Predigt zum 12. Herrentag nach Pfingsten (1 Kor. 15:1-11; Mt. 19:16-26) (15.09.2024)
Liebe Brüder und Schwestern,
erneut begegnen wir dem reichen Mann, der von unserem Herrn wissen will, was er zur Erlangung des ewigen Lebens tun müsse – diesmal nach der Schilderung des Evangelisten Matthäus. Der Herr, Den der Mann als Gesetzeslehrer betrachtet, zählt ihm „regelkonform“ einige der bekanntesten Gebote auf. In der Gedankenwelt des Alten Testamentes galt die buchstabengetreue Befolgung der Gebote als Grundbedingung zur Erlangung des Lebens (wenn hier auch nicht ausdrücklich die Rede vom ewigen Leben war – s. u.a. Ex. 20:12). Was dieses „Leben“ schließlich bedeutete, davon hatte man keine konkrete Vorstellung. Aber der Begriff des Lebens infolge der Treue zum Gesetz Gottes bestand im Alten Bund über die Jahrhunderte hinaus (s. Lev. 18:5; Dtn. 5:53; 7:1; 8:1; 30:20; Ps. 118:17; Spr. 4:4,22; 7:2; Neh. 9:29; Ez. 20:11,13,21,25; 33:15) und fand auch seinen Niederschlag im Neuen Testament (s. Röm. 7:10; Gal. 3:12). Der Herr Selbst bestätigt das im Dialog mit dem uns unbekannten Mann, indem Er sagt: „Wenn du aber das Leben erlangen willst, dann halte die Gebote!“ (Mt. 19:17). Als der Mann behauptet, er habe alle diese Dinge schon immer befolgt, nimmt das Zwiegespräch eine Wendung. Bislang erinnerte der Mann an so viele zeitgenössische, meist junge Menschen, die das Leben in vollen Zügen genießen wollen, dabei aber nach außen hin irgendwie im Einklang mit Gottes Geboten leben wollen. Nur nivellieren sie diese Gebote auf ein oder zwei („nicht morden“ und „nicht stehlen“), obwohl auch das heute sehr von der Interpretation des jeweiligen Zeitgeistes abhängt (Abtreibungen sind ein Menschenrecht, gerichtliche erstrittene Enteignungen sind kein Diebstahl, Leben im Überfluss bei gleichzeitigem Elend von Millionen notleidender Menschen ist völlig legal und in keinster Weise verwerflich etc.). Schon lässt es sich wunderbar leben nach eigenen Vorstellungen und Wünschen. Gott wird durch das Einhalten minimaler Anstaltsregeln „ruhiggestellt“. - Aber kann man so mit Gott umgehen?!.. Er ist der Allherrscher! Nicht die Menschen haben zu bestimmen, was gut und richtig ist. Gott ist der Gesetzgeber, Ihm hat man sich unterzuordnen. Und so erweist sich der Mann, welcher auf den ersten Blick als aufrichtig und gutherzig daherkommt, als Spiegelbild unserer heutigen nominellen Christen. Sie sind getauft, tragen ein Kreuzchen um den Hals, segnen ihre Osterspeisen einmal im Jahr, haben zu Hause ein paar Mini-Ikonen im Wohnzimmerschrank stehen, aber sie leben nur nach eigenem Gutdünken. Einen Gott, der ihren Eigensinn bereitwillig unterstützt oder sie zumindest dabei in Ruhe lässt, werden sie gerne akzeptieren; aber einen Gott, Der ihnen Vorschriften macht, können diese Menschen nicht gebrauchen. Sie sind für sich selbst die höchste irdische Instanz, die sich mit weltlicher Gesetzgebung leicht vereinbaren lässt – eine Macht darüber wollen sie aber niemals anerkennen.
Und so leben die formal christlichen Menschen auch heute so, wie es ihnen gefällt. Sie essen, trinken und heiraten (vgl. Mt. 24:37-38). Gottes Wille interessiert sie nicht. Sie verkörpern hierdurch das „Idealbild“ des reichen Mannes, der nur an sein persönliches Wohlergehen dachte, dabei aber Gottes Vorsehung und die Not anderer Menschen vollkommen übersah (s. Lk. 12:16-21). Das erinnert auch sehr stark an den Zustand der Menschheit am Vorabend der Sintflut und der Zerstörung von Sodom und Gomorrha (s. Lk. 17:26-29), – und steht bildhaft für den Allgemeinzustand unserer heutigen Welt.
Wenn der Mensch aber Gottes Willen ignoriert und stattdessen nur den menschlichen Willen vor Augen hat, dann ist er nach den Worten Christi ein Helfershelfer des Satans (s. Mt. 16:23). Das ist das, wovor sich die Christen in der heutigen Zeit am meisten hüten sollen. Ich möchte dazu ein Beispiel aus der jüngeren Geschichte anführen: In Ägypten wurden Anfang unseres Jahrhunderts mehrere Christen von Dschihadisten entführt und tagelang an einem unbekannten Ort festgehalten. Eine Frau, deren drei Söhne sich unter den Entführten befanden, trägt von dem Moment an, da sie von der Entführung erfahren hat, nur noch Lumpen. Sie wäscht sich nicht, isst nicht und trinkt nur noch Wasser, schließt sich in ihrem Zimmer ein und verweigert jeden Kontakt zur Außenwelt – tagelang. Als dann die Nachricht kommt, dass alle Geiseln umgebracht worden sind, kommt sie wieder gepflegt, normal angezogen und freudestrahlend aus ihrer Isolation heraus. Sie erklärt den völlig verdutzten Angehörigen und Freunden, dass sie die glücklichste Frau der Welt sei, denn Gott hat ihr gegeben, Mutter von drei Märtyrern zu sein. Wären die drei jungen Männer zu ihr wohlbehalten zurückgekehrt – was ohne jeden Zweifel dem menschlichen Willen entsprochen hätte – hätte dies bedeutet, dass sie Christus verleugnet und den Islam (wenn auch nur pro forma) angenommen haben. Dies haben sie aber nicht getan – und dadurch Gottes Willen erfüllt. Und Gottes Willen in allen Lebenslagen zu erfüllen – dieses Bestreben muss der Lebensinhalt von uns Christen sein, sonst sind wir dieser Bezeichnung nicht würdig. Und das ist er – der Weg zur Erlangung des ewigen Lebens, der Ausgangspunkt unserer heutigen gedanklichen Auseinandersetzung mit der entsprechenden biblischen Textstelle. Gott dienen und dem Mammon war zu keiner Zeit möglich (s. Mt. 6:24; Lk. 16:13). Überhaupt sind viele Dinge nicht vereinbar. Ich kann z.B. nicht das Vaterunser beten und danach fluchen. Rein verbaltechnisch kein Problem, aber im Geiste unmöglich: „Darum erkläre ich euch: Keiner, der aus dem Geist Gottes redet, sagt: ´Jesus ist verflucht!´ Und keiner kann sagen: `Jesus ist der Herr!`, wenn er nicht aus dem Heiligen Geist redet“ (1 Kor. 12:3). Und so wollen wir heute alle miteinander erkennen, dass es nur einen Weg mit Christus gibt – und einen ohne Ihn. Entweder oder! Amen.