Predigt zum 13. Herrentag nach Pfingsten (1. Kor. 16: 13-24; Mt. 21: 33-42) (03.09.2017)

Liebe Brüder und Schwestern,

 

das Gleichnis von den bösen Winzern stellt auf bildhafte Weise das Vorgehen Gottes zur Rettung der Menschen dar. Nun könnten wir in aller Einmütigkeit feststellen, dass mit den bösen Winzern das Volk Israel gemeint ist, das zu der Zeit, als die Propheten im Namen Gottes kamen, um "Seinen Anteil an den Früchten holen zu lassen" (Mt. 21: 34b), diese Gesandten Gottes misshandelten und umbrachten, schließlich sogar Gottes Sohn ans Kreuz schlagen ließen, und dass Gott schließlich darauf hin Sein himmlisches Erbe anderen Nationen übergab, "die Ihm die Früchte abliefern, wenn es Zeit dafür ist" (Mt. 21: 41). Allerdings sind wir, die wir zu  biblischer Zeit noch als "Heidenvölker" galten, nun die neuen Winzer in Gottes Weinberg und haben angeblich mit den Machenschaften unserer Vorgänger nichts gemein... Aber warum, in aller Welt, wird uns dann dieses Gleichnis vorgelesen?!.. Versuchen wir doch gemeinsam, neben den offensichtlichen Elementen auch das herauszufiltern, was sich dem oberflächlichen Blick des Betrachters vielleicht entziehen mag.  

Dem Volk Israel bzw. dessen geistlichen Führern hätte doch schon längst vorher die Bedeutung des Gleichnisses klar sein müssen. Jahrhunderte zuvor schrieb einer ihrer Propheten: "Ich will ein Lied singen von Meinem geliebten Freund, ein Lied vom Weinberg Meines Liebsten. Mein Freund hatte einen Weinberg auf einer fruchtbaren Höhe. Er grub ihn um und entfernte die Steine und bepflanzte ihn mit den edelsten Reben. Er baute mitten darin einen Turm und hieb eine Kelter darin aus. Dann hoffte er, dass der Weinberg süße Trauben brächte, doch er brachte nur saure Beeren. Nun sprecht das Urteil, Jerusalems Bürger und ihr Männer von Juda, im Streit zwischen Mir und dem Weinberg! Was konnte Ich noch für Meinen Weinberg tun, das Ich nicht für ihn tat? Warum hoffte Ich denn auf süße Trauben? Warum brachte er nur saure Beeren? Jetzt aber will Ich euch kundtun, was Ich mit Meinem Weinberg mache: Ich entferne Meine schützende Hecke; so wird er zur Weide. Seine Mauer reiße Ich ein; dann wird er zertrampelt. Zu Ödland will Ich ihn machen. Man soll seine Reben nicht schneiden und soll ihn nicht hacken; Dornen und Disteln werden dort wuchern. Ich verbiete den Wolken, ihm Regen zu spenden. Ja, der Weinberg des Herrn der Heere ist das Haus Israel, und die Männer von Juda sind die Reben, die Er zu seiner Freude gepflanzt hat. Er hoffte auf Rechtspruch - doch siehe da: Rechtsbruch, und auf Gerechtigkeit - doch siehe da: Der Rechtlose schreit" (Jes. 5: 1-7). Das neutestamentliche Gleichnis des Herrn ist also nur die Neuauflage des Liedes vom Weinberg bei Jesaia. Die alttestamentliche Prophezeiung bezieht sich ohne jeden Zweifel auf die Untreue Israels; das Gleichnis von den bösen Winzern sicher auch, aber dient es nicht ebenso als Warnung für das "neue Israel"? - Das alte Israel schlug die Warnung in den Wind, aber sind wir Christen da viel besser? Irgendwie scheint es doch auffallend viele Parallelen zu geben. Mir kann jedenfalls keiner erzählen, der bischöfliche Segen während der Liturgie habe keinerlei Bezug zur neutestamentlichen Gemeinde: "(Herr, Herr,) blick herab vom Himmel und sieh, und suche heim diesen Weinstock, und stelle ihn wieder her, den Deine Rechte gepflanzt hat" (Ps. 79: 15-16a). Und weiter:

  1. Der Gutsbesitzer hatte die gesamte Vorarbeit zur Errichtung des Weinbergs geleistet (s. Mt. 21: 33a; vgl. Jes. 5: 2a), will heißen: Gott sorgt Sich um Sein Volk, tut alles für dessen Heil (s. Jes. 5: 4); Er führte das Volk aus der Knechtschaft Ägyptens heraus und befreite durch Sein am Kreuze vergossenes Blut Seine neue Gemeinde von der Knechtschaft des Todes.
  2. Er verpachtete den Weinberg an Winzer und zog in ein anderes Land, will heißen: Er bleibt Eigentümer, wir sind die Pächter. Gott zieht Sich (scheinbar) nur für einige Zeit aus dem operativen Geschäft zurück, übergibt uns zeitweilig die Verantwortung und erwartet zu gegebener Zeit Resultate von uns. Wir haben den Weinberg nicht geschenkt bekommen, doch entsprechend unserer Arbeitsleistung und unserer Vertragstreue zum Arbeitgeber werden wir nach der Weinlese entlohnt werden. Uns steht demnach die Möglichkeit offen, zu Aktionären der Holding unseres Chefs zu werden.
  3. Als Bedienstete sind wir verpflichtet, auf die leitenden Mitarbeiter des Betriebs zu hören - vor allem aber auf den Sohn, den Mitinhaber und Erben des Unternehmens.

Fazit: Lohn und Teilhabe werden uns in Aussicht gestellt, aber noch haben wir nichts erlangt, denn wir müssen erst unserer Verantwortung gerecht werden und unsere Treue unter Beweis stellen. Wer kriegt denn schon eine Belohnung, ohne etwas dafür geleistet zu haben?!.. Das Himmelreich ist doch keine Bananenrepublik!

Verantwortung und Treue! - Unternehmen wir als Glieder am Leibe Christi (s. 1. Kor. 12: 12) wirklich alles, damit der Glaube in unseren Familien bewahrt und gestärkt wird, damit unser Gemeindeleben floriert, dass die Kirche Christi über alle feindlichen Kräfte triumphiert?.. In jedem Mechanismus muss auch das kleinste Rädchen seine Aufgabe erfüllen, sonst kann die ganze Produktion zum Erliegen kommen. Und hier muss jeder für sich die Antwort geben, ob er ein lebenswichtiger Baustein im Gesamtgetriebe (s. 1. Kor. 12: 22) oder stattdessen ein unbrauchbares Ventil ist, das nur für den Schrott taugt. Wir stehen im Soll! Wir haben eine Bringschuld und keinerlei Garantieleistung zu erwarten. Bei Nichterfüllen der Vertragsbedingungen werden wir zur Rechenschaft gezogen (s. Mt. 21: 41) und "der Tod der Sünder wird elend sein" (Ps 33: 22a). Denken wir vielmehr daran: "Der Lohn der Sünde ist der Tod, die Gabe Gottes aber ist das ewige Leben in Christus Jesus,unserem Herrn" (Röm. 5: 23). Amen.

Jahr:
2017
Orignalsprache:
Deutsch