflichen Lastern oder vergänglichen Dingen oder dem Teufel selbst verneigen.
Machtgier und Habgier ist das verführerischste Übel, weshalb der Satan diese Versuchung auch bis zum Ende aufhebt. In unserer irdischen Welt berühren sich Macht und Reichtum am häufigsten, sei es, daß um ihretwillen Gott geopfert wird, die Wahrheit Gottes, oder sei es daß Gott und alles Göttliche durch den Teufel und das Teuflische ersetzt wird. Deshalb retten sich die orthodoxen Christen davor auch mit dem inständigen Gebet: “Herr und Gebieter meines Lebens, gib mir nicht den Geist der Herrschsucht!”. Denn in diesem Geist ist alles vom unreinen Geist. Zur dritten Versuchung gehören alle Arten von Herrschsucht, Habgier und Ruhmsucht. Selbst der dünnste Faden von Ruhmsucht oder Herrschsucht oder Habgier verwandelt sich unmerklich in einen Strick, der unumgänglicherweise zur Schlinge um den Hals der Seele des Menschen wird. Und ein solcher Mensch endet gewöhnlich in Selbstmord - wenn nicht physischem, so doch sicher geistlichem, denn er ermordet die Seele in sich. Zweifellos ist der Teufel unübertroffen genial im Bösen. Er maskiert kunstvoll alle Laster und Sünden, sein Gift versüßt er geschickt mit scheinbarem Honig, und all das legt er dem Menschen vor in Form verführerischer naiver Vergnügen, mit dem einzigen Ziel: mit ihrer Hilfe die Menschen dazu zu bringen, daß sie vor ihm niederfallen und sich vor ihm verneigen. Denn in allem und durch alles ist für ihn das Wichtigste und einzig Wichtige: durch sich Gott zu ersetzen. Darin ist der ganze Satan und alles, was in der menschlichen Welt satanisch ist. Der Name Satan bedeutet Widersacher; und zwar Widersacher Gottes und alles Göttlichen in allen Welten.


4,11 Dann verläßt Ihn der Teufel, und siehe, Engel kamen hinzu und dienten Ihm.
In der dritten Versuchung tritt der Herr Jesus offen als allwissender und allmächtiger Gott auf und trägt den Sieg über den Satan davon. Denn Er kam in diese Welt  und wurde Mensch, um als Mensch im Namen des Menschen und für den Menschen Satan und alles Satanische in der menschlichen Welt zu besiegen. Erst durch die göttlich-machtvolle und göttlich-allwissende Antwort Christi auf die dritte Versuchung sah und erkannte Satan, daß er wahrhaftig den Sohn Gottes und Gott vor sich hatte. Aber dadurch sah und erkannte er auch, daß er selbst besiegt und verhöhnt ist. Er wollte Jesus versuchen und besiegen, tatsächlich aber hat er sich selbst versucht und die größte Niederlage erlitten. Deshalb zieht er sich auch als schwer Verwundeter und Ohnmächtiger von Jesus zurück, um den letzten und tödlichen Schlag durch den Tod Christi auf Golgatha und die Auferstehung zu erleiden. Der Evangelist schreibt: Dann verläßt Ihn der Teufel, und siehe, Engel kamen hinzu und dienten Ihm.
Jesus befiehlt als Gott, der Teufel gehorcht als Diener. Besiegt entfernt sich der Teufel von Christus, und die lichten Engel, die einstigen Brüder des finsteren Geistes des Bösen, treten zu Jesus und dienen Ihm freudig als Gott. Solange der Kampf währte, sagt der Hl. Chrysostomos, ließ Christus nicht zu, daß die Engel erscheinen, damit sie nicht jenen verjagen, den es zu greifen galt. Doch nachdem Er in allem den Teufel bloßgestellt und in die Flucht geschlagen hat, da erscheinen auch die Engel.


* * *
Zweifellos flocht der Satan in alle drei Versuchungen mittelbar oder unmittelbar alles Böse ein, wodurch er das menschliche Wesen versucht, denn er mußte den geheimnisvollsten und ungewöhnlichsten Menschen versuchen: Jesus von Nazareth. Und tatsächlich versuchte er Christus mit jeder Versuchung (Lk. 4,13; Hebr. 4,15), und dadurch eröffnete er unfreiwillig den Plan und die Methode seiner Arbeit in der Welt. Denn alle Versuchungen, mit denen der Satan die Menschen aller Zeiten versucht, sind nichts anderes, als die weiterentwickelten drei Versuchungen, mit denen er den Herrn Jesus Christus versuchte. Im Kampf mit all diesen Versuchungen fühte unser Herr Christus Seine göttlichen Eigenschaften ein und besiegte sie. Den Satan besiegte Er durch Gott, den unheiligen Geist - durch den Heiligen Geist (vgl. Lk. 4,1). Und dadurch zeigte und bewies Er, daß die Menschen nur durch Gott und den Hl. Geist alles satanisch Böse und alle Versuchungen besiegen können und auch den Satan selbst.
In den drei Versuchungen sind in Kürze die zwei wichtigsten Philosophien über die Welt und den Menschen dargelegt, die zwei schicksalhaftesten Ansichten von der Welt und dem Menschen: die Ansicht des Gottmenschen Christus und die Ansicht Satans. Das sind in der Tat zwei Evangelien: eines - das Evangelium Christi, das andere - das des Teufels (welches tatsächlich kein Evangelium ist = Frohbotschaft, sondern eine bittere Botschaft). Daher kommen die zwei Philosophien, die zwei Evangelien im ständigen Kampf durch die Geschichte der Menschheit. Ihr Anfang liegt in der ersten Begegnung auf diesem Planeten zwischen dem Gottmenschen und Satan. Hier ist auch der erste Sieg des Gottmenschen über den Teufel. Und durch den Gottmenschen - auch der erste Sieg des Menschen selbst. Dadurch erlebt der Teufel eine Niederlage nach der anderen - sowohl durch den Gottmenschen als auch durch Seine Nachfolger.
Warum sagt der Evangelist Lukas, fragt der Hl. Chrysostomos, daß der Teufel alle Versuchungen durchführte - panta peirasmon (Lk. 4,13)? Mir scheint, daß er nach Erwähnung der Hauptversuchungen sagt: alle, weil in diesen Versuchungen alle übrigen enthalten sind. In der Tat liegt die Quelle aller unzähligen Übel in diesen drei Lastern: dem Dienst am Bauch, der nichtigen Eitelkeit und der maßlosen Bindung an Reichtum. Im Wissen darum hob der widerliche Versucher auch die stärkste Versuchung bis zum Ende auf. Er brannte vor dem Wunsch, diese Versuchung ganz zu Anfang zu benutzen, aber da sie stärker war als die übrigen, hob er sie bis zuletzt auf. So ist sein Gesetz des Kampfes: am Ende das zu benutzen, was seiner Meinung nach das sicherste Mittel ist, um den Gegner auszuschalten. So verfuhr er auch mit Hiob; so auch hier. Und wie kann man den Verführer besiegen? So wie uns Christus gelehrt hat: sich Gott zuwenden, nicht den Mut verlieren, selbst bei großem Hunger, an Denjenigen glauben, Der uns auch mit dem Wort nähren kann; und wenn wir irgendetwas Gutes erreichen, sollen wir damit nicht den Geber des Guten versuchen, sondern uns zufriedengeben mit dem himmlischen Ruhm, und nicht im Geringsten um den menschlichen um sorgen, und in allem die Maßlosigkeit fliehen.. Wahrlich, nichts unterwirft so sehr dem Teufel wie Habgier und die Gier nach Besitz. Das kann man sogar aus dem ersehen, was jetzt geschieht. Auch jetzt gibt es Menschen, die sagen: “Alles dieses gebe ich dir, wenn du niederfällst und mich anbetest”. Obwohl sie der Natur nach Menschen sind, sind sie doch zu Werkzeugen des Teufels geworden. So griff damals auch der Teufel nicht nur selbst Christus an, sondern er nutzte auch andere aus, was der Evangelist Lukas zeigt, indem er sagt: “er wich von Ihm für einige Zeit”(Lk. 4,13). Mit diesen Worten läßt er uns wissen, daß der Teufel auch später Christus durch seine Werkzeuge angriff.... So verfuhr der Teufel nicht nur mit unser aller Herrn, sondern er strickt auch täglich gegen jeden Seiner Knechte die gleichen Netze. Und das nicht nur auf Bergen und in Wüsten, sondern auch in den Städten, auf Märkten  und in Gerichtssälen. Und er webt diese Netze nicht nur selbst, sondern auch durch Menschen, unsere Brüder. Was bleibt uns also zu tun? In keinem Fall dürfen wir ihm glauben, wir müssen vor ihm unsere Ohren verschließen, ihn hassen, wenn er uns schmeichelt, und je mehr er uns verspricht, desto mehr müssen wir ihn fliehen. Er ist unser unerbittlicher Feind, und er führt einen unversöhnlichen Kampf mit uns. Er verspricht uns viel, aber nicht um uns etwas zu geben, sondern um von uns zu nehmen.
Der Herr hat drei Versuchungen besiegt, sagt der selige Theophylakt, die Befriedigung des Bauches, die nichtige Eitelkeit und die Leidenschaft des Reichtums, d.h. die Habgier. Das sind die Hauptleidenschaften. Daher ist es nach dem Sieg über sie leichter, die übrigen zu beherrschen. Deshalb sagt Lukas auch: und als der Teufel jede Versuchung vollendet hatte (Lk. 4,13), obwohl der Herr nur die drei Hauptleidenschaften besiegte. Die Engel aber dienten Ihm, um zu zeigen, daß sie auch uns nach dem Sieg dienen werden, denn all dies tat und zeigte Christus um unseretwillen. Ihm aber, als Gott, dienen die Engel immer. Die drei erwähnten Versuchungen, sagt Zigaben, sind eben die wichtigsten unter den Versuchungen, denn alle übrigen entspringen aus ihnen. Wer diese Leidenschaften besiegt, wird auch den Sieg über die anderen davontragen.

 

Bote 1991-3
Kommentar zum Hl. Evangelium nach Matthäus
Anfang des Wirkens Christi in Galiläa (4,12-17)

Als Er aber gehört hatte, daß Johannes überliefert worden war, entwich Er nach Galiläa.
Und als Jesus hörte, daß Johannes überliefert war, ging Er nach Galiläa. Dies geschah später, nicht sofort nach den Versuchungen. Als der Hl. Täufer in das Gefängnis geworfen wurde, befand Sich der Heiland in Judäa. Sofort, als Er dies erfuhr, entfernte Sich der Retter nach Galiläa. Warum? Um uns,  antwortet der Hl. Chrysostomos, zu belehren,  daß wir uns nicht selbst in Versuchungen stürzen sollen, sondern uns vor ihnen zurückziehen und uns entfernen. Nicht jener ist schuld, der sich nicht in Gefahr begibt, sondern jener, der in Gefahren keinen Mut hat.
Und Er verließ Nazareth und kam und wohnte in Kapernaum, das am Meer gelegen ist, in dem Gebiet von Zabulon und Nephtalim; auf daß erfüllt werde, was durch den Propheten Jesajas gesagt ist, welcher spricht: “Land Zabulon und Land Nephtalim, gegen das Meer hin, jenseits des Jordan, Galiläa der Nationen: das Volk, das in Finsternis saß, hat ein großes Licht gesehen, und denen, die im Lande und Schatten des Todes saßen, Licht ist ihnen aufgegangen”.
In Galiläa siedelt Sich der Heiland in Kapernaum an, einer kleinen, aber sehr wichtigen lebendigen Stadt am nordwestlichen Ufer des Sees Genezareth, welcher auch als Meer von Tiberias oder Galiläisches Meer  bezeichnet wird. Hier und in der Umgebung verbrachte der Heiland eine beachtliche Zeit Seines öffentlichen Wirkens, weshalb Kapernaum auch mitunter als Seine Stadt bezeichnet wird (Mt. 9,1).
Indem Er Sich in Kapernaum ansiedelt, erfüllt der Heiland auch die Prophezeiung des Propheten Jesajas (Jes. 9,1-2): “Land Zabulon und Land Nephtalim, gegen das Meer hin, jenseits des Jordan, Galiläa der Nationen: das Volk, das in Finsternis saß, hat ein großes Licht gesehen, und denen, die im Lande und Schatten des Todes saßen, Licht ist ihnen aufgegangen”. Galiläa wird als heidnisch bezeichnet, weil unter den Juden aus dem Stamm Zabulon und Nephtalim auch viele Heiden lebten. Die Heiden kennen den wahren und wahrhaftigen Gott nicht, Der das einzige unauslöschliche Licht für den menschlichen Gedanken, das menschliche Herz, das menschliche Leben ist. Die Heiden “sitzen in der Finsternis”, die Sünden hatten sie von allen Seiten mit ihrer Finsternis umgeben und mit ihrer schweren Kraft an die Erde gefesselt, und so sehen sie weder den Weg des Lebens, noch haben sie Kraft, sich auf ihn zu begeben. Ohnmächtig und hilflos, suchen sie auch keinen Ausweg aus der Finsternis der Sünde, sondern sitzen gleichgültig in ihr. Dies ist ein Zeichen äußerster geistiger Erschöpfung. Doch dies ist nur das erste Übel; das zweite ist noch größer und schlimmer: diejenigen, sie “sitzen im Lande und Schatten des Todes “Finsternis hat sie umgeben, der Tod hat sie von allen Seiten eingeschlossen. Nicht nur die Heiden, sondern alle Nachfahren Adams und Evas. Die Prophezeiung des Jesajas bezieht sich in jedem vollen Sinn auf alle Menschen. Der Tod ist durch die menschlichen Sünden in solchem Maße gewachsen, daß er  alles Unsterbliche und Ewige vollkommen von den menschlichen Augen abschirmt:  Gott, den Himmel, die Unsterblichkeit, die Ewigkeit.  Wie ein furchtbares Ungeheuer hat sich der Tod zwischen Erde und Himmel ausgebreitet und hält in seinem finsteren Schatten alle Menschen. Und siehe, vom Tod zermalmt, ausweglos, verzweifelt  “sitzen sie im Schatten des Todes “, und denken nicht daran, mit ihm zu kämpfen, denn sie haben weder Willen noch Kraft. Alles Menschliche ist vor der schrecklichen Kraft des Todes und der scheußlichen Finsternis der Sünde zugrunde gegangen. Und allmählich aber ständig ersticken in der offenen Finsternis der Sünde alle menschlichen Seelen, alle menschlichen Herzen, alle menschlichen Leiber, und hauchen im furchtbaren Schatten des Todes ihr Leben aus.
In dieser Finsternis der Sünde und des Todes kann sich kein menschliches Licht behaupten. Sowie es angezündet wird, löscht es die Sünde durch den Tod. Außerdem ist in der endlosen irdischen Finsternis der Sünde und des Todes jedes menschliche Licht nicht nur klein, sondern endlos klein, klein wie ein winziges Kerzlein, das sofort ausgeht, wenn der Tod es anhaucht. Hier kann nur das Licht helfen, welches Sünde und Tod nicht auslöschen können. Und noch etwas: das Licht, das die Finsternis der Sünde vertreiben und den Tod vernichten kann. Und ein solches Licht ist, war und bleibt in unserer irdischen Finsternis nur Er: unser Herr Jesus Christus. Er ist das einzige “Licht des Lebens” in der menschlichen Welt von Sünde und Tod;  Er ist das einzige “wahre Licht” in allen Welten,  welches keine Finsternis umfangen kann (Joh. 1, 9. 5; 8, 12). Der Beweis? Sein Sieg über Sünde und Tod. Als einziger Sieger über Sünde und Tod in unserer menschlichen Welt hat Er nicht nur die Finsternis der Sünde vertrieben und den Drachen des Todes zermalmt, sondern Er hat auch den Menschen das ewige und unsterbliche Leben geschenkt. Daher ist Er  in unserer irdischen Welt allein “das große Licht”, welches allen Menschen leuchtet, allen Gefangenen von Sünde und Tod,  das ihnen den Weg in das ewige und unsterbliche Leben erleuchtet und ihnen Kraft verleiht, um auf diesem Weg auszuhalten. Der heilige Johannes Chrysostomos erläutert die Prophezeiung des Propheten  Jesajas: als Finsternis bezeichnet der Prophet nicht die sichtbare Finsternis, sondern Verirrung und Gottlosigkeit. Daß dies so ist, kann man auch daran sehen, daß er wenn er vom Licht spricht dieses nicht einfach als Licht bezeichnet, sondern als großes Licht; wenn er dagegen von Finsternis spricht, nennt er sie Schatten des Todes . Wenn er darauf zu zeigen  wünscht,  daß die Bewohner dieses Landes dieses Licht nicht selbst gefunden haben, sondern Gott es ihnen Selbst zeigte,  sagt der Evangelist:  “Licht ist ihnen aufgegangen”,  d. h. das Licht ist selbst aufgeleuchtet und hat sie erleuchtet, nicht aber sind sie ihm entgegen gegangen. In der Tat, das Menschengeschlecht befand sich vor der Ankunft Christi in äußerst erbärmlichem Zustand; die Menschen gingen schon nicht mehr in der Finsternis, sondern sie saßen in der Finsternis. Das aber bedeutet, daß sie nicht einmal mehr hofften, sich dieser Finsternis zu entledigen. Ja, sie wußten nicht einmal, wohin man gehen muß und, umgeben von Finsternis, saßen sie, denn sie waren nicht einmal mehr im Stande zu stehen. Christus, das große Licht, sagt Zigaben, führte die Menschen aus der Verirrung, indem Er sie mit Seinem Licht erleuchtete. Der Evangelist erklärt, was die Finsternis ist,  indem er sie als Gegend, Land des Todes bezeichnet -  ceran qanatou  - und Schatten des Todes. Denn wie das Grab der Ort, der Raum, die Gegend und der Schatten des körperlichen Todes ist (Gegend nämlich als Ort, Schatten als Finsternis, denn die Finsternis ist Schatten) so war auch jene Verirrung die Gegend und der Schatten des geistlichen Todes;  die Gegend nämlich weil sie wie das Grab jene festhielt, die darein verfallen waren, d. h. diejenigen, die für das Gefühl der Wahrheit tod waren - nenekrwmenouz eiz aisqhsin alhqeiaz - ; der Schatten wiederum, weil er sie mit Finsternis bedeckte.
Das große Licht ist das Evangelium, sagt der selige Theophilakt im Kommentar zu diesen Worten. Das alttestamentliche Gesetz war auch ein Licht, aber ein kleines. Der Schatten des Todes ist die Sünde; sie ist sowohl das Ebenbild als auch das Abbild des Todes, denn wie der Tod den Körper erfaßt, so erfaßt die Sünde die Seele. Das Licht ist uns aufgeleuchtet, denn wir haben es nicht gesucht, sondern es ist uns selbst erschienen indem es uns gleichsam verfolgte.

 

Bote 1991-4
Kommentar zum Hl. Evangelium nach Matthäus
Anfang des Wirkens Christi in Galiläa (4,17)

Von da an begann Jesus zu predigen und zu sagen: Tut Buße, denn das Reich der Himmel ist nahe gekommen.
Im Land der Sünde und des Todes beginnt unser Herr Jesus Christus Seine Predigt. Womit? Mit der Buße.  Denn die Buße ist die Auferstehung der Seele, der Sieg über die Sünde welche die Seele im Grab der Lüge, der Unwahrheit, der Verirrung, der Gesetzlosigkeit, des Stolzes, des Unglaubens, des Neides, der Begierde, des Wuchers, des Hasses hält. Durch die Buße ersteht die Seele zum Licht der Wahrheit auf, der Gerechtigkeit, der Demut, des Glaubens, der Barmherzigkeit, der Keuschheit, der Sanftmut, der Liebe. Der Heiland beginnt Seine Predigt mit dem, womit der Heilige Vorläufer abschloß: tut Buße denn das Himmelreich ist nahe! Tatsächlich  verwirklicht und gibt der Herr das, wozu der Heilige Täufer geführt und gelenkt hatte:  das Himmelreich.  Vor uns ist die gleiche heilige Frohbotschaft: das alte Testament prophezeite sie, und der Heilige Vorläufer ist ihr Engel, welcher verkündet, daß sie schon hier ist: das Lamm Gottes - der Herr Christus!
Es genügt nicht, nur Buße zu tun, sondern das wichtigste ist hier: vor wem und warum man bereuen muß. Aus der Predigt des Vorläufers wird deutlich, daß man vor dem Angesicht des Himmelreiches und des Himmelreiches willen Buße tun muß. Doch was ist das Himmelreich? - Das ist der Gottmensch Christus und Sein gesamtes Evangelium, mit all seinen ewigen himmlischen Frohbotschaften, Werten und  Realitäten. Um Seinetwillen muß man bereuen und davor muß man Buße tun.
Womit beginnt das Evangelium? - Mit der Buße. Warum? Weil der Blick von Christus zurück auf alle Menschen aller Zeiten und Sünde über Sünde, Laster über Laster, Tod über Tod aufdeckt. Das ist die ganze Geschichte der Menschheit. Es ist nichts anderes, als ein unübersehbares Reich des Bösen, des Todes und des Schreckens. Das ist die Vision, die der Heilige Vorläufer und der Herr Selbst Jesus Christus von dieser Welt hat. Das Evangelium des Heilands könnte auch mit nichts anderem beginnen, als mit der Buße. Alles, was dem Herrn Jesus vorausgeht, alles Böse, alle Sünden und jeglicher Tod, -  ist das alles nicht etwas, um wessentwillen man Buße und Reue tun muß? Und sich vorbereiten auf das neue Leben in einer neuen Wirklichkeit, auf das Himmelreich, welches sich mit allen seinen ewigen Reichtümern uns annähert in der Person des Gottmenschen Christus, und schon hier vor uns ist und unter uns. Sobald sich der Mensch, jeglicher Mensch vor Christus führt und ehrlich und mutig sich ganz vor Ihn stellt, und  von Seinem göttlichen Licht erleuchtet sich selbst vollkommen von oben bis unten anschaut, und sein ganzes Leben bis zu diesem Moment, - was bleibt ihm? Nichts anderes als entschlossen Buße zu tun für alles und alle und mit der ganzen Seele den sanftmütigen und gütigen Herrn Jesus zu umarmen. Nach dem Beispiel des Heiligen Apostels: Ich erachte alles für Verlust wegen der Vortrefflichkeit der Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn, um dessentwillen ich alles eingebüßt habe und für  Unrat erachte, auf daß ich Christus gewinne und in Ihm erfunden werde (Phil. 3, 8-9).
Die Buße ist das Tor des Evangeliums Christi. Nur hierdurch kann man in das Reich Christi eingehen. Die Demut findet sie immer, der Stolz aber geht absichtlich vorbei. Geheiligt ist die Wahrheit: Gott widersetzt Sich den Stolzen, den Demütigen aber schenkt Er Gnade (1 Pet. 5, 5; Jak. 4, 6). Nur ein hartnäckig stolzer Mensch bereut nicht, doch dafür weiß er auch nicht, was für eine Freude es ist und Kraft und Macht - sich mit Christus zu treffen, vor Ihm zu bereuen, und Ihn, den Allbarmherzigen und Gütigsten, als ewigen Gott und Herrn zu haben. Wer nicht Buße tut, verharrt durch seine Schuld immer im traurigen und finsteren Reich der Sünde und des Todes. Das ist das unglücklichste menschliche Wesen, das die Erde kennt, gefesselt durch dreierlei Fesseln: die Fesseln des Stolzes, des Todes und des Teufels. All diese Fesseln sprengt wie ein Spinngewebe nur die Demut des Evangeliums.
Von der Buße nimmt der neue Mensch seinen Anfang, der neutestamentliche Mensch. Denn die Buße verändert im Menschen sowohl die Seele als auch das Herz, Gedanken und Gefühle, sodaß der Mensch sowohl sich selbst als die ihn umgebende Welt nach Art des Evangeliums erlebt, und sich und die Welt mit den Augen Christi betrachtet. Das ist ein völlig neues Leben: vollkommen auf das Göttliche, Unsterbliche, Ewige ausgerichtet. Seine Wege sind: die Wahrheit des Evangeliums, die Gerechtigkeit des Evangeliums, die Liebe des Evangeliums,  die Güte des Evangeliums, die Barmherzigkeit des Evangeliums, die Demut des Evangeliums. Und all diese Wege führen zum und ins Himmelreich.
Von da an begann Jesus zu predigen und zu sagen: Von diesem Moment an, sagt der selige Theophilakt, als Johannes ins Gefängnis geworfen war, begann Jesus zu predigen, denn Er wartete darauf, daß Johanes zunächst sein Zeugnis über Ihn ablege und Ihm den Weg bereite, auf dem Er gehen sollte. Dem Vater gleich, hatte der Herr auch Selbst in der Person des Johannes Seinen Propheten, sowie Sein Vater und Gott Propheten vor Johannes hatte. Genauer gesagt,  waren auch diese Propheten sowohl des Vaters als auch des Sohnes - Tut Buße, denn das Reich der Himmel ist nahe gekommen.Christus und ein tugendhaftes Leben - das ist das Himmelreich. Denn wenn jemand auf der Erde wie ein Engel lebt ist es dann nicht himmlisch? In jedem von uns ist das Himmelreich, wenn wir engelgleich leben.
Die Wahl der ersten Schüler (4, 18-22)
“Als er am galiläischen See hinwandelte, sah er zwei Brüder, Simon, genannt Petrus, und seinen Bruder Andreas, das Netz in den See auswerfen; sie waren nämlich Fischer. Und er sagte zu ihnen: Kommet her, folget mir nach, und ich will euch zu Menschenfischern machen. Da verließen sie alsbald die Netze und folgten ihm nach.”
Seine ersten Nachfolger fand unser Herr Jesus Christus unter Menschen, die in Finsternis und im Schatten des Todes sitzen. Aus Galiläa erwartete man nichts Gutes, am wenigsten Propheten; doch siehe, Galiläa stellt die ersten Apostel. Das ist nicht nur etwas Gutes, sondern das höchste Gut. Denn die Apostel stellen den Gipfel alles Guten dar, den Gipfel der Weisheit, der Macht, zu der die menschliche Natur gelangen kann, wenn sie vom Gottmenschen geführt wird. Die Menschen aus dem Lande des Todes wurden die ersten wahrhaft Unsterblichen im Menschengeschlecht. Die galiläischen Fischer, einfache Leute, wurden die ersten wahren Weisen in der Welt des Menschen. Demütig und ohnmächtig, wurden sie durch den Gottmenschen mächtig und allmächtig.
Petrus und Andreas erkannten Christus vor ihrer Berufung. Hier rief sie der Heiland zum zweiten Mal zum apostolischen Dienst. Ihre erste Berufung beschreibt der Evangelist Johannes (Jh 1, 36-42). Er sagt, daß sie von Christus durch den Vorläufer Johannes wußten. Angeregt durch die Worte des Vorläufers über Jesus, besuchte Andreas den Herrn Jesus und erlangte von diesem Besuch die Überzeugung, daß Jesus der Messias sei. Und davon berichtete er seinem Bruder Petrus. All das geschah, bevor der Vorläufer ins Gefängnis geworfen wurde. Der Evangelist Matthäus jedoch spricht hier von ihnen zu dem Zeitpunkt, nachdem der Vorläufer im Gefängnis war. Beim hl. Johannes ruft Andreas den Petrus, hier aber ruft sie beide Christus. Außerdem sagt der hl. Johannes, daß Christus, als Andreas Petrus zu Ihm führte, diesem sagte: “Du bist Simon, der Sohn Jonas; du wirst Kephas heißen, was bedeutet Petrus” (Jh 1,42). Der hl. Matthäus aber behauptet, daß er bereits diesen Namen trug, denn er sagt, er sah Simon, welcher Petrus genannt wird. Andreas und Petrus waren Schüler des Johannes, sagt der hl. Theophylakt. Während Johannes noch in Freiheit war, kamen sie zu Christus und als sie sahen, daß Johannes eingesperrt war, kehrten sie zu ihrer Fischertätigkeit zurück. Darauf berief sie eben der Heiland22. In jedem Fall war das Wissen dieser zwei Brüder über Christus zu gering, als daß sie deswegen alles hätten liegen lassen können und Ihm nachfolgen. Und nur das rätselhafte Versprechen Jesu, daß Er sie zu Menschenfischern machen würde, was konnte das für die einfachen galiläischen Fischer bedeuten? Konnten sie etwa in diesem Moment erahnen, welche göttlichen und wundertätigen Kräfte hinter diesem Versprechen stehen? Und Jesus hatte ja eben erst seine Predigt begonnen und hatte noch nicht ein einziges Wunder vollbracht! Und dennoch verließen sie auf den Ruf Christi sofort ihre Netze und folgten ihm nach.
Wahrhaftig hier ist die Rede von einer großen Tat dieser beiden ersten Schüler. Wodurch kann man sie am besten erklären? Es scheint mir folgendermaßen: In der Persönlichkeit unseres Herrn Jesus Christus mußte etwas ungeheuer Anziehendes sein, etwas, was jede menschliche Seele erweichte, sie mit einer gewissen Güte erfüllte, einer Stille, einer Süßigkeit, einer Freude. Erweicht durch diese unwiderstehlichen Wunderkräfte, die aus seinem wunderbaren, göttlichen, herrlichen Antlitz sich ergossen, welche die menschliche Seele nur fühlen konnte, mit ihrem ganzen Wesen fühlen konnte, und so zu sich mit ihrem ganzen Wesen sprechen konnte: Ja, das ist das Wichtigste, das Beste, das einzig Große, das Heiligste, das Ideale, was ich immer gesucht habe und nun hier habe ich es gefunden! Hier ist sie ganz - meine süße Unsterblichkeit, meine ganze süße Ewigkeit, meine ganze unbegrenzte Freude; hier ist mein ganzes Paradies, meine ganze Wonne, mein ganzer Himmel, mein ganzes Universum! Muß ich nicht um Seinetwillen alles verlassen, nicht nur die Netze? Und sie verließen sofort die Netze und folgten ihm nach.

4, 21-22
“Und als er von da weiterging, sah er zwei andere Brüder, Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und seinen Bruder Johannes, mit ihrem Vater Zebedäus im Schiff ihre Netze ausbessern; und er rief sie zu sich. Da verließen sie alsbald das Schiff und ihren Vater und folgten ihm nach.”

Hier liegt eine noch größere Tat als die Tat der beiden ersten heiligen Schüler vor. Diese zwei Brüder, Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, verlassen nicht nur ihre Netze und das Boot, sondern auch ihren Vater. Auf ein Wort Jesu und ohne jegliches Versprechen Seinerseits - verließen sie sofort das Boot und ihren Vater und folgten ihm nach. Wodurch kann man eine solche Tat dieser heiligen Brüder erklären? Wahrlich, in der Persönlichkeit des Heilands mußte etwas Unendliches und Unüberwindliches verborgen sein, etwas, was alles Gute, Erhabene, Göttliche in der Seele der einfachen galiläischen Fischer anzog. Sicherlich loderte in ihren Seelen die ideale Erwartung des Messias, und alleine durch Sein Erscheinen zog Jesus zweifellos alle gottsuchenden Seelen an. Es besteht kein Zweifel, daß aus Ihm die göttliche Wahrheit strahlte - wer von denen würde Ihm nicht folgen, der die Wahrheit suchte? Aus Ihm strahlte die göttliche Liebe; wer von denen, die nach der Liebe dürsteten, wäre Ihm nicht gefolgt? Aus Ihm strahlte die göttliche Güte, die göttliche Wahrheit, die göttliche Weisheit, die göttliche Schönheit, göttliche Heiligkeit, göttliche Wahrhaftigkeit; wer von denen, die danach dürsteten, wäre Ihm nicht gefolgt. In einem Wort, aus Ihm strahlte, wenn auch vom Körper verborgen, Gott mit allen Seinen Vollkommenheiten.
Daher konnten die reinen Augen der Seele Jesus zuerst erahnen, und darauf auch Gott erkennen. Eben das geschah wahrscheinlich mit den ersten Schülern, und daher verließen sie mit solcher Selbstaufopferung alles und folgten Ihm nach.
Auch abgesehen davon war die Tat der ersten Schüler Christi außergewöhnlich groß. Sie folgten Jesus, der noch kein einziges Wunder vollbracht hatte und wegen seiner Predigt, die sich noch in ihrem Anfangsstadium befand, noch nicht berühmt war (Mt 4,17). Allen nach ihnen war es leichter, Christus zu folgen, und um Seinetwillen alles zu verlassen, denn je weiter sich die Menschen in der Zeit von Christus befinden, umso mehr Gründe haben sie, an Ihn zu glauben, und sich Seinetwillen zu opfern. Es gibt immer mehr Zeugen Seiner göttlichen und heilbringenden Kraft und Macht. So haben wir Menschen des 20. Jh. zwischen uns und dem Verweilen des Heilands auf Erden einen zeitlichen Abstand von beinahe 2000 Jahren. Und in diesem Abstand wie viele Tausende, wie viele Millionen  Zeugen und Zeugnisse von Christus als wahrem Gott und Heiland der Menschen der Welt! Wie viele Apostel, Märtyrer, Asketen, Bekenner und Uneigennütze und übrige Heilige und Gerechte! Und daneben wie viele zahllose Wunder des Evangeliums, unzählbare Werke des Evangaliums, zahllose Erfahrungen des Evangeliums, Gedanken, Gefühle, Worte!  Gibt es etwa heute einen Menschen, der neben so vielen offensichtlichen Zeugnissen und unwiderlegbaren Gründen neue Zeugnisse und neue Gründe für seinen Glauben an Christus als den einzigen wahren Gott und Heiland des Menschen und der Welt suchen würde? Da wir so viele und solche Zeugnisse, so viele und solche Gründe haben und dennoch nicht unserem Herrn Christus folgen und nicht nach Seinem Evangelium leben, ist unsere Verantwortung unendlich groß, aber unendlich ist auch das Verdienst und unfaßbar die Größe der ersten Schüler Christi gerade darin, daß sie diese Zeugnisse, all diese Gründe nicht vor sich hatten, und dennoch alles hinter sich ließen und ohne Zweifel Christus folgten.
Für solchen beispiellosen Mut im Glauben belohnt der Herr Jesus Christus die heiligen Brüder Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus mit einer ungewöhnlichen Belohnung: Er gibt ihnen den Namen: Boanerges (BoanhrgeV), was bedeutet, Söhne des Donners (Mk 3,17). Und wahrhaftig sie bewahrheiteten diesen Namen mit ihrem Leben und ihrem apostolischen Dienst. Ihr ganzes Leben war ein ununterbrochenes Donnern himmlischer Botschaften Christi in dieser Welt. Besonders gilt das für den hl. Johannes, den Evangelisten und Theologen “den Schüler, den Jesus liebte”. Den einzigsten, den Jesus so liebte, daß dies in den heiligen Büchern geschrieben steht. Aus niemandes Mund spricht so stark, so kräftig, so einflußreich das Donnern der himmlischen Geheimnisse Gottes hervor, wie aus dem heiligen Mund, “des Schülers, den Jesus liebte”. Jedes seiner Worte ist Donner, jeder Gedanke Donner, jede Tat Donner, jedes Gefühl Donner. Donner auf Donner, das ist sein Evangelium, dieses angenehmste Donnern, das unaufhörlich den schwarzen Himmel der Erde durchbricht.

Bote 1991-5
Kommentar zum Hl. Evangelium nach Matthäus

Und als er von da weiterging, sah er zwei andere Brüder, Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und seinen Bruder Johannes, mit ihrem Vater Zebedäus im Schiff ihre Netze ausbessern; und er rief sie zu sich. Da verließen sie alsbald das Schiff und ihren Vater und folgten ihm nach.”

Hier liegt eine noch größere Tat als die Tat der beiden ersten heiligen Schüler vor. Diese zwei Brüder, Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, verlassen nicht nur ihre Netze und das Boot, sondern auch ihren Vater. Auf ein Wort Jesu und ohne jegliches Versprechen Seinerseits - verließen sie sofort das Boot und ihren Vater und folgten ihm nach. Wodurch kann man eine solche Tat dieser heiligen Brüder erklären? Wahrlich, in der Persönlichkeit des Heilands mußte etwas Unendliches und Unüberwindliches verborgen sein, etwas, was alles Gute, Erhabene, Göttliche in der Seele der einfachen galiläischen Fischer anzog. Sicherlich loderte in ihren Seelen die ideale Erwartung des Messias, und alleine durch Sein Erscheinen zog Jesus zweifellos alle gottsuchenden Seelen an. Es besteht kein Zweifel, daß aus Ihm die göttliche Wahrheit strahlte - wer von denen würde Ihm nicht folgen, der die Wahrheit suchte? Aus Ihm strahlte die göttliche Liebe; wer von denen, die nach der Liebe dürsteten, wäre Ihm nicht gefolgt? Aus Ihm strahlte die göttliche Güte, die göttliche Wahrheit, die göttliche Weisheit, die göttliche Schönheit, göttliche Heiligkeit, göttliche Wahrhaftigkeit; wer von denen, die danach dürsteten, wäre Ihm nicht gefolgt? In einem Wort, aus Ihm strahlte, wenn auch vom Körper verborgen, Gott mit allen Seinen Vollkommenheiten.
Daher konnten die reinen Augen der Seele Jesus zuerst erahnen, und darauf auch Gott erkennen. Eben das geschah wahrscheinlich mit den ersten Schülern, und daher verließen sie mit solcher Selbstaufopferung alles und folgten Ihm nach.
Auch abgesehen davon war die Tat der ersten Schüler Christi außergewöhnlich groß. Sie folgten Jesus, der noch kein einziges Wunder vollbracht hatte und wegen seiner Predigt, die sich noch in ihrem Anfangsstadium befand, noch nicht berühmt war (Mt 4,17). Allen nach ihnen war es leichter, Christus zu folgen, und um Seinetwillen alles zu verlassen, denn je weiter sich die Menschen in der Zeit von Christus befinden, umso mehr Gründe haben sie, an Ihn zu glauben, und sich Seinetwillen zu opfern. Es gibt immer mehr Zeugen Seiner göttlichen und heilbringenden Kraft und Macht. So haben wir Menschen des 20. Jh. zwischen uns und dem Verweilen des Heilands auf Erden einen zeitlichen Abstand von beinahe 2000 Jahren. Und in diesem Abstand wie viele Tausende, wie viele Millionen  Zeugen und Zeugnisse von Christus als wahrem Gott und Heiland der Menschen der Welt! Wie viele Apostel, Märtyrer, Asketen, Bekenner und Uneigennütze und übrige Heilige und Gerechte! Und daneben wie viele zahllose Wunder des Evangeliums, unzählbare Werke des Evangaliums, zahllose Erfahrungen des Evangeliums, Gedanken, Gefühle, Worte!  Gibt es etwa heute einen Menschen, der neben so vielen offensichtlichen Zeugnissen und unwiderlegbaren Gründen neue Zeugnisse und neue Gründe für seinen Glauben an Christus als den einzigen wahren Gott und Heiland des Menschen und der Welt suchen würde? Da wir so viele und solche Zeugnisse, so viele und solche Gründe haben und dennoch nicht unserem Herrn Christus folgen und nicht nach Seinem Evangelium leben, ist unsere Verantwortung unendlich groß, aber unendlich ist auch das Verdienst und unfaßbar die Größe der ersten Schüler Christi gerade darin, daß sie diese Zeugnisse, all diese Gründe nicht vor sich hatten, und dennoch alles hinter sich ließen und ohne Zweifel Christus folgten.
Für solchen beispiellosen Mut im Glauben belohnt der Herr Jesus Christus die heiligen Brüder Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus mit einer ungewöhnlichen Belohnung: Er gibt ihnen den Namen: Boanerges (BoanhrgeV), was bedeutet, Söhne des Donners (Mk 3,17). Und wahrhaftig sie bewahrheiteten diesen Namen mit ihrem Leben und ihrem apostolischen Dienst. Ihr ganzes Leben war ein ununterbrochenes Donnern himmlischer Botschaften Christi in dieser Welt. Besonders gilt das für den hl. Johannes, den Evangelisten und Theologen “den Schüler, den Jesus liebte”. Den einzigsten, den Jesus so liebte, daß dies in den heiligen Büchern geschrieben steht. Aus niemandes Mund spricht so stark, so kräftig, so einflußreich das Donnern der himmlischen Geheimnisse Gottes hervor, wie aus dem heiligen Mund, “des Schülers, den Jesus liebte”. Jedes seiner Worte ist Donner, jeder Gedanke Donner, jede Tat Donner, jedes Gefühl Donner. Donner auf Donner, das ist sein Evangelium, dieses angenehmste Donnern, das unaufhörlich den schwarzen Himmel der Erde durchbricht.

 

Bote 1991-6
Kommentar zum Hl. Evangelium nach Matthäus

Einleitung zur Bergpredigt (4, 23- 25)

Und Jesus zog durch das ganze Galiläische Land, lehrte in ihren Synagogen und predigte das Evangelium vom Reiche und heilte alle Krankheit und alle Gebrechen im Volk.

In dieser Welt ist der Heiland wie in einem Krankenhaus; unter den Menschen lebt Er wie unter Kranken, denn alle sind krank, alle ohne Ausnahme, wenn nicht von anderen, so sicher von einer allgemein menschlichen Krankheit: der Sünde.
Schon der Beginn Seines göttlichen Wirkens zeugt davon. Der heilige Evangelist schreibt nieder: Und Jesus zog durch das ganze Galiläische Land, lehrte in ihren Synagogen und predigte das Evangelium vom Reiche und heilte alle Krankheit und alle Gebrechen im Volk - der Heiland durchläuft und durchwandert das Land der Sünde und des Todes und lehrt dabei, predigt, heilt. Er lehrt vom Gesetz des Moses, verkündigt das Evangelium, heilt von allen Krankheiten. Und zwar lehrt er in den jüdischen Versammlungen, den Synagogen, “um zu zeigen, daß Er kein Gegner des Gesetzes ist”. Die Versammlungsorte waren Gebetshäuser, in denen man das Gesetz las und erleuterte, sich mit Gebeten an Gott wandte, während die Juden nur einen Tempel hatten: in Jerusalem, wo die Bundeslade war. Der Heiland lehrt in den Synagogen, um möglichst viele Menschen anzuziehen, sagt Zigaben und damit man nicht sage, daß Er um Sich nur einfache Fischer versammelte und belehrte, aber keinen Mut habe, dies unter den gelehrten Kennern des Gesetzes in den Synagogen zu tun.
In Galiläa, wo das Dunkel der Sünde und der Schatten des Todes herrschen, predigt der Heiland das Evangelium des Reiches. Welches Reiches? - “Des Reiches Gottes” (Mk. 1, 14). Und weiter ? Des Himmelreiches, von dem Er kürzlich sagte, daß es nahe sei (Mt. 4, 17), und jetzt ist es schon da “das Evangelium des Reiches Gottes”, - das heißt? Hier ist Gott Selbst der König, und alle Seine Vollkommenheiten: Ewige Wahrheit, Ewige Gerechtigkeit, Ewige Liebe, Ewige Güte, Ewige Weisheit, Ewiges Leben. All das herrscht im Evanglium Christi . Es ist auch das Evangelium des Himmelreiches, denn in ihm ist der ganze Himmel anwesend, und die Himmel über den Himmeln, mit all ihren ewigen Werten und paradiesischen Freuden.
Es wurde gesagt, daß der Herr Christus das Evangelium predigte und nicht irgendeine Lehre oder irgendeine Wissenschaft, oder irgendein Gesetz, oder irgendeine Vision. Was bedeutet “Evangelium”? Evangelium ist ein griechisches Wort euaggelion, und bedeutet: Frohbotschaft, gute, frohe Nachricht. Was stellt die gute Botschaft dar? - Der Gottmensch Selbst, der Herr Christus und alles, was Er als Gott der Welt bringt und gibt. Man kann mutig sagen: der Herr Christus ist das Evangelium, und das Evangelium ist der Herr Christus. Der Beweis? - Der Heiland identifiziert Sich Selbst mit Seinem Evangelium (Mk. 10, 29). Analysiert man diese Wahrheit, so lautet sie: die Frohbotschaft ist die Wahrheit, die der Herr Christus der Welt gebracht hat; die Frohbotschaft ist die Liebe, die Er der Welt gezeigt hat; die Frohbotschaft ist Seine Gerechtigkeit, Seine Güte, Seine Weisheit, Seine Barmherzigkeit, Seine Schönheit; die Frohbotschaft ist Seine Geburt, Seine Taufe, Seine Verklärung, Sein Tod, Seine Auferstehung, Seine Himmelfahrt; die Frohbotschaft ist jedes Seiner Worte, jeder Seiner Gedanken, jedes Seiner Gebete, jeder Seiner Atemzüge; die Frohbotschaft ist alles, was Sein ist: vom Geringsten bis zum Größten, vom Unsichtbarsten bis zum Offenkundigsten. Durch alle diese guten Botschaften besiegte Er, der Allbarmherzige, die Sünde, den Tod und den Teufel, und gab uns das ewige Leben und die ewige Seligkeit. Dadurch wurde Er als Erster und blieb für immer - die Einzige Frohbotschaft für alle menschlichen Wesen in dieser bitteren und traurigen Welt, bitter und traurig von der Sünde, dem Tod und dem Teufel. Deswegen wird Seine Frohbotschaft, Sein Evangelium auch als Evangelium Christi bezeichnet (Röm. 1, 16; 15, 19. 29; 1 Kor. 9, 12. 18; 2 Kor. 2, 12; 9, 13; 10, 14; Gal. 1, 7; Phil. 1, 27; 1 Thes. 3, 2; 2 Thes. 1, 8; 2 Tim. 1, 8), als Evangelium Gottes (Röm. 1, 1,; 15, 16; 2 Kor. 11, 7; 1 Thes. 2, 2. 8. 9; 1 Petr. 4, 17), als Evangelium des Sohnes Gottes (Röm 1, 9), als Evangelium der Rettung (Ephes. 1, 13); und weiter - als ewiges Evanglium (Offenb. 14, 6).
Was bedeutet diese Frohbotschaft, dieses Evangelium tatsächlich? Eben das: es heilt alle Krankheit und alle Gebrechen im Volk. Seine Predigt über das Reich Gottes verkündet der Herr Jesus mit göttlichen Werken; Seine Worte bekräftigt Er durch Wunder. Indem Er alle Krankheit und alle Gebrechen im Volk heilt, bestätigt Er die Anfangsworte Seiner Predigt und zeigt, daß das Himmelreich nicht nur nahegekommen ist, sondern daß es hier auf der Erde unter den Menschen ist. Es gibt keine Krankheit der menschlichen Seele oder des Leibes, welche der Göttliche Artzt nicht heilt. Seine Göttliche Kraft verdrängt und verjagt aus dem Menschen jede Krankheit und jede Schwäche und mit ihnen und durch sie auch all das, was die Hölle des mesnchlichen Lebens auf der Erde ausmacht: die Sünden, den Tod, die Teufel. Indem Er die Folgen der Sünde: Krankheiten und Schwächen verdrängt, verjagt der göttliche Frohbotschafter mittelbar auch ihre Ursachen selbst: die Sünden. Sünden und Krankheiten sind Zwillinge, die zusammen entstehen, zusammen aber auch verschwinden. Die Sünde, die durch Krankheiten reift, gebiert den Tod. Wer über die Krankheiten Gewalt hat, zeigt dadurch, daß er auch über die Sünden Macht hat. Die Sünden sind Krankheiten der Seele, und die Krankheiten des Körpers sind nur sichtbare Erscheinungsformen der allgemeinen Sündhaftigkeit der menschlichen Natur. Der göttliche Artzt, der Herr Christus, heilt allmächtig die Menschen sowohl von unsichtbaren Krankheiten der Seele: den Sünden, als auch von den sichtbaren Krankheiten des Körpers.
Und die Kunde von Ihm erscholl durch ganz Syrienland. Und sie brachten zu Ihm alle Kranken, mit mancherlei Leiden und Plagen behaftet, die Besessenen, Mondsüchtigen und die Gichtbrüchigen. Und Er machte sie gesund.
Die Nachricht über Christus, den Heiler und Wundertäter verbreitete sich aus Galiläa über das ganze Syrien. Und von hier bringt man zu Ihm alle Kranken, die an den verschiedensten Krankheiten leiden, und Er heilt sie alle, alle ohne Unterschied. Das zeigt, daß Seine Menschenliebe keine Grenzen kennt. Indem Er die Menschen von physischen Krankheiten ohne Unterschied heilt, zeigt der Göttliche Arzt, daß Er bereit ist und dazu Kraft und Macht besitzt, auch alle geistlichen Krankheiten ohne Unterschied zu heilen. Er heilt zunächst die physischen Krankheiten, damit die Menschen nicht an der Heilung der geistlichen Krankheiten zweifeln. Indem Er jede physische Krankheit heilt, bereitet Er die Menschen auf die Heilung von jeglicher geistlicher Krankheit vor. Denn Er ist gekommen, um den ganzen Menschen zu heilen und zu retten, nicht nur den Leib oder nur die Seele, sondern sowohl das eine als auch das andere. Indem Er jegliche körperliche Krankheit heilt, zeigt Er, daß Er der Arzt des menschlichen Körpers ist, und durch Seine Bergpredigt zeigt Er, daß Er der Arzt auch der menschlichen Seele ist.
Jedesmal, sagt der hl. Chrysostomos, wenn etwas Besonderes und Ungewöhnliches geschieht, oder wenn eine neue Art von Lebensweise eingeführt wird, gewährt Gott gewöhnlich Zeichen, tut Wunder, gleichsam wie ein Unterpfand Seiner Macht für jene, welche Seine Gesetze annehmen sollen. So schafft Er in der Absicht, den Menschen zu schaffen, zunächst die Welt und danach erst gibt Er ihm im Paradies das Gesetz zu verstehen. So auch jetzt, in der Absicht, den Menschen erhabenere Lebensregeln zu geben und ihnen das vorzutragen, was sie niemals gehört haben, untermauert Er Seine Worte durch Wunder. Da das Reich, das Er ihnen verkündet, nicht sichtbar ist, macht Er ihnen mit Hilfe sichtbarer Zeichen auch das Unsichtbare sichtbar. Der Evangelist ist kurz, Er spricht nicht von jeder Heilung einzeln, sondern erwähnt in einigen Worten eine Vielzahl von Zeichen: Man brachte zu Ihm, sagt er, alle Kranken.... Doch es fragt sich: Warum forderte Christus nicht von einem einzigen Geheilten den Glauben? Warum sagte Er ihnen nicht das, was Er später sagte: Glaubt ihr, daß Ich das tun kann? (Mt 9,29). Weil Er damals noch keine Beweise Seiner Macht geliefert hatte. Im übrigen beweist ihren nicht geringen Glauben auch die Tatsache, daß sie zu Ihm kamen und die Kranken brachten. Hätten sie nicht großen Glauben an Ihn, so wären sie nicht von weither zu Ihm gekommen. Laßt auch uns Christus nachfolgen. Wir haben viele geistliche Krankheiten und diese Krankheiten wünscht Er vollkommen zu heilen. Eben deshalb heilt Er die körperlichen Krankheiten, damit Er auch die geistlichen heilen kann (Sermo 14, 3, C 220, S. 144-5). Fortssetzung folgt


Mt 4,25: “Es folgte ihm viel Volk aus Galiläa und dem Gebiet der Zehnstädte, aus Jerusalem, Judäa und Ostjordanien.”
Der göttliche Wundertäter versammelt um sich Menschen verschiedenartigster Gefühle, verschiedenartigster Ansichten, verschiedenartigster Ausrichtung. Alle sie vereint Er durch Seine Güte und Barmherzigkeit. Zu Ihm und vor Ihm werden sie einig in ihren Gefühlen, in ihren Ansichten, in ihrem Verständnis. Ein Durst quält ihre Seelen, ein Hunger ihre Herzen: Sowohl denen aus Galiläa, als auch denen aus Jerusalem, denen aus Judäa und denen von jenseits des Jordan und denen von Dekapolis (Zehnstädte, auf griech. Dekapolis, befanden sich jenseits des Jordans, nordöstlich von Palästina. Größtenteils waren sie von Griechen und Syrern besiedelt. Diese Städte stellten eine Union dar, befanden sich unter der unmittelbaren Verwaltung der Römer und genossen besondere Privilegien). Um diesen Durst zu löschen, diesen Hunger zu lindern, legte der göttliche Frohebotschafter ihnen seine Lehre in der Bergpredigt vor.
Kap. 5, 6 und 7
Die Bergpredigt - Die Frohe Botschaft über das neue Leben

Jegliche Tugend des Evangeliums ist im Gottmenschen eine lebendige und unsterbliche Kraft. Sie alle haben in Ihm ihre Unsterblichkeit und ihr ewiges Leben. Er ist ihre vollkommene und unsterbliche Verkörperung. Wenn es Liebe ist - in wem ist sie so vollkommen, so unsterblich, so wirksam, so lebenspendend, so wundertätig wie in Ihm? Wenn es Güte ist - das gleiche; wenn es Wahrheit ist - das gleiche. So alle nacheinander. Sie stellen Sein Wesen dar, deshalb erscheinen sie ununterbrochen durch alles, was Sein ist: durch Seine Gedanken, Seine Gefühle, durch Seine Werke, Seine Wunder und durch Seine Worte. Die Wunder, die Er vor der Bergpredigt wirkt, sind nur Vorläufer der göttlichen Tugenden, von denen Er in der Bergpredigt spricht. Vorläufer, welche den Weg für die heiligen Tugenden im Herzen der Menschen vorbereiten sollen und die Pfade in die menschliche Seele ebnen sollen. Die heiligen Tugenden sind göttlich vollkommene und göttlich allmächtige Arzneien, welche von allen geistlichen Krankheiten und Schwächen heilen. Doch der Göttliche Arzt drängt sie niemandem auf, sondern bietet sie jedem an. Wer sie in sein Herz und seine Seele aufnimmt, nimmt unsterbliche göttliche Kräfte auf, welche ihn nicht nur von allen Krankheiten und Schwächen heilen, sondern ihn auch in ein unsterbliches und ewiges Wesen verwandeln. Und so ermöglichen sie es ihm, den einzig Unsterblichen und einzig Ewigen aufzunehmen: den Herrn Christus. Und das ist das einzige, was der Mensch braucht, immer braucht, sowohl in dieser als auch in jener Welt, sowohl in diesem wie auch in jenem Leben. Und noch etwas: Das ist dasjenige, was im Menschen weder die Sünde verderben, noch der Tod zerstören, noch der Teufel stehlen kann.
Darin liegt die wichtigste Frohbotschaft der Bergpredigt. Mit Hilfe der göttlichen Tugenden sich von Gott erfüllen zu lassen und vom Herrn Christus, durch Ihn und um Seinetwillen zu leben, sowohl in dieser als auch in jener Welt, und auf diese Weise die göttliche Vollkommenheit zu erlangen, das ist das einzige wahre Ziel der Entstehung des Menschen und der menschlichen Existenz. Das ist die Frohbotschaft vom neuen Leben, vom neuen Menschen, von neuen Werten. In der Tat ist die Bergpredigt die größte Revolution in der Geschichte der Menschheit. Und der schicksalhafteste Umbruch in allen menschlichen Welten: in der Welt der Ideen, und in der Welt der Gefühle und in der Welt der Tätigkeit. Durch sie ist die Veränderung aller Werte vollzogen worden. Doch das ist nicht alles. Durch sie sind der Menschheit nicht nur neue, unsterbliche Werte gegeben, sondern auch neue unfehlbare Maße für alles und alle in allen Welten. Darin liegt die ungewöhnliche, unwiederholbare und wahrhaftig göttliche Neuigkeit der neutestamentlichen Frohen Botschaft. Alles andere ist im Vergleich dazu nur eine traurige und tragische bittere Botschaft.


Bote 1992-2
Kommentar zum Hl. Evangelium nach Matthäus

Was beinhaltet der Begriff der Seligkeit? Die Seligkeit, sagt der hl. Gregor von Nyssa, umfaßt alles Gute, was in nichts vermindert wird, was mit den guten Wünschen übereinstimmt. Doch der Begriff der Seligkeit wird dann deutlicher, wenn wir ihn mit seinem Gegenteil vergleichen. Das Zeichen der Seligkeit ist unaufhörliche und vollkommene Freude, welche aus der Tugend entspringt. Der Seligkeit entgegengesetzt ist der Zustand der Not. Daher ist die Not ein ständiges Hin- und Hergerissensein in bitteren und schrecklichen Leiden. Daher ist wahrhaftig allselig nur die Gottheit: denn wie auch immer wir Sie uns ausdenken, die Seligkeit ist - reines Leben, unaussprechliches und unbegreifbares Gut, unaussprechliche Schönheit, ursprüngliche Gnade, Weisheit und Kraft, wahrhaftiges Licht, der Quell jeden Gutes, höchste Macht. Einzige, wirkliche, unveränderliche, unaufhörliche Freude; ewiger Frohsinn, über den jemand, der alles sagt, was er dazu sagen kann, noch nichts Richtiges gesagt hat. Da Gott den Menschen nach seinem Ebenbild geschaffen hat (Gen. 1,27), kann man an zweiter Stelle den Menschen als selig bezeichnen, da er an der wahren Seligkeit teilhat. Die menschliche Natur, die ja ein Abbild der erhabenen Seligkeit ist, wird auch selbst durch hohe Schönheit ausgezeichnet, wenn sie in sich die Züge dieser Seligkeit aufweist. Da jedoch sündiger Schmutz dieses Antlitz seiner Schönheit beraubt, ist Derjenige gekommen, Der uns mit Seinem lebendigen Wasser wäscht, welches in das ewige Leben fließt (Jh. 4,14), damit in uns, wenn wir den Unrat der Sünde abwerfen, das selige Antlitz wieder erneuert wird. (Sermo 1; S. 362-364).
“Als Jesus die Volksscharen sah, stieg er auf den Berg und setzte sich nieder. Seine Jünger traten zu ihm, und er tat seinen Mund auf und lehrte sie.”
Seine Bergpredigt, in der Er ewige und daher immer neue, göttliche Wahrheiten darlegt, hält der Heiland auf dem Berg. Schau, sagt der hl. Chrysostomos, wieweit Christus von Ruhmsucht und Stolz entfernt war. Er führte das Volk nicht mit Sich, sondern wenn es nötig war zu heilen, dann ging Er überall hin, besuchte Städte und Dörfer. Und als sich viel Volkes um Ihn sammelte, setzte Er Sich auf einen Platz und zwar nicht in der Stadt und nicht in der Mitte des Marktplatzes, sondern auf einem Berg, - und dadurch lehrte Er uns, nichts aus Ruhmsucht zu tun, uns von der Betriebsamkeit zu entfernen, besonders wenn es gilt, zu philosophieren und über wichtige Fragen nachzudenken. Als Er sich setzte, traten die Jünger zu Ihm. Siehst du, wie sie in der Tugend fortschreiten, und wie schnell sie sich besserten? Das Volk suchte Wunder, doch die Jünger wollten bereits etwas Erhabenes und Großes spüren. Das führte Christus dazu, Seine Predigt zu beginnen. Er heilte nicht nur Körper, sondern heilte auch Seelen; hier tat Er das eine, dort das andere. Mit dieser Sorge, sowohl um die Seele, als auch um den Leib verschloß Er den Häretikern den schamlosen Mund, indem Er zeigte, daß Er der Urheber jeglichen Lebens ist. So verfuhr Er auch jetzt. Der Evangelist sagt: Er öffnete Seinen Mund und lehrte sie. Warum ist hier hinzugefügt: Er öffnete Seinen Mund? Damit wir erkennen, daß Er auch dann lehrte, wenn Er schwieg, nicht nur wenn Er sprach; Er lehrte, indem Er hier Seinen Mund öffnete und dort durch Seine Werke lehrte. (Sermo 15,1, S. 223; S. 148-9).
Das Volk tritt zu Jesus, sagt der selige Theophylakt, um Wunder zu sehen, die Jünger aber - um Seiner Wissenschaft willen. Nach den wunderbaren Heilungen des Körpers heilt Er auch die Seelen, damit wir erkennen, wer der Schöpfer sowohl des Körpers als auch der Seele ist. Es ist gesagt: Er öffnete Seinen Mund. Ist das etwa überflüssig? Nein, denn Er lehrte, auch wenn Er seinen Mund nicht öffnete. Auf welche Weise? Durch Sein Leben und Seine Wunder. Und jetzt lehrt Er sie, indem Er Seinen Mund öffnete (ibid. ad hoc). Es ist gesagt, sagt der selige Augustinus, daß Er Seinen Mund öffnete, während Er im Alten Testament gewöhnlich den Mund der Propheten öffnete (Sermon on the Mount, Englische Übersetzung, 1, chapter 22, page 2.).

“Selig die Armen im Geiste, denn ihrer ist das Himmelreich, selig die Trauernden, denn sie werden getröstet werden.”
Der erste Gedanke des Heilands in der Bergpredigt und darin die erste göttliche Tugend, und in der ersten Tugend die erste Seligpreisung heißt: selig sind die Armen im Geiste, denn ihrer ist das Himmelreich. Hier geht es um drei Wirklichkeiten: Seligkeit, Armut am Geiste und das Himmelreich, doch sie sind so miteinander verquickt, so abhängig von einander, daß sie eine untrennbare, organische Realität darstellen, eine untrennbare Wahrheit des Evangeliums. Hier ist folgendes wichtig: Arm am Geist ist der Mensch, der mit seinem ganzen Wesen fühlt, daß sein menschlicher Geist äußerst arm ist, äußerst unvollständig, äußerst erbärmlich, um selbst für sich zu leben, vielmehr bedarf er immer Desjenigen, Der allein reich an Geist ist: Gott. Arm im Geist ist der Mensch, der fühlt, daß nicht einem einzigen Gedanken, nicht einem einzigen Gefühl, nicht einem einzigen seiner Werke Leben oder Erfolg beschieden sein kann, sondern verschwinden und vergehen müssen, wenn sie nicht von Gott genährt werden, nicht von Gott unsterblich gemacht werden. Arm am Geist ist der Mensch, der mit seinem ganzen Wesen fühlt, daß sein ganzer menschlicher Geist äußerst arm gegenüber dem äußerst reichen Geist Gottes, jeder seiner menschlichen Gedanken äußewrst arm gegenüber dem so reichen Gedanken Gottes, und sein ganzes menschliches Leben äußerst arm gegenüber dem allerreichsten Leben Gottes ist, und sich aufrichtig darum müht und quält, seinen Geist durch den Geist Gottes zu erfüllen und zu vervollständigen, seine Gedanken durch Gott zu vervollständigen und zu vollenden, sein Leben durch Gott zu erfüllen und unsterblich zu machen.
Dieses Gefühl geistlicher Armut ist der Anfang des Christentums. Denn es stachelt den Menschen ständig dazu an, sich in Gott zu bereichern (vgl. Lk 12,21).
Doch Gott ist derart reich an allem, was unsterblich und ewig ist, daß der Mensch, soviel er sich an ihm bereichert, immer ein völliger Bettler Ihm gegenüber bleibt. Das bedeutet, daß das Gefühl der geistlichen Armut den Christen ständig auf dem gesamten Weg seiner Vervollkommnung im Evangelium begleitet. Alle Taten und Qualen auf diesem langen Weg erträgt er mit außergewöhnlicher Freude, mit außergewöhnlicher Seligkeit. Denn in dem Gefühl der geistlichen Armut selbst ist das unsterbliche Gefühl außergewöhnlicher Seligkeit enthalten, einer Seligkeit, die nur die geistlich Armen kennen. Das ist eben auch das erste Wunder, welches der wundertätige Herr Christus an Seinen Nachfolgern vollbringt: Die erste Tugend, wenn auch schwer und qualvoll, ist vollkommen von Seligkeit erfüllt, und je mehr der Mensch sich darin übt, umso mehr ergießt sich diese außergewöhnliche Seligkeit durch sein ganzes Wesen. Und daher dürstet der Christ immer mehr nach diesem Leben, diesem seligen Gefühl und nirgends findet dieses Gefühl ein Ende, nirgends nimmt seine Demut ein Ende, ja, seine Demut! Denn ein anderer Name für die geistliche Armut ist: die Demut.
Die Demut ist die grundlegende Tugend und der Anfang aller Tugenden; so wie der Stolz die grundlegende Sünde und der Anfang aller Sünde ist. Man muß noch hinzufügen: Die Demut ist auch die Seele aller Tugenden des Evangeliums. Denn ohne sie wird jede Tugend des Evangeliums zum Laster. Daher ist die Demut die Grundlage des Christentums, auf die der Christ mit Hilfe der übrigen heiligen Tugenden sein ewiges Haus (2 Kor. 5,1) baut. Auf dem Gebiet der Gedanken erscheint die Demut als demütiges Denken (vgl. hl. Johannes Chrysostomos: “Die Grundlage unserer christlichen Philosophie ist das demütige Denken - h tapeinofrosunh”, PG, P 51, col. 215) gegenüber dem Stolz, der auf dem Gebiet des Denkens als stolzes Denken erscheint. Demütiges Denken bedeutet: demütig denken, demütig philosophieren den Geist in den Grenzen von Glaube und Heiligkeit halten (vgl. Röm 12,3). Demütiges Denken verlangt vom Menschen lange und ausdauernde Übung in der Beherrschung der eigenen Gedanken, Gefühle, Stimmungen. Hier umgürtet der Mensch jeden seiner Gedanken und seiner Gefühle und seiner Stimmungen mit dem Feuergürtel der Demut, des Glaubens und des Gebetes, damit sie nicht vom Weg abweichen und sich in den verfänglichen Urwäldern sündiger Genüsse und den verführerischen Nestern lästiger Leidenschaften verirren.
Die Seligkeit der ersten gottmenschlichen Tugend, der Demut, hängt wie auch alle übrigen Seligkeiten, von dem einzig Seligen ab: von unserem Gott und Herrn. Die Demut verbindet den Menschen geistlich mit Gott. Er gießt in des Menschen Seele die Seligkeit durch die Demut und um der Demut willen aus. Auf diese Weise erlebt der Mensch als erste Realität des Evangeliums diese Wahrheit: die erste Seligkeit des Menschen hängt von Gott ab, mit welchem ihn, als dem Quell aller Seligkeiten, geistlich die erste Tugend des Evangeliums verbindet, die Demut. Neben dieser ersten läuft die zweite Wahrheit des Evangeliums einher: die Tugend ist das erste Gefühl, welches den Menschen mit dem Himmel verbindet; es erhebt den Menschen so sehr in den Himmel, daß es selbst das Himmelreich zu seinem Reiche macht. Dies erhöht die Seligkeit der geistlich Armen in unerhörtem Maße. Sie leben wirklich auf der Erde wie im Himmel: denn ihrer ist das Himmelreich. Sie haben noch während des Lebens auf der Erde das Himmelreich und seine Seligkeiten, denn der Herr sagte: ihrer ist das Himmelreich, und nicht: ihrer wird das Himmelreich sein. Das bedeutet; durch Demut wird der Mensch zum Bürger des Himmels, zum Mitbewohner der Engel. Durch sie überträgt er die Grundlage seines Wesens von der Erde in den Himmel, wo weder die Motten der Sünde die ewigen Reichtümer der Seele verderben, noch die Räuber - die Leidenschaften - sie untergraben und stehlen. Die Demut führt ins Himmelreich, ins Himmelreich aller göttlichen Tugenden, durch welche die heiligen himmlischen Wesen, Erzengel und Engel unsterblich leben. Für sie sind die göttlichen Tugenden das einzige Gesetz des Lebens, die einzigen Lebensregeln. Daher sagt der hl. Hilarius zu Recht, daß der Herr in seiner Bergpredigt “die Regeln des himmlischen Lebens vorschlägt” (coelestis vitae praeceptae constituit) (Comment. in Matthaeum cap.IV, P. lat., t.9, col. 931 C.) Denn die Nachfolger Christi sind dazu berufen, auf der Erde Engel zu sein. Das haben die zahlreichen Heiligen in vollem Maße erreicht, welche die Kirche als irdische Engel und himmlische Menschen bezeichnet. Und sie haben dies in erster Linie dadurch erreicht, daß sie die erste selige Tugend des Evangeliums, die Demut, zu ihrer steten und unveränderlichen Grundeinstellung machten.
Wenn die Anstrengung auch groß ist, so erfährt der Mensch doch die Demut als erste himmlische Freude, als erste Seligkeit, in welcher das Himmelreich enthalten ist. Denn die Demut verbindet auf unsichtbare aber sichere Weise die Seele des Demütigen mit dem Herrn Jesus Christus, welcher im Herzen demütig ist (Mt 11,27). Offensichtlich ist die Wahrheit und Realität des Evangeliums. Die Demut ist eine Kraft, eine wundertätige und selige Kraft, die sich aus dem Herrn Christus ergießt und in die Christusträger überfließt. Wenn die göttliche, absolute Demut Körper und Angesicht hat, so ist der Gottmensch Christus sowohl ihr Körper als auch ihr Antlitz (vgl. Phil 2,3-9). In Ihm erfuhr sie ihre Allgültigkeit und ihre Ewigkeit. Als solche vertreibt sie aus dem Menschen die wichtigste schöpferische Kraft der Sünde, den Stolz.
Die Demut hat Gott zum Menschen gemacht (vgl. Phil 2,3-9), damit sie den Menschen nach der Gnade zu Gott mache. Und wo Gott ist, da ist auch der Himmel, und das Himmelreich; da ist das Paradies, denn der Stolz vertrieb den ersten Engel Luzifer aus dem Himmel und verwandelte sein Paradies in die Hölle. Das, was der Stolz mit dem ersten Engel im Himmel tat, tut er auch mit allen Menschen auf der Erde. Sowie er in die menschliche Seele eindringt, in ihr Fuß faßt, verwandelt er ihr Paradies in die Hölle. In der Tat, die Hölle ist nichts anderes, als die absolute Herrschaft des Stolzes, des Stolzes, der Gott nicht will, der Gott haßt, sich von Gott lossagt, des Stolzes, welcher Gott nicht braucht. Wenn man von den menschlichen Verfluchungen sprechen wollte, so wäre dies die erste: verflucht sind die geistlich Stolzen, denn ihrer ist das Reich des Bösen - die Hölle.
Die Erfahrung beweist: die Demut ist die erste Seligkeit für das menschliche Wesen und der Stolz die erste Qual. In anderen Worten, die Demut ist das Paradies, der Stolz die Hölle. Beispiel? Die Heiligen erfahren durch Demut das Paradies auch hier auf der Erde. Die Stolzen aber erfahren durch Stolz die Hölle noch hier auf der Erde. Wenn man so will, so ist der Engel die Verkörperung der Demut, der unsterblichen Demut vor Gott, der Teufel aber die Verkörperung des Stolzes, des unsterblichen Stolzes vor Gott. Daher ist die christusähnliche Demut eine Kraft, mit der der Teufel ungern kämpft. Und wenn er mit ihr kämpft, so kann er sie niemals besiegen. Im Gegenteil, das ist eine Kraft, durch welche der Mensch wie mit der sichersten Waffe den Teufel besiegt. In einer Begegnung hat das der Teufel selbst dem großen Asketen, dem hl. Makarios von Ägypten, zugestanden: du fastest, und ich esse niemals; du wachst, und ich schlafe niemals. Aber es gibt etwas, womit du mich besiegst. Und was ist das? fragte der hl. Makarios. Deine Demut, - antwortete der Teufel betrübt und verschwand.
Die erste Seligkeit des Evangeliums stellt auch das erste Gebot des Evangeliums dar. Das Gebot als Seligkeit, - das ist etwas Neues, nicht wahr? Ja, vollkommen Neues. Selig zu sein in der Askese selbst, in der Erfahrung selbst, in der Tätigkeit selbst, sei sie auch schwer und sehr schwer, sei sie qualvoll und sehr qualvoll - das ist die Neuigkeit der rettungbringenden Tugenden des Gottmenschen. Die Demut, die erste Tugend des Evangeliums, ist auch die erste asketische Handlung und Erfahrung und Tätigkeit. Da der Christ sie immer braucht, muß er sie ständig erfahren als eine unaufhörliche Askese und stetige geistliche Tätigkeit. Das heißt: diese Tugend hat einen Anfang, doch kein Ende. Und wahrlich, der Mensch erlebt durch sie seine erste Unsterblichkeit, seine erste Ewigkeit, denn er schafft in sich ein Gefühl, eine Haltung, die unsterblich, ewig andauern wird. Zur gleichen Zeit erstreckt sich der Mensch durch sie auf die ganze Welt, auf den ganzen Himmel, auf das ganze Himmelreich; er wird unendlich, unbegrenzt. Das ist seine erste Unbegrenztheit, daher seine erste Unendlichkeit. Und das ist keine schwarze Unbegrenztheit, keine dunkle Unendlichkeit, sondern eine lichte, liebliche, göttliche, von Christus ausgehende.
Das erste Wort in der Bergpredigt ist: selig. Vorher wußten die Menschen nicht, was wahre Seligkeit ist. Sie waren verflucht. Denn überall um sie herum, über ihnen und unter ihnen, und vor ihnen war eine Unzahl von Sünden, zahllose Arten des Todes. Und unter ihnen, und gefangen von ihnen, können die Menschen da selig sein? Sicher nicht, solange sie ihnen fröhnen. Aber damit die Menschen sich in dieser Welt selig fühlen, müssen sie zuerst ihre Gefühle mit dem Gefühl Christi für diese Welt vereinen. Das ist die einzige Art, auf die die Verfluchten der Sünde und des Todes dieses Leben und diese Welt als Seligkeit empfinden können. Ihnen wird unendlich viel gegeben und unendlich wenig von ihnen gefordert. Was? Daß sie ihre Seele und ihr Herz vor Christus unserem Gott demütigen, und danach vor allen Menschen und vor allem Geschöpf. Einen anderen Ausweg aus der Hölle der allgemeinen menschlichen Verfluchtheit gibt es nicht. Man braucht sich nichts vorzutäuschen: nichts, was Gottes ist, nichts Paradiesisches, nichts Himmlisches, nichts Seliges kann man in dieser Welt erfahren oder erreichen oder haben ohne Demut. Demut ist alles, was in der ersten Seligpreisung gesagt ist, wirkliche göttliche Wahrheit. Selig sind die Armen am Geiste, denn ihrer ist das Himmelreich. 
In seiner Erklärung zur ersten Seligpreisung fragt der gottweise Frohbotschafter, der hl. Johannes Chrysostomos: Was bedeutet arm im Geist? Und er antwortet: Das bedeutet demütigen und zerknirschten Herzens sein. Als Geist bezeichnete der Heiland die Seele und die Geisteshaltung des Menschen. Doch warum sagte Er nicht demütig, sondern arm? Weil dieses andere Wort gehaltvoller ist, als das erste. Als Arme bezeichnet Er hier diejenigen, die die Gebote Gottes fürchten und vor ihnen zittern. Sie bezeichnet Gott durch den Propheten Jesaias auch als Ihm Wohlgefällige, indem Er sagt: Auf wen werde ich schauen? Auf den Armen und den Zerknirschten im Geiste und jenen, der vor Meinen Worten zittert (Jes. 66,2). Die Demut hat viele Stufen: einige sind gemäßigt demütig, andere dagegen sehr. Diese zweite Art der Demut preist auch der selige Prophet, wenn er bei der Beschreibung eines nicht nur einfach demütigen Herzens, sondern sehr zerknirschten Herzens sagt: “Mein Opfer, Gott, ist ein zerbrochener Geist, ein ganz gebrochen und zerknirschtes Herz” Ps. 50,19). Solche Demut nennt hier auch Christus selig. Alle die größten Übel, die das ganze Weltall bedrängen, sind aus Stolz entstanden. So wurde auch der Teufel, der früher nicht so war, aus Stolz zum Teufel. So fiel auch der erste Mensch, verführt vom Teufel durch falsche Hoffnung, und wurde sterblich. Er hoffte, Gott zu werden, und verlor dadurch auch das, was er hatte. So verfiel auch jeder nach Adam, der von seiner Ebenbürtigkeit mit Gott träumte, in Gottlosigkeit. Da also der Stolz das höchste aller Übel ist, die Wurzel und Quelle jeder Gottlosigkeit, bereitet der Heiland ein Heilmittel, welches der Krankheit entspricht, und stellt dieses erste Gesetz als feste und unfehlbare Grundlage auf. Auf dieser Grundlage kann man ohne Gefahr auch alles übrige aufbauen. Wenn diese Grundlage nicht vorhanden ist, dann wird der Mensch, selbst wenn er sich durch sein Leben bis zum Himmel erhebt, leicht alles verlieren und ein schlechtes Ende nehmen. Mag der Mensch sich auch durch Fasten, Gebet, Almosen, Keuschheit oder irgendeine andere Tugend auszeichnen, all dies wird ohne Demut zerstört und zerfällt. So geschah es mit dem Pharisäer. Nachdem er sich bis auf die Höhe der Tugend erhoben hatte, fiel er von ihr herab und verlor alles, denn ihm fehlte die Demut - die Mutter aller Tugenden. So wie der Stolz der Quell jeglicher Gottlosigkeit ist, so ist die Demut der Anfang jeglicher Frömmigkeit. Daher beginnt Christus, Der den Stolz mit der Wurzel aus der Seele der Hörer herausreißen will, mit der Demut (Sermo 15, 1,2, S.223-4, S.147-150).
Anläßlich der ersten Seligpreisung sagt der hl. Gregor von Nyssa: Wer freiwillig von allem Laster arm geworden ist und in seiner Schatzkammer nicht einen einzigen teuflischen Wertgegenstand versteckt hat, sondern im Geiste entbrannt ist, der befindet sich nach den Worten unseres Herrn Jesus Christus in seliger Armut, deren Frucht das Himmelreich ist. Unser Herr sagt: Selig sind die Armen im Geiste. Wir sagten und wiederholen wieder: Das Ziel des tugendhaften Leben ist die Ähnlichwerdung mit Gott. Aber der Leidenschaftslose und Reine ist für die Menschen vollkommen unnachahmbar, denn ein leidenschaftliches Leben kann nicht der Natur ähnlich werden, welche in sich keine Leidenschaft zuläßt. Wenn nur allein Gott selig ist, so wie der Apostel das sagt (1 Tim. 6,15), die Menschen aber die Möglichkeit der Teilnahme an der Seligkeit in der Ähnlichwerdung mit Gott finden, - so ist die Nachahmung äußerst schwer, und daraus folgt, daß im menschlichen Leben die Seligkeit unerreichbar ist. Aber auch in der Gottheit gibt es etwas, was diejenigen, die es wünschen, nachahmen können. Was ist das? - Geistliche Armut. So nennt die Heilige Schrift freiwillige Demut. Als Beispiel dafür zeigt der Apostel die Armut Gottes, die Armut Christi, indem er sagt: “Wie Er, der Reiche, um euretwillen sich arm gemacht hat, damit ihr durch Seine Armut reich würdet” (2. Kor. 8,9). Da also alles übrige, was sich auf die göttliche Natur bezieht, das Maß der menschlichen Natur übersteigt, die Demut dagegen etwas uns Natürliches ist, die wir auf der Ende wandeln, von Erde gemacht sind und in die Erde zurückkehren, daher kleidet sich auch der Mensch selbst, der sich Gott ähnlich macht, in dasjenige, was für ihn natürlich und möglich ist, in seliges Gewand. Es mag auch niemand meinen, daß der Fortschritt in der Demut leicht und ohne Anstrengung erreicht werden kann. Im Gegenteil, das ist schwerer als jegliches andere Unterfangen in der Tugend. Woher das? Daher, daß der Feind unseres Lebens, wenn der Mensch einen guten Samen in sich aufnimmt und einschläft, in uns den wichtigsten entgegengesetzten Samen zieht: den Keim des Stolzes. Denn womit er sich selbst auf die Erde warf, damit zieht er auch das arme Menschengeschlecht in den allgemeinen Fall; und für unsere Natur gibt es kein anderes Laster, wie diese Krankheit, die durch den Stolz hervorgerufen wird. Da die Leidenschaft des Stolzes fast jedem, der zum Menschengeschlecht gehört, eigen ist, beginnt Er an dieser Stelle auch die Seligpreisungen: wie ein Urübel reißt er den Stolz aus unseren Gewohnheiten, dadurch daß Er uns rät, dem freiwillig arm Gewordenen ähnlich zu werden, der wahrhaftig selig ist, damit wir, soweit wir können, und soweit wir Kraft haben, Ihm in freiwilliger Armut ähnlich werden und so an der Seligkeit teilhaben. Es ist gesagt: "Ein jeglicher sei gesinnt wie Jesus Christus auch war: welcher, ob Er wohl in göttlicher Gestalt war, nahm Er's nicht als einen Raub, Gott gleich zu sein, sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an" (Phil. 2,5-7) - Gibt es etwa ein größeres Armwerden als dieses: Gott nimmt die Gestalt des Knechtes an? Gibt es etwa größere Demut als diese: Der König aller Geschöpfe tritt in Gemeinschaft mit unserer ärmlichen Natur? Der König der Könige und der Herr der Herren kleidet sich freiwillig in die Kleidung des Knechtes: der Herr der Schöpfung verweilt in der Höhle; der Allherrscher findet keinen Platz in der Herberge, sondern man legt ihn in die Krippe unvernünftiger Tiere; der Reine und Allheilige nimmt den Schmutz der menschlichen Natur auf Sich, nimmt auch all unsere Armut an, erträgt sogar den Tod. Seht ihr das Maß der freiwilligen Armut? Das Leben erfährt den Tod; den Richter führt man vor Gericht; der Herr des Lebens aller Schöpfung unterwirft sich der Verurteilung des Richters; der Herrscher jeglicher überkosmischer Kraft wendet von Sich nicht die Hand des Henkers ab. Darin sagt der Apostel, müssen wir das Maß der Demut erkennen (Über die Seligpreisungen, Sermo 1; S. 365, 366-8).
Es gibt aber ebenso eine andere Art der Armut, meint dieser heilige Denker, die zur Erreichung des Himmelreiches dient: Der Herr sagt: “Willst du vollkommen sein, so geh hin, verkaufe, was du hast, und gib es den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben” (Mt. 19,21). Auch eine solche Armut ist nicht weit von der Armut in der ersten Seligpreisung. “Wir haben alles verlassen und sind Dir gefolgt - was wird uns also zuteil werden?” (Mt. 19,27). Was für eine Antwort gibt es darauf? Selig sind die geistlich Armen, denn ihrer ist das Himmelreich. Geistlich arm sind diejenigen, die körperlichen Reichtum durch seelischen Reichtum ersetzen, die irdischen Reichtum von sich abschütteln wie eine Last, um erhöht und erleichtert in die Höhe zu fliegen zu Gott. Wie man das erreicht, zeigt der Psalmensänger: “Er streut aus und gibt den Armen; seine Gerechtigkeit bleibt ewiglich; sein Horn wird erhöht mit Ehren” (Ps 111,9). Wer in die Gemeinschaft mit den Armen getreten ist, hat für sich dasselbe ausgesucht wie Jener, Der um unseretwillen arm wurde. Der Herr wurde arm, damit auch wir uns nicht vor der Armut fürchten. Aber Jener, Der um unseretwillen arm wurde, herrscht über der gesamten Schöpfung. Daher, wenn du mit dem arm Gewordenen arm geworden bist, dann wirst du mit dem Herrschenden herrschen. Denn selig sind die Armen im Geiste, denn ihrer ist das Himmelreich (ibidem, S. 373—4).
Der Herr sagte nicht, meint Zigaben, Selig sind die Armen an Besitz, sondern: selig sind die Armen im Geiste, d.h. diejenigen, die aus freiem Willen und mit ganzer Seele demütig sind. Hier wird der Demütige als arm bezeichnet; arm = ptocwV kommt von katepthcenai , was bedeutet: sich fürchten. Denn der Demütige - o tapeinojrwn - fürchtet immer Gott, wie einer, der Ihm niemals gefällig gewesen ist. Schau, welche Grundlage Er seiner Lehre setzte! Denn nachdem der Hochmut - h hyhlojrosunh - sowohl den Teufel ins Verderben stürzte als auch den Erstgeschaffenen (Adam), der durch das Essen von der verbotenen Frucht Gott werden wollte, aus dem Paradies vertrieb und zur Wurzel und Quelle allen Übels wurde, verschreibt der Herr dagegen als Arznei die Demut und macht sie zur Wurzel und Quelle der Tugenden (ibid. Kap. 5, Vers 3; col. 189 c). In der Demut des Geistes beschloß der Herr die Grundlage der vollkommenen Seligkeit (hl. Hilarius, Comment. in Matth. cap. 4,2; col. 932 a). Fortsetzung folgt.

Bote 1992-3
Kommentar zum Hl. Evangelium nach Matthäus

“Selig sind die Weinenden, denn sie werden getröstet werden”.
Das ist die zweite himmlische Wahrheit und in ihr die zweite himmlische Seligkeit, welche die Menschen Christi auf der Erde erleben. Das Weinen die Seligkeit? Das ist ein Paradox, oder? Ja ein Paradox. Aber ein Paradox, welches die Menschen erfahren, und seine Realität kann nicht angezweifelt werden. Dieses Paradox stellt das zweite geistliche Wunder dar, welches unser Herr Jesus Christus in den Seelen seiner Nachfolger vollbringt. Und es ist, von außen betrachtet, sowohl logisch als auch natürlich in seiner unverbindlichen Logik und unbezweifelbaren Natürlichkeit.
Selig sind diejenigen, die weinen - aber nicht alle. Denn es gibt verschiedene Arten des Weinens, doch sie können alle auf zwei Arten gebracht werden: eines ist das Weinen nach dem Evangelium, rettungbringend, das andere das vergebliche Weinen, tödlich. Jedes Weinen, das von etwas aus dem Evangelium hervorgerufen wird, führt zu Gott und dem Göttlichen, ist rettungbringend, ist dem Evangelium gemäß, ist selig; doch jedes Weinen, das von etwas nicht Evangelischem hervorgerufen wird, entfernt von Gott und dem Göttlichen, ist vergeblich, tödlich, bitter. Selig ist alles und jedes Weinen, das, auf welche Weise auch immer, den Menschen in geistliche Verbindung mit dem einzig Seligen bringt: dem Herrn Christus; und bitter ist jedes Weinen, welches auf welche Weise auch immer, den Menschen von dem einzig Seligen entfernt, denn es stellt eine ganze Verfluchung für die menschliche Natur dar. “Es weint die ohnmächtige Boshaftigkeit”, sagt der große gottgefällige Heilige unseres Jahrhunderts, der hl. Johannes von Kronstadt; es weint der erniedrigte Stolz; es weint die unzufriedene Geschöpflichkeit; es weint die verletzte Eigenliebe, und - gibt es etwa wenige eitle Tränen? Aber, das sind sündige Tränen, nutzlose Tränen, Tränen, die äußerst tödlich sind für jene, die sie vergießen, denn sie bringen den Tod der Seele hervor (“Mein Leben in Christus”, auf russ. Moskau, 1894). 
Selig sind diejenigen, die wegen ihrer Sünden weinen, denn ihre reuige Stimmung führt zu Jenem, Der allein die Macht und die Kraft und die Liebe besitzt, den Reuigen zu vergeben. Selig ist jene “Trauer um Gottes willen”, welche zur Buße führt, und in der Buße zur Rettung; “Doch die Trauer dieser Welt führt zum Tod” (2. Kor 7,9). Wenn sich Demut durch die Seele ergießt, dann wird der Mensch ganz geistlich sehend und erkennt all seine Sünden. Dann beugt sich sein ganzes Wesen in Trauer und weint auf, und er vergießt Tränen über sich selbst vor dem gütigen Tröster in zu Gott strebender Erregung. Und Er, der Allbarmherzige und Allerbarmende, ergießt gütig Seinen göttlichen Trost über die reumütige, weinende Seele und mit Ihm und durch Ihn auch unendliche Seligkeit.
Selig sind die, die sowohl für ihre eigenen als auch für fremde Sünden weinen. Doch diejenigen, die weder für die eigenen, noch für fremde Sünden weinen, sind sie etwa Menschen? Auf sie beziehen sich jene bitteren Worte aus dem Munde des Allgütigen: “Wehe euch, die ihr jetzt lacht!” (Lk. 6,25). Denn ihr lacht auf dem Grab. Die Erde ist ein riesiger Friedhof. Auf ihr ist nicht nur Grab über Grab, sondern auch Grab auf Grab und wer weiß, wie weit das in die Tiefe geht, in die schwarze Tiefe? Ist etwa Gelächter angebracht, wenn jeden Moment Hunderte und Hunderte von menschlichen Wesen auf diesem unserem Planeten sterben? Und der Mensch, jeder Mensch, hat zahllose Gründe, nicht nur zu weinen, sondern aus voller Stimme zu schreien über das Menschengeschlecht und über sich selbst als Mensch wegen der furchtbaren und unzähligen Sünden der Menschheit, welche unsere irdische Welt verwüsten. Denkt nur daran, wieviele Verbrechen jede Minute auf der Welt geschehen! Und wieviel Beleidigungen, wieviel Schamlosigkeiten, wieviel Uneinigkeiten, wieviel Neid, wieviel Bosheit, wieviel Versuchungen, wieviel böser Gedanken, wieviel böse Gefühle, wieviel abschätziger Worte, wieviel eigenwillige Wünsche - ertränken unsere irdische Welt in einer Minute, umso mehr in einer Stunde oder in einem Tag oder in einem Jahr - oder in Tausenden und Tausenden von Jahren! Jetzt gibt es um die 3 Milliarden Menschen auf der Erde. Wenn nur je ein böser Gedanke aus jedem menschlichen Herzen hervorkommt, so bedeutet das 3 Milliarden böser Gedanken an einem Tag! Und wieviele Tage braucht ein Mensch, nur um sie zu zählen und nebeneinander aufzureihen? Wenn ein Mensch Tausende und aber Tausende von Augen hätte und alle über die menschlichen Sünden weinen würden, so wäre doch dies unendlich wenig, als daß der Mensch sich und seine Mitbrüder, die Menschen, beweinen könnte: alle Menschen aller Farben, aller Rassen, aller Kulturen, aller Glaubensgemeinschaften. Ja, hier ist die Gabe der Tränen vonnöten, diese heilige Gabe der Tränen, die der Herr Seinen Auserwählten schenkt: den Heiligen und Gerechten. Und er gibt sie, damit die Heiligen in Mitgefühl und Barmherzigkeit für jene vielzähligen Menschen weinen, die niemals über sich weinen, Reue tun für diejenigen, die nicht bereuen, beten für diejenigen, die nicht beten, lieben für diejenigen, die nicht lieben. Selig sind diejenigen, die für mehr Güte in den Menschen und unter den Menschen weinen, denn davon gibt es wenige; diejenigen, die um mehr Liebe weinen, denn jener sind wenige. Die um mehr Gerechtigkeit weinen, denn ihrer gibt es wenig. Selig sind diejenigen, die um mehr Wahrheit weinen, um mehr Gebet, um mehr Fasten, um mehr Freude, um mehr Barmherzigkeit in und unter den Menschen. Selig sind diejenigen, die um mehr Licht weinen, um mehr Unsterblichkeit, um mehr Ewigkeit, um mehr Engel, um mehr Gott und alles Göttliche in den Menschen und unter den Menschen. Selig sind sie, denn während sie weinen, ergießt der gütige Tröster, der Heilige Geist, der Geist der Wahrheit, der Geist der Gerechtigkeit, der Geist der Liebe, der Freude, der Geist der Unsterblichkeit, der Geist der Ewigkeit, der Geist des Lichtes unsichtbar Licht und Wahrheit und Gerechtigkeit und Liebe und Unsterblichkeit und Ewigkeit über ihren weichen und verweinten Seelen aus. 
Selig ist der Mensch, der während des Gebetes an die Allerheiligste Gottesmutter vor freudiger Rührung darüber weint, daß es sie gibt - die wunderbare Fürsprecherin für das gesamte Menschengeschlecht und allbarmherzige Helferin in jeglicher Not und Übel. Selig ist der Mensch, der vor freudiger Rührung weint, daß es einen solchen wunderbaren menschenliebenden, so allbarmherzigen Heiland, wie unseren Herrn Jesus Christus gibt. Selig ist der Mensch, der vor Freude darüber weint, daß er um sich tausende und tausende heiliger Zeugen der Frohbotschaft Christi hat, die ihn alle lehren und ihm helfen in seinem Schreiten, in seiner Nachfolge nach dem Herrn Jesus Christus. Selig ist der Mensch, der vor Freude darüber weint, daß es viele Menschen gibt, die nach den Geboten des Evangeliums leben, und daß es viele geheime Dinge des Evangeliums gibt, viele Taten des Evangeliums, Stimmungen des Evangeliums. Selig ist der Mensch, der vor Dankbarkeit im Gebet weint, darüber, daß der wunderbare Gottmensch die Kirche aus Engeln und Menschen geschaffen hat und sie vermischt hat, damit sie zusammen wie Brüder und Mitbrüder leben. Selig ist der Mensch, der vor Rührung vor der Demut, der Barmherzigkeit, der Menschenliebe, dem Leiden, der Geduld des sanftmütigen Herrn Jesus Christus weint. Selig ist der Mensch, der im Gebet weint, weil er von den Leiden eines Märtyrers oder der Askese eines Heiligen gerührt ist. Überhaupt selig der Mensch, jeder Mensch, der vor welcher heiligen biblischen oder göttlichen Sache auch immer weint.
Alle diese Tränen sind in der Tat gesegnete Tränen, selige Tränen, Tränen der Freude. All sie durchläuft, durchdringt und überdeckt jene heilige, jene göttliche Freude, über die uns der christustragende Apostel befiehlt, daß wir sie immer haben sollen: Freut euch immer im Herrn, und wiederum sage ich: freut euch! (Phil 4,4). Warum? Weil der Herr auferstanden ist - und den Tod besiegt hat, auferstanden ist - und die Sünde verziehen, auferstanden ist - und den Teufel besiegt hat, auferstanden ist - und uns das ewige Leben geschenkt hat, auferstanden ist - und uns die Krönung von allem geschickt hat: den Heiligen Geist, den gütigen Tröster. Und mit Ihm hat er in unsere Seelen ausgegossen: die ewige Wahrheit, die ewige Gerechtigkeit, ewige Liebe, ewige Barmherzigkeit, ewigen Trost. Das tröstet uns alle in unserem Weinen, in unserem Kummer, in unserem Leiden für Christus; das verwandelt auch unsere Tränen in freudebringende Tränen und unser Weinen in Seligkeit. Sollen wir uns etwa nicht freuen, immer freuen; sollen wir etwa nicht weinen, vor Freude weinen - darüber, daß ein so wunderbares, so bezauberndes, so liebes, so allbarmherziges, so zartes, so allmächtiges Geschöpf, wie unser Herr Jesus Christus, in unsere traurige, unsere sündige, unsere grausame irdische Welt kam? Ja, nicht nur kam, sondern auch hier blieb, mit uns, unter uns, indem Er uns stets alles gibt, was Ihm gehört: alles Göttliche, alles Unsterbliche, alles Selige. Müssen wir um all dessetwillen nicht immer selig sein in allen Tränen, in allem Kummer, in allem Leiden für Ihn - selig?
Die Bergpredigt, sagt der Hl. Chrysostomos, legt der Herr Christus nicht in Form von Belehrungen oder Anordnungen dar, sondern in Form der Seligpreisungen, wodurch Er Seine Predigt für alle anziehend macht. Er sagte nicht: Dieser oder jener ist selig, sondern - alle, die so verfahren, sind selig und sei es ein Knecht, ein Armer, ein Bettler, ein Erbärmlicher, ein Ungebildeter, nichts von alledem hindert daran, selig zu sein, wenn man die entsprechende Tugend besitzt. Indem Er von dem ausgeht, von dem man in erster Linie anfangen mußte, geht der Heiland zum nächsten Gebot über, welches sich, wie es scheint, in Übereinstimmung mit den Gedankengängen der ganzen Welt befindet. Denn während sich alle jene für selig halten, die sich freuen, aber für unglücklich jene, die trauern, die wehklagen und weinen, währenddessen, nennt Er jene anderen selig, indem Er sagt, selig sind die da weinen, obwohl diese von allen für unglücklich gehalten werden. Aber Christus wirkte dafür Wunder, damit die Menschen, auch wenn Er solche Regeln vorschreibt, mehr Zutrauen zu Ihm haben. Und hier versteht Er nicht nur jene, die weinen, sondern jene, die ihre Sünden beweinen, denn es gibt ein anderes Weinen, das überhaupt nicht zulässig ist - das Weinen um weltliche Dinge. Darauf verweist auch der Apostel Paulus, wenn er sagt: “Denn die Betrübnis, wie sie Gott will, wirkt eine Buße zum Heil, die man nicht bereuen muß, die Betrübnis der Welt aber bewirkt den Tod” (2 Kor 7,10). Menschen mit einer solchen Trauer nennt Christus hier eben Selige; und zwar nicht nur Menschen, die trauern, sondern Menschen, die sehr trauern. Daher sagte Er auch nicht: Selig sind die Trauendern, sondern: Selig sind die Weinenden. Wahrhaftig, auch dieses Gebot lehrt uns jegliche Frömmigkeit. In der Tat, wenn der Mensch, der den Tod von Kindern, Frau oder eines Verwandten beweint, in der Zeit seiner Trauer sich nicht der Liebe gegenüber dem Reichtum und dem Körper hingibt, noch der Ruhmsucht, sich nicht über Beleidigungen erzürnt, nicht neidisch ist, oder sich irgendeiner anderen Leidenschaft hingibt, sondern vollkommen von der Trauer erfaßt ist, werden dann nicht diejenigen, die, wie es sich gehört, ihre Sünden beweinen, ihre Leidenschaftslosigkeit gegenüber all diesem viel mehr zeigen? Denn sie werden getröstet werden, sagt der Heiland. Sag mir, wo sie getröstet werden? Sowohl hier, als auch dort. Da dieses Gebot zu schwer und quälend ist, verspricht Er das, was es am meisten erleichtern kann. Wenn du also Trost haben willst - so weine! Und meine nicht, daß diese Worte einen übertragenen Sinn haben. Wirklich, wenn Gott tröstet, wenn den Menschen auch tausend Unglücke träfen, so wird er doch alle meistern, denn Gott belohnt die Mühe immer in Fülle. Das tat Er auch hier, als Er sagte, daß die Weinenden selig sind, - nicht daß das Weinen dessen würdig wäre, sondern nach Seiner Menschenliebe (d.h. die Belohnung ist nicht gemäß der Wichtigkeit der Angelegenheit versprochen, sondern gemäß Seiner Liebe zu den Menschen). Diejenigen, die weinen, beweinen ihre Sünden und für sie wäre es tatsächlich genug, daß sie Verzeihung und Rechtfertigung erlangten. Aber da der Herr Christus sehr menschenliebend ist, beschränkt Er Seinen Lohn nicht auf die Verzeihung der Strafe und das Erlassen der Sünden, sondern macht solche Menschen noch zu Seligen und gibt ihnen großen Trost. Und Er befieht uns nicht nur für unsere Sünden zu weinen, sondern auch für die Sünden anderer. So handelten die Heiligen, wie Moses, Paulus, David; sie alle beweinten häufig fremde Sünden. Sermo 15,2-3, c. 225 - 6; S. 151-2.
In erster Linie, sagt der Hl. Gregor von Nyssa, kann man das Weinen für die Sünden und Verfehlungen als selig anerkennen. Denn wahrhaftig, ist dieser Zustand der Seele nicht der Seligkeit unwürdig, wenn sie, im Bösen versunken, dennoch ihr lasterhaftes Leben beweint. ( hl. Gregor von Nyssa, Sermo 3, S. 388.)
Aber jenes Wort des Heilands über die Seligkeit der Weinenden hat einen tieferen Sinn. Denn wiese es nur auf die Reue für die Sünden hin, so wäre es folgerichtiger, jene als selig zu bezeichnen, die weinten, nicht aber jene, die immer weinen. Bedienen wir uns eines Vergleichs: Wir bezeichnen als glücklich jene Kranken, die von ihrer Krankheit geheilt sind, nicht aber jene, die dauernd geheilt werden, denn das zeigt, daß sie von einer unheilbaren Krankheit befallen sind. Aber es besteht auch ein anderer Grund, aus dem heraus man nicht meinen sollte, daß dieses Wort des Heilands sich nur auf jene bezieht, die ihre Sünden beweinen. Denn es gibt viele Menschen, die ein untadeliges Leben verbracht haben und nach dem Zeugnis der Heiligen Schrift selbst sich durch alle guten Werke ausgezeichnet haben. Gibt es etwa bei Johannes dem Vorläufer die Liebe zum Besitz? Gibt es etwa beim Propheten Elias den Götzendienst? Welche kleine oder große Sünde ist aus ihrem Leben der Geschichte bekannt? Was nun? Setzt das Wort des Heilands etwa voraus, daß jene außerhalb der Seligkeit sind, die des reumütigen Weinens nicht bedurften? Wäre es nicht böse, anzunehmen, daß solche Menschen der göttlichen Seligkeit verlustig wären, weil sie nicht sündigten und ihre Sünden durch Weinen heilten? Oder in diesem Fall, wäre es nicht besser, zu sündigen, als sündlos zu beten, wenn nur den Reumütigen die Gnade des Trösters anheimgegeben ist? Denn es ist gesagt: Selig sind die Weinenden, denn sie werden getröstet werden. (ibid. S.390-1.)
Der Hl. Gregor sagt, indem er seinen Gedanken fortführt: Es scheint mir, daß das Wort des Heilands nicht den Kummer als selig bezeichnet, sondern das Bewußtsein des Guten, um dessentwillen der Mensch trauert, da es im Leben nicht besteht. (ibid. S. 393. 
Dieses Gut aber, das Gute war dem Menschen durch seine gottähnliche Seele gegeben. Wir Menschen waren Teilhaber jenes göttlichen Guten. Und das, was wir jetzt wie in einem Rätsel über dieses Gute uns vorstellen, all das hatte der Mensch: Unverweslichkeit und Seligkeit, Selbstbeherrschung und Selbständigkeit, das Leben ohne Trauer und Sorgen, die Beschäftigung mit dem Göttlichen. Die Bibel bezeugt das, indem sie sagt, daß der Mensch, der nach dem Antlitz Gottes geschaffen wurde, im Paradies lebte, und sich der Früchte der dortigen Bäume erfreute; die Früchte aber dieser Bäume sind Leben, Wissen und ähnliche Dinge. Da wir das einstmals alles besaßen, wie sollen wir dann heute angesichts unserer Armut nicht aufschreien, wenn wir sie mit der damaligen Seligkeit vergleichen? Alles Erhabene wurde erniedrigt; das was nach dem Antlitz des Himmlischen geschaffen wurde, wurde verirdischt; das zum Herrschen Bestimmte wurde Sklave; das zur Unsterblichkeit Geschaffene wurde vom Tod verwest; das was im Paradies Genuß erfuhr, siedelte in das Land der Krankheit und Schmerzen über; das was in Leidenschaftslosigkeit gepflegt wurde, wurde ersetzt durch ein leidenschaftliches und kurzzeitiges Leben; das was selbständig und frei war, befindet sich jetzt unter der Herrschaft so großer und zahlreicher Übel, daß es unmöglich ist, unsere Verfolger zu zählen. Denn jede Leidenschaft in uns wird zu unserem Beherrscher in dem Moment, in dem sie überhandnimmt, und benutzt unsere Gedanken als ihre Diener. So etwa die Erregung, Zorn, Angst, Furcht, Dreistigkeit, der Zustand der Traurigkeit oder Zufriedenheit, Haß, Streit, Unmenschlichkeit, Hartherzigkeit, Neid, Liebedienerei, nachtragendes Gedächtnis des Bösen, Gefühllosigkeit und alle Leidenschaften, die gegen uns wirken, bilden die Liste unserer Verfolger und Beherrscher, die unsere Seele wie einen Sklaven ihrer Macht unterwerfen. Wenn jemand gar auch noch die Übel aufzählen wollte, die unseren Körper heimsuchen, die eng mit unserer Natur verbunden sind, und untrennbar mit ihr zusammenhängen - ich denke an verschiedene und verschiedenartige Krankheiten, an denen die Menschheit ursprünglich nicht litt, - dann werden wir unvergleichlich mehr Tränen vergießen, wenn wir sehen, welche Übel den Platz unserer einstmaligen Güter eingenommen haben. Daher scheint es, lehrt Derjenige, der das Weinen selig macht, unsere Seele, daß sie ihren Blick auf das wahre Gute wendet, und nicht in die jetzige Versuchung dieses Lebens herabblickt. Denn der Mensch, der all das eifrig betrachtet, kann unmöglich ohne Tränen leben. ( ibid. S. 395-7.)
Warum sind diejenigen selig, die jetzt weinen? Weil sie in alle Ewigkeit getröstet werden. Und der Trost wird für sie in der Gemeinschaft mit dem Tröster bestehen, denn die Gabe des Trostes ist die eigene Wirksamkeit des Heiligen Geistes. ( ibid. S. 400.) 
Auf geheimnisvolle Weise nimmt der gütige Tröster an all unseren Gott zugewandten Gebeten teil, an all unseren Christus zustrebenden Seufzern, an all unseren zum Himmel gewandten Bitten (vgl. Röm 8,26), und ergießt durch unser ganzes Wesen eine unaussprechliche milde Liebe und Seligkeit, welche alleTode in allen Welten besiegt (vgl. Röm 5,5; Off 21,4). 

 

Kommentar zum Hl. Evangelium nach Matthäus

Vater Justin

Der Boote >1992 >6

In der Tat, unser Herr Jesus Christus ist ein lebendiges, laufendes Evangelium der Sanftmut, bis die Sanftmut als göttliche und menschliche Tugend zu ihrer ewigen Frohbotschaft und seligen Ewigkeit gelangt. Deshalb stellt alles, was Ihm gehört, auch das Gesetz der Sanftmut dar. Mit allen Menschen, von den heftigsten Feinden bis zu seinen liebsten Schülern, verfährt Er nach den Gesetzen gottmenschlicher Sanftmut. Erinnern wir uns nur an sein Verhalten gegenüber dem unglücklichen Judas von Ischariot. Was hat Er nur nicht getan, um diesen von seiner gottestötenden und seelentötenden Absicht abzubringen! Obwohl Er von Anfang an wußte, daß dieser Ihn verraten würde, gab der Herr ihm dennoch alle göttlichen Gaben, genauso wie den anderen Aposteln: auch er hat Kranke geheilt, Aussätzige gereinigt, hat Teufel ausgetrieben und Tote auferweckt. Und außerdem hat er zusammen mit den übrigen Aposteln stets den Herrn begleitet, war bei all Seinen Werken zugegen, bei den Wundern, den Predigten. Und selbst bei dem heiligen Abendmahl war er zugegen! Oh, das ist noch wenig! Selbst ihm wusch der sanftmütige Herr auch noch die Füße! Gibt es etwa größere Sanftmut als diese? Ja, hier sehen wir beispiellose Sanftmut und abermals Sanftmut! Mit Recht, mit vollem Recht, nennen die beiden heiligen Johannesse: der Vorläufer und der Evangelist, den allsanftmütigen Herrn Jesus das Lamm Gottes.
Doch mehr noch: Wer von den Menschen würde nicht vor Zorn über das gesamte Menschengeschlecht wegen seiner furchtbaren Gesetzlosigkeiten und Sünden und Laster brüllen? Doch siehe, Er kommt als Lamm - unter Wölfe, die von Sünden und Bösem verwildert sind. Und was tut Er nicht alles und dabei immer sanft und demütig, um uns von allen Sünden und allem Bösen zu erlösen! Ja, ja, nach allem - ist Er nicht nur der Gott der Liebe, sondern auch der Gott der Sanftmut. Und Er, der Sanftmütige, ist Er nicht unter den Menschen wie unter Tieren und auf der Erde wie in einem Käfig? Ist nicht jede menschliche Leidenschaft schlimmer als jegliches Tier, denn immer lehnen sie sich gegen Ihn, den Leidenschaftslosen auf. Ist nicht jede unserer Sünden schlimmer als ein Tier, das sich blutrünstig aufbäumt gegen Ihn - den Sündlosen? Und unser Haß und unsere Bosheit und unser Tod sind sie nicht wilde Tiere, die sich ständig gegen Ihn auflehnen - den All-Liebenden, den All-Guten, den Unsterblichen? Die menschliche Natur kann nicht friedlich das Böse in sich ertragen: Sie verwildert entweder davon oder sie verliert den Verstand. Ist etwa das Böse nicht eine Verwilderung der Seele? Denn es fällt an, es frißt, es zerstört wie ein Tier. Und das Böse, die Erinnerung an das Böse, die Schadenfreude, der Neid, der Haß, der Zorn, sind das alles nicht etwa wilde Tiere in unserer Seele, welche zunächst uns zerreißen und dann die Menschen um uns? Zorn, ist der Zorn nicht das Irrenhaus der Seele? Und die Raserei, die Wollust, die Geldgier, die Machtgier, die Ruhmsucht, das Streben nach Sinnengelüsten - ist das nicht ein ganzer Haufen von Irrenhäusern in unserer menschlichen Seele? Und unter uns, die wir verroht und verwildert sind, von verschiedenen Sünden und Leidenschaften erscheint Er, das Lamm Gottes, stets sanftmütig und immer demütig. 
Die selige Sanftmut kann der Mensch nur erreichen, wenn er alles tut, damit der sanftmütige Herr Jesus seine Seele beherrsche. Und vor allem, wenn er seine Seele mit Demut erfüllt. Wenn die Seele von Demut erfüllt wird, dann erscheint auch die Sanftmut, ihre geistliche Schwester. Sie beide schaffen im Menschen das Gefühl und das Bewußtsein: daß an allen Sünden und all seinen Schwächen er selbst schuld ist, und nur er und kein anderer. Daher, wer zürnt, der zürnt gegen sich selbst, und gegenüber anderen ist er mit Sanftmut erfüllt. Wenn jemand sündig ist, so bedeckt er seine Sünden mit Sanftmut. Auf alles schaut er mit barmherziger Sanfmut, denn sie ist eine der wichtigsten anhaltenden Stimmungen seiner Seele geworden. Das erste ist die Grundstimmung - die Demut, das zweite - die barmherzige Trauer, und das dritte - die mildtätige Sanftmut. Für den neuen Menschen, der nach Christus geschaffen ist, ist die Sanftmut so wichtig, daß sie das Hauptmerkmal seines Rufes ausmacht, dessen eines Christen (vgl. Eph 4,1.2; Kol 3,12; 1 Tim 6,11). Er lebt nicht nur, sondern verbessert die anderen im “Geiste der Sanftmut” (Gal 6,1). Der Diener des Herrn “muß sanftmütig gegenüber allen sein, die die Unwahrheit nicht ertragen können und mit Sanftmut die Widerspenstigen zurechtweisen, ob ihnen etwa Gott Sinnesänderung verleihe zur Erkenntnis der Wahrheit” (2 Tim 2,24-25). Der Christ ist dazu berufen, jegliche “Sanftmut gegenüber den Menschen zu erweisen” (Tit 3,2). Unser Herr Jesus Christus ist so bekannt durch seine Sanftmut, daß der hl. Apostel die Christen bittet, die evangelischen Taten zu vollbringen “um der Sanftmut willen und der Freundlichkeit Christi” (2 Kor 10,1). Und diese Sanftmut ist eben die große Tat des Christen und die Gabe des Heiligen Geistes, welche dem Christen für seine Askese gegeben wird, und sie gehört zu jenen “geistlichen Arten”, welche der menschliche Geist nur gebiert, wenn er vom Heiligen Geist erfüllt ist (vgl. Gal 5,23). Die Sanftmut ist das Himmelsgewölbe der Seele, in welchem am besten die Wahrheit Gottes und all dessen, was Gottes ist, blüht, aufwächst, sich entwickelt und reift (vgl. Jak 1,20-21). Die Sanftmut heilt das Böse nicht mit dem Bösen, sondern besiegt das Böse durch das Gute (Röm 12,21), sie nimmt nicht Rache für sich (Röm 12,19); auf Haß antwortet sie mit Liebe, auf Böses mit Gutem, auf Verletzung mit Verzeihung. Die Sanftmut ist diejenige, die sich dem Bösen nicht mit Bösem widersetzt, sondern, wenn sie auf eine Wange geschlagen wird, die andere Wange hinhält, und wenn man ihr das Kleid nehmen will, sie das Hemd noch dazu gibt (vgl. Mt 5,39-41).
Die Seele, die in demütiger und barmherziger Sanftmut lebt, erhält ein anderes Gefühl der Welt und der Menschen in der Welt und verkehrt anders mit ihnen. Dies ist ein neues Gefühl der Welt: das Gefühl, daß Christus all jenes besiegt hat, was schlecht ist in der Welt und in den Menschen; und dies wäre: die Sünde, der Tod und der Teufel. Aber dies ist die erste Hälfte dieses neuen Gefühls, während die zweite folgendes ist: das Licht der Auferstehung ergießt sich auf alle Menschen und die ganze Welt, und sie erscheinen in völlig neuer Gestalt: in der ursprünglichen, von Gott geschaffenen Reinheit und Schönheit; und die sanftmütige Seele wird vollkommen von unaussprechlicher Freude erfüllt. Selbstverständlich gibt es im Herzen des Sanftmütigen immer Zorn auf die Sünde und das Böse, aber nicht auf die Sünder. Er liebt die Sünder, aber verurteilt ihre Sünden. Den Gipfel des Zorns nach dem Evangelium zeigt die Sanftmut gegenüber jenen, die sich bewußt und absichtlich mit ihren Sünden gleichsetzen. Dann vertreibt auch der Gott der Sanftmut mit der Peitsche die Händler aus dem Tempel. Und wenn sie zürnt, dann hat die Sanftmut nach dem Evangelium ihr gottmenschliches Maß. Es ist jenes Wort des eifrigsten Christusträgers: “Zürnt und sündigt nicht! Die Sonne mag über eurem Zorn nicht untergehen!” (Eph 4,26).
Die selige Demut und selige Sanftmut sind so groß und mächtig vor Gott, daß die eine über den Himmel herrscht und die andere über die Erde. Und die Erde der seligen Sanftmut - ist das nicht ein Teil des Himmels, ein Teil des Himmelreiches? Ohne Zweifel ist sie das. Denn die Sanftmut ist ganz vom Himmel, und alles, was sie in sich hat, ist himmlisch. Und wenn sie so riesig ist wie der Himmel, wie soll sie dann nicht die Erde umarmen und über alles auf ihr herrschen? Die ersten Boten der sanftmütigen Herrscher auf der Erde sind die Heiligen. Viele von ihnen haben mit der lammgleichen Sanftmut Wölfe zu Lämmern verändert, d.h. Menschen, die von Sünden und Leidenschaften verwildert waren, und wild wie Wölfe. Und wieviele sanftmütige Heilige Gottes gibt es, die durch ihre Sanftmut und Güte selbst wilde Tiere zur Demut brachten und sie zähmten, und diese leckten ihnen die Füße und oft dienten sie ihnen wie sanftmütige Ameisen! Die Sanftmut nach dem Evangelium ist eine Kraft, die so sehr göttlich und so gut ist, daß sie selbst Tiere mit einer außergewöhnlichen Liebe und außergewöhnlichen Barmherzigkeit erfüllt. Das ist auch kein Wunder, denn auch in ihnen gibt es jene wunderbaren Logoskräfte, durch welche alles wurde, was geworden ist (vgl. Jh 1,3) und ähnliches zieht ähnliches an. So ist auch die Erde durch diese Logoskraft ein Teil des Himmels. In der Tat, sie ist der wahre Himmel, nur wenn sie ohne Sünde ist. Die Sünde aber zieht sie in die Hölle, und so verweilt sie jetzt unter dem Himmel und über der Hölle; manchmal ist sie näher an dem Himmel, manchmal näher an der Hölle, denn die Menschen nähern sich durch ihre himmlischen Tugenden dem Himmel, aber durch ihre höllischen Sünden der Hölle. Gott-Logos kam auf sie, um sie dem Himmel zurückzubringen. Wodurch? Durch sich und seine göttlichen und himmlischen Tugenden. Sie sind eben auch die einzige allmächtige Kraft, die von der Erde alle Sünden und alle Tode verjagt, und ihr die ihr gehörige himmlische paradiesische Reinheit zurückgibt. Und in ihr - die Seligkeit.
Die Erde ist Paradies, solange sie dem Himmel dient, solange sie einen Bestandteil des Himmels ausmacht. Sowie sie sich vom Himmel abwendet, von seinen Lebensgesetzen, sagt sie sich von ihm los und irrt zwischen Himmel und Hölle; und von ihr macht sich dann jegliche Sünde los, jegliches Böse, jeglicher Teufel. Die Erde dem Himmel zurückzugeben, das Irdische mit dem Himmlischen zu verbinden, - das ist das Ziel des Kommens des Erlösers, vom Himmel auf die Erde. Oft wird in den kirchlichen Liedern gesagt, daß die Heiligen “die Erde zum Himmel machten”, und zwar durch ihre Tugenden. Denn jegliche himmlische Tugend, in welcher sich der Mensch übt, bringt ein Stück des Himmels in seine Seele; und wenn er sie alle übt - siehe da ist der ganze Himmel auf der Erde. So ist es auch mit den Heiligen. Durch ihre göttliche Kraft sind sie wahre geistliche Herrscher der Erde, obwohl die Erde unter der Sünde steht. Und sie werden zweifellos auch unsterbliche und selige Herrscher auf der “neuen Erde” sein, wenn die alte Erde durch das Feuer des letzten Gerichtes gereinigt wird, und auf ihr ewig die Gerechtigkeit Gottes leben wird (vgl. 2 Petr 3,12-13). Das wird sich gerade deswegen ereignen, weil sie durch ihr christusartiges Leben zu Teilhabern und Erben Christi wurden und auf ewig bleiben (vgl. Eph 3,6; Röm 8,17). All das strömt wie eine göttliche Wahrheit durch die Frohbotschaft des Heilands: Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich erben. Und sie werden im wahren Sinne des Wortes die Erde erben, wenn nach dem letzten Gericht auf der neuen Erde das sanftmütige Lamm Gottes die Herrschaft antritt, denn durch ihre göttliche Sanftmut sind sie zu Miterben geworden, - und ihr Reich wird kein Ende haben.

 

Bote 1988-6
Kommentar zum Matthäus-Evangelium

Rückkehr aus Ägypten

(2, 19-23) Der erste Verfolger des Herrn Christus,  König Herodes, starb im März oder April 750 nach der Gründung Roms. Er starb an furchtbaren Krankhei-ten: er verfiel von Wunden und Würmern. Der En-gel des Herrn befiehlt im Schlaf dem gerechten Jo-seph das Kind und Seine Mutter zu nehmen und ins Land Israel zu gehen. Der Engel "sagt nicht: fliehe, sondern: gehe, denn es gab schon  keine Angst mehr".
2,21-22  Herodes'  Nachfolger waren seine drei Söhne Archälaos, Antipa und Philipp. Gemäß dem Testament des Herodes, das von Augustus bestä-tigt wurde, erhielt Archälaos zur Verwaltung Idu-mäa, Judäa und Samaria; Antipa erhielt Galiläa und Peräa; Philipp - Batanäa, Trachonitis, Auranitis, Pa-nis und Ituräa. Archälaos hatte den Titel eines Eth-narchen (Volksführers), Antipa und Philipp den Ti-tel von Tetrarchen (Herrscher über ein Viertel des Landes). Archälaos erbte von seinem Vater große Härte gegen Christus. Deshalb siedelte sich die Heilige Familie nicht in Judäa , sondern in Galiläa an. Und das tat sie auf unmittelbare Anweisung Gottes, die Joseph im Schlaf erhielt.
2, 23  In Galiläa siedelte sich die Heilige Familie in Nazareth an. Damit erfüllte sich die Prophezeiung, nach der der Messias Nazarener genannt wird. Ausdrücklich gibt es eine solche Prophezeiung im Alten Testament nicht. Der Hl. Chrysostomos und der selige Theophylakt nehmen an, daß die Juden das Buch verloren haben, in dem sich diese Prophezeiung befand.  Aber durch die An-siedlung der Hl. Familie in Nazareth erfüllen sich dem Geiste nach alle alttestamentlichen Prophezeiungen, die über Christus als Leidendulder sprechen, als Erniedrigten, Verleumdeten und Verach-teten Diener Gottes, als ungeachteten und von Gott verlassenen (vgl. Jes. 49, 7; 53, 1-12, Ps. 21). Denn Nazareth ist nicht nur ein unbedeutendes Städtchen, und das in Galiläa, sondern es hat auch einen schlechten Ruf. Man braucht sich nur an den empörten Protest des Nathanael erinnern: "Kann denn aus Nazareth etwas Gutes kommen?" (Jo. 1, 46). Und noch die Bemerkung der gelehrten Pharisäer an Nikodemus gerichtet: "Forsche und siehe, daß aus Galiläa kein Prophet aufsteht" (Jo. 7, 52).
Gemäß der prophetischen Vorhersage, sagt der Hl. Chrysostomos, nennen auch die Apostel häufig Christus einen Nazarener. Hat das nicht die Prophetie über Nazareth dunkel gemacht? Nein, im Gegenteil, vielmehr gab gerade das den Anstoß und den Antrieb zur sorgfältigen Erforschung dessen, was über Ihn verheißen wurde. Das veranlaß-te ja auch Nathanael bezüglich des Herrn zu fra-gen: "Kann denn aus Nazareth etwas Gutes kommen?" (Jo. 1, 46). Es war dies nämlich ein ganz unansehnlicher Ort; oder vielmehr nicht bloß der Ort allein war unbedeutend, sondern das ganze Land Galiläa. Darum sagten auch die Pharisäer: "Forsche und siehe, daß aus Galiläa kein Prophet aufsteht" (Jo. 7, 52). Trotzdem schämte sich der göttliche Heiland nicht nach dieser Gegend genannt zu werden;  Er zeigt dadurch, daß Er von menschlichen Rücksichten unabhängig ist; ja auch Seine Apostel beruft Er aus Galiläa. Er will dadurch auf je-de Weise den Vorwänden derer begegnen, die sich lieber ihrer Trägheit hingeben möchten, will zeigen, daß wir keiner äußerlichen Hilfe bedürfen, wenn wir nur die Tugend üben. Aus diesem Grun-de wollte Er nicht einmal ein eigenes Haus haben,  denn,  Er  sagt: "Der Menschensohn hat nichts, wohin Er Sein Haupt neige" (Lk. 9, 58). Deshalb flieht Er auch vor den Nachstellungen des Hero-des, wird bei Seiner Geburt in eine Krippe gelegt, wohnt in einer Herberge und wählt Sich eine arme Mutter aus,  nur um uns zu lehren, daß wir nichts von all dem für entehrend halten sollen, um den menschlichen Stolz in seinem Ursprung zu zertreten und uns nur zur Übung der Tugend anzuhalten.

Kapitel 3

Der Hl. Johannes der Täufer und seine Predigt
(3,1-12) An der Grenze zwischen dem Alten und Neuen Testament, zwischen der alten und der neuen Welt, steht die ungewöhnliche Persönlichkeit des Wüstenbewohners und Lehrers, des Hl. Johannes des Täufers. Er führt den alttestamentlichen Menschen, die alttestamentliche Menschheit dem Gottmenschen zu. Durch ihn beichtet die alttestamentliche Welt dem Messias und Heiland: sagt Ihm of-fen und ehrlich alle ihre Schmerzen und Wunden, alle ihre Krankheiten und Schwächen, all ihre Tode und Sünden. Zur alttestamentlichen Welt gewandt sieht der Heilige Vorläufer die riesige Wüste, die die Sünde, den Tod und die Hölle verwüstet; zum Gottmenschen Jesus gewandt, bittet er Ihn um die Rettung von Sünde, Tod und Hölle. Diese Welt aber, das einstige Paradies, verwandelte die Menschheit durch ihre Sünden in eine Wüste. In ihr hungert und durstet das Menschengeschlecht nach allem Unsterblichen und Ewigen, hungert und dürstet nach Gott und Seinen ewigen Wahr-heiten. Das hat niemand von den Propheten, niemand von den Weisen, niemand von den trauernden Sorgenträgern des Menschengeschlechts so stark und ergreifend gefühlt wie der Hl. Vorläufer. Was braucht der Mensch und die Menschheit in der Wüste der Sünde? Was? Nur eines: den Retter aus Tod und Sünde. Und der Weg zu Ihm?  - Die Buße. Daher sammelte der Heilige Täufer all seine Gedanken, all seine Gefühle, seine gesamte Predigt in eine Übung: die Buße! Und er wurde ein nie dagewesener Prediger der Buße.
3,1-2. Kind - und Wüsten bewohner! Beinahe von der Wiege an (vgl. Lk. 1,80), - das ist der Heilige Johannes der Vorläufer. Und das hat die Welt weder vor ihm noch nach ihm gesehen. Er lebt die ganze Zeit in der Wüste, hungert, durstet, geht unbekleidet in der Wüste, und dadurch symbolisiert er den totenhaften geistlichen Hunger und Durst und Nacktheit des alttestamentlichen Menschen und Menschengeschlechts. Er verwandelt die Wüste in eine Schule der Buße. In dieser Schule wird nur ein Fach gelehrt, nur eine Wahrheit gepredigt: die Buße. Und dieses Fach ist die Mutter aller wahren Wissenschaften; und diese Wahrheit ist die Mutter aller wahren Wahrheiten. Daher ist der Hl. Johannes nicht nur der Prediger dieser Wahrheit und der Lehrer dieser Wissenschaft, sondern der Täufer, der in diese Wissenschaft und in diese Wahrheit tauft. Seine wichtigste Aufgabe und Tä-tigkeit ist: Täufer zu sein und die Menschen mit der Taufe der Buße zu taufen. Denn die Buße ist wahre Buße nur durch die Taufe, und die Taufe ist wahre Taufe nur durch die Buße. Eines geht aus dem anderen hervor; eines besteht und lebt durch das andere (vgl. Mt. 3,6. 11; Apg. 19,4;2,38; Mk. 1,4; Lk. 3,3; Apg. 13,24).
Berufen von Gott, unterbrach der Hl. Johannes sein einsames Schweigen in der Wüste, kam aus dem Inneren der Wüste in die Nähe des Jordan, um seine heilige Arbeit zu verrichten: die Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden zu predigen (vgl. Lk. 3, 2-3). Seine Predigt war ernst wie die Wüste und kurz wie das Schweigen: Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe! Auf die alttestamentliche Welt blickend von Adam bis zu seinen Zeitgenossen, sah der Hl. Täufer nur Sünde über Sünde, Tod über Tod, Böses über Böses, Laster über Laster. Was konnte und mußte er von seinen Zeitgenossen fordern außer der Buße? Vor wem? - Vor dem Gottmenschen Jesus, Der hier unter ihnen ist und sich jedem nähert. Und was kann und darf Ihm der Mensch sagen, jeder Mensch für sich und alle Menschen zusammen? Was anderes als: ich bereue alle Sünden; ich bereue alle Gedanken, - denn welcher meiner Gedanken ist keine Sünde vor Dir? Ich bereue alle Gefühle, - denn welches meiner Gefühle ist keine Sünde vor Dir? Ich bereue alle Worte, - denn welches meiner Worte ist nicht Sünde vor Dir? Ich bereue alle Taten,- denn wel-che meiner Taten ist nicht Sünde vor Dir? Ich bereue alle Sünden, - alle Laster, alle Untaten aller Menschen aller Zeiten, denn nach Blut und Leib, nach Natur und Geist bin ich ihr Bruder und freiwilliger Gefährte. Vor Dir, dem Allsehenden und Allgü-tigen, fließen alle meine Gefühle in ein Gefühl - ein übergreifendes Gefühl zusammen; und all mein Bewußtsein häuft sich zu einem Bewußtsein - einem übergreifenden Bewußtsein zusammen. Und dieses übergreifende Gefühl und übergreifende Bewußtsein ist: ich tue Buße für alle und für alles!