Predigt zu Beginn der Großen Fastenzeit (18.02.2018)

Liebe Brüder und Schwestern,

 

wir befinden uns nun am Ende der ernsthaften und zugleich erwartungsfrohen Einstimmung auf die Große Fastenzeit. Diese nun alsbald beginnende Zeit der Vorbereitung auf die Karwoche und das Fest der Feste ist so wichtig, dass die Kirche uns schon Wochen vorher auf Kurs bringen will. Durchaus bemerkenswet ist, dass sich bei den vier Evangeliumslesungen der Sonntage vor der Fastenzeit schwerpunktsmäßig die Liebe zu Gott und die Liebe zum Menschen im Verhältnis 2:2 die Waage halten: Zachäus verspürt die Sehnsucht der Nähe zu Christus Gott (1:0), der Pharisäer offenbart dagegen seine Defizite in der Liebe zum Mitmenschen (1:1), der verlorene Sohn wiederum entdeckt seine Liebe zum (himmlischen) Vater wieder (2:1), und die Parabel vom Weltgericht zeigt schließlich, dass auf dem finalen Prüfstand Werke der Nächstenliebe über Seligkeit oder Verdammnis entscheiden werden (2:2). Und noch sehen wir an diesen vier lehrhaften Beispielen, dass im Neuen Testament die Liebe zu Gott und die Liebe zum Menschen voneinander nicht trennbar sind (s. Mt. 22:37-40; Mk. 12:29-31; Lk. 10:26-28; vgl. Röm. 13:10): Zachäus entdeckt seine Liebe zu Gott und zu den Menschen (s. Lk. 19:8), der Pharisäer verliert durch seine Menschenverachtung auch Gottes rechtfertigende Gnade (s. Lk. 18:14), im Gleichnis vom verlorenen Sohn erzeigt sich die göttliche Liebe zum reuigen Sünder als wirksamer Gegensatz zum menschlichen Gerechtigkeitsempfinden (s. Lk. 15:28-32) und beim Weltgericht wird auch dem Letzten endgültig klar, dass Gott unsere Liebe zu Ihm in ein unverbrüchliches Abhängigkeitsverhältnis zur Menschenliebe stellt (s. Mt. 25:40,45). Also, auch nach Verlängerung steht es immer noch unentschieden, denn am heutigen Herrentag der Vergebung, dem letzten Sonntag vor der Fastenzeit, werden wir daran erinnert, dass wir von Gott nur dann Vergebung erwarten dürfen, wenn wir unseren Mitmenschen verzeihen (s. Mt. 6:14). Ergo gibt es die Gleichung in Sachen Wertschätzung: Mensch = Gott! - Gott einigt sich mit dem Menschen auf ein Remis! Er würde als Weltmeister sogar im Elfmeterschießen gegen uns, eine Blindentruppe, verlieren (vgl. Gen. 32: 26,29). Ja was ist das denn für ein Gott?!.. Einer, den Menschen erfunden haben? - Niemals! Zu unfassbar schlüssig ist das, was sich beim Vertiefen in die Heilige Schrift ergibt! War da nicht erst vor drei Wochen die Rede davon, dass wer sich selbst erhöht,  erniedrigt wird, wer sich aber selbst erniedrigt, erhöht werden wird (s. Lk. 18:14)?!.. Hat Christus, der Gebieter, nicht selbst gezeigt, wie es geht (s. Lk. 24:26;  Phil. 2:6-11)?! Er droht uns nicht, sondern geht im wahrsten Sinne des Wortes mit gutem Beispiel voran. Welch ein Unterschied es doch ist, wenn der König selbst an vorderster Front kämpft, alle Gefahren und Strapazen des Krieges auf sich nimmt wie ein Fußsoldat, anstatt in Purpur gekleidet im Prunkpalast die Soldaten wie Schachfiguren zu dirigieren! Das alles ist uns geschenkt durch die Taufe, die den Tod und die Auferstehung Christi in uns darstellt (s. Röm. 6:3-6). Wir sind durch Sein kostbares Blut gerecht gemacht (s. 1 Petr. 1:19; Röm. 5:9)! Aber wie müsste unsere Reaktion darauf ausfallen? - Wenn ich solch einen König habe, der sich für mich aufopfert, dann werde ich es als unsagbares Glück und unvorstellbare Ehre empfinden, meinerseits für Ihn ins Feld ziehen und Ihm mein Leben opfern zu dürfen. Das ist ein Glauben, der aus dem Herzen kommt. Glauben und Werke müssen zusammenwirken (s. Jak. 2:22). Alles andere verdient die Bezeichnung Glauben nicht (s. Jak. 2:20).

Der Herr fastete vierzig Tage in der Einöde, bevor Er Sein Erlösungswerk antrat (s. Mt. 4:2;  Mk. 1:13;  Lk. 4:1-2). Vor Ihm taten es die Propheten Moses (s. Ex. 34:28) und Elias (s. 3. Kön. 19:8), bevor sie beide göttlicher Offenbarung gewürdigt wurden. Und einige von uns meinen, Gott ohne kirchliches Brimborium "im Herzen" dienen zu wollen! Na klar, -  auch im Herzen (s. Dtn. 6:5; vgl. Mt. 22:37; Mk. 12:30; Lk. 10:27), dann aber richtig! - "Mit ganzem Herzen vertrau auf den Herrn, bau nicht auf eigene Klugheit" (Spr. 3:5). Sonst könnte ich genausogut ein Reisebüro gründen und Ihnen teure Luxusreisen zu den begehrtesten touristischen Zielen der Welt anbieten. Vergessen Sie aber nicht, auch das Kleingedruckte zu lesen: Sie werden St. Petersburg, Tokio, New York, Sydney und Johannesburg im Herzen  erleben. Rückerstattung der Reisekosten ist bei mir von vornherein ausgeschlossen... Gute Reise!

Wer sind wir, dass wir uns als Getaufte dem Leben der Kirche verschließen wollen? Sind wir nicht alle der Leib Christi? Wie verstehen wir denn diese Worte: "Wenn (...) ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit; wenn ein Glied geehrt wird, freuen sich alle anderen mit ihm. Ihr aber seid der Leib Christi, und jeder einzelne ein Glied an Ihm" (1. Kor. 12:26-27). Das müssen wir aber erst beweisen, besonders, wenn es eng für uns wird. Wir wissen nicht, wann die Zeit kommen wird, diese Bereitschaft tatsächlich unter Beweis zu stellen. Wir wissen aber, dass sie kommen wird (Lk. 21:8-17). Schon heute ist es nicht mehr so leicht, sich als wirklicher Christ zu outen. Dann aber wird es definitiv nicht genügen, nur nominell Christ zu sein. Dann heißt es: entweder oder! Damit wir, orthodoxe Christen, aber für diese Zeit gewappnet sein können, werden wir in den nächsten Wochen ins Manöver geschickt. Wollen wir in dieser gesegneten Zeit deshalb ohne Selbsttäuschung prüfen, wie es mit unserer Liebe zu Gott und den Mitmenschen steht. Denn nur wer im Kleinen ein treuer Knecht  gewesen ist, der wird später bei der Endabrechnung in die Freude seines Herrn eingehen dürfen (s. Mt. 25:21,23;  Lk. 19:17). Wer dagegen die von Gott gegebene Bewährungsprobe nicht angenommen hat und untätig gewesen ist, wird auch das verlieren, was er erworben zu haben glaubt. Er wird das selbstverschuldete Los der Feinde Gottes teilen (s. Mt. 25:28-30;  Lk. 19:24-27). Amen.

Jahr:
2018