Predigt zum 33. Herrentag nach Pfingsten / Herrentag nach Theophanien (Eph. 4:7-13; 1 Tim. 4:9-15; Mt. 4:12-17; Lk. 19:1-10) (21.01.2018)

Liebe Brüder und Schwestern,

 

Zachäus lässt grüßen!.. Was, jetzt schon?! - Ja, wir befinden uns zwar jetzt erst noch in der Phase des Nachfestes der Taufe Christi, doch gereits klopft die Große Fastenzeit in Gestalt des Oberzöllners Zachäus dezent an die Pforten unserer Herzen. Der Herrentag nach Theophanien gibt uns aber auch die Gelegenheit, uns der Gnade Gottes aus der Taufe zu besinnen. Der Apostel Paulus schreibt: "Jeder von uns empfing die Gnade in dem Maß, wie Christus sie ihm geschenkt hat. Deshalb heißt es: ´Er stieg hinauf zur Höhe und erbeutete Gefangene, Er gab den Menschen Geschenke`/Ps. 67:19/. Wenn Er aber hinaufstieg, was bedeutet das anderes, als dass Er auch zur Erde herabstieg? Derselbe, der herabstieg, ist auch hinaufgestiegen bis zum höchsten Himmel, um das All zu beherrschen. Und Er gab den einen das Apostelamt, andere setzte Er als Propheten ein, andere als Evangelisten, andere als Hirten und Lehrer, um die Heiligen für die Erfüllung ihres Dienstes zu rüsten, für den Aufbau des Leibes Christi. So sollen wir alle zur Einheit im Glauben und in der Erkenntnis des Sohnes Gottes gelangen, damit wir zum vollkommenen Menschen werden und Christus in Seiner vollendeten Gestalt darstellen" (Eph. 4:7-13).

Christus entäußerte sich, wurde wie ein Sklave, versöhnte uns durch Seinen Tod mit Gott (s. Röm. 5:10; 2 Kor. 5:18-19; Eph. 2:18; Kol. 1:20,22). Sichtbare Zeichen für Seine freiwillige Erniedrigung (Kenosis) waren:

  1. a) die Unterordnung unter die physikalischen Gesetze dieser Welt, welche ja aus Raum, Zeit und Materie besteht: der allgegenwärtige, zeitlose und dem Wesen nach immaterielle Gott wurde als Mensch an einem konkreten Ort, zu einer konkreten Zeit geboren und in einem Viehstall in Windeln gewickelt;
  2. b) die Unterordnung unter die weltliche Gesetzgebung: der Herrscher des Alls und Gottes Sohn wurde auf Erlass des irdischen Kaisers als Sohn eines Zimmermanns in die Steuerlisten des Römischen Reiches eingetragen;
  3. c) die Unterordnung unter das göttliche Gesetz: der Gesetzgeber geruhte selbst am achten Tag beschnitten (s. Lk. 2:21; vgl. Gen. 17:9-14) und am vierzigsten Tag im Tempel dargestellt zu werden (s. Lk. 2:22-24; vgl. Lev. 12).

Mehr Demut, mehr Erniedrigung geht eigentlich nicht. Und doch wird dies alles dadurch überragt, dass sich der Gebieter im Jordan unserer Sünden wegen von einem Knecht, Johannes dem Vorläufer, taufen lässt. Dieser legt Zeugnis ab: "Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt. Er ist es, von dem ich gesagt habe: ´Nach mir kommt ein Mann, der mir voraus ist, weil Er vor mir war. Auch ich kannte Ihn nicht; aber ich bin gekommen und taufe mit Wasser, um Israel mit Ihm bekannt zu machen`. Und Johannes bezeugte: ´Ich sah, dass der Geist vom Himmel herabkam wie eine Taube und auf Ihm blieb. Auch ich kannte Ihn nicht; aber Er, der mich gesandt hat, mit Wasser zu taufen, Er hat mir gesagt: ´´Auf wen du den Geist herabkommen siehst und auf wem Er bleibt, der ist es, der mit dem Heiligen Geist tauft``. Das habe ich gesehen, und ich bezeuge: Er ist der Sohn Gottes`" (Joh. 1:29-34). Metropolit Anthony (Bloom) ist völlig überwältigt von der Tatsache, dass die Wasser des Jordans - und mit ihnen die Materie schlechthin - nicht beschmutzt und verseucht, sondern gereinigt und geheiligt werden! Gewiss sind unsere Sünden überaus groß und zahlreich, aber nicht unendlich wie die Gnade und die Liebe Gottes! Somit wird der Jordan nicht bloß zum Abflusskanal für unsere Sünden - er mündet bezeichnenderweise in das Tote Meer, das sich am Tiefpunkt der Erde befindet, - sondern auch und vor allem zur Quelle des Lebens und der Heiligung. Wir alle wurden doch im Wasser des Jordans wiedergeboren, denn die Taufe Christi war unsere Taufe, so wie unsere Taufe die Taufe Christi war (s. Röm. 6:3-4; Gal. 3:27). Entsprechend heißt es auch: "Aus Gnade seid ihr gerettet" (Eph. 2:5).

Das alles hat Christus für uns getan. Doch nun liegt es an uns, es Ihm gleich zu tun. Ich bin vermöge der Taufe zwar "nicht mehr Sklave, sondern Sohn" (Gal. 4:7); aber wenn sich der Sohn Gottes (dem Wesen nach) um meinetwillen freiwillig entäußerte und nicht daran festhielt, "wie Gott zu sein", sondern "wie ein Sklave und den Menschen gleich" (Phil. 2:6-7), dann doch nur, damit auch ich mich als Sohn Gottes (der Gnade nach) freiwillig entäußere und Ihm in dieser Welt als Sklave diene (s. Lk. 17:10; vgl. Mt. 20:27 u. Mk. 10:44; Lk. 22:26). So bin ich im Leben mit Christus vereint (s. Gal. 2:20) und kann meiner Bestimmung der "Gottesähnlichkeit" (s. Gen. 1:26) entsprechen. Schließlich ist die Taufe keine Einbahnstraße: Gott schenkt mir die Gnade der Erlösung, und ich verspreche Ihm ein Leben in Liebe und Treue - ganz wie bei der Vermählung, die gleichsam Abbild der Taufe ist. Als Mitglieder der Kirche Christi sind wir doch alle zusammen die "Braut Christi" (s. Eph. 5:23-33). Das aber bedeutet, dass es auch eine Verpflichtung unsererseits gibt. So wie Mann und Frau nicht bloß "im Herzen" miteinander verheiratet sein können, sondern nur durch eine reale Vereinigung von Leib und Seele sowie durch konkrete Rechte und Pflichten, so kann man auch nicht bloß "im Herzen" Christ sein. Wer sich als nomineller Christ nur durch ein goldenes Kreuzchen um den Hals von einem gewissenhaften Heiden unterscheidet, der hätte sich und seine Kinder auch gleich "im Herzen" taufen lassen können. Wie wollen sie denn zu vollkommenen Menschen werden und Christus in Seiner vollendeten Gestalt darstellen?! Auf einer Rolltreppe bis zum höchsten Himmel womöglich?.. Erfahrungsgemäß haben "im Herzen Glaubende" ja oftmals einen besonders engen Draht zur jenseitigen Welt. Ihnen halten wir heute die Worte des hl. Isaak des Syrers entgegen, wonach nicht der selig ist, der mit den Engeln spricht, sondern der, welcher seine eigenen Sünden sieht... Zachäus lässt grüßen! Amen.

Jahr:
2018