Predigt zum 3. Herrentag nach Ostern / der heiligen Myronträgerinnen (Apg 6:1-7; Mk. 15:43-16:8) (19.05.2024)
Liebe Brüder und Schwestern,
am Gedenktag der Myron tragenden Frauen sieht die sonst für die Osterzeit übliche Anordnung der liturgischen Lesungen eine Abweichung vor. Statt wie üblich aus dem Johannes-Evangelium lesen wir heute ausnahmsweise aus dem Evangelium des Markus, denn Johannes erwähnt die Myronträgerinnen nicht im Kollektiv, sondern nur Maria Magdalena, dafür umso ausführlicher (s. Joh. 20:1-2; 11-18). Die Synoptiker hingegen erwähnen jeweils mehrere Frauen. Uns soll heute daher die Frage beschäftigen, wer diese heiligen Frauen waren und wofür sie stehen. Neben Maria Magdalena, aus welcher der Herr sieben Dämonen ausgetrieben hatte, sind uns noch folgende Namen bekannt: Maria, Frau des Kleopas, des jüngeren Bruders Josephs, des Bräutigams, Mutter des Jakobus und des Joses; Salome, Frau des Zebbedäus, Mutter des Jakobus und des Johannes; Johanna, Frau des Chuzas, eines Hofbeamten des Herodes Antipas; Susanna sowie die beiden Schwestern des Lazarus Martha und Maria aus Bethanien.
Wessen haben sich diese Personen verdient gemacht? Die Evangelien berichten davon, dass diese überwiegend wohlhabenden Frauen während der Missionsreisen des Herrn in Seinem Gefolge waren und Ihn zusammen mit Seinen Jüngern materiell unterstützt haben. Sie hielten dem Herrn auch im Leiden stets die Treue und sahen aus der Ferne zu, wie der Leichnam des Herrn von den beiden Krypto-Jüngern des Herrn Joseph aus Arimathäa und Nikodemus am Fuße der Schädelstätte bestattet wurde. Als der Sabbat vorbei war, kamen sie zum Grab, um den Leichnam des Herrn zu salben. Daher also die Bezeichnung „Myronträgerinnen“.
Doch hier stellt sich gleich die Frage, ob dieser von der Kirche gepriesene Beweis weiblicher Treue auch über den Tod hinaus nicht vergebliche Liebesmüh war, wie sich aus den Worten des Engels „Was sucht ihr den Lebenden unter den Toten?“ (Lk. 24:5) vielleicht ableiten lässt? Sie dachten da noch irdisch, allen voran Maria Magdalena, die den auferstandenen Herrn nicht gleich erkannt hatte, als Er vor ihr stand (s. Joh. 20:11-18). Anders als die Mutter des Herrn, die dafür in prophetischen Worten seliggepriesen wurde, dass Sie an das Wort des Herrn glaubte (s. Lk. 1:45), konnten auch sie der (mindestens) dreifachen Ankündigung des Todes und der Auferstehung des Herrn am dritten Tage keinen Glauben schenken, so unfassbar war für sie alle der Gedanke an den gewaltsamen Tod ihres Herrn und die Auferstehung von den Toten. Aus aufrichtiger aber dennoch unvollkommener irdischer Zuneigung zu ihrem Meister verdrängten sie den Gedanken an Seinen Tod und konnten folglich auch nichts mit der Ankündigung der Auferstehung anfangen (s. Mk. 9:10). Sie lagen also, nüchtern betrachtet, falsch. Und doch rühmt sie die Kirche dafür?!.. Ja, sie tut es, und zwar genau eine Woche nachdem sie den zweifelnden Apostel Thomas für dessen „guten Unglauben“ lobt. Gott zeigt uns damit, dass wir ebenfalls im Glauben wachsen sollen. Auf den kindlichen Glauben folgt der Glaube der Halbwüchsigen, dann der Glaube der jungen Erwachsenen, der reifen Menschen und schließlich der Glaube der an Lebenserfahrung reichen Menschen. Jede diese Phase erfordert eine Weiterentwicklung des geistlichen Lebens, wozu die heiligen Frauen aus dem Gefolge unseres Herrn beispielhaft sind. Auch die Jünger des Herrn und späteren Aposteln gingen einen geistlichen Reifeprozess durch, aber der Unterschied zu den Frauen bestand darin, dass die Männer ihre Auffassungsgabe zu sehr auf dem begrenzten Verstand gründeten, während die Frauen trotz des vom rationalen Standpunkt für sie noch Unbegreiflichen im Herzen glaubten und, zwar betrübt, aber anders als die Männer in ihrer Hoffnung nicht enttäuscht waren (vgl. Lk. 24:21). Gottes Wort richtet bekanntlich „über die Regungen und Gedanken des Herzens“ (Hebr. 4:12), so dass der Herr auch die guten Vorsätze begrüßt.
Ein lehrreiches Beispiel aus der Zeit der vierzigjährigen Wanderung Israels in der Wüste (gemäß einer jüdischen Überlieferung): ein einfacher Hirte wollte Gott für alles Gute danken und brachte jeden Abend eine Schale aus der Milch seiner Schafe aus dem Lager hinaus in die Wüste, wo er jeden Morgen die Schale zu seiner Freude leer auffand. Als Moses davon erfuhr, erklärte er dem Mann, Gott sei kein Geschöpf aus Fleisch und Blut, Er brauche keine Nahrung (s. Ps. 49:12-14). Als der Mann aber sagte, dass Gott sein Opfer jedes Mal annimmt, beschloss Moses, der Sache auf den Grund zu gehen. Und seine nächtliche Beobachtung ergab, dass ein junger Fuchs aus der Wüste kam und jedes Mal die Milch trank. Der Mann war nach diesem Faktencheck natürlich sehr betrübt. Doch dann erschien Gott dem Propheten und sagte zu ihm: „Es stimmt natürlich, dass Ich als Geistwesen keine Speisen zu Mir nehme. Aber dieser herzensgute Mann bringt Mir jeden Abend etwas vom Besten und Wertvollsten, was er besitzt. So beschloss Ich, diese Mir aus reinem Herzen dargebrachte Gabe mit einem Meiner Geschöpfe zu „teilen“, damit wenigstens dieses Tier auch wirklich Nutzen davon hat und ich Meine Freude daran habe“. Und so erlaubte Moses dem Mann, trotz der vorangegangenen ernüchternden Diagnose auch weiterhin Gott seine Dankesgabe zu entrichten…
Wir sehen also: „Der Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an“ (1 Kön. / 1 Sam. 16:7). Und, so gesehen, haben Frauen einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den Männern. Frauen wissen demnach, wie sie anhand ihrer heute von uns gefeierten Vorbilder Gott am besten dienen können: „Eine Gottesgabe ist eine schweigsame Frau, unbezahlbar ist eine Frau mit guter Erziehung. Anmut über Anmut ist eine schamhafte Frau, kein Preis wiegt eine auf, die sich selbst beherrscht“ (Sir. 26:14-15; vgl. 1 Petr. 3:1-5). Amen.