Predigt zum 5. Herrentag nach Ostern / von der samaritanischen Frau (Apg. 11:19-26,29-30; Joh. 4:5-42) (02.06.2024)
Liebe Brüder und Schwestern,
das Gespräch unseres Herrn mit der Samariterin ganz zu Beginn Seiner Verkündigung offenbart die grenzenlose Liebe des Herrn zum gefallenen Menschen. Er ist ja gekommen, um die Sünder zu erretten (s. Lk. 5:32; 1 Tim. 1:15), und das nicht mit Gewalt, sondern durch einfühlsame Liebe. Aber letztlich muss irgendwann bei uns der Groschen fallen. Die Samariterin ist ein Spiegelbild unserer Gesellschaft – praktisch von jedem Einzelnen von uns. Sie zeigt uns aber auch, wie man zu richtigen Zeitpunkt den Hebel umlegt und auf das „Werben“ Gottes auch wirklich eingeht. Dann greift ein Mechanismus in den anderen über: Erkenntnis seiner Sündhaftigkeit – Reue – Umkehr.
Wir erkennen dies eindeutig in dem Moment, als der Herr die Frau auffordert, ihren Mann zu rufen. „Ich habe keinen Mann“ (Joh. 4:17a), lautet die nicht wahrheitsgemäße Antwort. Der allwissende Herr stellt die Frau aber nicht bloß – weder für ihre bewusste Falschaussage noch für ihren unmoralischen Lebenswandel – Er bedeckt ihre Nacktheit mit Liebe, ohne dabei freilich von der Wahrheit abzurücken (s. Joh. 4:17b-18). Und so müssen wir erkennen, dass wir vor unserem Herrn ohnehin nichts verbergen oder verheimlichen können. Dieses Wissen ist aber die Grundlage für unsere Reue im Mysterium der Beichte.
Was meine ich damit? - Dass wir es uns einfach zu leicht machen, wenn wir Sünden „beichten“, diese aber nicht wirklich, nicht aus der ganzen Tiefe unseres Herzens bereuen. Die Reue von uns Sündern muss der Schwere unserer Sünden entsprechen, verbunden mit dem festen Vorsatz, diese Sünde von nun an nicht mehr zu wiederholen. Aber anstelle von aufrichtiger Reue erleben wir nur das vermeintliche „Reinwaschen“ unserer Schuld durch die Gnade des Mysteriums. Ich habe schon kirchlich aktive Ehepaare erlebt, die sich für eine Abtreibung entschieden haben, weil die Geburt eines weiteren Kindes ihre finanziellen und räumlichen Verhältnisse beeinträchtigt bzw. den Karriereaussichten im Wege stand. Nach einiger Zeit „beichten“ sie und glauben, die Sache sei damit erledigt. Man hat sich für diesen (selbstgewählten) Weg entschieden und die negativen Folgen eines Abweichens von der Glaubensnorm nachhaltig korrigiert. Und beim nächsten Mal wird man wieder Gottes Gebot missachten, seinen eigenen Willen bekommen, und danach vor Gott formgerecht Abbitte tun. Ist das aber die Reinheit des Herzens (Mt. 5:8; vgl. Ps. 23:4)?
Anderes Beispiel: 99% der christlichen Ehepaare bewahren ihre Jungfräulichkeit nicht bis zur Hochzeit. Am Vorabend vor der Trauung beichten sie dann halt, dass sie bis dato nicht nach Gottes Geboten gelebt haben. Ist das Reue? Oder ist das eine Verschmähung der verzeihenden Güte Gottes? - Man stelle sich nur vor, die Hochzeit müsste aus irgendeinem Grunde kurzfristig abgesagt und um zwei Jahre verschoben werden – werden die beiden, die gerade ihre Sünden vor Gott bereut haben, also diese zwei Jahre in Keuschheit leben?.. Eine rhetorische Frage. Also wenn jemand so mit mir umgehen würde, könnte er nicht mein Freund sein und sich nicht meinen Respekt, mein Vertrauen und meine Zuneigung verdienen (s. Ps. 54:13-16). So gehen „Menschen mit zwei Seelen“ (Jak. 4:8) vor, die schon vor dem menschlichen Urteilsvermögen nicht bestehen können. Aber mit Gott kann man ja so umspringen, nicht wahr?!..
Es besteht nicht der geringste Zweifel daran, dass Gott jedem Menschen noch so viele und auch die allerschwersten Sünden verzeiht, jedoch nur dann, wenn dieser sich nicht bloß nach außen hin reuevoll geriert, sondern aufrichtig seine Verfehlungen bedauert und dies durch konkrete Taten untermauert (s. Mt. 3:8). Wir können bei aufrichtiger Reue zwar Geschehenes nicht mehr ungeschehen machen, Gott kann aber in Seiner unendlichen Güte unsere Schuld tilgen und sogar Gutes aus dem von uns erzeugten Leid hervorgehen lassen (vgl. Gen. 50:20).
Wenn heute angesichts der politischen Situation viel davon gesprochen wird, dass „Krieg nach Gottes Willen nicht sein darf“ (kein Bibelzitat, sondern eine Losung des Ökumenischen Rats der Kirchen, nach den leidvollen Erfahrungen des zweiten Weltkrieges erstmals formuliert anlässlich der ersten Vollversammlung des ÖRK 1948 in Amsterdam) – würde ich das jederzeit unterschreiben. Nur muss man dann, wenn man sich schon solcher Formulierungen bedient, auch konsequent sein und andere Dinge ebenfalls ansprechen dürfen, die biblisch belegbar nicht dem Willen Gottes entsprechen (vgl. Gen. 19:4-9; Ri. 19:22; Lev. 18:22, 20:13; Röm. 1:24-27; 1 Kor. 6:9-10; 1 Tim. 1:9-10; Jud. 7). Solange aber „politische Korrektheit“, „Toleranzdenken“, „Selbstbestimmung“ über dem Willen Gottes steht oder gar zum Willen Gottes erklärt wird, wird Gott auch weiterhin auf solche Mittel wie diverse Krisenszenarien, Seuchen und Militärkonflikte zurückgreifen müssen (vgl. 2 Kön. / 2 Sam. 24:1-25; 1 Chr. 21:1-30). Woran die Menschheit heute krankt ist die fortschreitende Missachtung bis hin zur Umwälzung der von Gott gegebenen natürlichen Ordnung. Und dann ist es geradezu grotesk, wenn die, welche Gottes Gebote ignorieren, sich dann kurzerhand auf Gottes Willen berufen. Uns alle soll aber das Beispiel der Frau inspirieren, die, nachdem sie die in Christus manifestierte göttliche Liebe und Wahrheit (s. Ps. 83:12; 84:11; 100:1; vgl. Mt. 23:23) erkannt hatte, zu einer glühenden Verkünderin des Messias wurde. Die Frohe Botschaft aus der heute gelesenen Begebenheit besteht doch gerade darin, dass Gott „das Niedrige in der Welt und das Verachtete erwählt“ (1 Kor. 1:28) hat, damit diese Menschen der unbußfertigen Menschheit die Umkehr umso glaubhafter aus eigener Erfahrung verkünden können. Amen.