Predigt zum 23. Herrentag nach Pfingsten (Eph. 2:4-10; Lk. 12:16-21) (01.12.2024)
Liebe Brüder und Schwestern,
das Gleichnis vom sorglosen Reichen drückt durch einen kurzen Ausdruck die unendliche Diskrepanz zwischen dem von Gott bestimmten, gewollten und gesegneten Leben einerseits, und dem Leben nach dem alleinigen Willen des Menschen andererseits, aus: „Du Narr!“ (Lk. 16:20). Wenn der Gott der Liebe Sich gezwungen sieht, zu solchen Mitteln zu greifen, müssen gewichtige Gründe hierfür vorliegen. Und so ist es natürlich im vorliegenden Fall. Dieser Kornbauer beging den Fehler, vor welchem ihn und uns alle der Herr kurz zuvor gewarnt hatte: „Dein Auge gibt dem Körper Licht. Wenn dein Auge gesund ist, dann wird auch dein ganzer Körper hell sein. Wenn es aber krank ist, dann wird dein Körper finster sein. Achte also darauf, dass in dir statt Licht nicht Finsternis ist. Wenn dein ganzer Körper von Licht erfüllt und nichts Finsteres in ihm ist, dann wird er so hell sein, wie wenn die Lampe dich mit ihrem Schein beleuchtet“ (Lk. 11:34-36; vgl. Mt. 6:22-23).
Vom weltlichen Standpunkt war dies wohl ein Mann, der höchsten Ruhm in der Gesellschaft genoss. Er war erfolgreich und vermehrte sogar noch seinen Reichtum. Verständlich, dass viele bewundernd und vielleicht neidvoll zu ihm heraufschauten. Aber aus Gottes Sicht war er eben ein bedauernswerter Narr (s. Mt. 6:19-21; 25-33; Lk. 12:23-34). Weshalb? Na deshalb, weil er sich eben auf seinen Reichtum verließ. Einer, der über Geld und Einfluss verfügt, meint, er könne alles um sich herum nach Herzenslust bestimmen. Aber es gibt nur Einen, Dem die absolute Macht gegeben ist. Er entscheidet über das Heute und das Morgen, nicht du (s. Lk. 12:19-20)! Und diese Nacht wirst du mit all deinen angehäuften Gütern aus diesem zeitlichen Leben gerissen und in das ewige Leben hinübergehen. Aber womit?! Du hast nur für dich selbst Schätze gesammelt, bist aber vor Gott nicht reich geworden (s. 12:21). Was wirst du zu deiner Rechtfertigung vorzutragen haben?..
Leider ist das Beispiel dieses Mannes bildhaft für das Leben sehr, sehr vieler orthodox getaufter Menschen, die zwar gewiss nicht alle Multimillionäre sind, aber den Sinn ihres irdischen Daseins nicht im Anhäufen himmlischer Schätze sehen, sondern in einem erfüllten, angenehmen, glücklichen Leben auf Erden. Der Gedanke daran, was danach kommt, wird verdrängt. Und so kommt es, dass Menschen wochenlang im Krankenhaus liegen (natürlich mit der Hoffnung, dass sich alles noch zum Guten wenden wird), und wenn dann Unumkehrbare abzusehen ist, dass das Ende nahe ist, denkt kein Mensch daran – weder der Sterbenskranke selbst noch seine Angehörigen – einen Priester ans Todesbett zu rufen. Selbst da sind die Gedanken noch bei irdischen Dingen. Bald darauf gilt die Sorge dem Begräbnis, und auch da wird der Blick nur auf irdische Dinge gerichtet. Wenn ich als Priester zu solchen Beerdigungen gerufen werde, frage ich mich sehr oft, wozu die Menschen das überhaupt brauchen. Wäre da nicht ein professioneller oder ein sonst wie gut vorbereiteter Redner nicht besser geeignet, der die biographischen Eckpunkte auflistet und eloquent die Vorzüge der Persönlichkeit des Verblichenen und seine schier endlos guten Taten auflistet? Ich bin sicher, so wird es auch bei unserem reichen Kornbauern gewesen sein, zu dessen opulenter Trauerfeier die gesamten Honoratioren aus der ganzen Umgebung anreisten.
Unser Leben ist uns von Gott als großes Geschenk gegeben. So schreibt der Apostel Paulus im Brief an die Epheser: „Seine Geschöpfe sind wir, in Christus Jesus dazu geschaffen, in unserem Leben die guten Werke zu tun, die Gott für uns im Voraus bereitet hat“ (Eph. 2:10). Unsere durch den Sündenfall verdorbene Natur ist durch Christus wiederaufgerichtet worden, damit wir wieder die „guten Werke tun, die Gott im Voraus für uns bereitet hat“. Dazu bedarf es aber der Ganzheit der menschlichen Natur. Es bedarf erstens eines Willensaktes für das Gute: „Ihr seid zur Freiheit berufen, Brüder. Nur nehmt die Freiheit nicht zum Vorwand für das Fleisch, sondern dient einander in Liebe!“ (Gal. 5:13); zweitens muss das „Auge dem Körper Licht geben, damit der ganze Körper hell ist“ (s.o.). Die Rede ist vom „Körper der Seele“, wie ihn die heiligen Väter nennen. Gemeint ist die komplette Gesamtheit unserer Gedanken, Gefühle, Absichten usw., kurz, all das, was wir im Herzen tragen. Das aber wird nicht durch ein Naturereignis fremdbestimmt, sondern durch unsere seelische Wachsamkeit („achte also darauf, dass das Licht in dir nicht Finsternis ist“); und dann werden wir, drittens, die „guten Werke tun, die Gott im Voraus für uns bereitet hat“. Die vollkommene Harmonie mit Gottes Willen ist unser Ziel. Wenn der Mensch das aber aus dem Blick verliert, weil sein (geistiges) „Auge krank ist“, wird der ganze Körper (seiner Seele), also sein ganzen Denken, Fühlen und Handeln – sein gesamtes Dasein auf Erden – „finster sein“. Und das beobachten wir an unserem reichen Kornbauern. Wenn schon „kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat, was keinem Menschen in den Sinn gekommen ist: das Große, das Gott denen bereitet hat, die Ihn lieben“ (1 Kor. 2:9; vgl. Jes. 64:3), wie furchtbar wird es dann denen ergehen, die Gott nicht lieben (s. 1 Kor. 16:22)?!.. Es ist unvorstellbar. Also dürfen wir uns jetzt, in diesem Leben durch nichts von unserem Weg zum Herrn abbringen lassen: Etwa durch „Bedrängnis oder Not oder Verfolgung, Hunger oder Kälte, Gefahr oder Schwert?“ (Röm. 8:35b). Nein. „All das überwinden wir durch Den, Der uns geliebt hat“ (8:37). Der Apostel ist sich gewiss: „Weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Gewalten der Höhe oder Tiefe noch irgendeine Kreatur können uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn“ (8:38-39). Amen.