Predigt zum 32. Herrentag nach Pfingsten (1 Tim. 4:9-15; Lk. 19:1-10) (02.02.2025) Beliebt
Liebe Brüder und Schwestern,
die Lesung über Zachäus bei Lukas ist für uns ein symbolisches Hologramm der Großen Fastenzeit. In dieser kurzen Begebenheit in der damals zweitgrößten Stadt Palästinas, der letzten Station des Aufgangs unseres Herrn nach Jerusalem, kommen nämlich die wichtigsten Bestandteile des wahren Fastens zum Vorschein. Aber der Reihe nach:
Zachäus, mutmaßlich kein Mustervorbild an Ehrlichkeit und Lauterkeit (s. Lk. 19:8b), will aufrichtigen Herzens den Herrn sehen. Er macht den ersten Schritt, geht zumindest zaghaft auf den Herrn zu, lässt sich auch durch widrige Umstände nicht davon abbringen, wodurch die Ernsthaftigkeit seiner Absicht bewiesen sein sollte (s. 19:3-4). Der Herr kommt ihm sofort entgegen. Mehr noch, Er redet ihn vor der Menschenmenge beim Namen an, was darauf hindeutet, dass dieser namentlich Genannte – auch ein „Sohn Abrahams“ (19:9) – im Buch des Lebens vermerkt ist (s. Lk. 10:20; vgl. Phil. 4:3; Hebr. 12:23; Offb. 3:5; 13:8; 17:8; 20:15; 21:27). Er, der verachtete Oberzöllner, welcher die Steuern für die verhassten Römer eintreibt und dabei auch seinen ohnehin schon prallgefüllten Geldbeutel nicht vergisst (s. 19:2), wird in Gottes Voraussicht für das Buch des Lebens vorgemerkt, wie es übrigens auch durch die Namensbenennung des Bettlers Lazarus im Gegensatz zu dem anonym gebliebenen Reichen aus dem bekannten Gleichnis angedeutet wird (s. Lk. 16:19-31). Lukas thematisiert den Reichtum übrigens auch an anderen Stellen, so z.B. im Gleichnis vom reichen Kornbauern (s. 12:16-20) oder in der Erzählung von einem der führenden Männer, der seinen materiellen Reichtum der Nachfolge Christi vorzieht (s. 18:22-30), sowie in Christi Ausführungen über den rechten Gebrauch des Reichtums (s. 16:9-13). Und was geschieht hier inmitten Jerichos?! Ausgerechnet ein geldgieriger Zollbeamter wird aus der ganzen Volksmenge von Christus direkt angesprochen!? Überraschend ist noch eines: Wer braucht eigentlich wen? Wollte nicht Zachäus Jesus sehen?!.. Jetzt aber sagt Jesus, der Herr: „Ich muss heute zu Gast in deinem Haus sein“ (19:5). Der Herr Jesus hat nicht bloß das Verlangen, sondern das große Bedürfnis, mit dem Sünder in eine enge Beziehung zu treten. Leute wie er waren geächtet, vom religiösen Leben ausgeschlossen, sodass der persönliche Umgang außerhalb der unvermeidlichen geschäftlichen Notwendigkeit mit ihnen tabu war. Folglich war das Haus eines Zollpächters für die frommen Juden ein absolutes No-Go. Entsprechend fällt auch die Reaktion der Leute auf der Straße aus (s. 19:7).
Warum aber tut Sich der Herr das an?.. Für Ihn sind alle Menschen Kinder Gottes (s. 19:9) und Er ist ja gekommen, die Sünder zu erretten (s. 19:10). Gott urteilt nicht nach Äußerlichkeiten, sondern nach dem Herzen. Er sieht in Zachäus und wohl in jedem Menschen die Fähigkeit, sich zu bessern. Es war ja gewiss nicht einfach für einen Ausgesperrten durch bloße Willensbekundung wieder Anschluss an die religiöse und damit auch an die soziale und kulturelle Gemeinschaft zu finden. Gesellschaftliche, politische, juristische und finanzielle Zwänge hinderten ihn daran. Aber er fasst den festen Vorsatz, auf den Herrn zuzugehen und zeigt es durch konkrete Taten, die seine Umkehr dokumentieren (s. 19:8). Und hierfür ist er ein Vorbild für uns Mitsünder, wodurch ihm und seinem Hause durch diese geistliche Wendung das Heil geschenkt worden ist (s. 19:9).
Kommen wir zur Aufarbeitung der Schilderung dieser Geschichte. Wir müssen es Zachäus nämlich gleichtun, wollen wir, „dass auch unserem Hause das Heil geschenkt wird“. Jeder von uns hat sündhafte Angewohnheiten, Bindungen und Lebensumstände, die ihn an der aktiven Teilnahme am Leben der Kirche, dem mystischen Leib Christi, hindern. Und doch wird niemand daran gehindert, von sich aus Christus zu suchen, mehr über Ihn und den Glauben der Kirche zu erfahren (in der computerisierten Welt gibt es keine Ausreden mehr in Bezug auf die Unzugänglichkeit von Informationsmitteln). Doch daran hapert es bei sehr vielen, auch bei denen, die mehr oder regelmäßig zu den Gottesdiensten erscheinen. Sie gleichen oftmals den Leuten auf den Straßen Jerichos, die Christus nur aus oberflächlicher Wissbegierde oder aus pragmatischem Eigennutz suchen. Manche aalen sich sogar in ihrer zur Schau gestellten Frömmigkeit. Aber Gott kennt die Herzen der Menschen. „Denn was die Menschen für großartig halten, ist in den Augen Gottes ein Gräuel“ (s. Lk. 16:15). Der Ort, an dem wir aber mit unserem Herrn wirklich ins Reine kommen können und sollen, ist die Beichte. „Der Buße Tore öffne mir, o Lebensspender“ – singen wir im Orthros der Herrentage während der Vorbereitung und auch während der Großen Fastenzeit. Das ist der „rote Faden“, der sich durch die sich nun anbahnende geheiligte Zeit ziehen wird und den wir nicht verlieren dürfen. Und wenn wir uns mit dem von Gott so sehr geliebten Sünder Z. aus J. identifizieren, uns auch nicht durch zwangsläufig auftretende Hindernisse von dem eingeschlagenen Weg abbringen lassen, dazu den festen Vorsatz fassen, unser Leben zu ändern (denn jeder kann etwas ändern an seinem Lebensstil und an seinen Gewohnheiten), dabei nicht nur unseren eigenen Vorteil im Blick behalten, sondern auch die Interessen der anderen durch tatkräftige Nächstenliebe berücksichtigen, dann kann es gar nicht passieren, dass Christus auf Seinem Weg hinauf zu Golgatha an uns wortlos vorbeigeht und uns keines Blickes würdigt. Wir sind ja Seine geliebten Sünder, die durch ihre reuevolle Umkehr an Seiner Tafel im Königtum Gottes teilnehmen dürfen (s. Lk. 14:15). Und einen größeren Reichtum als diesen gibt es nicht auf Erden. Amen.