Predigt zum Hochfest der Hypapante des Herrn (Hebr. 7:7-17; Lk. 2:22-40) (15.02.2025)
Liebe Brüder und Schwestern,
die für den heutigen Festtag vorgesehene Lesung aus dem Hebräerbrief mag nicht auf Anhieb verständlich erscheinen. Sie lautet wie folgt: „Zweifellos aber wird immer der Geringere von einem Höheren gesegnet. Und in dem einen Fall nehmen den Zehnten sterbliche Menschen, im anderen aber Einer, von Dem bezeugt wird, dass Er lebt. Und in Abraham hat sozusagen auch Levi, der den Zehnten nimmt, den Zehnten entrichtet; denn er war noch im Leib seines Stammvaters, als Melchisedek ihm entgegenging. Wäre nun die Vollendung durch das levitische Priestertum gekommen – das Volk hat ja darüber gesetzliche Bestimmungen erhalten –, warum musste dann noch ein anderer Priester nach der Ordnung Melchisedeks eingesetzt werden, und warum wurde er nicht nach der Ordnung Aarons benannt? Denn sobald das Priestertum geändert wird, ändert sich notwendig auch das Gesetz. Der nämlich, von Dem das gesagt wird, gehört einem anderen Stamm an, von dem keiner Zutritt zum Altar hat; es ist ja bekannt, dass unser Herr dem Juda entsprossen ist, und diesem hat Mose keine Priestersatzungen gegeben. Das ist noch viel offenkundiger, wenn nach dem Vorbild Melchisedeks ein anderer Priester eingesetzt wird, Der nicht, wie das Gesetz fordert, aufgrund leiblicher Abstammung Priester geworden ist, sondern durch die Kraft unzerstörbaren Lebens. Denn es wird bezeugt: ´Du bist Priester auf ewig nach der Ordnung Melchisedeks`“ (Hebr. 7:7-17).
Der Apostel Paulus, Autor dieser Zeilen, bezieht sich auf Melchisedek, „welchem Abraham den Zehnten von allem gab; er, dessen Name ´König der Gerechtigkeit` bedeutet und der auch König von Salem ist, das heißt: ´König des Friedens`; er, der ohne Vater, ohne Mutter und ohne Stammbaum ist, ohne Anfang seiner Tage und ohne Ende seines Lebens, ein Abbild des Sohnes Gottes: dieser Melchisedek bleibt Priester für immer“ (Hebr. 7:2-3).
Wenn also der Geringere vom Höheren gesegnet wird (wie es bei uns in der Kirche bis heute üblich ist), lässt sich daraus schließen, dass Abraham niedriger war als Melchisedek, dem er ja den Zehnten entbot. Melchisedek aber war ein Abbild des Sohnes Gottes, Welcher im Alten Testament wirkte, des Königs der Gerechtigkeit und des Königs des Friedens, Der ohne Vater, ohne Mutter und ohne Stammbaum ist, ohne Anfang Seiner Tage und ohne Ende Seines Lebens ist, Der also der ewige Gott ist. Die Kirche bringt dies heute hymnographisch zum Ausdruck, indem der auf den Armen des heiligen Simeon getragene Christus quasi spricht: „Nicht der Greis hält Mich, sondern Ich halte ihn“, weshalb ja auch der Greis heute, am letzten Tag seines irdischen Lebens, spricht: „Nun lässt Du, o Herr, Deinen Knecht, wie Du gesagt hast, in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben das Heil gesehen, das Du vor allen Völkern bereitet hast, ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für Dein Volk Israel“ (Lk. 2:29-32).
Im Alten Bund gab es für das Volk keine direkte Gemeinschaft mit Gott: Gott kommunizierte mit den Menschen damals mittels der Engel, Propheten und Priester. Jetzt aber wird der Beginn des Neuen Bundes angedeutet, nachdem der Alte Bund am achten (s. Lk. 2:22) und am vierzigsten Tag nach der Geburt des Gesetzgebers erfüllt worden ist (s. Lk. 2:22-24). Gott kommuniziert von jetzt an nicht nur direkt mit uns – ER ist Einer von uns geworden, und wir können eins mit IHM werden! Der Autor des Hebräerbriefs ist bemüht, dies dadurch herauszustellen, indem er zeigt, dass Er, der Messias, höher ist als alle a) Engel, b) Propheten und c) Priester.
Zu a): „Denn zu welchem Engel hat (Gott) jemals gesagt: ´Mein Sohn bist Du, heute habe Ich Dich gezeugt`?“ (Hebr. 1:5a) und „Zu welchem Engel hat Er jemals gesagt: ´Setz Dich Mir zur Rechten, und Ich lege Dir Deine Feinde als Schemel unter die Füße`?“ (Hebr. 1:13; s. auch 2:5-6).
Zu b): „Denn (Jesus) hat größere Herrlichkeit empfangen als Mose, so wie der, der ein Haus baut, größeren Ruhm genießt, als das Haus. Denn jedes Haus wird von jemand erbaut; Der aber, Der alles erbaut hat, ist Gott. Mose war in Gottes ganzem Haus treu als Diener, zum Zeugnis der künftigen Offenbarungen, Christus aber ist treu als Sohn, Der über das Haus Gottes gesetzt ist; Sein Haus aber sind wir, wenn wir an der Zuversicht und an dem stolzen Bewusstsein festhalten, das unsere Hoffnung uns verleiht“ (Hebr. 3:1-6).
Zu c): „Als (Christus) auf Erden lebte, hat Er mit lautem Schreien und unter Tränen Gebete und Bitten vor Den gebracht, Der Ihn aus dem Tod retten konnte, und Er ist erhört und aus Seiner Angst befreit worden. Obwohl Er der Sohn war, hat Er durch Leiden den Gehorsam gelernt; zur Vollendung gelangt, ist Er für alle, die Ihm gehorchen, der Urheber des ewigen Heils geworden und wurde von Gott angeredet als ´Hoherpriester nach der Ordnung Melchisedeks`“ (Hebr. 5:7-10; vgl. 5:6).
So wie Melchisedek – Sinnbild für Christus – höher als Abraham – Stammvater Levis und damit Sinnbild des aaronitischen Priestertums – war, so ist auch das Neue Testament größer als das Alte. Im Neuen Bund erscheint Gott personhaft im Fleisch, allen zugänglich – bis heute. Ihm sind alle Engel, Propheten und Priester zu Diensten – von Ihm sind sie eingesetzt, von Ihm nehmen sie ihren Ursprung. Und bezeugen tun dies heute zwei biblische Gestalten, die über jeden Zweifel erhaben sind: Simeon und Anna, denn „erst auf die Aussage von zwei oder drei Zeugen darf eine Sache recht bekommen“ (Dtn. 19:15b); vgl. 17;6; Mt. 18:16; Joh. 8:17; 2 Kor. 13:1; 1 Tim. 5:19; Hebr. 10:28). Der dritte wird Johannes der Täufer sein (s. Joh. 1:29-34). Brauchen wir noch mehr?!.. Amen.