Predigt zum Herrentag der Vorväter (Kol. 3:4-11; Lk. 14:16-24) (29.12.2024
Liebe Brüder und Schwestern,
am Herrentag der Vorväter, an dem wir alle Heiligen vor der Ankunft des Messias in der Welt verherrlichen, versetzen wir uns gedanklich in die Welt des Alten Testamentes, also der Patriarchen, der Richter und Propheten sowie aller Gerechten der vorchristlichen Ära. Im Geiste mit ihnen vereint „erwarten“ wir die von ihnen ersehnte Ankunft des Messias, das Mysterium der Erscheinung Gottes in dieser Welt in menschlicher Gestalt (s. 1 Tim. 3:16).
Im Unterschied zu den Heiligen der christlichen Ära, so die einhellige Meinung, kannten die Heiligen im Alten Bund den Messias nicht, hatten folglich nicht das Evangelium von Jesus Christus, dem Sohn Gottes (s. Mk. 1:1), konnten Ihn nicht nachahmen (s. 1 Kor. 11:1) und konnten nicht von Ihm lernen (s. Mt. 11:29) wie wir es heute können. Aber können wir das uneingeschränkt so behaupten? Natürlich nicht. Sie kannten das Protoevangelium, das der Menschheit noch im Garten Eden verkündet wurde, bevor sie des Paradieses verwiesen wurde. Eingebettet in die Verfluchung der Schlange verheißt Gott die Geburt des Erretters aus einer Frau, welche die Schuld Evas tilgen wird: „Feindschaft setze Ich zwischen dich und die Frau, zwischen deinen Nachwuchs und ihren Nachwuchs. Er trifft dich am Kopf, und du triffst ihn an der Ferse“ (Gen. 3:15).
Versetzen wir uns in die Lage der Heiligen vor der Sintflut. Sie hatten keinen Tempel, keinen Gottesdienst, keine heiligen Schriften, kein Gesetz. Wie sollten sie da Christus nachahmen können? Die Antwort: durch den Glauben. Nehmen wir Abel, den zweiten Sohn Adams und Evas. Er lebte keusch, war fromm und hatte ein reines, Gott zugewandtes Herz, starb völlig unschuldig eines gewaltsamen Todes von der Hand seines Bruders (s. Gen. 4:1-10). War das nicht die wahre Nachfolge Christi noch bevor Christus?! Oder Henoch, den siebten nach Adam: „Henoch war fünfundsechzig Jahre alt, (…) ging seinen Weg mit Gott noch dreihundert Jahre lang und zeugte Söhne und Töchter. Die gesamte Lebenszeit Henochs betrug dreihundertfünfundsechzig Jahre. Henoch war seinen Weg mit Gott gegangen, dann war er nicht mehr da; denn Gott hatte ihn aufgenommen“ (Gen. 5:21-24). Das letzte Glied in dieser Kette ist Noach. Er „war ein gerechter, untadeliger Mann unter seinen Zeitgenossen; er ging seinen Weg mit Gott“ (Gen. 6:9). Wider jegliche menschliche Vernunft tat er, was Gott ihm befohlen hatte (s. 6:22): er baute mitten auf dem Land ein Schiff – das Urbild der Kirche Christi, das die in Gott erneuerte Menschheit mitsamt der übrigen Schöpfung vor dem für die Frevler unausweichlichen Verderben bewahrt. Mit Noach schloss Gott Seinen ersten Bund (s. 6:18), noch bevor dieser mit seiner Familie die Arche betreten hatte. So wurde die Gründung der Kirche Jahrtausende vor Christus dargestellt. „Darauf sprach der Herr zu Noach: ´Geh in die Arche, du und dein ganzes Haus, denn Ich habe gesehen, dass du unter deinen Zeitgenossen vor Mir gerecht bist´“ (7:1).
Nach der Sintflut brachte Abraham „aufgrund des Glaubens (...) den Isaak dar, als er auf die Probe gestellt wurde, und gab den einzigen Sohn dahin, er, der die Verheißungen empfangen hatte und zu dem gesagt worden war: ´Durch Isaak wirst du Nachkommen haben`. Er verließ sich darauf, dass Gott sogar die Macht hat, Tote zum Leben zu erwecken; darum erhielt er Isaak zurück. Das ist ein Sinnbild“ (Hebr. 11:17-19). Josef, sein Urenkel, bildete Christus sinnbildlich ab, indem er von seinen Brüdern verkauft und in einen Graben geworfen wurde und später in Ägypten vollkommen schuldlos in Kerkerhaft kam und am Ende dafür sorgte, dass „viel Volk am Leben“ erhalten werden konnte (Gen. 50:20). Moses führte auf Geheiß des Herrn Israel aus der Knechtschaft heraus und überbrachte ihm das Gesetz des Herrn, damit es unter allen Völkern Sein „besonderes Eigentum“ (Ex. 19:5) sei und als „ein Reich von Priestern und als ein heiliges Volk“ (19:6) Gott gehören möge (vgl. 1 Petr. 2:9-10). Hiob erduldete völlig unschuldig jegliches Leid, das einen Menschen auf Erden überhaupt nur ereilen kann, pries aber Gott dabei und beschämte so den Widersacher, wodurch er im Voraus zum Nachahmer Christi wurde (s. Hiob 1:9-10). David war als Gesalbter Gottes ebenfalls Prototyp Christi (s. Ps. 2:2; 19:7; 17:51), war der in Bethlehem geborene König der Juden (vgl. Mt. 2:2) und der König Israels (vgl. Joh. 1:49). Durch ihn hat Gott die Kirche Christi abgebildet, als Er sprach: „Dein Haus und dein Königtum sollen durch Mich auf ewig bestehen bleiben; dein Thron soll auf ewig Bestand haben“ (2 Kön. / 2 Sam. 7:16). Über Salomon sprach der Herr zu David: Ich werde „deinen leiblichen Sohn als deinen Nachfolger einsetzen und seinem Königtum Bestand verleihen. Er wird für Meinen Namen ein Haus bauen, und Ich werde seinem Königtum ewigen Bestand verleihen. Ich will für ihn Vater sein, und er wird für Mich Sohn sein“ (7:12b-14a). Dieser Sohn Davids (vgl. Mt. 1:1) war als Erbauer des Tempels ein Urbild Christi, ebenso als personifizierte Weisheit Gottes (s. Spr. 9:1) und Friedensstifter (s. Ps. 71; vgl. Joh. 14:27; Eph. 2:14-15). Elias bildete am Karmel das Opfer Christi im Voraus ab, als er das Feuer vom Himmel herabrief (s. 3/1 Kön. 18:38; vgl. Lk. 12:49-50) und Jona wurde im Bauch des Meeresungetüms zum bildhaften „Zeichen“ der dreitägigen Grabesruhe Christi (s. Jona 2; vgl. Mt. 12:38-41; Lk. 11:29-30). Die Makkabäer, schließlich, werden von uns heute als „Märtyrer Christi vor Christus“ verehrt, da sie der Herrschaft des Antiochus Epiphanes trotzten und so bereits vorab den Kampf der Kirche gegen den Antichristen abbildeten (s. 2 Makk. 15:34). „Doch sie alle, die aufgrund des Glaubens (von Gott) besonders anerkannt wurden, haben das Verheißene nicht erlangt, weil Gott erst für uns etwas Besseres vorgesehen hatte; denn sie sollten nicht ohne uns vollendet werden“ (Hebr. 11::39-40). Ehre Dir, o Herr! Amen.