Predigt zum 3. Herrentag nach Pfingsten (Röm. 5:1-10; Mt. 6:22-33) (14.07.2024)
Liebe Brüder und Schwestern,
die Worte des Herrn: „Niemand kann zwei Herren dienen; entweder er wird den einen lieben und den anderen hassen oder er wird dem einen anhängen und den anderen verachten. Ihr könnt nicht beiden dienen, Gott und dem Mammon“ (Mt. 6:24) schließen von vornherein jede Ambiguität zwischen Gott und dem Widersacher aus. Daher wollen wir uns einmal mit dem Begriff des Dienens auseinandersetzen. Im Alten Bund galten folgende Worte: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, fürchten. Ihm sollst du dienen, an Ihm sollst du dich festhalten, bei Seinem Namen sollst du schwören“ (Dtn. 10:20). Weiter heißt es im Gesetz: „Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben und dein Leben lang auf Seine Dienstordnung, auf Seine Gesetze, Rechtsvorschriften und Gebote achten“ (Dtn. 11:1), was fast schon wie ein Brückenschlag zum Neuen Testament ist (s. 1 Joh. 4:18). Der Herr verwendet auch in der Bergpredigt ja bewusst den Begriff „Diener“, und nicht „Sklave“, denn sonst würde der von Ihm geäußerte Satz keinen Sinn ergeben (vgl. Joh. 15:15). Ein Diener sucht sich seinen Herrn aus freien Stücken aus; er entscheidet demnach ungezwungen, ob er diesem oder jenem Herrn seine Dienste anbieten will. Somit ist der Dienst eine Sache der inneren Einstellung, des Herzens: „Er wird den einen lieben und den anderen hassen“ bzw. „dem einen anhängen und den anderen verachten“. Beiden zugleich dienen ist zumindest aus Sicht der inneren Einstellung nicht möglich, denn es gibt hier nur „entweder oder“. Rein „technisch“ bzw. aus taktischen Erwägungen kann man gewiss auch „Doppelagent“ sein, doch dieser dient in Wahrheit nur einer Seite, indem er der Gegenseite nur vorgibt, für sie zu spionieren. Wer diese Doppelbödigkeit auch innerlich so hält, dem ist allerdings jegliche Prinzipientreue fremd, ähnlich wie bei der Verwendung von Flüchen und Kraftausdrücken: rein mechanisch kann man zuerst das Vaterunser beten und gleich danach Fäkalsprache über die Lippen kommen lassen, aber auf spiritueller Grundlage ist es undenkbar, denn ich kann nicht aus demselben Mund bzw. Herzen Gott verherrlichen, d.h. heilige Worte sprechen, und kurz darauf lästerlich reden. In meinem Herzen ist nur für Gott oder den Widersacher Platz. Wer also als vorgeblich gläubiger Mensch ein verbal unhygienisches Vokabular verwendet, der muss sich fragen lassen, auf wessen Seite er – bewusst oder unbewusst – steht. Er kann so jedenfalls nicht Diener Gottes sein.
Anders ist es bei Sklaven. Diese dienen ihrem jeweiligen Herrn aus Zwang, sie haben also keine freie Wahl. Folgerichtig spricht man im geistlichen Sinne von Sklaverei in Bezug auf sündhafte Leidenschaften (s. Röm. 6:15-23), also Süchte und Lüste, die Herr über einen werden (z.B. Fresslust, Wollust, Trunksucht, Spielsucht, Geltungssucht, Eigensucht, Geldgier, Vergnügungsgier u.v.m.).
Doch sind wir nun Diener oder Knechte des Herrn? Der bei uns kirchlich oft verwendete Begriff „Sklave Gottes“ (slaw. раб Божий, griech. doulos Theou, engl. servant of God - s. Röm. 6:22; Tit. 1:1) ist ontologisch korrekt, denn wir – unser Dasein und Schicksal – sind ja vollkommen in Gottes Hand (s. Ps. 122:2). Dennoch drücken wir damit aber wohl eher die Demut gegenüber unserem Herrn aus, also das Eingeständnis der eigenen Unwürdigkeit gegenüber Gott, Der Sich um unseretwillen entäußerte und Selbst freiwillig zu unserem Sklaven wurde, damit wir gerettet werden (s. Mt. 26:28; Mk. 8:22; Lk. 22:27; Phil. 2:7). Diese Demutshaltung ist schon im Anfangsstadium des geistlichen Aufstiegs zu Gott unerlässlich, damit der Sklave nach einiger Zeit zum Diener wird und letztlich den Zustand der Kindschaft Gottes erreicht, d.h. von der Fron aus Zwang über das Dienen aus Berechnung zum Gehorsam aus Liebe kommt.
Das Pendant zum Diener ist „Herr“ (griech. Kyrios, slaw. Господь, engl. Lord), zum Knecht ist es „Gebieter“ (griech. Despota, slaw. Владыка, engl. Master). Bezeichnenderweise kommt in der Heiligen Schrift viel öfter das Wort „Herr“ (hebr. Adonai, ca. 6000 mal) vor als Gebieter (hebr. Elohim, ca. 300 mal). Die richtende Seite Gottes wird also weniger betont als die Seiner Barmherzigkeit.
Kommen wir nun auf der Grundlage des soeben Gesagten zu unserer persönlichen Beziehung zu Gott. Wenn ich an Gott glaube, dann bekenne ich: Er ist der Herrscher des Himmels und der Erde (s. Mt. 28:18) und der Richter über alle unsere Werke, Worte und Gedanken (s. Mt. 25:31-46; vgl. Ps. 7:9-10; 10:18; 42:1; Jes. 2:6-22; Joёl 4:12-14; Am. 5:18-20; Zef. 3:8; Sach. 14:1-3; Mal. 3:17-20; Röm. 2:6-16; 2 Kor. 5:10; Offb. 20:11-15). Wenn ich dann aber so lebe, als ob es Ihn nicht gäbe, erkläre ich damit nicht meine „Neutralität“ zwischen Gott und dem Widersacher, sondern schlage mich (bewusst oder unbewusst) auf die Seite des Teufels. Christus schließt nämlich kategorisch aus, dass wir keinem von beiden dienen können.
Und so kommen wir wieder zum Begriff des Dienens. Durch die Erfüllung des Willens unseres Herrn – Seiner Gebote – zeigen wir, dass wir unseren Herrn lieben (s. Joh. 14:21; 1 Joh. 5:3). Dahingegen ist „Gott im Herzen lieben“ und zugleich Seinen Willen ignorieren – Nonsens. Wollen wir uns also glücklich schätzen und dafür dankbar sein, dass wir durch ein Leben nach den kirchlich festgelegten und bewahrten Kriterien letztlich zu Söhnen und Töchtern unseres Himmlischen Vaters werden können (s. 2 Kor. 6:18). Durch unseren Gottesdienst erwirken wir die Symbiose von „Erbarmen und Wahrheit“ (Ps. 83:12; 84:11) zu unserem Heil. „Ich werde gut zu ihnen sein, wie ein Mann gut ist zu seinem Sohn, der ihm dient. Dann werdet ihr den Unterschied sehen zwischen dem Gerechten und dem, der Unrecht tut, zwischen dem, der Gott dient, und dem, der Ihm nicht dient“ (Mal. 3:17-18; vgl. Röm. 5:1-10). Amen.