Predigt zum 2. Herrentag nach Ostern / Thomas-Sonntag (Antipaskha) (Apg 5:12-20; Joh. 20:19-31) (12.05.2024)
Liebe Brüder und Schwestern,
heute wollen wir uns primär der Lesung aus dem Apostelbuch zuwenden. Es geht ja an diesem Thomas-Sonntag um den Glauben – darum, dass die selig sind, welche nicht sehen und doch glauben (s. Joh. 20:29). Glauben kann man ohnehin nur an das, was man nicht sieht (s. Hebr. 11:1). Gemeint ist hiermit selbstverständlich nur das Sehen mit den leiblichen Augen. So betrachtet, hat niemand Gott je gesehen (s. Joh. 1:18; 1 Joh. 4:12). Das Sehen mit den geistlichen Augen aber, also mit den Rezeptoren, die dem Menschen zur Gotteserkenntnis gegeben sind, ist das Ziel unseres Daseins und in den neutestamentlichen Geboten ausdrücklich vorgegeben (s. Mt. 5:8). Aus diesem Grunde ist die Reinheit des Herzens unverzichtbar auf dem Weg zur Erkenntnis Gottes bzw. dessen, was wir als Glauben bezeichnen. Wer zwar vorgibt, an etwas zu glauben, aber nicht entsprechend handelt, beweist damit, dass er nicht wirklich glaubt. Wenn ich z.B. den Wetterbericht ernst nehme, dann werde ich doch bei entsprechenden Vorhersagen warme und wetterfeste Kleidung anziehen. Tue ich das nicht, gefährde ich damit meine eigene Gesundheit. So ist das auch mit dem christlichen Glauben. Wenn ich vorgeblich an Gott glaube, aber so lebe, als gäbe es das Jüngste Gericht, die Gebote und das ewige Leben nicht wirklich, beweist das, dass ich keinen Glauben habe. Wer aber glaubt, der handelt entsprechend und bedarf auch keiner empirisch wahrnehmbaren bzw. gerichtsfesten Beweise. Dennoch muss Gott manchmal nachhelfen. Er tut dies als Zugeständnis an die Schwachheit unseres Glaubens, damit wir entweder noch vor Beginn unseres Glaubenslebens den Weg zu Gott finden oder aber im Falle einer Anfechtung in unserem schon vorhandenen Glauben gestärkt werden. Ersteres sehen wir in der Frühphase der Verkündigung der Apostel nach dem Pfingstereignis in Jerusalem. Wir lesen nämlich, dass „viele Zeichen und Wunder im Volk durch die Hände der Apostel“ geschahen (Apg. 5:12), woraufhin viele Menschen, Männer und Frauen, in Scharen zum Glauben kamen (s. 5:14), wenngleich sich die Mehrheit aus Furcht vor Verfolgung durch die religiöse Obrigkeit nicht traute, sich den Aposteln offen anzuschließen. Dennoch verehrten die Volksmassen die Aposteln für ihre Taten, so dass die Leute auch aus den benachbarten Städten ihre Kranken und von unreinen Geistern Geplagte zu ihnen brachten (s. 5:13-16). In gewisser Weise trat hier schon das ein, was der Herr Seinen Jüngern vorhergesagt hatte, dass sie nämlich Seine Taten ebenfalls vollbringen werden, und sogar noch größere. So wurden zahlreiche Kranke durch den Schatten des Apostels Petrus geheilt (s. 5:15) – ein Indiz dafür, dass der Glaube im Volk wuchs. Und doch war es ein Glaube, der auf dem Gesehenen gründete. Jeder „moderne“ Atheist würde wohl bei aller agnostischer Skepsis beim Anblick offensichtlicher Wundertaten sich selbst oder seine Angehörigen heilen lassen – und dann im Nachhinein eine „wissenschaftlich fundierte“ Antwort dafür liefern. Das ist wohl der Grund dafür, warum der Herr solcherart „Zeichen und Wunder“ nicht zu jedem beliebigen Zeitpunkt und an jedem beliebigen Ort geschehen lässt. Die Menschen würden sich schnell an diese gewöhnen und keinerlei Fortschritte in ihrem Glaubensleben machen. Denn allzu oft passiert es, dass sie „sehend sehen und nicht erkennen und hörend hören und nichts wahrnehmen“ (s. Jes. 6:9; vgl. Mt. 13:13; Mk. 14:12; Joh. 12:40), umgekehrt aber Verleumdungskampagnen und bewusst gestreuten Gerüchten bereitwillig Glauben schenken (s. 1 Kön. / 1 Sam. 24:9; vgl. Lev. 19:16; Ps. 14:3; 100:5; Spr. 10:18; 12:22; Mt. 5:11; Jak. 4:11). Und manche sehen nur das Schlechte, vor allem in der Kirche. Es zeigt sich somit, dass nicht alles, was man sieht oder hört, auch geglaubt werden darf.
Was übrigens Wunder betrifft, so ist doch die ganze Welt ein einziges Wunder Gottes: Menschen, Tiere, Pflanzen, die Erde, das Weltall usw. All das existiert und funktioniert nach uns bekannten Gesetzen der Natur, wobei das größte Wunder nicht die physiologische Zusammensetzung des Menschen ist, sondern seine psychologische Beschaffenheit, die manche doch tatsächlich mit dem „Urknall“ in Einklang bringen wollen (noch so ein „Wunder“, zu dem Gott die Menschen befähigt hat...). Als Wunder bezeichnen wir heute gemeinhin solche Erscheinungen, die diesen Kreislauf der Naturgesetze durchbrechen. Aus Sicht der Kirche kann es aber sehr gefährlich sein, nach solchen Zeichen zu suchen (s. Mt. 12:38-39), weil es nämlich zu allen Zeiten Menschen gegeben hat, welche über okkultes Wissen verfügen und dadurch sehr viele gerade in geistlichen Dingen ungläubige, in trügerischen Dingen jedoch äußerst leichtgläubige Menschen verführen können (s. Mt. 24:24; Mk. 13:22; 2 Thess. 2:9-12; Offb. 13:13-14). Es ist nämlich von Gott so verfügt, dass der Glaube der Menschen diversen Prüfungen unterzogen werden muss. Wir beobachten schon in der ersten Christengeneration das Phänomen, dass sich viele zum Glauben Bekehrte nicht trauten, ihre Zugehörigkeit zur Kirche Christi offen zu bekennen (s. Apg. 5:13; vgl. Joh. 9:22; 12:42). Heute wäre es bei uns nicht anders. Wir wissen zwar nicht, wann unser Glaube bzw. die Treue zu unserer Kirche geprüft werden wird, wohl aber, dass diese Zeit unausweichlich näher rückt (s. Offb. 13:10). Erfreuen wir uns also an der uns noch verbleibenden Zeit, in der wir unseren Glauben an den auferstandenen Herrn Jesus Christus ungehindert und offen bekennen dürfen. Wollen wir uns zudem durch die auch in unserer Zeit geschehenden Zeichen und Wunder im Glauben stärken lassen, damit wir, wenn die Zeit gekommen ist, so wie einst die Apostel zu Jerusalem, Thomas mit eingeschlossen, unerschrocken im Namen Jesu Christi „dem Volke die Worte dieses Lebens“ (Apg. 5:20) verkünden können. Amen.